Protokoll der Sitzung vom 23.09.2020

Jetzt kommen wir mal zum Thema zurück, zum Haushalt des Landes Brandenburg. Liebe Koalition, ich habe gelernt, ich soll immer positiv in eine Rede einsteigen und Sie loben. Das will ich tun: Sie haben mich überrascht und Sie überraschen mich immer wieder, das muss man Ihnen lassen.

Mit großem Trara und viel Konfetti sind Sie vor knapp einem Jahr in Ihre Regierungszeit gestartet. Eine Gewinnerregion sollte Brandenburg werden, endlich! Sie verstehen sich immer noch gut, können miteinander lachen und werden alle Probleme im Nu lösen - die fröhliche Zählgemeinschaft, könnte man sagen. Man wollte meinen, die Welt hatte nur darauf gewartet, dass Herr Stohn, Herr Redmann und Frau Budke an einem Tisch sitzen und endlich alle Probleme lösen. Und der Zauber des Anfangs war ja bei Ihnen auch unübersehbar.

Die Party war so gut, als Sie sich kennengelernt haben, dass Sie - zack - gleich noch einen Kredit in Höhe von 1 Milliarde Euro für einen Zukunftsinvestitionsfonds aufgenommen haben. Sie wussten zwar nicht so richtig, wofür, aber die Überschriften stimmten, die Zahlen waren groß.

Die Kapelle im Hintergrund spielte immer lauter und schon wurde eines klar: Was diese Koalition zusammenhalten wird und zusammenhalten soll, ist das Geld - nicht mehr und nicht weniger.

(Zurufe)

Und dann kam Corona. Hier haben wir gemeinsam an einem Strang gezogen, schnell und entschlossen gehandelt - und das war richtig. Wir wollten alle, dass Ministerpräsident Dietmar Woidke Recht behält und wir um jeden einzelnen Arbeitsplatz kämpfen, weil wir wussten, dass man gegen eine solche Krise nicht anspart und nicht ansparen kann. Wir haben deshalb 2 Milliarden Euro als Kredit aufgenommen, um zu helfen. Wir wollten gemeinsam beweisen, dass Politik in Krisen handlungsfähig ist und wir den Menschen ihre Existenzen sichern können, dass wir denen, die besonders hart getroffen sind, endlich die Anerkennung zuteilwerden lassen, die sie schon lange verdienen. Aber außer warmen Dankesworten und viel lautem Applaus ist von dieser Koalition nichts zu hören bzw. nicht viel geblieben.

Bei dem ganzen In-die-Hände-Klatschen haben Sie nämlich nicht nur einige, sondern ganz viele völlig vergessen. Sie wollten sich um die Pflegekräfte kümmern. Wo, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eigentlich Ihr Antrag, um die Pflegeprämie in den Krankenhäusern mit Landesmitteln aufzustocken? Sie wollten sich um die Mütter und Väter kümmern. Wo bitte ist Ihr Antrag, dass wir endlich die Kitabeitragsfreiheit schaffen, und warum mussten die Eltern, die ihre Kinder mitten in der Krise in die Notbetreuung gegeben haben, eigentlich dafür bezahlen? Sie wollten sich auch um die Wirtschaft kümmern. Ich will das jetzt gar nicht weiter ausführen. Ich bleibe dabei: Ich hätte mir nie vorstellen können, dass ich die Wirtschaft, gerade die Kleinst- und SoloSelbstständigen, in diesem Land vor dieser Politik Ihrer Koalition mal beschützen muss.

Es war eine herausfordernde Situation für uns alle. Deshalb wollten wir helfen und unterstützen, weil wir doch alle einen anderen Politikstil pflegen wollten. Erinnern Sie sich noch? Damit waren Sie schließlich angetreten. Trotzdem haben Sie alle 23 Vorschläge unserer Linksfraktion mit der Begründung, es sei ja kein Geld da, abgelehnt.

Jetzt schauen wir einmal: Kein Geld? Sie haben von den 2 Milliarden Euro bisher 650 Millionen Euro ausgegeben, nicht mal ein Drittel. Und nun? Sie erklären jetzt den Pflegekräften, den Müttern und Vätern, denen, die in Kurzarbeit sind, den Unternehmen, die nicht wissen, ob sie über den Winter kommen, warum die restlichen 1,35 Milliarden Euro eigentlich kein Geld sind. Sie könnten helfen und hätten helfen können - so, wie wir alle es versprochen haben. Sie wollen es nicht! Wenn es konkret wird, heißt es plötzlich, das Geld sei alle. Das ist die Wahrheit!

Das Problem - und das sage ich Ihnen ganz deutlich - war nicht zu wenig Geld, das stimmt einfach nicht. Das Problem war, ist und bleibt, dass Ihnen der politische Wille fehlt, die Dinge anzugehen, wenn es konkret wird. Das bleibt auch mein Hauptproblem mit dieser Koalition, liebe Kolleginnen und Kollegen: Große Überschriften, Big Letters, aber nichts dahinter. Das können Sie so machen, gewählt wurden Sie für so eine Politik aber sicher nicht, und das wissen Sie auch.

Und ja, wir können nicht alle Probleme lösen. Aber wir hätten vielen Menschen zumindest ein paar Sorgen nehmen können, wenn Sie nur das getan hätten, was Sie versprochen haben. Es waren nicht einmal unsere Versprechen, sondern Ihre eigenen. Worauf soll man sich eigentlich bei Ihnen noch verlassen, sehr geehrte

Damen und Herren, wenn nicht einmal auf Ihr Wort hier in diesem Plenum?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben in den letzten Wochen wenig für Haushaltswahrheit und -klarheit gesorgt. Frau Lange wirbelt viele Bälle in die Luft, große Zahlen schwirren umher. Sie nehmen Kredite auf, dann reicht es für Ihre Vorhaben nicht, dann nehmen Sie wieder Kredite auf, dann kommt eine nicht überraschende Steuerschätzung, am Ende reicht es dann immer noch nicht, und Brandenburg sitzt auf einem riesigen Schuldenberg. Sie stehen unter Druck, denn Ihr Koalitionsvertrag soll standhalten. Aber er war von Anfang an überbucht; das versuchen Sie jetzt zu kaschieren.

Wo sind Ihre strategischen Planungen? Ich versuche mir die ganze Zeit vorzustellen, wie Sie zusammensitzen und so einen Haushalt planen, wie es ist, wenn diejenigen, die uns jahrelang erzählt haben, wie wichtig eine Schuldenbremse ist, wie wichtig eine schwarze Null ist und wie wichtig es ist, Schulden abzubezahlen, plötzlich alle Rücklagen aufbrauchen und darüber hinaus noch sehr viel Geld ausgeben wollen.

Lieber Herr Kollege Bretz, lieber Herr Kollege Vogel, als das Land unter einem linken Finanzminister 2 Milliarden Euro Rücklagen aufgebaut hat, als das Land fast 1 Milliarde Euro Schulden zurückgezahlt hat, konnte es Ihnen nicht schnell genug gehen. Als wir mehr in Bildung und Kita und die Kommunen investiert haben, auch in schlechten Zeiten, erhoben Sie die schwarze Null zum Heiligen Gral. Die CDU wollte gegen einen Haushalt klagen, der nur das nächste Jahr betraf. Sie rufen jetzt den Notstand gleich einmal bis 2024 aus! Erinnern Sie sich noch daran? Ich erinnere mich daran sehr, sehr gut.

Wie ist das eigentlich so für Sie, Herr Bretz, Herr Vogel - ich weiß auch gar nicht, wie Sie eigentlich noch in den Schlaf kommen können -, jetzt dazusitzen und so zu tun, als ob das alles nicht wahr gewesen wäre. Wir sehen doch in dieser Situation alle, dass die Schuldenbremse - und das ist das Entscheidende - an keiner einzigen Stelle ein hilfreiches Mittel in der Politik ist.

Deshalb nehmen Sie einen Rat an: Lassen Sie die Tricksereien mit Sondervermögen und lassen Sie uns die Schuldenbremse endlich wieder abschaffen!

Ich verspreche Ihnen auch, dass Sie, lieber Kollege Bretz, dann den Redebonus bei der Einbringung erhalten. Ich will das nicht, weil wir schon immer Recht hatten - das wissen wir sowieso -, sondern ich will das, weil wir jetzt alle wissen, dass die Schuldenbremse ein falsches politisches Mittel ist.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, gerne.

Herr Abgeordneter Bretz, bitte.

Vielen Dank, lieber Kollege Walter, dass Sie uns so engagiert Ihre Sicht vortragen. Ist Ihnen bekannt, dass Kollege Vogel und ich sehr dafür geworben haben, die Ausnahmen zur Geltung der Schuldenbremse im Grundgesetz zu regeln, also das Land gerade für Krisensituationen handlungsfähig zu halten, und dass wir die Instrumentarien geschaffen haben, von denen wir damals noch nicht vorhersehen konnten, wann wir sie brauchen? Aber dass wir sie jetzt haben, ist so gesehen auch ein Verdienst der von Ihnen bezichtigten Kollegen, und ich hoffe, dass wir das gut und im Sinne dieses Landes gemacht haben. Sehen Sie das auch so?

Bitte, Herr Abgeordneter Walter.

Ich finde es gut, dass Sie das jetzt noch einmal für sich geradegerückt haben. Ich bleibe trotzdem dabei: Die Schuldenbremse ist kein geeignetes Mittel, an keiner Stelle, sie überlebt ja nicht einmal die erste Krise in diesem Land. Deshalb bleibt es dabei: Die Schuldenbremse muss weg. Das ist das Einzige, was hier jetzt auch deutlich wird.

Sehr geehrten Damen und Herren, ich will auch verstehen, wie es so abläuft, wenn Sie einen Haushalt planen, ihn vorstellen und eine Neuverschuldung von 1,9 Milliarden Euro ankündigen und wieder einmal mit viel Tamtam und viel Glitzer verkünden, dass das Investitionsjahrzehnt weitergehe, dass es ein Stabilisierungshaushalt sei - wie der Kollege Redmann sagte -, um dann hinterherzuschieben, dass aber im nächsten Jahr dann wirklich gespart werden muss - um uns nicht einmal eine Woche später die regionalisierten Steuerschätzungen vorzulegen und zu sagen, dass mindestens weitere 500 Millionen Euro fehlen.

Ich frage Sie: Nehmen Sie sich eigentlich untereinander noch ernst? Was sollen die Menschen denken, wenn Sie ankündigen, dass Sie eine Haushaltsklausur im Oktober machen? Im Oktober eine Haushaltsklausur! Also ich kenne das Verfahren so, dass man eine solche Klausur vor einer Haushaltsvorstellung macht - und nicht danach. So, liebe Finanzministerin, würde keine schwäbische Hausfrau und schon gar keine Prignitzer Hausfrau arbeiten.

Was ist die Strategie dahinter? Wollten Sie unbedingt schnell noch den Haushalt vorlegen, statt wenigstens noch die Woche bis zur regionalisierten Steuerschätzung abzuwarten, um uns heute zu erklären, dass wir im November wieder einen neuen Haushaltsentwurf bekommen, in dem noch einmal alles steht? Wissen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, so viel Ernsthaftigkeit hätte ich uns allen zugetraut. Was Sie hier heute abliefern, ist nicht ernst zu nehmen.

Ich weiß wirklich nicht, was Ihre Strategie ist. Ich glaube, Sie haben einfach keine. Sie haben zwölf neue Stellen für die Koordinierung Ihrer Arbeit in der Landesregierung geschaffen. Sie haben ständige Abstimmungsrunden, und trotzdem weiß die linke Hand nicht, was die rechte tut. An einem Doppelmandat einer einzigen Abgeordneten kann die fehlende Abstimmungszeit ja nicht liegen.

Sie haben mit diesem Haushalt ein Ziel gehabt: Sie haben Ihren Koalitionsfrieden geschützt und können weiterhin miteinander lachen und feiern; die Zeche zahlen ja am Ende andere. Es ist nicht mehr das Geld, das Sie zusammenhält, sondern es sind die Schulden, liebe Kenia-Koalition, die Ihre Koalition zusammenhalten werden.

Ihre Aussagen haben eine Halbwertszeit von ein paar Stunden. Liebe Kollegen Bretz und Redmann, lieber Kollege Vogel, wenn wir als rot-rote Koalition so einen Haushaltsentwurf vorgelegt und Ihnen erklärt hätten, im November kommt ein neuer Haushalt, weil wir ja nicht wissen … - das hätten Sie doch an keiner Stelle akzeptiert und zu Recht kritisiert! Und das tun wir auch. Das hätten Sie sich niemals bieten lassen.

Sie sagten bei der Vorstellung des Haushalts, dass Sie nicht gegen die Krise ansparen, dass Sie Insolvenzen verhindern wollen. Gut so! Aber Sie werden verstehen, dass wir nach den Erfahrungen der letzten Monate ein bisschen genauer hinschauen, was Sie da vorhaben. Sie stellen einen Haushalt vor, für den Sie in nicht einmal 12 Monaten seit Regierungsantritt knapp 5 Milliarden Euro Schulden aufnehmen.

An dieser Stelle, Herr Stohn, erkläre ich es Ihnen: Verstehen Sie mich bitte nicht falsch! Meine Fraktion und auch ich halten eine Schuldenaufnahme für richtig. Aber die Frage ist doch, wofür. Der Preis, den die Brandenburgerinnen und Brandenburger für Ihren Koalitionsfrieden zahlen müssen, ist viel zu hoch. Bei der Schuldenaufnahme geht es um Ihren Koalitionsfrieden und nicht um die Dinge, über die Sie hier vorhin gesprochen haben.

Wir sind dafür, Schulden aufzunehmen und das Signal an die Brandenburgerinnen und Brandenburger zu senden, dass die Politik aus der Krise gelernt hat. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten über verschiedene Fehlstellen gesprochen. Auf einmal reden alle in diesem Hohen Haus vom starken Staat. Das finde ich gut! Machen wir einen starken Sozialstaat daraus; denn der fehlt anscheinend in diesem Land an allen Ecken und Enden.

Und ich suche Ihre Antworten. Sie reden von Krankenhäusern. Sie belassen die Landesmittel bei 110 Millionen Euro und holen sich die Bundesmittel dazu - das ist auch völlig in Ordnung. Aber glauben Sie im Ernst, dass man nach dieser Corona-Krise im Krankenhausbereich einfach so weitermachen kann wie bisher? Wo sind Ihre Dankesworte für die Pflegekräfte in den Krankenhäusern? Wo sind eigentlich da Ihre Vorschläge geblieben? Nichts zu sehen! Das verstehe ich nicht.

ÖPNV - dieselbe Frage: Der Ausgleich, den Sie für die Fehlkosten planen, ist richtig. Aber wir brauchen ja mehr Investitionen! Warum nutzen wir jetzt nicht die Schuldenaufnahme dafür, Investitionen zu beschleunigen und in den ÖPNV zu investieren? Entschuldigen Sie, wenn Sie 1,9 Milliarden Euro aufnehmen, erwarte ich von Ihnen, dass Sie mit uns gemeinsam das Signal aussenden, dass die Busfahrerinnen und Busfahrer in diesem Land Brandenburg endlich mindestens genauso viel verdienen wie ihre Berliner Kolleginnen und Kollegen, dass wir gerade in der Krise zeigen: Ja, ihr habt mehr verdient, und deshalb werden wir auch die Mittel der Kommunen für die Tarifsteigerung aus dem Landeshaushalt finanzieren. - Das wäre mal ein richtiges Signal nach dieser Krise.

Und, ja, der Kommunale Rettungsschirm ist groß, der Ausgleich ist wichtig. Aber wohin geht eigentlich die langfristige Entwicklung? Wohin soll es gehen, wenn wir darüber reden, dass wir die Kommunen langfristig sichern wollen? Wir haben immer noch

viel zu viele verschuldete Kommunen in diesem Land; da reicht Ihr kleiner Fonds für die Entschuldung einfach nicht aus. Da gibt es Mittel und Wege. Sie haben ja schon tolle Sondervermögen entwickelt. Wir sind bereit, darüber zu reden und langfristig die Sicherheit der Kommunen zu schaffen, denn vor Ort werden die Entscheidungen getroffen - vor Ort, im öffentlichen Dienst, in den Gesundheitsämtern arbeiten die Menschen. Dazu ist in dem Haushalt nichts zu lesen, davon ist nichts zu sehen.

Hier gilt das Gleiche: Aktuell, gerade in der Krise - das sehen wir auch bei den Tarifauseinandersetzungen im öffentlichen Dienst - wollen die Menschen, denen wir immer gesagt haben, dass sie unverzichtbar sind, nicht einmal 5 % Lohnsteigerung haben - nicht einmal 5 %! - und endlich, im 30. Jahr nach der Wende, gleiche Arbeitszeiten in Ost und West. Da erwarte ich von der Regierungskoalition die klare Aussage, dass wir als demokratische Parteien gemeinsam dafür streiten, dass wir unseren Dankesworten und unserem Applaus konkrete Antworten folgen lassen und die Kommunen auch in die Lage versetzen, die höheren Löhne zu zahlen. Alles andere wäre ein falsches Signal; das ist konkret gegen die Krise zu tun.

Sie haben wieder große Projekte in Ihrem Haushalt. Da geht es um Klimaschutz, 4 Millionen Euro - keine Ahnung, wir wissen nicht, was da herauskommen soll. Dann gibt es den Pflegepakt, von dem Sie erzählen, er werde weitergeführt. Ich habe mir den Koalitionsvertrag sehr ernsthaft angeschaut. Ich lese in diesem Koalitionsvertrag: 30 Millionen Euro pro Jahr. - Jetzt ist nicht einmal mehr die Hälfte geplant. Also hören Sie auf, vom Pflegepakt zu reden. Erklären Sie es mir in den Haushaltsberatungen; ich bin sehr gespannt.

Dass Sie Polizeistellen planen, wo sowieso jeder weiß, dass wir sie nicht besetzen können, finde ich auch sehr spannend.

Sie haben wieder große Zahlen, große Überschriften, aber die halten nicht lange. Wie nach jeder Party kommt das böse Erwachen - so viele Kopfschmerztabletten, lieber Kollege Stohn, können Sie gar nicht nehmen.

Und jetzt kommt’s: Sie tun so, als ob Sie alles weiterlaufen lassen würden. Schauen wir mal, wo Sie kürzen: Lieber Kollege Stohn, Sie reden von einem finanziellen Bollwerk, mit dem Sie die Menschen im Land schützen wollen. Ich sage Ihnen einmal klar, wo Sie Ihren Rotstift ansetzen und dass Ihr Haushalt eindeutig viele Verliererinnen und Verlierer produziert, auch an Stellen, an denen ich es einfach nicht nachvollziehen kann. Sie redeten hier vor ein paar Minuten von etwas ganz anderem als in Ihrem Haushalt bzw. dem Haushalt der Landesregierung steht. Da sind zunächst die Kinder im Kitaalter und deren Eltern: Die weitere Verbesserung des Betreuungsschlüssels wird um mindestens ein Jahr verschoben, die weitere finanzielle Entlastung für diese Legislaturperiode generell unter Vorbehalt gestellt. Das ist übrigens das Einzige, was in der Präsentation der Finanzministerin so eindeutig unter Vorbehalt gestellt ist. Alle anderen Projekte sollen weiterlaufen.

Meine Damen und Herren, wir müssen doch davon ausgehen, dass uns die Corona-Krise selbst im günstigsten Verlauf auch im nächsten Jahr noch im Griff hat! Sie selbst gehen doch mit Ihrer Beschlussvorlage über das Vorliegen einer außergewöhnlichen Notsituation - Sie haben es beschrieben - gleich für die Jahre 2022 und 2023 auch davon aus! Und in dem Wissen, was das während des Lockdowns in diesem Jahr für Kinder und Eltern bedeutet hat, auch finanziell, stellen Sie nun ausgerechnet diesen Bereich zur Disposition. Wir müssen das endlich schaffen, das wäre ein wichtiges Signal für Bildungsgerechtigkeit und gleichzeitig auch ein Konjunkturprogramm für die Menschen in

diesem Land; denn das Geld, das die Eltern dann zur Verfügung hätten, würden Sie natürlich auch hier in diesem Land wieder ausgeben. Deswegen verstehe ich nicht, warum Sie das zur Disposition stellen.

Betroffen sind auch - Herr Stohn hat davon gesprochen - Eventmanager, all die Menschen, die im Moment nicht wissen, ob sie über den Winter kommen. Andere Bundesländer, die auch Schulden aufnehmen - zu Recht, wie Sie dargestellt haben -, planen weitere Unterstützungsmaßnahmen für Solo-Selbstständige, für Kleinstbetriebe. Ich lese in Ihrem Entwurf nichts davon. Sie geben denen nicht einmal eine Perspektive, wie es weitergehen kann. Deshalb: Sparen Sie sich das!

Hören Sie auf, beim Thema Digitalisierung über Tablets im Rucksack zu reden. Reden wir erst einmal über digitale Infrastruktur! Da haben Sie ja angeblich mit der CDU, die noch vor einem Jahr im Wahlkampf innerhalb eines Jahres hier alle versorgen und überall Funkmasten hinstellen wollte, Profis an Ihrer Seite. Davon ist nichts zu lesen. Sie wollen bis 2025 den Ausbau des Breitbandes schaffen, statt hier anzusetzen und zu sagen: Wir brauchen jetzt die Kraft, die finanziellen Ressourcen, wir müssen hier beschleunigen und Wege finden. Das tun Sie nicht, sondern Sie machen weiter wie bisher.

Und jetzt kommt der absolute Hammer, und das hätte ich Ihnen nie im Leben zugetraut, nie im Leben! - Ihnen schon, Herr Bretz. Sie reden hier während der gesamten Corona-Krise über das für dieses Land wichtige Ehrenamt. Auch heute haben Sie davon gesprochen, dass Sie das Ehrenamt unterstützen wollen, Herr Stohn. Und Sie, Herr Woidke, haben auch ständig über das Ehrenamt geredet. Weil Sie sagen, ich würde hier nur Worthülsen verbreiten, sage ich es Ihnen einmal faktisch: Es ist Ihr Haushalt, Herr Woidke, Ihnen fällt nichts anderes ein, als die gesamte Förderung der Staatskanzlei für Ehrenamt einfach zu streichen. Sie streichen die Mittel für die Ehrenamtsförderung, 700 000 Euro! Ehrenamt findet also anscheinend für Sie überhaupt nicht statt, zumindest steht es so in Ihrem Haushaltsentwurf.

Und jetzt kommt es: In einer Krise - das wissen wir alle - steigt das Armutsrisiko. Alle Fakten sprechen dafür, überall; die Armut in diesem Land steigt. Das Armutsrisiko steigt in diesem Land - und was macht diese Kenia-Koalition? Sie reduziert die Mittel für die Armutsbekämpfung um 50 %, von 600 000 Euro - was schon vorher nicht besonders viel war - auf 300 000 Euro. Wer sollen denn da die Gewinner in diesem Land sein? Es ist unfassbar, was Sie hier anstellen! Sie produzieren durch Ihre Politik neue Verliererinnen und Verlierer und schaffen keine Gewinnerinnen und Gewinner.

Und wofür wollen Sie Geld ausgeben? - Ich komme gleich zum Schluss, aber das muss ich jetzt wirklich noch loswerden. - Für den BER. Super! Der BER muss fertiggebaut werden, alles klar. Was aber überprüft werden muss, ist, ob Ihre ganzen tollen Ausbaupläne für den BER bei den eingebrochenen Passagierzahlen tatsächlich noch sinnvoll sind. Hören Sie auf, darüber nachzudenken, den BER auszubauen! Stoppen Sie diesen Wahnsinn und schaffen Sie hier Klarheit und Wahrheit!

Ich will von Ihnen auch eine Antwort darauf haben, wie wir eigentlich damit umgehen, dass die Ausgaben für die Infrastruktur, für Wasser bei der Tesla-Ansiedlung so gestaltet werden, dass nicht die Bürgerinnen und Bürger vor Ort dafür bezahlen, sondern vielleicht auch derjenige bezahlt, Elon Musk, der seit Januar

sein Vermögen um 80 Milliarden Euro vervierfacht hat. Wir könnten doch einmal darüber reden, ob wir ihn nicht an den Investitionskosten beteiligen wollen.