Protokoll der Sitzung vom 14.06.2019

„Bericht zur Umsetzung des Aktionsplans für Akzeptanz von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt, für Selbstbe stimmung und gegen Homo- und Transphobie in Bran denburg“ zum Beschluss des Landtages Brandenburg vom 09. Juni 2016 (Drucksache 6/4295 [ND]-B)

Bericht der Landesregierung

Drucksache 6/11476

Ich eröffne die Aussprache. Zu uns spricht Frau Ministerin Ka rawanskij für die Landesregierung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute kommt die Landesregierung dem Beschluss des Landtags vom Juni 2016 nach und legt den Bericht zum Stand der Umsetzung des Aktionsplans „Queeres Brandenburg“ vor.

Im Ergebnis kann ich feststellen, dass sich dieser Aktionsplan als ein zentraler Meilenstein auf dem Weg zu mehr Akzeptanz und Vielfalt von geschlechtlicher und sexueller Identität, voll ständiger Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen, bise xuellen, transsexuellen, intersexuellen sowie queeren Men schen und zu entschiedenem Eintreten gegen die Diskriminie rung in unserer Gesellschaft erweist.

Dieser Weg wurde in Brandenburg bereits mit der Verabschie dung der Landesverfassung 1992 als Ergebnis einer Volksab stimmung begonnen, indem in Artikel 12 Abs. 1 ein Diskrimi nierungsverbot aufgrund der sexuellen Identität verankert wur de und entscheidende weitere gesetzliche Klarstellungen folg ten.

Auf Bundesebene war der Beschluss des Bundesverfassungs gerichts zur Einführung der Option beim Geschlechtseintrag neben „männlich“ und „weiblich“ im Personenstandsrecht durch den Bundesgesetzgeber bis Ende des Jahres 2018 - also bis zum Ende letzten Jahres - umzusetzen. Letztes Jahr folgten dann die Folgeänderungen wie das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts und die Erste Verordnung zur Änderung der Personenstands verordnung.

Brandenburg hat gemeinsam mit anderen Bundesländern - un ter anderem mit Rheinland-Pfalz, Hamburg und Berlin - in den letzten Jahren zahlreiche Bundesratsinitiativen unterstützt. Da bei möchte ich zum Beispiel an die Entschließung des Bundes rats zur Aufhebung des Transsexuellengesetzes, zur Erarbei tung eines Gesetzes zur Anerkennung der Geschlechtsidentität und zum Schutz der Selbstbestimmung bei der Geschlechterzu ordnung oder auch an die Verbesserung der Rehabilitierung, Entschädigung und Versorgung der nach 1945 in beiden deut schen Staaten von § 175 ff. Strafgesetzbuch der Bundesrepub lik bzw. der DDR Betroffenen erinnern.

Auf Landesebene haben wir die Umsetzung des Aktionsplans für Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt, für Selbstbestimmung und gegen Homo- und Transphobie in Bran denburg - bekannt als Aktionsplan „Queeres Brandenburg“ - engagiert fortgesetzt.

Meine Damen und Herren, ich denke, 2018 war ein gutes Jahr für die Sichtbarkeit und die Akzeptanz für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender, intergeschlechtliche und queere Menschen in unserem Land und ein starkes State

ment für eine vielfältige und offene Gesellschaft. Ich bin froh, dass wir in Brandenburg mit dem Aktionsplan gemeinsam auf dem Weg sind, die sexuelle und geschlechtliche Vielfalt mehr und mehr im Alltag zu etablieren. Dabei helfen uns moderne Gesetze, Projektarbeit und vieles andere mehr.

Aber Toleranz und Akzeptanz kann man nicht verordnen, das muss wachsen. Es darf uns bei diesem langen Prozess nicht die Luft ausgehen. Über Jahrhunderte manifestierte Vorurteile las sen sich nicht von heute auf morgen abbauen. Viele Stereotype und Verhaltensweisen sind nahezu in Fleisch und Blut überge gangen, und das müssen wir hinterfragen und auch immer wie der Stück für Stück aufbrechen.

Im Zuge des Aktionsprozesses wurden mit der Studie „Queeres Brandenburg“ im Rahmen einer Online-Befragung erstmals Erkenntnisse und Daten zur Lebenssituation queerer Menschen in diesem Land gewonnen. Die Ergebnisse wurden im Februar des letzten Jahres in meinem Haus vorgestellt. Es zeigt sich, dass Transmenschen laut Befragung noch stärker von Diskri minierung betroffen sind als andere Personen in der LSBTTIQ*-Community. Danach haben zwei Drittel der be fragten Transmenschen in den letzten fünf Jahren Diskriminie rungserfahrungen im schulischen Kontext und im Freizeitbe reich gemacht. Für den Arbeits- und Ausbildungsplatzbereich gab das ein Viertel der befragten Transmenschen an. Das zeigt uns einfach, dass wir an der Stelle noch viel zu tun haben, bis das, was erarbeitet und aufgeschrieben wurde, selbstverständ lich und Realität ist.

Ich möchte an dieser Stelle all denen danken, die an der On line-Befragung teilgenommen haben. Denn sie haben es uns ermöglicht, eine gute Datengrundlage zu schaffen, um die Situ ation der LSBTTIQ* in Brandenburg tatsächlich einschätzen zu können. Nur so können wir auch die bedarfsgerechte Um setzung des Aktionsplans zukunftsfähig ausrichten.

2018 haben wir besonders die Bedarfe transidenter Menschen in den Blick genommen. Der Sachstand, den wir Ihnen mit dem vorgelegten Bericht zur Kenntnis geben - das muss an die ser Stelle auch zusammengefasst gesagt werden -, entspricht einem Zwischenbericht.

Natürlich haben wir in einem Jahr nicht alles umgesetzt, was wir uns im Aktionsplan vorgenommen haben. Dafür sind die Ausgangssituationen in den unterschiedlichen Handlungsfel dern des Aktionsplans zu unterschiedlich. Aber wir haben eini ges erreicht.

Aufgrund der finanziellen Untersetzung des Aktionsplans kön nen wir neue Projektträger für Brandenburg gewinnen, neue Bereiche erschließen, es wurden auch neue Kooperationen ein gegangen. Gleichzeitig muss ich darauf hinweisen, dass ohne eine adäquate finanzielle Ausstattung der Projekte und Projekt träger eine sachgerechte Umsetzung des Aktionsplans und vor allem seiner Maßnahmen nicht möglich ist.

Ich werbe, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr dafür, den Blick über die Landesgrenzen Brandenburgs hinaus zu richten, zum Beispiel nach Hessen, Rheinland-Pfalz oder Baden-Württemberg. Von dort könnten wir einige neue Er kenntnisse für die Zukunft gewinnen.

(Frau Lehmann [SPD]: Keine Vergleiche mehr!)

Ich kann Sie dazu nur einladen. Glücklicherweise haben Sie als kluge Haushaltsgesetzgeber einen Doppelhaushalt verabschie det. Die ersten Weichenstellungen sind damit erfolgt.

Nur durch eine engagierte und sachorientierte Beteiligung der Zuständigen auch in den Ressorts, der Verbände und vor allen Dingen der vielen anderen Interessierten haben wir in dem ei nen Jahr beschlossene Maßnahmen angeschoben und auch schon umgesetzt. Daher möchte ich mich heute bei allen Betei ligten für ihr Engagement bedanken.

(Beifall DIE LINKE, SPD sowie vereinzelt B90/GRÜ NE)

- Ja.

Im Grunde ist es aber so, dass der Aktionsplan „Queeres Bran denburg“ erst dann erfüllt sein wird, wenn es seiner nicht mehr bedarf. Wir sollten den gemeinsam eingeschlagenen Weg wei ter gemeinsam gehen, aber es ist noch Luft nach oben. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, B90/GRÜNE sowie vereinzelt SPD)

Vielen Dank. - Zu uns spricht die Abgeordnete Augustin für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her ren! Liebe Gäste! Im Juni 2016 wurde der Aktionsplan im Landtag beschlossen. Ich war damals dankbar, dass der Anstoß dafür von den Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN kam. Wir als CDU-Fraktion haben uns seiner zeit bei der Abstimmung über den Antrag enthalten. Das hatte aber nicht den Grund, dass wir den Antrag generell nicht gut fanden, sondern wir hatten einfach Bedenken hinsichtlich ein zelner Punkte.

Ein Punkt war, dass wir vermuten mussten, dass die Communi ty nicht einbezogen würde. Dazu gab es einen Satz im Antrag, an dem ich mich gestört habe: dass die bestehenden Strukturen gestärkt werden. - Wir wollten eine Ausdehnung und gerade die Aufklärung im ländlichen Raum. Zu unserer Freude waren diese Kritikpunkte aber überholt, als wir den Aktionsplan im Februar 2018 hier debattiert haben. Meine Kollegin Roswitha Schier durfte mich dabei vertreten - herzlichen Dank dafür.

(Frau Schier [CDU]: Gern!)

Wir haben als CDU-Fraktion sehr wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass unsere Kritikpunkte von selbst ausgeräumt wurden und wir gemeinsam an diesem Ziel arbeiten. Die Ver bände der LSBTTIQ-Gemeinschaft sollten umfassend einge bunden werden. Herzlichen Dank, dass die wichtigen Hinweise der Verbände angehört wurden. Das war ein wichtiger Punkt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Nun liegt uns, wie im Antrag gefordert, der Bericht vor, und wie es darin so schön heißt, kann er nur ein Zwischenbericht sein, der als Beginn der Um setzung der Ziele des Aktionsplans „Queeres Brandenburg“ zu verstehen ist. Im Bericht steht wörtlich:

„Der begonnene Weg muss kontinuierlich weiter be schritten werden, um die darin definierten Ziele gemein sam zu erreichen. Dafür sind alle Ebenen aus der Politik, der Community und der Zielgruppe gefragt.“

Dem kann ich uneingeschränkt zustimmen.

Gerade die Diskriminierung von oder gar Gewalt gegen LGBTMenschen ist kein trauriges Relikt der Vergangenheit, sondern schmerzlich erfahrbare Gegenwart. Auch wenn vielerorts über rechtliche Gleichstellung von queeren Lebensweisen diskutiert wird, sind Homophobie, Transphobie und auch Biphobie noch lange nicht besiegt. Grundrechte von Lesben, Schwulen, Bise xuellen und Transgender-Personen werden teils systematisch verletzt. So hält der Bericht auch fest, dass fast die Hälfte der Befragten bereits Diskriminierungserfahrungen machen muss te. Besonders von Diskriminierung betroffen sind Transperso nen - Frau Ministerin Karawanskij hat das bereits erwähnt. Mehr als ein Viertel der befragten Transpersonen hat in den letzten fünf Jahren Diskriminierungserfahrungen gemacht.

Die Befragten haben auch das Gewaltproblem bestätigt. Jeder dritte Befragte, 33 %, hat bereits Erfahrungen mit körperlichen Übergriffen gemacht, wobei zu beachten ist, dass das nur die Auskunft aus der Befragung war. Wir gehen von einer viel hö heren Dunkelziffer aus.

(Beifall CDU und B90/GRÜNE)

Viele Vorfälle werden leider nicht zur Anzeige gebracht, weil sich die Opfer vor den Konsequenzen scheuen. Dieses Bild sollte alle, die das Thema belächeln oder meinen, dass hier kein weiterer Aufklärungsbedarf besteht, aufhorchen lassen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin sehr froh darüber, dass wir nunmehr auch am Landtag, dem Ort der Demokratie, am 17. Mai die Regenbogenflagge hissen. Diese wichtige Möglichkeit der Sensibilisierung ist im Bericht festgehalten und sollte für uns Anliegen sein, noch mehr Städte und Ge meinden zu gewinnen, am 17. Mai - und nicht nur dann - eben falls ein Zeichen zu setzen.

(Beifall CDU, SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Dieses klare Signal gegen Diskriminierung wollen und müssen wir alle weiter klar nach außen tragen, denn gerade die Diskri minierung von und Gewalt gegen Minderheiten sind die schlimmste Form des Populismus und ein Angriff auf unsere Demokratie.

(Beifall CDU, SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Leider werden Minderheiten aber immer wieder zur Zielschei be, gerade von rechtsextremen Gruppen oder rechtspopulisti schen Parteien. Für sie sind Minderheiten ein willkommener Sündenbock und ein Mittel, sich selbst aufzuwerten. Das ist gefährlich für die Demokratie. Dem müssen und werden wir uns an jedem Ort solidarisch und konsequent entgegenstellen.

(Beifall CDU, SPD und B90/GRÜNE sowie vereinzelt DIE LINKE)

Wir dulden keine Gewalt gegen und keine Diskriminierung von Minderheiten, keinen Populismus auf dem Rücken von Minderheiten, auch nicht von weiteren Gruppen.

Der Bericht greift diesbezüglich wichtige Themen und Hand lungsfelder auf. Wir brauchen die Beratung und Aufklärung, wir brauchen die Unterstützung von vorhandenen und neu an gestoßenen Projekten, wir brauchen die Unterstützung der Re genbogenfamilien in Brandenburg. Das ist ein Punkt, den gera de die CDU-Fraktion unterstützt hat und der nun auch im Akti onsplan gefordert wird. Ich bin sehr froh, dass dies deutlich aufgegriffen und teils in Projektunterstützungen umgesetzt wurde. Wir brauchen die Unterstützung der Selbsthilfe für die Gemeinschaft und vieles mehr, was Sie auch im Bericht finden werden. Es sind klare Punkte, mit denen wir Nein zu Intoleranz und Diskriminierung sagen.

(Beifall CDU, SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Ich möchte allen daran Beteiligten meinen herzlichen Dank da für sagen. Lassen Sie uns diesen Bericht weiter mit Leben fül len und klar zeigen: Wir sagen Nein zu Intoleranz, Nein zu Diskriminierung. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht die Abgeordnete Muhß für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete und Gäste! Vor genau drei Jahren haben wir die Landesregierung beauf tragt, einen Aktionsplan für die Akzeptanz von sexueller Viel falt, für Selbstbestimmung und gegen Homo- und Transphobie in Brandenburg zu erstellen - langer Titel -, denselben bis Ende 2017 vorzulegen und einmal in der Legislaturperiode eine Bi lanz zu erstellen und zu veröffentlichen. All diese Vorgaben hat das Ministerium eingehalten. Im Dezember 2017 wurde der Aktionsplan „Queeres Brandenburg“ - der Kurztitel - von der Landesregierung beschlossen, und heute, am Ende der Legisla turperiode, halten wir den angeforderten Bericht in den Hän den. Schon einmal dafür geht unser Lob an die zuständigen Kolleginnen und Kollegen im MASGF: pünktliche und gute Arbeit!