- Nein, das ist kein Diskussionsgegenstand, das ist … - Sie haben einen Geschäftsordnungsantrag gestellt. Bitte.
Frau Vizepräsidentin, ich erinnere daran, dass die Präsidentin bei ihren Ausführungen zur beim Verwaltungsgericht Cottbus anhängigen Klage heute Vormittag gesagt hat - ich zitiere -, dass die von ihr erlassene Anordnung nicht angewendet wird. Das hat sie heute Morgen hier im Plenum zum Besten gegeben. Ich bitte dies zu berücksichtigen und sich im Vorstand oder im Präsidium noch einmal abzustimmen, welche Regelung denn jetzt gilt. - Danke sehr.
Ich habe die Präsidentin dahin gehend verstanden, dass sie gesagt hat, solange eine Entscheidung des Gerichts ausstehe, gelte die Allgemeinverfügung, sie aber von den dort enthaltenen Maßnahmen keinen Gebrauch machen werde. Das heißt, sie gilt bis zu dem Zeitpunkt, bis das Gericht etwas anderes entscheidet.
TOP 5: Fördermittelzahlungen an den Verein „Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein e.V.“ und die dahinterstehende „Sozialistische Jugend Deutschlands“ wegen linksextremistischer Bezüge sofort einstellen!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was würden Sie davon halten, wenn dieses Parlament gar nicht existieren würde, wenn keine Gerichte existierten und auch keine Regierungen, wenn es noch nicht einmal verbindliche Regeln für das Zusammenleben gäbe?
Diese Vorstellungen finden Sie extrem? Ich auch. Genau das fordert aber die „Sozialistische Jugend Deutschlands“, besser bekannt unter dem unverdächtigen Namen „Die Falken“. Sie fordern unverhohlen eine herrschaftsfreie Gesellschaft im Sinne der Anarchie, also einen Zustand der Gesetzlosigkeit. Und ich sage Ihnen: Eine solche Forderung ist mit unserem Rechtsstaatsprinzip und der Gewaltenteilung schlicht unvereinbar!
Ja, es ist sogar verfassungsfeindlich. Aber nicht nur das: Die Sozialistenjugend fordert auch die Abschaffung sämtlicher Verfassungsschutzbehörden und der übrigen Geheimdienste.
- „Zu Recht“ sagen Sie - das bitte ich, auch zu Protokoll zu nehmen. - Darüber hinaus sollen sämtliche Projekte gegen Linksextremismus abgeschafft werden. Ja, allein das dürfte für den Verfassungsschutz hinreichend Grund sein, endlich auch ein Auge darauf zu werfen.
Hinzu kommt: Man will junge Menschen - ich zitiere - nach einer „sozialistischen Utopie“ erziehen. Wenn ich so etwas höre, läuft es mir echt kalt den Rücken runter.
Ich bin in der DDR unter einem Unrechtsregime aufgewachsen, ich wurde von der Stasi unter Generalverdacht gestellt.
- Herr Walter, zu Ihnen komme ich später noch -, wie sich Erziehung nach einer „sozialistischen Utopie“ anfühlt. Und wo passiert all das? Wo werden diese gefährlichen politischen Ziele vermittelt? In der Bildungsstätte Kurt Löwenstein in Werneuchen. Genau dort werden Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene indoktriniert. Und die Landesregierung? Sie finanziert diese ideologische Vereinnahmung unserer Jugend seit Jahren mit hohen Beiträgen - und das auch unabhängig vom Sitz des Vereins, wie wir heute erfahren durften.
An den eigens hierfür gegründeten gleichnamigen Verein „Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein“ fließen seit Jahren beträchtliche Fördermittel von der Landesregierung, übrigens auch vom Bund und vom Berliner Senat. Insgesamt reden wir hier von einem höheren Millionenbetrag, inklusive diverser Mittel aus Vermögen der Parteien und Massenorganisationen der ehemaligen DDR.
Zu allem Überfluss überlässt das Land Berlin auch noch kostenlos die Nutzung der opulenten Einrichtung in Werneuchen. Also, ich muss sagen: Den neuen Sozialismus mit altem SED-Geld zu finanzieren, ist schon ein starkes Stück und ein echter Schlag für alle Opfer der DDR-Diktatur.
Im Übrigen erhält auch der brandenburgische Landesverband der Sozialistenjugend jährlich Fördermittel im sechsstelligen Bereich. Damit werden beispielsweise seine Geschäftsstelle und zwei Mitarbeiter finanziert. Die Geschäftsstelle befindet sich - welch Zufall - auf dem Gelände des Potsdamer freiLand. Dort haben „Die Falken“ 2017 übrigens ein sogenanntes Demo-Training veranstaltet. Wie wir alle wissen, diente das als Vorbereitung auf die Gewaltexzesse während des G20-Gipfels in Ham
burg. Da sehen Sie, wozu das führt und welche Folgen linke Ideologisierung hat, nämlich: Aus der Erziehung nach einer sozialistischen Utopie folgen schlichtweg linksextreme Taten.
Das freiLand ist ohnehin immer wieder wegen linksextremistischer Aktivitäten in den Medien. Regelmäßig finden dort auch Konzerte linksextremer Bands statt, und wie wir wissen, haben viele junge Menschen nicht selten über die Musik den ersten Kontakt zu linksextremistischen Vorstellungen.
Ganz klar ist doch: Wir müssen unsere Kinder und Jugendlichen und jungen Heranwachsenden konsequent vor gefährlicher verfassungsfeindlicher Propaganda schützen.
Daher fordern wir die Landesregierung auf, die Fördermittelzahlungen an den genannten Verein und die „Sozialistische Jugend Deutschlands“ sofort zu stoppen und auch eventuelle Rückzahlungen zu prüfen. - Vielen Dank.
Wir setzen die Aussprache mit dem Redebeitrag des Abgeordneten Lux fort, der für die SPD-Fraktion spricht.
Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste am Livestream! Ein Blick in die Geschichte hilft uns oft, Handlungen in der Gegenwart zu verstehen. Daher frage ich an dieser Stelle: Wer war Kurt Löwenstein?
Der Sozialdemokrat Löwenstein war einer der bedeutendsten Reformpädagogen und Schulreformer der Weimarer Republik. Den Nazis war er so verhasst, dass zwei uniformierte SA-Leute ihn noch in der Nacht des Reichstagsbrandes in seiner Wohnung überfielen, zehn Schüsse in das Schlafzimmer abfeuerten und das Arbeitszimmer verwüsteten. Löwenstein flüchtete noch am selben Tag aus Deutschland und ging nach Paris ins Exil.
Kurt Löwenstein: Reformpädagoge, Sozialdemokrat und Antifaschist. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, in genau dieser Tradition stehen der Jugendverband der „Falken“ und die von ihm betriebene Jugendbildungsstätte „Kurt Löwenstein“. Seit über 30 Jahren leisten die „Falken“ in Brandenburg einen unschätzbaren Beitrag für eine lebendige Zivilgesellschaft. Ihre Projekte schaffen für Tausende Jugendliche die Möglichkeit, sich auszuprobieren, neue Dinge kennenzulernen und Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Diese engagierte Arbeit zielt auf den Aufbau einer pluralistischen Gesellschaft, in der alle Menschen die gleichen Teilhaberechte haben und niemand unterdrückt oder diskriminiert wird.
Meine Damen und Herren von der AfD-Fraktion, genau da liegt doch Ihr wahres Problem mit diesem Jugendverband. Diese und andere Einrichtungen sind Ihnen ein Dorn im Auge, weil dort ein Gesellschaftsbild vermittelt wird, welches Ihnen komplett widerstrebt. Ihre diesbezüglichen Anfragen und auch der heutige Antrag dienen daher nur einem einzigen Ziel: Sie wollen Angst schüren, verunsichern, einschüchtern. - Es war Ihr Fraktionsvorsitzender im Bundestag, der dies ja klar formulierte:
In Ihrer bewusst konstruierten Argumentation versuchen Sie, den Jugendverband in die Nähe des Linksextremismus zu rücken. Ich verweise daher ausdrücklich - das war auch heute der Fall - auf die Beantwortung Ihrer Anfragen durch die Landesregierung, die die Haltlosigkeit dieser Anschuldigungen aufzeichnen.
Wir sagen Ihnen deshalb unmissverständlich: Das werden wir Ihnen nicht durchgehenlassen - nicht heute, nicht morgen und auch nicht in der Zukunft. Alle Demokraten in diesem Haus stehen heute an der Seite der „Falken“ und ihrer Jugendbildungsstätte „Kurt Löwenstein“.
Liebe „Falken“, seid weiter eine laute Stimme für eine solidarische und gerechte Gesellschaft! Lasst euch nicht einschüchtern! Engagiert euch weiter kraftvoll für die Kinder und Jugendlichen in unserem Land! Und zum Schluss: Habt genau dafür herzlichen Dank!
Frau Vizepräsidentin! Liebe Abgeordnete, aber vor allem: Liebe Menschen, die ihr gerade vor dem Landtag steht, um euch solidarisch mit den „Falken“ und dem Kurt-Löwenstein-Haus zu zeigen: Schön, dass ihr da seid!
Nach einer schier endlosen Reihe Kleiner Anfragen, in denen die AfD die ganze Vielfalt der brandenburgischen Zivilgesellschaft und Institutionen in den Blick genommen hat, die sich für eine solidarische Gesellschaft, gegen Ausgrenzung und Diskriminierung engagieren, hat sie nun einen Verband herausgesucht und möchte dessen Arbeit de facto verbieten. Auch wenn sich die AfD in dem vorliegenden Antrag gegen das Kurt-Löwenstein-Haus und die „Falken“ richtet, ist uns, ist der Zivilgesellschaft außerhalb dieses Hauses klar: Gemeint sind wir alle - wir alle, die nicht müde werden, dem zu widersprechen, wofür die AfD steht. Deshalb sage ich ganz deutlich an die AfD gerichtet: Selbst, wenn Sie jede Kleine Anfrage der vergangenen Monate mit einem solchen Antrag untersetzen oder diesen Antrag, den Sie heute hier vorgelegt haben, noch fünfmal in den Kreistag Barnim einbringen, wir werden nicht weichen! Wir stehen an der Seite des KurtLöwenstein-Hauses und aller Jugendverbände im Landesjugendring.
Jeder Jugendverband des Landesjungendrings, jede Jugendbildungsstätte ist ein essenzieller Lern-, Bildungs- und Erfahrungsort der Kinder und Jugendlichen in diesem Land. Professor Dr. Hafeneger von der Uni Marburg kam vor einigen Jahren in der Wirkungsbetrachtung von Jugendbildungsstätten zu acht guten Gründen, die seines Erachtens den Mehrwert für Jugendliche charakterisieren. Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass Jugendbildungsstätten einen ganz spezifischen, eigenen Lernort darstellen. Sie bieten den Jugendlichen die Zeit, den Ort und die pädagogische Begleitung, um sich mit wesentlichen Fragen des Zusammenlebens zu befassen und diese erfahrbar zu machen. Für die Jugendlichen sind die Erfahrungen prägend in ihrer Subjektentwicklung - häufig auch aufgrund der Begegnung mit Gleichaltrigen, mit Lebensrealitäten aus anderen Regionen und Ländern. Es geht bei der Arbeit der Jugendverbände und der Jugendbildungsstätten um nicht weniger als Empowerment - so
wie es auch das Ziel des KLH in seinem Selbstbild ist -, und zwar um Empowerment als Voraussetzung für die Demokratieentwicklung in dieser Gesellschaft. Und ja, dazu gehört es auch, sich mit Ausbeutung, Ungerechtigkeiten oder rechten Umtrieben zu befassen und Ideen einer gerechteren Welt zu entwickeln.
Dass Ihnen von der AfD diese Grundsätze widerstreben, überrascht mich nicht. Dass Sie allerdings nicht davor zurückschrecken, die De-facto-Lahmlegung eines Verbandes zu beantragen, dessen Bildungseinrichtungen schon einmal geschlossen und dessen Mitglieder verfolgt wurden, empfinde ich als absolute Dreistigkeit, die wir nicht hinnehmen werden.
Liebe Jugendbildungsstätten, liebe „Falken“, aber vor allem liebe Christine Reich, ihr könnt gewiss sein: Wir als Linksfraktion und die große Mehrheit dieses Hauses stehen an eurer Seite und danken euch für euer Engagement. In diesem Sinne: Freundschaft!