Protokoll der Sitzung vom 18.06.2024

Dass der Pakt für Pflege insgesamt nur ein Baustein für gute Pflege sein kann, ist dabei klar. Es bedarf weiterer Maßnahmen, für die jedoch in erster Linie der Bund zuständig ist. Damit meine ich zum Beispiel die weiterhin notwendige Reform der Pflegeversicherung.

Auch im Land wollen wir als SPD den Bereich Pflege weiter stärken. In der nächsten Legislaturperiode wollen wir dafür sorgen, dass auch einfache Pflegeunterstützungen vor Ort noch leichter werden, etwa die Nachbarschaftshilfe unter Nutzung des Entlastungsbetrages. Wir wollen den Anteil des Landes an den Investitionskosten in der stationären Pflege erhöhen und damit den Eigenanteil der im Heim lebenden Pflegebedürftigen senken. Wir wollen die Pflege- und Gesundheitsschulen noch besser unterstützen, indem wir die Investitionspauschale erhöhen. Wir wollen

die Pflegeberufe attraktiver machen, auch für Menschen mit Migrationshintergrund; denn auf diese Menschen sind wir angewiesen.

(Beifall SPD und B90/GRÜNE - Dr. Berndt [AfD]: So ein Blödsinn!)

Gestatten Sie mir dazu eine Schlussbemerkung. Der aktuelle Arbeitsmarktbericht der Bundesagentur für Arbeit zeigt klar: Der Beschäftigungsanstieg in der Pflege in den vergangenen zehn Jahren, den es gegeben hat, geht überwiegend auf Menschen mit Migrationshintergrund zurück, der Anstieg seit dem Jahr 2022 fast ausschließlich. Ich sage, ich möchte mir nicht vorstellen, wie dramatisch die Situation in der Pflege heute wäre, hätten wir diese Arbeitskräfte nicht.

(Beifall SPD und B90/GRÜNE)

Klar ist aber auch, die ausländerfeindliche Remigrationsrhetorik der AfD gefährdet den Beschäftigungsanstieg in der Pflege und damit direkt die Gesundheit unserer Mitmenschen!

(Beifall SPD, B90/GRÜNE und Die Linke)

Deshalb sollten wir hier nicht über Remigration sprechen, sondern über die Integration Geflüchteter in Arbeit und über gezielte Fachkräfteeinwanderung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Strategien für die Zukunft der Pflege zu finden, bleibt in den nächsten Jahren eine zentrale politische Aufgabe. Mit dem Pakt für Pflege haben wir in Brandenburg eine mehr als gute Grundlage geschaffen, auf der es aufzubauen gilt. Wir haben quasi, so möchte ich zusammenfassen, ein Netzwerkinstrument für die Pflege in den Kommunen entwickelt. Wir haben damit einen Weg eröffnet, den wir partnerschaftlich mit Landkreisen, Städten und Gemeinden weitergehen wollen. Das werden wir auch. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und B90/GRÜNE)

Danke schön. - Eine Kurzintervention des Abgeordneten Dr. Berndt wurde angemeldet. Bitte.

(Beifall AfD - Zuruf von der SPD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Lüttmann, es ist bezeichnend für den desolaten Zustand Ihrer Partei,

(Zuruf von der SPD)

dass Sie nicht einmal das Thema Pflegepakt abhandeln können, ohne eine Hetze gegen die AfD zu starten

(Beifall AfD - Oh! bei der SPD)

und ohne hier Lügen zur Migrationspolitik zu verbreiten.

Wir halten fest, dass wir seit dem Jahr 2015 eine Einwanderung von mehr als 10 Millionen Menschen hatten, die unter dem Zauberwort „Asyl“ ins Land gekommen sind, die zum großen Teil eben nicht berufstätig sind und die zum großen Teil dafür verantwortlich sind, dass der Fachkräftemangel seither immer größer geworden ist; denn die Fachkräfte werden gebunden zur Betreuung dieser Menschen. Wir brauchen Fachkräfte in sozialen Berufen, wir brauchen Fachkräfte in der Polizei, wir brauchen Fachkräfte im medizinischen Bereich, die sich um diese Menschen kümmern - müssen.

Migration als Arbeitsmigration ist etwas völlig anderes als dieses Einwandern nach Deutschland mit dem Ticket „Asyl“. Indem Sie beides miteinander vermengen, sorgen Sie dafür, dass die wirklichen Fachkräfte das Land verlassen. Jedes Jahr verlassen 200 000 Fachkräfte Deutschland, weil die Verhältnisse in Deutschland unerträglich sind - Mannheim und Cottbus-Schmellwitz lassen grüßen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Deshalb wird mit Ihrer Politik auch das Problem der Pflege verschärft, weil diese Asylmigration Geld bindet. Sie bindet Arbeitskräfte und sorgt für unerträgliche Verhältnisse im Land. Sie erkennen das nicht oder wollen es nicht erkennen. Wenn Sie Ihre Politik nicht umstellen - so sieht es aus -, dann werden Sie am 22. September die verdiente Wahlniederlage erleiden.

(Beifall AfD)

Herr Abgeordneter Lüttmann, möchten Sie darauf erwidern? - Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Dr. Berndt, getroffene Hunde bellen. So ist es immer, wenn wir diese Themen ansprechen.

(Beifall SPD und B90/GRÜNE)

Ich möchte kurz noch einmal auf die beiden Punkte eingehen, die ich erwähnt habe. Das Erste, was ich sagte, war, dass wir natürlich dafür sorgen müssen, dass die Geflüchteten, die zu uns gekommen sind, mehr in Arbeit kommen, dass wir sie dann auch in den Arbeitsmarkt bringen und dass wir sie dann auch in der Pflege einsetzen können. Ich kann Ihnen berichten - ich bin viel im Land unterwegs -, dass dies auch passiert, dass auch immer mehr der Menschen, die 2015/2016 oder auch bei der letzten Flüchtlingswelle aus der Ukraine zu uns gekommen sind, im Arbeitsmarkt ankommen und auch in der Pflege ankommen.

Dass das im Einzelnen immer noch verbesserungswürdig ist, das sagen wir hier, glaube ich, alle. Dass es natürlich nicht immer so leicht ist, ist auch klar; denn gerade im medizinischen Bereich - auch das ist uns berichtet worden, zuletzt vom Betriebsrat der Asklepios-Kliniken - müssen die Menschen auch sehr gut Deutsch können, weil es nicht zu Verwechslungen von Medikamenten oder anderem kommen darf. Das heißt, es ist schon wichtig, dass das ordentlich vorbereitet wird und dass die Menschen dort ankommen. Das ist ein Ziel, das wir alle haben.

(Beifall SPD und B90/GRÜNE)

Das Zweite, worauf ich eben noch mit meiner kritischen Bemerkung abgehoben habe, ist: Natürlich ist es so, dass die ausländerfeindliche Rhetorik der AfD Menschen verschreckt und auch dazu bringt, aus Deutschland wieder wegzugehen.

(Beifall SPD und B90/GRÜNE)

Das berichten mir Unternehmen vor Ort, in Oranienburg und an anderen Stellen.

(Zuruf des Abgeordneten Galau [AfD])

Das können Sie nicht gut finden oder hier leugnen, aber das ist natürlich eine Folge Ihrer Rhetorik, die Sie hier an den Tag legen, insbesondere der Remigrationsrhetorik. Darauf habe ich abgehoben.

(Beifall SPD und B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort. Es spricht Herr Abgeordneter Kretschmer für die Fraktion Die Linke. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist gut, dass sich der Landtag Brandenburg in einer seiner letzten Sitzungen in dieser Legislaturperiode noch einmal ausführlich mit der Situation in der Pflege auseinandersetzt, auch wenn der Antrag auf eine Aktuelle Stunde mit gerade einmal 22 Zeilen merkwürdig dünn ist und ich ehrlich gesagt einen Entschließungsantrag der Koalition vermisse.

Die Pflege steht in Brandenburg wie in ganz Deutschland vor immensen Herausforderungen. Momentan sind etwa 185 000 Menschen in Brandenburg pflegebedürftig. Diese Zahl wird aufgrund der demografischen Entwicklung in den nächsten Jahren rasant ansteigen. Auf der anderen Seite mangelt es schon jetzt an Pflegekräften, und der Bedarf steigt trotz der gestiegenen Anzahl von Ausbildungsplätzen ebenso rasant an.

Die vom Bundestag erst 2023 verabschiedete Pflegereform wird weder den aktuellen Bedarfen noch den zukünftigen Herausforderungen gerecht. Dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach überdies feststellt, dass seine bisherigen Prognosen zur Entwicklung der Pflegebedürftigkeit stark von den realen Zahlen abweichen, er aber gleichzeitig keine Chance sieht, eine weitere umfangreiche auskömmliche Pflegereform auf den Weg zu bringen, gleicht einer Bankrotterklärung dieser Bundesregierung, die aus SPD, FDP und, lieber Herr Raschke, den Grünen besteht.

Meine Damen und Herren, es war daher mehr als richtig, dass die 2019 gebildete Keniakoalition in Brandenburg die von einer linken Gesundheitsministerin begonnene Pflegeoffensive fortgesetzt und ausgebaut hat -

(Beifall Die Linke)

leider - und diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen - nicht in dem Umfang, wie Sie ihn den Bürgerinnen und Bürgern in Ihrem Koalitionsvertrag versprochen hatten. Jährlich sollten 30 Millionen Euro für den Pakt für Pflege zur Verfügung stehen - eine Summe, die in keinem Jahr Ihrer Regierungszeit erreicht

wurde. Aktuell sind dafür ganze 22 Millionen Euro im Haushalt eingestellt.

Im Hinblick auf die vier Säulen des Paktes entwickelten sich die Maßnahmen für die Pflege vor Ort zu einem Erfolgsmodell. 85 % der Städte und Gemeinden und alle 18 Landkreise und kreisfreien Städte haben Fördermittel beantragt, um örtliche Bedarfe zu ermitteln und niedrigschwellige präventive Angebote zu etablieren. Ziel war es, lokale Strukturen zu schaffen, die ein langes selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden ermöglichen.

Der Vorrang von ambulanten vor stationären Angeboten ist im Grundsatz richtig. Er kann und darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Nachfrage nach bezahlbaren stationären Pflegeangeboten trotz alledem ebenfalls steigen wird. Die Angst vor Fachkräftemangel und Unterversorgung ist groß, aber die Tatsache, dass einen niemand versorgt, wenn schlichtweg kein Angehöriger mehr da ist, macht stationäre Pflegeplätze erforderlich. Dann folgt die Angst, selbst enorme Summen aufbringen zu müssen, was einem keinen Cent vom hart Ersparten übrig lässt.

An dieser Stelle, meine Damen und Herren, hat die aktuelle brandenburgische Landesregierung schlichtweg versagt. Die Pflegeplatzkosten sind in den letzten Jahren enorm gestiegen, und ein wesentlicher Kostentreiber sind die Investitionskosten. Hätte das Land Brandenburg in den vergangenen fünf Jahren, wie wir es gefordert haben, bedarfsentsprechende Investitionsmittel zur Verfügung gestellt, wären die Pflegeplatzkosten deutlich gesunken. Bei diesem Punkt müssen wir spätestens in der nächsten Legislaturperiode ansetzen.

Der Ausbau der Pflegestützpunkte zur Beratung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen hat funktioniert. Dagegen hinkt der dringend notwendige Ausbau von Kurzzeitpflegeplätzen in Brandenburg hinterher. Ganze 54 Plätze in fünf Einrichtungen sind seit dem 1. August 2021 mithilfe der Förderung aus dem Pakt für Pflege entstanden. Möglicherweise sollte das Antragsverfahren kritisch überprüft werden. Ganz sicher aber müssen Pflegeeinrichtungen die geschaffenen Kurzzeitpflegeplätze refinanziert bekommen - und zwar auch für die Tage, an denen ein solcher Platz nicht belegt ist.

Meine Damen und Herren, die Fachkräftesicherung und -gewinnung bleibt trotz des Pakts für Pflege die größte Herausforderung. Die Ausbildungszahlen sind, wie ich erwähnt habe, zwar gestiegen, trotzdem ist die Abbrecherquote enorm hoch. Hier muss verstärkt mit Betreuung und Sozialarbeit an den Pflegeschulen angesetzt werden. Dringend notwendig erscheint überdies ein Investitionsprogramm für Schulen der Gesundheitsberufe. Erinnert sei an dieser Stelle an das Protestcamp des Gesundheitscampus hier in Potsdam. Attraktive Lernbedingungen tragen zur Attraktivität des Ausbildungsberufes bei.

Darüber hinaus ist der Bundes- wie der Landesgesetzgeber gefordert, die Attraktivität des Pflegeberufes durch eine neue Aufgabenteilung in den Gesundheitsberufen, durch klare Vorgaben zu Personaluntergrenzen und durch den Ausbau akademischer Ausbildungsangebote zu steigern. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind genauso in der Pflicht, attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen. Und doch bleibe ich dabei: Ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag in der Pflege ist längst überfällig, genauso wie das Verbot von Leiharbeit in der Pflege. Vielleicht gelingt es uns so, mit einem Mix an Maßnahmen, die tausenden Pflegekräfte, die in den vergangenen Jahren enttäuscht und gefrustet den Pflegeberuf verlassen haben, zu einer Rückkehr in den schönsten Beruf der Welt zu bewegen.

Doch selbst wenn uns das gelingen sollte, meine Damen und Herren, werden wir um die Gewinnung von aus dem Ausland zugewanderten Fachkräften nicht herumkommen. Nicht nur, weil wir darauf angewiesen sind, ärgert es mich ungemein, dass wir bei der Beschleunigung der Anerkennungs- und Berufserlaubnisverfahren noch immer zu langsam und die bürokratischen Hürden noch immer zu hoch sind.

(Beifall Die Linke)

Es ist gut, dass größere Arbeitgeber wie Kliniken mit Sozialpädagogen sicherstellen können, dass Berufsintegration funktioniert. Kleinere Arbeitgeber, gerade in der ambulanten und stationären Pflege, können sich diese Strukturen jedoch nicht leisten. Hier müssen wir verstärkt ansetzen - die Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch.