Protokoll der Sitzung vom 13.12.2017

- Sie können sich feiern, solange Sie wollen. Wissen Sie, wer laut ist, hat nicht zwingend Recht! - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Frau Richstein möchte entgegnen. Bitte schön.

(Zuruf des Abgeordneten Bretz [CDU])

Ich könnte jetzt fast Frau Nonnemacher zitieren: Lasst sie doch reden; sie entlarven sich selber!

(Beifall CDU)

Es war wieder ein schönes Beispiel dafür. In dem Moment, als Sie sagten, Sie haben in Ihrem Programm Inhalte, habe ich ge dacht, jetzt kommt mal einer. Aber Sie haben es dann wieder bei den Plattitüden belassen und den Beweis dafür geliefert, dass Sie eben doch keine Inhalte haben oder sie nicht umsetzen kön nen.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Golze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit wenigen Tagen liegt Ihnen nun die gedruckte Fas sung des Landesintegrationskonzeptes vor. Ich habe es Ihnen noch einmal mitgebracht; die Mitglieder des Ausschusses ha ben es ja schon. - Es tut mir natürlich leid, Frau Richstein, wenn wir als Landesregierung Sie damit enttäuscht haben. Aber ers tens ist Integration kein Projektmanagement, und zweitens ma chen wir es ja auch nicht nur für Sie, sondern für alle, die da mitarbeiten wollen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Ich jedenfalls finde: Dieses Konzept ist sehr aktuell. Es ist sehr konkret, und es beschäftigt sich mit den wirklichen Problemen der Integration.

(Beifall SPD)

Ausgangspunkt war - Sie erinnern sich - ein Beschluss des Landtags vom 2. März dieses Jahres mit dem Titel „Integration und Partizipation von Menschen mit Migrationshintergrund er möglichen“. Darin hatten Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, die Landesregierung aufgefordert, das Landesintegrationskonzept fortzuentwickeln und dies bis Herbst 2017 abzuschließen. Das ist uns trotz der sehr knappen Frist - das möchte ich hier noch einmal gesagt haben - gelun gen.

Die Landesregierung sollte dabei - das war ein Auftrag - Mei lensteine definieren und Instrumente der Evaluation festsetzen. Teil des Auftrags war es auch, Wohlfahrtsverbände, Kommu nen, Initiativen der Flüchtlingsarbeit sowie Verbände und Ver tretungen der Menschen mit Migrationshintergrund frühzeitig in diesen Prozess einzubinden. Nun liegt das Konzept in der überarbeiteten und aktualisierten Form vor, und ich möchte mich bei dieser Gelegenheit bei allen, die innerhalb und außer halb der Landesverwaltung an diesem herausfordernden Pro zess mitgewirkt haben, herzlich bedanken: Vielen Dank an die vielen Initiativen, auch an die Mitglieder des Integrationsbei rats, die trotz der knappen Frist hilfreiche Hinweise und Anre gungen gegeben haben! Den Kirchen zum Beispiel habe ich das auch schon persönlich überbracht. Vielen herzlichen Dank al len, die sich hier eingebracht haben!

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Das überarbeitete Konzept trägt den Titel „Zuwanderung und Integration als Chance für Brandenburg“, und das ist auch so gemeint. Allerdings gilt hier wie überall: Chancen müssen aktiv ergriffen werden; man kann sie bekanntlich auch verpassen.

Mit der großen Anzahl von Geflüchteten, die seit 2014 in Bran denburg eine neue Heimat suchen, waren und sind wir vor enor me Herausforderungen gestellt. Am Anfang ging es um Unter bringung und Erstversorgung. Und bei allen Schwierigkeiten, die es gab und vielleicht auch heute noch an der einen oder an deren Stelle gibt, können wir doch sagen: Das hat in Branden burg alles in allem gut geklappt, weil viele Menschen in den Verwaltungen verschiedenster Ebenen engagiert gehandelt ha ben und die Zivilgesellschaft großzügig zugepackt hat. Auf die se gemeinsame Leistung kann Brandenburg wirklich stolz sein.

Nun ist die Zeit der Integration gekommen, und diese Heraus forderung ist viel komplexer. Integration ist vielfältig, wie aus den im Landesintegrationskonzept dargestellten Handlungsfel dern hervorgeht. Die beteiligten Akteure sind zahlreich und bunt gemischt. Die erforderlichen Maßnahmen und Projekte finden praktisch in allen Bereichen der Gesellschaft statt.

All dies zeigt, dass Integration eine komplexe und nur gesamt gesellschaftlich zu bewältigende Aufgabe ist. Vor uns liegen jetzt sozusagen die Mühen der Ebene. Integrationsarbeit braucht einen langen Atem, und unser gemeinsames Ziel ist auch ein Lernprozess. Manche Maßnahme ist zum Beispiel nur für einen Teil der geflüchteten Menschen passend, und es gibt eben nicht die Geflüchtete oder den Geflüchteten, so wie es nicht die Jugend von heute gibt.

Die Menschen, die zu uns kommen, sind individuell, sind un terschiedlich - unterschiedlich in ihren Hoffnungen und Erwar tungen, aber auch verschieden in dem, was sie an Voraussetzun gen und Ressourcen mitbringen. Hinzu kommt: Integration ist von vielen Rahmenbedingungen abhängig, über die nicht allein in Brandenburg entschieden werden kann. Nicht von uns, son dern auf der Ebene der Europäischen Union und des Bundes wird festgelegt, wie viele Menschen aus welchen Ländern zu uns kommen und wie die Verfahren der Anerkennung, der Dul dung und der Aufenthaltsbeendigung geregelt werden. Daher ist das Landesintegrationskonzept auch kein klassisches Maß nahmenpaket, in dem die Projekte und Verfahren für die nächs ten Jahre festgelegt und dann abgearbeitet werden. Dafür ist das Politikfeld zu starken Veränderungen unterworfen. Wir fahren

also auch ein Stück weit auf Sicht, und das Landesintegrations konzept dient dabei als Orientierung. Es setzt Rahmenbedin gungen, die von vielen Partnerinnen und Partnern der Integrati onspolitik mit Engagement ausgefüllt werden.

Mit der Fortschreibung und Weiterentwicklung seit 2014 haben wir nunmehr die veränderten Herausforderungen durch die ge stiegenen Zugangszahlen von Asylsuchenden und Geflüchteten berücksichtigt. Wir haben das Erreichte festgehalten, die aktu ellen Aktivitäten aufgezeigt und Zukunftsperspektiven eröffnet. Nun muss dieses überarbeitete Konzept umgesetzt und mit Le ben erfüllt werden. Dazu muss natürlich auch festgestellt wer den - das war ebenfalls ein Auftrag des erwähnten Landtagsbeschlusses -, was klappt und was nicht funktioniert.

In einem Monitoringprozess sollen dabei Zwischenstände der Umsetzung erhoben, diskutiert und die Maßnahmen gegebe nenfalls weiterentwickelt werden. Dies erfolgt gemeinsam mit allen integrationspolitischen Akteuren, mit den Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft in den einzelnen Hand lungsfeldern. Wir brauchen hierfür ihre Erfahrungen aus der konkreten Integrationsarbeit vor Ort und die Fachkompetenz des Landesintegrationsbeirats.

Sehr geehrte Damen und Herren, Zuwanderung bedeutet eine dauerhafte Veränderung für Brandenburg. Es geht um Vielfalt, und es ist auch eine Chance. Integration heißt, dass sich bisher Fremde auf die deutsche Kultur zubewegen und diese Kultur damit zugleich bereichern und verändern. Natürlich treten da bei auch Probleme auf. Auf beiden Seiten - sowohl auf der Sei te der Aufnahmegesellschaft als auch auf der Seite der Geflüch teten - gibt es offene und verschlossene, freundliche und weniger freundliche Menschen.

Mir liegt viel daran, dass wir offen über die Erfolge, aber auch über die Schwierigkeiten der Integration sprechen. Wir in Bran denburg setzen aber eine klare, eine sehr deutliche Grenze dort, wo Hass, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit oder sogar Ge walt zutage treten, denn das sind keine Argumente. Unser Land steht für Respekt, Wertschätzung und Vielfalt in der Gesell schaft.

(Beifall DIE LINKE, SPD und B90/GRÜNE)

Uns allen ist klar, dass Integration Anstrengungen, Offenheit und Verstehenwollen erfordert, dass es aber auch Veränderung sowohl jenen, die hinzukommen, als auch von uns, die wir schon da sind, bedeutet. Unsere Landesgeschichte zeigt, dass Brandenburg und die hier lebenden Menschen Integrationsleis tungen sehr erfolgreich vollbringen können. Integration kann nur gelingen, wenn Menschen aufeinander zugehen und einan der kennenlernen.

Mit dem Landesintegrationskonzept formulieren wir konkrete Handlungsansätze, Ziele und Aktivitäten, wie das gelingen kann. Es ist in sieben Handlungsfelder gegliedert: Integration durch interkulturelle Öffnung und Willkommenskultur, durch Überwindung von Ausgrenzung, Diskriminierung und Rassis mus, durch Bildung, durch berufliche Perspektiven, durch ge sundheitliche Versorgung, durch eine zeitgemäße Asyl- und Flüchtlingspolitik und gesellschaftliche Teilhabe.

Bei der Aktualisierung des Handlungsfeldes 6, der Asyl- und Flüchtlingspolitik, wurde die Zuwanderung von Geflüchteten

seit 2014 besonders berücksichtigt. Hier stehen Themen wie die Unterbringung in den Kommunen, Migrationssozialarbeit, Ge waltprävention und Gewaltschutz in Einrichtungen der vorläu figen Unterbringung sowie die besondere Situation von ge flüchteten Frauen und Kindern im Fokus.

Abschließend möchte ich noch einmal betonen, dass Zuwande rung und Integration Chancen für Brandenburg ermöglichen. Wir sollten sie gemeinsam und aktiv nutzen und auch gestalten, damit wir schon bald nicht mehr von Geflüchteten, sondern von Brandenburgerinnen und Brandenburgern sprechen.

(Beifall DIE LINKE)

Schließlich ist die Fluchtgeschichte nur ein sehr kleiner, viel leicht wirklich minimaler Teil des Lebens der Menschen, die zu uns gekommen sind; denn sie haben alle einen ganz individuel len Hintergrund und eine Lebensgeschichte, und die Flucht macht nur wenige Wochen oder Monate ihres Lebens aus. Inso fern sollten wir sie hier als das anerkennen, was sie sind: Men schen hier in Brandenburg. - Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Frage?

Ich war eigentlich fertig.

(Frau Bessin [AfD]: Das war aber schon vorher ange zeigt!)

Danke. - Das Wort erhält nun die Abgeordnete Lehmann für die SPD-Fraktion.

(Der Abgeordnete Königer [AfD] hält die Kurzinterventi onskarte hoch. - Vogel [B90/GRÜNE]: Die Rede war be endet!)

- Das ist nun zu spät.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Im Oktober dieses Jahres wurden Branden burg von der Zentralen Ausländerbehörde 269 Personen zuge wiesen. Mit 525 Personen war der Januar der Monat mit den meisten Zuweisungen. Für das Jahr 2017 geht das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie von einem Aufnahmesoll von insgesamt 6 200 Personen aus.

Wir blicken einige Jahre zurück und erinnern uns noch recht gut: Im Jahr 2014 sind noch 5 300 Personen aufgenommen und untergebracht worden, im Jahr 2015 waren es bereits mehr als 25 500 und 2016 knapp 10 000 Asylsuchende, die es im Lande zu verteilen galt. Diese Jahre umfassen den Zeitraum unseres ersten Integrationskonzeptes und verdeutlichen gleichermaßen die großen Herausforderungen in dieser Zeit, und zwar ganz besonders des Jahres 2015.

Etwa 890 000 Schutzsuchende in Deutschland haben unser Land und unsere Gesellschaft auf eine große Probe gestellt, und Brandenburg hat diese Situation gut bestanden. Das ist das Er gebnis des besonderen Engagements vieler Akteurinnen und Akteure in Behörden und Verwaltungen, in Wohnverbünden und Beratungsstellen, in den Gemeinschaftsunterkünften, in der Wohlfahrtspflege, in Schulen und Kitas. Mit Unterstützung der unzähligen Ehrenamtlichen hat Brandenburg ein Gesicht der Menschlichkeit gezeigt.

(Beifall SPD sowie der Abgeordneten Nonnemacher [B90/GRÜNE] und Loehr [DIE LINKE])

Viele Brandenburgerinnen und Brandenburger haben mit ihrem Engagement den Begriff der Willkommenskultur mit Leben er füllt. Im Namen der SPD-Fraktion sage ich dafür nochmals al len ein herzliches Dankeschön.

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie der Abgeordneten Non nemacher [B90/GRÜNE])

Hier ist etwas Großartiges in einer unglaublich vielfältigen, netzwerkartigen Struktur entstanden. Wir Politikerinnen und Politiker sollten das dankbar aufgreifen. Ein gesetzlicher Rah men mit unverrückbaren Regeln, wie es im Integrationsgesetz entwurf der CDU formuliert ist, wäre aber genau die falsche Antwort. Gerade der partizipative Prozess innerhalb dieser Strukturen auf Landes- und kommunaler Ebene - eingebettet in die Verbands-, Vereins- und Ehrenamtsstrukturen und bezogen auf alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Bildung, Arbeitsmarkt, Gesundheit, Kultur und Wissenschaft - hat die sen komplexen Ansatz der brandenburgischen Integrationspoli tik erst ermöglicht.

Dies alles ist natürlich eingebettet in rechtliche Normen der EU, des Bundesgesetzgebers und des Landesgesetzgebers. Ge rade die Novellierungen auf Bundesebene haben zum einen das Prinzip „Fordern und Fördern“ verstärkt, zum anderen aber auch verschärfte Sanktionen bei Integrationsunwilligkeit, eine neue Wohnsitzauflage und einen Abbau von Abschiebungshin dernissen eingeführt. An diesem Rahmen hat sich die branden burgische Integrationspolitik zu orientieren, und genau das er füllt das Integrationskonzept.

Zuwanderung und Integration verstehen wir in Brandenburg als Chance; wir sehen die Potenziale der Menschen mit Migrati onshintergrund. Integrationspolitik trägt dazu bei, die Zu kunftsfähigkeit des Landes zu sichern und Brandenburg offe ner, attraktiver und lebenswerter zu gestalten. Das hat übrigens schon der Große Kurfürst erkannt, als er nach dem Dreißigjäh rigen Krieg um Ausländerinnen und Ausländer warb, um die Kriegsfolgen zu beseitigen. Brandenburg ist somit ein Land mit langer Zuwanderungstradition.

Das vorliegende Integrationskonzept beschränkt sich nicht auf das Erreichte und die aktuellen Aktivitäten, Frau Richstein, sondern zeigt auch Perspektiven für die Zukunft auf.