Protokoll der Sitzung vom 13.12.2017

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Für die AfD spricht die Abgeordnete Bessin.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Kollegen! RotRot-Grün will mit dem vorliegenden Antrag den § 219a des Strafgesetzbuches abschaffen: Verbot der Werbung für den Ab bruch der Schwangerschaft. Ich hatte gehofft, dass die Diskus sion zu diesem Thema etwas niveauloser stattfindet

(Vogel [B90/GRÜNE]: Wieso? - Heiterkeit DIE LINKE und B90/GRÜNE)

- Entschuldigung, niveauvoller stattfindet

(Kurth [SPD]: Wir verlassen uns auf Sie!)

aber Frau Bader hat gleich zu Beginn verschiedene Themen vermischt. Wir reden hier über die Bewerbung von Schwanger schaftsabbrüchen und nicht über die Thematik Schwanger

schaftsabbruch an sich. Man sollte versuchen, mit diesem The ma sachlich umzugehen

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Ach nein!)

und nicht die Gefühle derer verletzen, die von diesem Thema betroffen sind, und nicht niveaulos in diese Thematik einstei gen. Frauen haben ein Recht auf Information.

(Zuruf der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE])

Ja, das haben Frauen. Frauen bekommen von Ärzten Informati onen zum Thema Schwangerschaftsabbruch, wie wir schon ge hört haben. Das müssten Sie auch wissen; schließlich werden Sie sich mit dem Thema schon einmal beschäftigt haben. Sie finden aber auch Informationen im Internet, wenn Sie googeln. Falls Sie das noch nicht getan haben, geben Sie einfach einmal „Schwangerschaftsabbruch“ ein.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Sie haben nichts verstan den! Sie haben wirklich nichts verstanden!)

- Hören Sie doch einfach einmal zu, Frau Mächtig. Ihr Kom mentar eben zu Herrn Redmann, Männer sollten bei dem The ma lieber ruhig sein, ist wohl absolut niveaulos, oder? Männer haben bei dem Thema genauso mitzureden wie Frauen.

(Beifall AfD und der Abgeordneten Dr. Ludwig [CDU] - Frau Mächtig [DIE LINKE]: Nein, das haben sie nicht!)

Für Frau Bader zitiere ich gern noch einmal § 219a, bei dem es um die Werbung geht und nicht um die Schwangerschaftsab brüche an sich.

„Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Ver breiten von Schriften […] seines Vermögensvorteils we gen oder in grob anstößiger Weise 1. eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwanger schaftsabbruchs oder 2. Mittel, Gegenstände oder Verfah ren, die zum Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung anbietet, ankündigt, an preist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Dieser Straftatbestand gilt. Er gilt nun einmal, und es zieht ent sprechende Folgen nach sich, wenn man sich an dieses Gesetz nicht hält. Damit ist auch logisch, dass die Ärztin, von der hier mehrfach die Rede war und die vom Amtsgericht Gießen zu einer Geldstrafe von 6 000 Euro verurteilt wurde, zu Recht ver urteilt worden ist, denn Straftatbestände bzw. Gesetze gelten nun einmal für jedermann, auch wenn man sie nicht gut findet.

(Beifall AfD)

Es heißt weiterhin:

„Absatz 1 Nr. 1 gilt nicht,“

- anscheinend haben Sie diesen Teil überlesen

„wenn Ärzte oder auf Grund Gesetzes anerkannte Bera tungsstellen darüber unterrichtet werden, welche Ärzte,

Krankenhäuser oder Einrichtungen bereit sind, einen Schwangerschaftsabbruch unter den Voraussetzungen des § 218a Abs. 1 bis 3 vorzunehmen.“

Die Tatbestandsmäßigkeit ist also ausgeschlossen, wie es hier heißt.

(Frau Lieske [SPD]: Leiser!)

Zusammengefasst kann man sagen, dass man zwar nicht auf einem Werbebanner für Abtreibungen werben darf, die Infor mationen für betroffene Frauen durch Ärzte aber gar nicht ein geschränkt sind. Schauen Sie sich die Seite von Pro Familia an, welche Informationen dort gegeben werden, falls sich betroffe ne Frauen nicht trauen, zum Arzt zu gehen. Es geht hier um ein Menschenleben. Sie müssen sich einmal überlegen, worüber wir hier reden.

(Beifall AfD - Frau Mächtig [DIE LINKE]: Jetzt hören Sie auf!)

Die in Ihrem Antrag aufgestellte Behauptung, dass der § 219a die Information zu medizinischen Fragen des Schwanger schaftsabbruchs verhindert, ist vollkommen falsch. Das wissen Sie auch, wenn Sie sich damit beschäftigt haben. Genauso falsch ist die Behauptung, dass Ärzte wegen des § 219a nicht sachlich und berufsbezogen informieren könnten. Im Gegen teil: Der § 219a sichert gerade die sachliche und berufsbezoge ne Information darüber. Wollen Sie zum Thema Schwanger schaftsberatung von jemandem beraten werden, der von dem Thema keine Ahnung hat und dafür nicht qualifiziert ist? - Sie müssen sich auch einmal bewusst machen, dass eine Schwan gerschaft - Sie haben vorhin von irgendwelchen Fachärzten und Krankheiten gesprochen - keine Krankheit ist.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Ach! - Beifall AfD)

Haben Sie sich von Rot, Rot und Grün einmal überlegt, was passieren könnte, wenn § 219a tatsächlich abgeschafft würde? Wer berät dann bei einer ungewollten Schwangerschaft? - Dort werden Türen und Tore für Scharlatane geöffnet. Wie soll man dann noch unterscheiden können: Wer ist fachlich qualifiziert und wer nicht?

(Frau Muhß [SPD]: Wer sind denn die Scharlatane? - Zu rufe von der Fraktion DIE LINKE)

Damit wäre logischerweise keinem Arzt und schon gar nicht einer betroffenen Frau geholfen. Darum geht es doch aber hier.

(Frau Muhß [SPD]: Wer sind denn die Scharlatane?)

Die Beratung im Sinne des Schutzes des ungeborenen Lebens ist mit der Abschaffung des § 219a so jedenfalls nicht bestmög lich gegeben. Wir halten es daher für richtig, dass für einen Schwangerschaftsabbruch nicht wie für einen Reifenwechsel oder Haareschneiden geworben werden darf. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall AfD - Zuruf der Abgeordneten Große [DIE LIN KE])

Vielen Dank. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Nonnemacher.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Jetzt spricht end lich die Ärztin!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frauen wer den auch im Jahr 2017 hinsichtlich der Wahrnehmung ihrer se xuellen und reproduktiven Rechte staatlich bevormundet. Es erstaunt mich, mit welch breitem gesellschaftlichem Konsens diese Rechtseinschränkung, diese Beschneidung von Selbstbe stimmung über den eigenen Körper hingenommen wird. Mein Körper, meine Verantwortung? - Nein! Frauen wird bis heute nicht zugetraut, dass sie die emotionale und kognitive Reife ha ben, um die Verantwortung für sich selbst

(Frau Bessin [AfD]: Das ist völliger Blödsinn!)

und ihr ungeborenes, ungewolltes Kind zu übernehmen.

(Beifall B90/GRÜNE, SPD und DIE LINKE)

Dafür sind die §§ 218 und 219a StGB ein trauriges Beispiel. Sie bilden eine unübersichtliche juristische Gemengelage, die aus gerechnet in der emotional sehr belastenden Situation einer un gewollten Schwangerschaft Frauen so wenig Selbstbestim mung zukommen lässt.

Während große Teile der Öffentlichkeit dem Trugbild erliegen, eine Abtreibung sei Entscheidungsrecht der Betroffenen, spricht die Rechtslage eine andere Sprache. Die betroffenen Frauen werden genau in der Zeit, in der sie besonders viel Un terstützung und Rechtsklarheit bedürften, gegängelt und unter Druck gesetzt. Eine Frau, die ein Kind nicht austragen und großziehen möchte - das kann so nicht akzeptiert werden. Des halb zwingen wir Frauen zu einem Beratungsgespräch mit Be denkzeit. Dahinter steht die Hoffnung, dass sich die Frau doch noch in die ihr seit Jahrtausenden zugewiesene Rolle findet.

(Königer [AfD]: Ich denke, Sie kommen aus der Medi zin! Da sollte Ihnen das bewusst sein! - Weitere Zurufe von der AfD)

Unsere Rollenverständnisse sind übermächtig - zum Teil, weil sie sehr alt sind. Sie finden ihren Ursprung in den Gesellschaf ten der Antike, in der allein das männliche Familienoberhaupt die patria potestas, also die Macht über sämtliche Mitglieder der Familie innehatte.

(Königer [AfD]: Ach du Schande!)

In dieser Gesellschaft hatte weibliche Sexualität lediglich die Funktion der Zeugung legitimer Nachkommen. Welche Nach kommen legitim waren, darüber entschied das männliche Fami lienoberhaupt.

Die christliche Lehre stellt ebenfalls seit vielen Jahrhunderten das Selbstbestimmungsrecht der Frau infrage, indem sie das

Lebensrecht des Fötus als höherrangig wertet. In diesen Denktraditionen verhaftet darf bis heute keine ungewollt schwangere Frau über das Fortbestehen oder den Abbruch ihrer Schwanger schaft allein entscheiden, denn - um es noch einmal ganz klar zu sagen - Frauen in Deutschland haben auch heute kein Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch. Eine Abtreibung ist nur unter gewissen Umständen straflos, aber sie ist immer rechts widrig.

Insofern ist auf eine gewisse Art die aktuelle Debatte um die Verurteilung der Ärztin Kristina Hänel gut. Die Gynäkologin wurde zu einer Geldstrafe von 6 000 Euro verurteilt, weil sie auf ihrer Webseite über ihr Angebot zu Schwangerschaftsab brüchen informiert hat. Rechtsgrundlage ist § 219a StGB, der eine Werbung für Schwangerschaftsabbrüche verbietet. Ich denke, über Werbung in der Medizin hat die Kollegin Muhß hier wirklich ausführlich vorgetragen.