Protokoll der Sitzung vom 18.06.2024

Es ist gut, dass größere Arbeitgeber wie Kliniken mit Sozialpädagogen sicherstellen können, dass Berufsintegration funktioniert. Kleinere Arbeitgeber, gerade in der ambulanten und stationären Pflege, können sich diese Strukturen jedoch nicht leisten. Hier müssen wir verstärkt ansetzen - die Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch.

Meine Damen und Herren, abschließend folgende Bemerkungen. Erstens: Der Pakt für Pflege ist ein zu Recht hochgelobtes Instrument, um dem Pflegenotstand, auf den wir uns unweigerlich zubewegen, zu begegnen. Dringend zu klären ist jedoch die weitere Finanzierung der erfolgreichen Maßnahmen. Dazu kann eine gesetzliche Verankerung im Landespflegegesetz beitragen. Darüber muss sich der nächste Landtag schnellstens verständigen.

(Beifall Die Linke sowie vereinzelt B90/GRÜNE)

Zweitens: Die finanzielle Ausstattung muss dringend verbessert werden. Sie muss mindestens der ursprünglich vorgesehenen Summe von 30 Millionen Euro jährlich entsprechen.

Drittens: Die Gewinnung und Rückgewinnung von Fach- und Arbeitskräften in der Pflege muss eine höhere Gewichtung erhalten - und auch die Integration ausländischer Fachkräfte.

Viertens: Der Ausbau der stationären Versorgung wird sich nicht vermeiden lassen. Wir benötigen dazu Investitionsförderung, auch, um die Pflegesätze zu begrenzen.

Fünftens: Der Bundesgesetzgeber muss endlich seiner Verantwortung gerecht werden. Es bedarf einer grundlegenden Reform im Bereich der Pflege und der Finanzierung. Wir streiten deshalb für eine solidarische Bürgerversicherung, in die jede und jeder einzahlt, und für einen Sockel-Spitze-Tausch, um Eigenanteile in der Pflege nachhaltig zu senken. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall Die Linke sowie vereinzelt SPD und B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Frau Abgeordnete Schier hat das Wort für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der letzten Plenarsitzung standen zwei Pflegethemen auf der Tagesordnung, und ich beendete meinen letzten Redebeitrag mit den Worten, dass die Pflege uns noch viele Sorgen machen wird. - Das ist leider so, und deshalb ist es so wichtig, über Möglichkeiten, Ansätze und Lösungen zu sprechen. Fest

steht: Einfache Antworten gibt es hinsichtlich dieser Herausforderungen nicht - das wäre ja auch zu schön.

Mit dem Pakt für Pflege mit seinen vier Säulen ist uns in der Tat ein Novum gelungen. Durch die konstruktive Zusammenarbeit vieler Akteure ist ein guter Anfang gemacht. Der Pakt wurde mit Leben erfüllt, zahlreiche Projekte sind im Land entstanden und entwickeln sich im regen Austausch weiter. Einiges wurde auch wieder eingestellt, weil es nicht hilfreich war - auch das ist gut so. Somit entstehen nämlich alltagstaugliche Dinge.

FAPIQ hat hier einen wichtigen Dienst geleistet. An dieser Stelle bedanke ich mich bei den Bürgermeistern unserer Städte. Denn seien wir doch mal ehrlich: Viele hatten die Pflege und die Senioren noch nicht so sehr im Fokus. Die Zusammenarbeit mit Seniorenräten und Verwaltungen, sozialen Trägern und Wohnungsunternehmen hat in dieser Hinsicht eine ausgezeichnete Entwicklung genommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, als vierter Redner muss ich nicht noch einmal auf die Zahlen eingehen und die Säulen vorstellen. Deshalb will ich meinen Blick auf die Prävention richten, denn eigentlich ist der Pakt für Pflege ein Pakt für Prävention. An diesem Punkt müssen wir zeitig und vielseitig ansetzen.

Zum einen müssen wir Quartiere und barrierefreie Wohnungen schaffen. In Lübbenau ist das mit der dortigen Wohnungsbaugesellschaft WIS, der AWO und der Stadt gelungen. In einem Wohnblock wurden kleinere Wohnungen ausgebaut. Davor steht ein Flachbau, in dem Spiele, Mittagessen und Gelegenheiten zur Begegnung angeboten werden. Wer Lust hat, geht hin, wer keine hat, eben nicht. Der Vorteil ist, dass jeder seine Intimsphäre hat und trotzdem nicht allein ist. Man hilft sich untereinander, und es fällt sofort auf, wenn jemand fehlt.

Solche Kombinationen beugen Einsamkeit und allen damit einhergehenden psychischen Problemen vor; denn wir wissen: Einsamkeit macht krank.

Ein zweites Beispiel: Ich schimpfe ja gern auf unsere Jugend - Work-Life-Balance, Freizeit, Leben, Familie, wenig arbeiten. Aber: Stress, immer in Bereitschaft zu sein und wenig Freizeit sorgen auch für Krankheiten und führen im Arbeitsleben dazu, dass man wenig Zeit für Freunde oder Familie hat - ich denke, wir alle wissen ziemlich genau, worüber ich gerade rede. Ergo: Das Arbeitsleben braucht eine gute Balance, um Krankheit und Pflege schon frühzeitig zu vermeiden.

Und ein drittes Beispiel ist der Ausbau der Mehrgenerationenhäuser zu Familienzentren, denn Familien in ihrer Vielfalt spielen eine wichtige Rolle. Hier haben wir mit guten Ideen Orte der Begegnung sowie für Beratung, Information und Unterstützung geschaffen; hier können Jung und Alt voneinander lernen und in Gesellschaft sein.

Was hat all das mit Pflegepolitik zu tun? Die Zahl der zu Pflegenden steigt; die Ressourcen werden knapper: Zum einen haben wir zu wenige Menschen, die zu pflegen bereit oder in der Lage sind. Zum anderen ist die Pflege, insbesondere die stationäre Pflege, viel zu teuer, als dass sie ein Rentner heute noch wuppen kann. Den vielen Menschen, die Familienmitglieder oder Bekannte pflegen, sei gedankt, dass in Brandenburg so viele Menschen in der eigenen Häuslichkeit leben können!

Sie haben in Ihrem Antrag den Satz geschrieben:

„Es braucht eine Pflegeversicherung mit Beiträgen, die sich die Menschen leisten können.“

Wenn in den Pflegeeinrichtungen die Gehälter steigen, die Betriebs- und Investitionskosten steigen, steigen auch die Pflegekosten und damit die Beiträge. Es liegt nicht in Landeshand, diesen Knoten zu lösen. Fest steht aber, dass wir mit dem Pakt für Pflege, dessen Fokus eher auf Prävention liegt, einen wichtigen und richtigen Schritt gegangen sind, der bundesweit Beachtung findet, denn die Probleme sind fast überall gleich.

Ich kann den nächsten Abgeordneten nur raten, sich mit allen Akteuren zusammenzusetzen und einen neuen Pakt mit neuen Möglichkeiten für alle Generationen zu stricken bzw. den bestehenden weiterzuentwickeln. Denn Vorsorge ist allemal besser als mit viel Geld etwas zu reparieren, was nicht kaputtgehen darf. Und ja, es wird Geld kosten - vielleicht 30 Millionen Euro, Kollege Kretschmer, vielleicht noch mehr. Aber auch hier ist es eine Milchmädchenrechnung, zu glauben, die Kosten auf später verschieben zu können. Pflegepolitik ist Sozial- und Familienpolitik im besten Sinne, und die geht uns alle an. Sie können sicher sein, dass ich sehr wohl in Zukunft Ihre Anstrengungen verfolgen werde, und ich wünsche gutes Gelingen.

Ich habe es mehr oder weniger „angedroht“: Auch wenn es nicht meine letzte Rede ist, gestatten Sie mir, Frau Präsidentin, einige persönliche Worte. Wir sind hier 88 Abgeordnete - 88 Abgeordnete von 2,5 Millionen Menschen. Deshalb sind wir nichts Besseres, aber wir sind etwas Besonderes, denn die Brandenburgerinnen und Brandenburger haben uns ihr Vertrauen geschenkt. Und wir haben die Pflicht, mit diesem Vertrauen verantwortungsvoll umzugehen. Das fängt hier im Plenarsaal an: Sich in diesem Hohen Haus angemessen zu kleiden und zu benehmen sollte selbstverständlich sein; Jeans übrigens gehören nicht hierher, und erst recht nicht verachtende und unangemessene Worte. Das Vokabular einiger Abgeordneter ist unterirdisch und gehört nicht in eine politische Debatte in diesem Hohen Haus. Noch viel schlimmer: Erschrocken bin ich über die Reaktion eines Abgeordneten, der mit geballten Fäusten aufgesprungen ist, als ihm eine Rede hier vorn nicht gefallen hat.

Wir haben Besuchergruppen, Schülerinnen und Schüler und viele weitere Menschen aus dem ganzen Land hier zu Gast. Wir sollten Vorbild sein. Ziel muss es sein, Gesetze zu debattieren, die mit den Menschen gemacht werden und für jedermann verständlich sind. Die Menschen erwarten von uns, dass wir auf ihre Sorgen Antworten finden.

Diskussion - in der Sache hart, aber auf einem gebildeten und respektvollen Niveau! Das war leider in den letzten fünf Jahren im Sinkflug. Den Menschen in Brandenburg wünsche ich Weitblick bei der Wahl im September. Es geht um die so hart erkämpfte Freiheit, um Demokratie und das Wahlrecht. Manch einem Gröler ist doch gar nicht bewusst, was es heißt, seine Meinung frei zu äußern.

Ich wünsche allen Wahlkämpfern viel Kraft, Gesundheit und Gottes Segen, Wahlkämpfe ohne psychische und physische Gewalt und diesem Hohen Haus Abgeordnete mit guten Ideen, Vorbildwirkung und vor allem Verfassungstreue - zum Wohle unseres Landes.

(Anhaltender Beifall CDU, SPD, B90/GRÜNE, Die Linke und BVB/FW Gruppe sowie des Abgeordneten Kubitzki [AfD])

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schier. Wir sind in der Verpflichtung, diesen Sinkflug des Miteinanders aufzuhalten, und fangen sofort damit an. Ich bin und bleibe optimistisch. - Herr Abgeordneter Vida

(Vida [BVB/FW Gruppe]: Richtig! - Vereinzelt Heiterkeit)

spricht für die Gruppe BVB / FREIE WÄHLER. Bitte.

(Beifall BVB/FW Gruppe)

Sie sind der Reihenfolge nach dran, nicht, weil es jetzt vielleicht dramaturgisch passen könnte. Bitte schön.

(Heiterkeit)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Dafür muss man sich nicht entschuldigen; das passt schon zum Drehbuch. Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Frau Schier, ich danke Ihnen ausdrücklich für diese Abschlussrede, für diesen Abschlussteil, der genau verdeutlicht, was uns wirklich eint und von anderen trennt. Deswegen: Vielen Dank für Ihre inhaltliche Arbeit, aber auch für diese klaren Statements in der Sache!

(Beifall BVB/FW Gruppe, SPD, CDU, B90/GRÜNE und Die Linke)

Meine Damen und Herren, mit unserem letzten Antrag, übrigens in der letzten Sitzung, haben wir einen Maßnahmenkatalog für Alltags- und Unterstützungsleistungen für pflegebedürftige Personen gefordert. Sie sind damals wie heute aus dem Danken gar nicht herausgekommen, haben dabei aber seinerzeit vergessen, dem Antrag zuzustimmen. Durch eine niedrigschwellige Beantragung und Abrechnung sollten die Leistungen den pflegebedürftigen Personen direkt und schneller zur Verfügung gestellt werden, mit dem klaren Ziel, diesen Personenkreis so lange wie möglich zu Hause leben zu lassen.

Wie gesagt, der Antrag wurde abgelehnt. Das Programm Pflege vor Ort wurde dem entgegengestellt. Das ist auch nicht schlecht, aber bei vielen privaten kleinen Alltagshilfen wie Behördengängen und sozialen Kontakten, die für pflegebedürftige Personen entscheidend sind, greift es nicht in ausreichendem Maße. Das bedeutet nicht, dass wir es deswegen kritisieren. Wir begrüßen dieses Programm, aber wir werben dafür, das entsprechend auszuweiten. Pflege vor Ort fördert kommunale Maßnahmen der Nachbarschaftshilfe, Schulungen für pflegende Angehörige und diverse soziale Aktivitäten, und es hilft auch, den Ausbau der Pflegestützpunkte voranzutreiben - keine Frage. Eine Verbesserung der Kurzzeit- und Tagespflege kann dazu beitragen, hat dazu beigetragen, pflegende Angehörige zu entlasten. Deswegen bewerten wir das Programm insgesamt positiv, weil es zur Entlastung des Pflegesystems beiträgt.

Wenn aber alles in Ordnung wäre, hätten die Grünen dieses Thema sicherlich nicht zum Gegenstand der heutigen Aktuellen Stunde gemacht. Das zeigt: Der Realitätssinn bei den Grünen ist vorhanden - trotz der Jeans.

(Lachen des Abgeordneten Kubitzki [AfD])

Insofern begrüßen wir, dass wir dazu sprechen können, denn strukturelle Herausforderungen bestehen weiterhin, und auch finanzielle Aspekte liegen im Argen. Ich denke hier in allererster Linie an den Fachkräftemangel; da gibt es nichts zu beschönigen. Der Mangel an qualifizierten Pflegekräften ist unser größtes Problem. Viele Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser können ihren Bedarf an Personal nicht decken, was nicht nur zu einer Unterversorgung führt, sondern auch zu einer Überbelastung derjenigen, die das angestammte Personal darstellen - und das kann, ohne eine Person herabsetzen zu wollen, mittelfristig die Qualität der Pflege beeinträchtigen.

Wir denken auch an die Infrastruktur im ländlichen Raum. In vielen ländlichen Gegenden ist die Pflegeinfrastruktur unzureichend. Es gibt zu wenige Pflegeeinrichtungen, und ambulante Pflegedienste haben Schwierigkeiten, die Versorgung flächendeckend sicherzustellen. Doch auch das gehört, wie kaum ein anderes Thema, zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse.

Auch im Bereich der Ausbildung und Qualifizierungsprogramme gibt es Aufholbedarf, um eben mehr Menschen für den Pflegeberuf zu gewinnen und die notwendigen Fähigkeiten zu vermitteln. Dies umfasst auch Weiterbildungsangebote für bereits tätige Pflegekräfte.

Wir denken aber auch an - ja - Integration von Technologie in der Pflege, die helfen kann, bestehende Probleme abzumildern. Dazu gehören digitale Dokumentationssysteme, Telemedizin und andere innovative Lösungen. Deren Einsatz ist noch nicht flächendeckend erprobt, geschweige denn umgesetzt, was definitiv zur künftigen Entwicklung dazugehört.

Machen wir uns nichts vor: Gerade aufgrund des Fachkräftemangels und der Unterversorgung haben wir Arbeitsbedingungen in der Pflege, die mitunter als schlecht zu bezeichnen sind - nicht, weil die Arbeitgeber das schlecht machen, sondern aufgrund der Überbelastung, die nun einmal gegeben ist, aufgrund niedriger Löhne, hoher Arbeitsbelastung, auch unzureichender Anerkennung der Arbeitsleistung in manchen Bereichen, was zu einer hohen Fluktuation, mangelnder Identifikation, zu Unzufriedenheit bei den zu Pflegenden und dann auch zu Burnout bei Pflegekräften führt. Deswegen braucht es auch eine bessere Koordination zwischen den verschiedenen Akteuren im Gesundheits- und Pflegesystem, um Effizienz und Effektivität zu erhöhen und die Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, ambulanten Diensten und anderen Akteuren zu stärken.

Meine Damen und Herren, um all diesen Herausforderungen zu begegnen und ihnen gerecht zu werden, sind umfassende politische Maßnahmen nötig - kurzfristig wie auch langfristig. Dazu gehören unter anderem Investitionen in die Pflegeinfrastruktur, Modernisierungen, Erweiterung der Pflegeeinrichtungen, stärkere Unterstützung der Kommunen bei MVZ-Errichtungen - das überhaupt erst einmal voranzutreiben -, Barrierefreiheit, Einsatz der Telemedizin, Unterstützung der ambulanten Pflegedienste, Entwicklung und Umsetzung von integrierten Versorgungskonzepten, aber auch Reformen im Ausbildungssystem zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Was auch noch helfen kann: die Annahme der Volksinitiative „Gesundheit ist keine Ware“, meine Damen und Herren,

(Beifall BVB/FW Gruppe)

wodurch die medizinische Versorgung in allen Landesteilen verbessert würde, Ärzte entlastet, Patienten unterstützt würden und damit auch Pflegende Entlastung erfahren würden. Insofern: Danken ist das eine, Gutes als gut, Kritik als Kritik benennen das

andere, aber Lösungsvorschlägen dann auch positiv gegenüberzutreten - da bricht sich niemand einen Zacken aus der Krone, nicht einmal Sie! - Danke schön.

(Beifall BVB/FW Gruppe)

Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Nonnemacher. Bitte sehr.