Protokoll der Sitzung vom 15.05.2019

tember unsere Bilanz vorlegen und uns den Wählern stellen. Ich bin der festen Überzeugung, dass Rot-Rot in diesem Land politisch einiges bewegt und viel auf den Weg gebracht hat,

(Beifall DIE LINKE und SPD)

in dem Wissen darum, dass Herausforderungen vor uns liegen, aus verschiedenen Gründen nicht alle Entscheidungen getrof fen werden konnten, und vor allem, dass wir uns in der neuen Legislaturperiode neuen Bedingungen zu stellen haben.

Meine Damen und Herren, uns wurde schon sehr oft Zerfall und Chaos unterstellt.

(Zuruf von der SPD: Der Wunsch als Vater des Gedankens!)

Im Prinzip haben wir als Koalition immer einen Weg gefunden und den Beweis dafür angetreten, dass wir gemeinsam hand lungsfähig sind.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Drittens und letztens: Der Finanzminister hat deutlich gemacht, dass es jetzt eine Prüfung, eine weitere Untersetzung eines Beschlusses gibt. Völlig klar ist, dass das mit der Beschluss fassung zum jetzigen Doppelhaushalt noch gar nicht berück sichtigt werden konnte. Natürlich wird es Aufgabe eines neuen Parlaments sein, eine Abwägung nachzuvollziehen oder zu einer anderen Abwägung zu kommen, aber dazu muss es erst einmal eine Abwägung geben. Insofern ist das sicherlich ein Auftrag an die Politik, den sie in der nächsten Legislatur periode auch erfüllen wird. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Herr Abgeordneter Bretz, möchten Sie reagieren? - Er möchte nicht reagieren.

(Frau Lehmann [SPD]: War wohl anders verabredet?)

Ich schließe die Aussprache. Ich rufe zur Abstimmung über den Antrag „Keine Schnellschüsse, sondern ein BehördenStandortkonzept für ganz Brandenburg“ der CDU-Fraktion und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Druck sache 6/11308 auf. Wer stimmt dem Antrag zu? - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Damit ist der Antrag mehr heitlich abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 4 und ich rufe Tagesord nungspunkt 5 auf:

Flächenverbrauch und -nutzung in Brandenburg

Große Anfrage 34 der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 6/10227

Antwort der Landesregierung

Drucksache 6/10977

Des Weiteren liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/11381 vor.

Die Aussprache wird von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eröffnet. Der Abgeordnete Jungclaus hat das Wort. Bitte schön.

(Einige Abgeordnete verlassen den Saal.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! So war das mit der Fläche nicht gemeint: dass einige hinausgehen, um den Verbleibenden hier mehr Fläche zu geben.

Als wir im Dezember letzten Jahres unsere Anfrage an die Landesregierung zum Thema Flächenverbrauch richteten, konnten wir nicht absehen, dass jetzt, fünf Monate später, ein UN-Report erscheint, der vor einer unmittelbar bevorstehen den, extremen Beschleunigung des weltweiten Artensterbens warnt. Die unmissverständliche Aussage des Berichts vom Weltbiodiversitätsrat IPBES lautet:

„Wenn die Menschheit nicht schnellstmöglich ihre Wirt schafts- und Lebensweise umstellt, wird sie zum Toten gräber der Artenvielfalt und zerstört damit ihre eigene Existenz.“

Bei diesem Thema geht es nicht um irgendeine vermeintliche Öko-Romantik, sondern es geht um unsere eigene Lebens grundlage.

(Beifall B90/GRÜNE)

Als Ursache steht neben dem Klimawandel dabei ganz oben die veränderte Nutzung von Land und Ozeanen. 60 % der Landoberfläche sind heute durch menschlichen Einfluss beein trächtigt. Die von Städten bedeckten Gebiete haben sich seit dem Jahr 1992 verdoppelt. Man kann natürlich sagen: Bran denburg betrifft das eigentlich gar nicht. Aber selbst bei einer nur gering wachsenden Bevölkerung schreitet hier die Flächen inanspruchnahme ständig voran.

„Wir wissen mehr über die Bewegung der Himmelskörper als über den Boden unter unseren Füßen“, schrieb Leonardo da Vinci schon vor über 500 Jahren. Das System unter unseren Füßen ist weiterhin wenig erforscht und vielleicht deshalb ein politisch vernachlässigtes Thema. Wenn man sich aber näher mit dem Boden beschäftigt, findet man es eigentlich unfassbar, was da so alles vor sich geht: Dort gibt es Milliarden an Über lebenskünstlern, vom Regenwurm bis zu Pilzen und Bakterien, die Totes in Lebendiges verwandeln.

Wie der IPBES-Bericht zur Artenvielfalt ist auch die Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage zum Flächen verbrauch in Brandenburg ein radikales Dokument - leider das Dokument eines radikalen Nichtstuns. Ja, die Zunahme des Flächenverbrauchs ist nicht mehr so dramatisch, wie sie einmal war. Über einen Zeitraum von fünf Jahren betrachtet - von 2012 bis 2016 - verbrauchen wir aber immer noch knapp 4 ha, und zwar täglich, wobei mit „Flächenverbrauch“ die tägliche Neuinanspruchnahme von Freifläche durch Siedlungs- und Verkehrsflächen gemeint ist. Der Flächenverbrauch ist nicht

gleich Versiegelung. In der Summe wird etwa die Hälfte der verbrauchten Fläche tatsächlich versiegelt.

Die Bundesregierung hat das Ziel ausgegeben, bis zum Jahr 2030 nur noch maximal 30 ha Siedlungs- und Verkehrsflächen am Tag zu verbrauchen. Das Umweltbundesamt hat diese Zahl für Brandenburg auf täglich maximal 1,3 ha herunterge brochen. Die erste Forderung in unserem Antrag ist deshalb die Begrenzung auf diese 1,3 ha. Das müsste zeitnah gesetzlich verankert werden.

(Beifall B90/GRÜNE)

Hierfür schlagen wir das Brandenburger Landesplanungsge setz vor. In Schleswig-Holstein beispielsweise steht das 1,3-ha-Ziel im Landesentwicklungsplan. Zur Erinnerung: Mo mentan liegen wir noch beim dreifachen Wert. Der Sachver ständigenrat für Umweltfragen empfiehlt gar das Netto-NullZiel, was bedeuten würde, bei jeder Flächeninanspruchnahme eine Kompensation durch Entsiegelung an anderer Stelle vor zunehmen. So gesehen ist unsere Forderung noch recht zu rückhaltend.

Eine verbindliche qualifizierbare Vorgabe zur Verringerung der Flächeninanspruchnahme wäre auch die Voraussetzung, um ein Handelssystem mit Flächenausweisungsrechten zu etablieren, womit wir zu unserer zweiten Forderung kommen:

Analog zum Emissionshandel wollen wir prüfen, inwiefern mit einem System von Flächenzertifikaten das Ziel von 1,3 ha er reicht werden kann. Dies geht auf einen Vorschlag der Kom mission für Bodenschutz beim Umweltbundesamt zurück. Ein Forschungskonsortium hat hierzu bereits einen Modellversuch erarbeitet und entsprechende Inhalte, Zielsetzungen sowie einen Arbeits- und Ablaufplan zum Handel mit Flächenzertifi katen beschrieben.

Es sind aber nicht nur die Siedlungs- und Verkehrsflächen, die Druck auf unsere Böden ausüben - Land wird auch für Roh stoffe aufgebrochen, und schwere Landmaschinen verdichten die Böden. Inzwischen findet man auf über 80 % der Agrar flächen in Europa Pestizidrückstände. Völlig entmutigend ist daher, dass die Landesregierung es bis dato nicht geschafft hat, die Leitlinien der „Guten fachlichen Praxis“ der landwirt schaftlichen Bodennutzung zu überarbeiten - dem expliziten Arbeitsauftrag des Landtags zum Trotz.

(Beifall B90/GRÜNE)

Die schnellstmögliche Umsetzung dieses Landtagsbeschlusses ist daher eine weitere Forderung unseres Antrags. Hinzu kommt die Einführung eines wirksamen Flächenmanagements, was zunächst natürlich eine ordentliche Datenerhebung vor aussetzt.

Zur Versieglung enthält die Antwort der Landesregierung noch nicht einmal Zahlen, wenn das auch deutschlandweit so ist. Wir hatten beispielsweise konkret danach gefragt, wie viel Fläche für den Aus- und Neubau von Bundes- und Landes straßen versiegelt wurde. Wenn man sich ein wenig Mühe gemacht hätte, hätte man durchaus auf diese Zahlen für Bran denburg - sie liegen deutschlandweit vor - kommen können.

Seit 2008 wurden rund 113 km an Bundes- und Landstraßen realisiert. Wenn man von einem durchschnittlichen Standard ausgeht, kommt man auf über 100 ha zusätzliche Bodenversie gelungsfläche für diese Straßenkategorie. Die zusätzlichen 92 km an Autobahnfahrspuren in Brandenburg seit 2008 ma chen über 30 ha aus. Allein die A14 entspricht auf Brandenbur ger Gebiet 83 ha versiegelter Fläche.

Weil wir vorhin schon einmal darüber gesprochen haben, möchte ich kurz noch auf den Wohnungsbau eingehen. Kritiker des Flächenschutzes verweisen auf die Wohnungsnot in den wachsenden Städten und Gemeinden und auf die Notwendig keit, schnell bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Wir müssen uns als Gesellschaft aber auch die Frage nach den Ursachen der Wohnungsnot stellen. In den neuen Bundeslän dern ist der durchschnittliche Wohnraum pro Kopf seit 1990 um sage und schreibe über 60 % auf inzwischen 43 m² pro Kopf gestiegen. Hier gilt vermutlich Ähnliches wie beim Konsum: Es muss immer mehr sein.

Während die Baufertigstellung von Wohneinheiten im platz sparenden Geschosswohnungsbau nur geringfügig anwächst, ist die Zahl der Fertigstellungen bei Einfamilienhäusern und Doppelhaushälften rasant gestiegen. Ich finde es daher sehr gut, dass die Landesregierung mit dem eben beschlossenen Wohnraumförderungsgesetz auch mehr auf gemeinschaftliches Wohnen setzt.

(Beifall B90/GRÜNE)

Was die Landesregierung zum Zwecke des Flächenschutzes fabriziert, finde ich leider weniger großartig. Das könnte man fast schon fahrlässig nennen. Brandenburg, ohnehin schon eine Wüste, wird immer trockener. Einige Arten - beispielsweise der Ameisenlöwe - sind perfekt an die sandigen Bedingungen angepasst. Die meisten anderen Arten, inklusive uns selbst, sind es nicht. Sie sollten also schon aus eigenem Interesse un serem Antrag zustimmen.

Ich freue mich jetzt auf eine interessante Debatte. - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt DIE LINKE)

Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Roick.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste und Zuschauer an den Computern!

(Heiterkeit bei B90/GRÜNE)

- Ja, manche schauen uns im Internet zu. Die Enquetekommis sion hat unter anderem angestoßen, dass auch die Ausschuss sitzungen im Internet übertragen werden.