Protokoll der Sitzung vom 15.05.2019

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Eine Frage stellte sich mir schon bei der ersten Lektüre Ihres Gesetzes: Warum so unverbindlich? Für die anstehenden Kommunalwahlen 2019 bilden Frauen nur 29 % der Kandidie

renden, auf der kreislichen Ebene sogar nur 27,8 % - und das vor dem Hintergrund, dass nach der Verabschiedung des Parité-Gesetzes am 31.01.2019 intensiv über den Anteil von Frauen auf den Wahllisten debattiert wurde. Die Aufstellung der Wahllisten stand also unter besonderer Beobachtung, ohne dass dies zu einem überzeugenden Ergebnis geführt hätte. Es besteht also Handlungsbedarf, und hat uns doch die Geschichte gezeigt, dass im Bereich der Durchsetzung von Frauenrechten mit unverbindlichen Vorschlägen nur wenig zu gewinnen war. Nie wäre es auch nur zu einer annähernden Gleichberechtigung gekommen, hätten sich nicht Elisabeth Selbert, eine der Mütter unseres Grundgesetzes und Juristin der ersten Stunde in West deutschland, oder Elli Schmidt, damals Vorsitzende des Demo kratischen Frauenbundes Deutschland in Ostdeutschland, für feste, verbindliche Regelungen eingesetzt.

(Beifall des Abgeordneten Christoffers [DIE LINKE])

Nur so haben wir viel erreicht bei der Gleichheit vor dem Gesetz.

Heute geht es um Chancengleichheit, für die ebenfalls die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen. Der Gesetzentwurf der CDU enthält hierzu einige vernünftige Ansätze, die wir in jedem Fall umsetzen sollten. Regelungen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Mandat und Familie etwa durch die Übernahme von mandatsbedingten Kinder betreuungskosten oder die Bereitstellung von statistischem Datenmaterial wären hier zu nennen. Einige dieser sinnvollen Forderungen haben wir in einen gemeinsamen Entschließungs antrag mit den Koalitionsfraktionen aufgenommen, für den ich um Zustimmung bitte. Auch die vorgeschlagenen Regelungen zur Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen für Eltern sind sehr zu begrüßen und haben meine volle Unterstützung. Doch was die paritätische Beteiligung von Frauen im politischen Leben, bei Kandidaturen und Mandatsausübung angeht, so haben unverbindliche Soll-Regelungen, wie der Gesetzentwurf der CDU sie für die Wahlgesetze vorsieht, in anderen Bundes ländern keine merkliche Wirkung entfaltet. In Baden-Württem berg, welches über eine ähnliche Regelung in seinem Kommu nalwahlgesetz verfügt, konnte damit ein stolzer Frauenanteil bei den letzten Kommunalwahlen von 23,9 % in den Gemein deräten und von sagenhaften 18,9 % in den Kreistagen erreicht werden. In Rheinland-Pfalz wurde die Änderung des Wahlge setzes 2014 mit einer Soll-Regelung von einem Anstieg des Frauenanteils von 1,4 % begleitet. So kommen wir nicht weiter.

Für die Landesebene sind wir mit unserem Parité-Gesetz einen großen Schritt vorangegangen. Gleiches wollen wir in der 7. Wahlperiode auch für die kommunale Ebene auf den Weg bringen.

Mit einer Formulierung wie der vorliegenden könnten wir uns allenfalls das Gefühl verschaffen, etwas zu tun. Die Realität würde sich nicht substanziell ändern. - Ich danke Ihnen.

(Beifall B90/GRÜNE und DIE LINKE sowie der Abge ordneten Geywitz [SPD])

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Das Wort erhält die Landesregie rung. Zu uns spricht Herr Minister Schröter.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Es fällt mir schwer, jetzt etwas Neues hinzuzu fügen - das meiste ist gesagt.

Grundsätzlich - das wissen Sie - ist mit dem Parité-Gesetz, das der Landtag hier im Januar verabschiedet hat und das am 30. Juni des kommenden Jahres in Kraft treten wird, eine ver pflichtende geschlechterparitätische Landeslistenaufstellung vorgesehen. Das ist natürlich weitergehend als der Antrag der CDU-Fraktion.

Im Ergebnis der umfangreichen parlamentarischen Beratungen zu geschlechterparitätischen Regelungen im Wahlrecht hat der Landtag entschieden, im Parité-Gesetz keine geschlechterpari tätischen Regelungen für die Kommunalwahlen vorzusehen. Entsprechende Regelungen sollen dem neuen Landtag vorbe halten bleiben.

- Meine Uhr läuft noch nicht, Frau Präsidentin. Aber ich bin auch gleich fertig.

(Allgemeine Heiterkeit - Bischoff [SPD]: Er spricht auch nicht mehr lange!)

In den Artikeln 3 und 4 beinhaltet der Gesetzentwurf der CDUFraktion Änderungen des Landesgleichstellungsgesetzes und der Kommunalverfassung. Im Rahmen der parlamentarischen Anhörungen wurde seinerzeit darauf hingewiesen, dass das Landesgleichstellungsgesetz der falsche Ort für die angestreb ten Regelungen sei und die vorgeschriebenen kommunalver fassungsrechtlichen Änderungen nicht mehr als Klarstellungen seien. Der Intention des Antrages wurde zudem bereits durch den Landtagsbeschluss - auch das wurde erwähnt - vom 15.11.2018 Rechnung getragen.

Neu kann ich jetzt hinzusetzen: Wir befinden uns hinsichtlich unserer Musterentschädigungssatzungen oder -regelungen be reits in der Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbän den und auf einem guten Weg. Hier können wir also demnächst eine einvernehmliche Regelung vorlegen. Insofern, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, ist Ihr Antrag eigentlich entbehrlich.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Wir kommen zur Abstimmung. Zuerst lasse ich über die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschus ses für Inneres und Kommunales mit dem Titel „Gesetz zur Chancengerechtigkeit bei der politischen Teilhabe (Branden burgisches Chancengerechtigkeitsgesetz - BbgChG)“ auf Drucksache 6/11363 abstimmen. Wer der Beschlussempfeh lung und dem Bericht des Ausschusses für Inneres und Kom munales folgt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstim men? - Enthaltungen? - Damit wurden die Beschlussempfeh lung und der Bericht mehrheitlich angenommen und der Ge setzentwurf abgelehnt.

Wir kommen zur nächsten Abstimmung: über den Entschlie ßungsantrag der Fraktionen SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS

90/DIE GRÜNEN mit dem Titel „Grundlagen für die Chancen gerechtigkeit im Kommunalwahlrecht verbessern!“ auf Druck sache 6/11389. Wer dem Entschließungsantrag der Fraktionen SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN folgt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltun gen? - Damit ist der Entschließungsantrag mehrheitlich ange nommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 9 und rufe Tagesordnungs punkt 10 auf:

Gesetz zur Änderung der Brandenburgischen Bau ordnung

Gesetzentwurf von 4 Abgeordneten

Drucksache 6/10985

1. Lesung

Des Weiteren liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/11388 vor.

Ich eröffne die Aussprache. Zu uns spricht der Abgeordnete Loehr als Einbringer. Bitte schön, Herr Loehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Sehr verehrte Gäste! Ist ein Boot ein Boot oder ist ein Boot möglicherweise eine bauliche Anlage? Diese Frage treibt Besitzer von Sport- und Hausbooten in Brandenburg seit gut drei Jahren um, denn es gibt Beseitigungsverfügungen oder ähnliche Schreiben der unteren Baubehörden aus Oberhavel, Märkisch-Oderland und Ostprignitz-Ruppin. Presseöffentlich bekannt - aus diversen Zeitungen und Fernsehberichten seit Juni 2018 - ist Ihnen allen sicherlich der Fall von Ralf Günther.

Im August 2018 bat mich eine Fraktionskollegin, mich als fachpolitischer Sprecher für Tourismus und Wirtschaft dieses Falls anzunehmen. Wir hatten bereits im September die erste Behandlung im Plenum mit dem gleichen Ansinnen, nämlich die Bauordnung dahingehend zu verändern. Diesen Antrag haben wir damals noch abgelehnt, und ich war selbst der Auf fassung, wir könnten das auf der Ebene des Landkreises klären. Diese Einschätzung erwies sich aber als Trugschluss: Es gab davor und danach eine ganze Reihe von Gesprächen mit der Fachabteilung des MIL, der Hausleitung, mit Fachleuten aus anderen Ministerien und der TMB. Es gab einen regen Aus tausch von Briefen und E-Mails. Die Haltung des Infrastruk turministeriums war unverändert: keine Äußerungen zu laufen den Verfahren, kein Regelungsbedarf, es handelt sich um einen Einzelfall. - Nach einer direkten Anfrage erhielt ich im Januar 2019 die Antwort:

„Nach Auswertung der Entscheidung des Verwaltungsge richts in der Hauptsache, die zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorliegt, werden die Vollzugshinweise gegebenen falls konkretisiert oder ergänzt.“

Man muss aber sagen: Es gab keine Vollzugshinweise, ledig lich das Urteil des OVG wurde den unteren Baubehörden be

kannt gegeben. Mit dieser Haltung belastet man aus meiner Sicht völlig unnötig die Gerichte im Land und belästigt Besit zer von Hausbooten, die darüber hinaus um ihr Hab und Gut fürchten müssen. Damit entsteht Schaden für den gesamten Wassertourismus in Brandenburg.

Über das Referat 24 besteht jedoch die Möglichkeit, dass man das Baurecht, für das das MIL verantwortlich ist, im Land ein heitlich anwendet, denn die unteren Bauaufsichtsbehörden sind verantwortlich, die Pflichtaufgaben nach Weisung zu erfüllen. Das heißt: Man könnte Weisungen erteilen, Vollzugshinweise erlassen oder mit einem Runderlass arbeiten. All das ist bisher nicht passiert.

Im März hatten wir das Thema Schleusen im Plenum: Auch dort gab es die Bitte, sich der Problematik anzunehmen, damit das Ganze abgeräumt wird. Es gab einen Austausch mit den Vertretern des Wassertourismus in Oranienburg - leider ist auch dort nichts passiert.

Nun gibt es einen ungewöhnlichen Weg: Es gibt einen Gesetz entwurf von vier Abgeordneten und darüber hinaus einen Ent schließungsantrag der Koalitionsfraktionen. Im Grunde könnte man sagen: Man muss das Gesetz nicht ändern. Der Entschlie ßungsantrag geht ein Stück weiter: Er räumt das Thema ab. Aber: Ich werde meine Entscheidung zur Abstimmung davon abhängig machen, wie die Ministerin jetzt hier gedenkt, diesen Entschließungsantrag umzusetzen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU und des Abgeordneten Büchel [DIE LIN KE])

Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht die Abgeordnete Lieske für die SPD-Fraktion.

Verehrte Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Loehr bzw. liebe Einbringer des vorliegenden Gesetzentwurfs! Hintergrund Ihres Gesetzentwurfs ist der Ein zelfall aus dem Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Er hat - das muss ich an dieser Stelle sagen - zunehmend für Verunsiche rung gesorgt. Er hat alle Medienarbeit, die für so ein Projekt denkbar ist, zur Anwendung gebracht. Dafür, Herr Günther, muss ich Ihnen Respekt zollen - keine Frage.

Ich hätte mir auch wirklich zum heutigen Tag gewünscht, dass die Entscheidung in der Sache schon lange gerichtlich abge räumt wäre, zumal für uns im Landtagsplenum, wie schon ein mal hier verhandelt, weiterhin klar ist, dass Hausboote - mögen sie auch wie Häuser aussehen -, wenn sie schwimmfähig und als Wasserfahrzeuge gekennzeichnet sind, nicht der Bauord nung unterliegen. Das ist die eindeutige Rechtslage.

Boote, Schiffe etc., die sich dauerhaft - ortsfest - an einer Stelle befinden und für Zwecke, die baugenehmigungspflichtig sind, genutzt werden, unterliegen der Bauordnung. Für ein Boot oder Schiff, das nicht mehr bewegt wird, sondern fest verortet ist, gilt die Bauordnung. Beispiele wären ein Pensionsschiff, das dauerhaft an einem Ort festgemacht ist, oder ein Schiff, das als Restaurant genutzt und nicht mehr bewegt wird. Auch bei Wikipedia können wir uns darüber informieren, was überwie

gend in den einzelnen Baurechten geregelt ist und wie man mit dem Thema Ortsfestigkeit umgeht.

(Frau Richstein [CDU]: Wikipedia!)

- Ja, auch Wikipedia.

Natürlich ist es nicht ganz unumstritten.

(Genilke [CDU]: Ganz dünnes Eis, Jutta!)

- Nein, das ist auch die von Ihnen vorgelegte Gesetzesänderung nicht, Herr Genilke. Die wäre im Einzelfall immer wieder an greifbar, weil man das nachweisen muss.

Der Fall, den Sie uns hier aus Ostprignitz-Ruppin vorgetragen haben, beschäftigt uns natürlich - das ist keine Frage -, und trotzdem gilt die Bauordnung, die keine Regelung hat, wonach Sportboote unter sie fallen.

(Frau Richstein [CDU]: Eben!)

Ich habe vorhin schon dem RBB bekannt gegeben, warum eine Länge von 2,50 m bis 24 m gilt: Sie haben damit die Definition von Sportbooten aus der Schifffahrtsverordnung übernommen.

(Genilke [CDU]: Das steht in euren Gesetzen!)

Alles, was darunter- oder darüberliegt, fiele dann in den Rege lungsbereich der Bauordnung.