Protokoll der Sitzung vom 16.12.2020

Zur Reihenfolge der Abstimmungen: Die Abstimmung über die Änderungsanträge und die Einzelpläne erfolgt unmittelbar nach der dazu geführten Debatte. Danach wird über das Haushaltsgesetz 2021 in 2. Lesung abgestimmt. Im Anschluss daran erfolgt die Abstimmung über die Überweisung des Haushaltsgesetzes an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen zur Vorbereitung der 3. Lesung. Danach stimmen wir über die weiteren Be- schlussempfehlungen und die Berichte des Ausschusses für Haushalt und Finanzen ab.

Ich eröffne die Diskussion:

Einzelplan 01 - Landtag

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Haushalt und Finanzen

Drucksache 7/2556

Einzelplan 02 - Ministerpräsidentin, Ministerpräsident und Staatskanzlei

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Haushalt und Finanzen

Drucksache 7/2557

Einzelplan 13 - Landesrechnungshof

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Haushalt und Finanzen

Drucksache 7/2567

Einzelplan 14 - Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Haushalt und Finanzen

Drucksache 7/2568

Des Weiteren liegen Änderungsanträge der AfD-Fraktion, der Fraktion DIE LINKE sowie der BVB / FREIE WÄHLER Fraktion vor. Wenn mehrere Änderungsanträge vorliegen, nenne ich die Drucksachennummer erst bei der Abstimmung.

Wir kommen zur Aussprache, meine Damen und Herren. Als Erster spricht Herr Abgeordneter Stohn für die SPD-Fraktion. - Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Haushalt ist Ausdruck unserer Gewissheit, dass wir Corona besiegen können und werden. Es ist eine Zeit, die sehr anstrengend ist, aber es wird eine Zeit nach Corona geben - und mit diesem Haushalt werden wir die Hürden, die uns Corona in den Weg gestellt hat, überwinden. Das ist ein Rekordhaushalt, und mit den 15 Milliarden Euro werden wir beides tun: Wir werden weiter am Haus Brandenburg bauen - und damit an der Zukunft unseres Landes -, und wir werden die Gefahren, die von Corona ausgehen, abwehren, und zwar vollständig.

Warum betone ich das so, dass wir Corona vollständig und nicht nur halb abwehren? Dazu haben wir Schützenhilfe und grünes Licht vom Parlamentarischen Beratungsdienst bekommen. Warum brauchen wir das? Nun, eine Krisenabwehr unter dem Mechanismus der Schuldenbremse ist Neuland. Konjunkturbedingt könnten wir gerade einmal 400 Millionen Euro an Krediten aufnehmen. Diese Pandemie kostet aber mehr Kraft, mehr Energie und mehr Geld. Deshalb erklären wir die Notlage, um trotz Schuldenbremse zusätzlich 2,4 Milliarden Euro zu mobilisieren.

Warum diese immense Summe? Wir brauchen sie, um Steuermindereinnahmen in Höhe von 936 Millionen Euro auszugleichen. Wir wollen die Kommunen vor Ort als Auftraggeber erhalten und werden sie in den kommenden beiden Jahren mit insgesamt 430 Millionen Euro unterstützen. Wir wollen und müssen die Hilfsprogramme von Bund und Europa flankieren; auch hierfür stehen dreistellige Summen zur Verfügung. Und in diesen Tagen ganz wichtig: Wir wollen den Krankenhäusern die Mittel geben, die es braucht, um Coronapatienten zu behandeln.

Zusätzlich zu den 110 Millionen Euro an Investitionsmitteln des Landes kommen 28 Millionen Euro hinzu, um die Mittel des Krankenhausstrukturgesetzes III aufzustocken.

Wir haben Vorsorge für die nationale Impfstrategie getroffen. Allein 290 Millionen Euro werden wir als Land dafür bereitstellen. Für uns alle geht damit die Hoffnung einher, mit dem Beginn der Impfungen auch das Anfang vom Ende von Corona einzuläuten.

Ich bilanziere: Im Kampf gegen Corona gelten die AHA-Regeln. Für den Landeshaushalt sind das AHI-Regeln, nämlich Ausgleichsmaßnahmen, Hilfsprogramme und Investitionen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über den Haushalt wurde bereits viel gesprochen; nicht alles war richtig. Deswegen möchte ich mit einigen Mythen und Märchen aufräumen und Dinge klarstellen.

Erstens. Wir als Parlament und Haushaltsgesetzgeber behalten die Kontrolle. Die 2,4 Milliarden Euro sind kein Goldtopf und auch kein Schattenhaushalt bei der Finanzministerin. Die Mittel sind fast vollständig in Haushaltstiteln gebucht; wir wissen also schon heute, wofür wir das Geld benötigen werden.

Natürlich haben wir vorgesorgt. In der Corona-Notfallkasse sind 235 Millionen Euro. Corona ist nicht vorhersehbar, Corona ist unberechenbar. Deswegen werden wir diese Mittel für unvorhergesehene Ausgaben bereitstellen. Wir sind also vorbereitet, aber auch hier haben Parlamentarier die Hand drauf.

Wir schaffen sogar mehr Transparenz, denn die Berichtspflichten gegenüber dem Ausschuss für Haushalt und Finanzen werden ausgeweitet. Das Ministerium wird viermal im Jahr über den Personalhaushalt und permanent über die Mittelabflüsse informieren, die im Bereich der Coronapandemie ausgegeben werden. Wenn diese Mittel dann auch noch die Schwelle von 7,5 Millionen Euro überschreiten, muss zunächst der Haushaltsausschuss zustimmen. Diese Verfahrensweise werden wir im Haushaltsgesetz ganz klar verankern.

Zweitens sei klargestellt: Corona wird uns länger beschäftigen. Wer meint, dass Corona im Jahr 2022 keine haushaltpolitischen, keine sozialen oder wirtschaftlichen Auswirkungen haben wird, ist schlicht naiv. Deshalb ist es richtig, die Notlage für 2021 und für 2022 zu erklären. Wir ahnen, dass Corona auch noch im Jahr 2023 Auswirkungen zeitigen wird. Das werden wir aber 2022 genau wissen und dann darüber sprechen.

Drittens. Es ist ein Rekordhaushalt, es ist aber auch ein Rekordereignis, dem wir uns entgegenstellen. Besondere Zeiten erfordern bekanntlich besondere Mittel. Wenn ein Sturm aufzieht, ist man froh, in einem Haus aus Stein und nicht aus Stroh zu sitzen. Deswegen werden wir die Aufnahme von Schulden verkraften. Was wir aber bereuen würden, wäre, wenn wir jetzt nicht Vorsorge und nicht die richtigen Entscheidungen treffen würden.

Bei allen Ungewissheiten, die die Coronapandemie mit sich bringt, bleibt für uns ein übergeordnetes Ziel klar vor Augen, nämlich die Zukunft Brandenburgs. Für uns als Sozialdemokraten ist ganz klar: Wir investieren in die Zukunft und in den Zusammenhalt unseres Landes. Wir verbessern die Qualität der Kitas. Wir stellen mehr Lehrkräfte und Polizisten ein. Auch die Justiz bekommt mehr Personal, damit Gerichtsverfahren be

schleunigt werden. Wir investieren in Krankenhäuser. Wir stärken die Pflege. Wir unterstützen ländliche Regionen. Wir treiben den Strukturwandel in der Lausitz voran - die universitäre Medizinerausbildung ist da nur eine Komponente.

Wir wollen bundesweiter Vorreiter sein. Den ersten armutsfesten Mindestlohn soll es in Brandenburg geben. Gestern hat das Kabinett beschlossen, den Vergabemindestlohn auf 13 Euro zu erhöhen. Diesen Weg gehen wir weiter, und ich freue mich auf die Beschlussfassung hier im Parlament.

Natürlich investieren wir auch in Infrastruktur - in Schiene, in Rad, in Straße - und fördern den Wohnungsbau. Zukunft wird in Brandenburg gemacht: Wir investieren in Wissenschaft und Forschung.

Diese Schwerpunkte haben wir auch in den parlamentarischen Haushaltsberatungen gesetzt. Deswegen ziehen wir die kommunalen Infrastrukturprogramme im Bereich Bildung und Feuerwehr vor. Wir wollen wichtige Investitionsimpulse setzen.

Ein besonderer Schwerpunkt in unseren Änderungsanträgen betrifft den Bereich Kinder und Jugendliche. Sie sind derzeit besonders von den Maßnahmen betroffen. Folgerichtig haben wir einen Kinder- und Jugendbeauftragten eingeführt; wir erhöhen die Personalzuschüsse für die Träger der Kinder- und Jugendarbeit. Ebenso werden Kinder und Jugendliche besonders von der Erhöhung der Sportförderung profitieren; nicht zuletzt kommt die Einführung des Stipendienprogramms für angehende Lehrkräfte allen Schülerinnen und Schülern zugute.

Neben dem Bereich Kinder und Jugendliche hat insbesondere die Kultur Einschnitte erlitten. Deshalb setzen wir einen weiteren Schwerpunkt. Wir erhöhen die Mittel für musische Bildung, insbesondere für die Honorare von Musikschullehrkräften. Wir unterstützen das Filmorchester Babelsberg und verbessern die Denkmalförderung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Landeshaushalt 2021 könnte man viele Überschriften geben. Er ist mit dem Volumen von 15 Milliarden Euro ein Rekordhaushalt und mit dem kommunalen Rettungsschirm und den Konjunkturmaßnahmen ein riesiges Hilfsprogramm. Er ist eine Kriegskasse im Kampf gegen die Pandemie und ihre Folgen. Er ist mit seinen Mitteln gegen Corona und für die Impfstrategie ein Silberstreifen am Horizont. Er ist mit einer Investitionsquote von über 13 % ein Zukunftshaushalt.

Am vielleicht wichtigsten ist aber: Er ist in Zahlen gegossene Zuversicht! Brandenburgs Weg zur Gewinnerregion wird weitergehen. Mit diesem Haushalt legen wir das Fundament dafür. - Herzlichen Dank.

Danke schön. - Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Dr. Berndt. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Woche bekam ich einen Brief des Ministerpräsidenten und einen Band mit Reden zur Gedenkfeier für Manfred Stolpe vor einem

Jahr. - Besten Dank dafür, Herr Woidke. Im Anschreiben wurde an Stolpes von Theodor Fontane entlehntes Motto erinnert: „Am Mute hängt der Erfolg.“ Dass der Erinnerungsband am Vorabend der Haushaltsdebatte eintraf, muss Zufall gewesen sein, denn als Motto für das vorliegende Zahlenwerk oder gar die Politik der Regierung, die diesen Haushalt einbringt, passt er überhaupt nicht.

Beginnen wir also mit den Zahlen. Es ist wohl mehr Übermut als Mut, wenn ein Haushaltsvolumen von 15 Milliarden Euro eine Nettoneuverschuldung von 1,9 Milliarden Euro beinhaltet. Damit bleibt die Koalition auf ihrem Kurs bemerkenswerter Bereitwilligkeit bei der Schuldenaufnahme - und der sieht wie folgt aus:

Vor der schwarz-rot-grünen Koalition wurde über Jahre das Ziel der Haushaltskonsolidierung verfolgt und wurden Rücklagen von 2 Milliarden Euro aufsummiert. Ende 2019 wurde die Schuldenbremse in die Verfassung aufgenommen, aber beinahe zeitgleich eine Neuverschuldung von 1 Milliarde Euro für den Zukunftsinvestitionsfonds beschlossen, womit erstmals seit Jahren wieder ein negativer Finanzsaldo entstand. Das kritisierte der Landesrechnungshof scharf.

Anfang 2020 wurde eine außergewöhnliche Notsituation festgestellt, damit die Schuldenbremse außer Kraft und ein CoronaRettungsschirm im Umfang von 2 Milliarden Euro gespannt werden konnte, wovon bis heute knapp die Hälfte verbraucht ist.

Mit der Aufstellung des Haushaltsentwurfes 2021 wurden 90 % der Rücklagen von 2 Milliarden Euro entnommen und zusätzlich 2,4 Milliarden Euro an neuen, zusätzlichen Schulden veranschlagt, davon 930 Millionen Euro für ein weiteres Sondervermögen zur Verwendung 2022. Wofür diese 930 Millionen Euro verwendet werden sollen, bleibt unklar. Entgegen der Empfehlung des Landesrechnungshofes wird die außergewöhnliche Notsituation im Land - Herr Stohn hat es eben gesagt - für zwei Jahre im Voraus festgestellt und damit gegen das Haushaltsprinzip der Jährlichkeit verstoßen.

Zusammengenommen reden wir also über 7,4 Milliarden Euro an neuen Schulden bzw. Verzehr von Rücklagen binnen 18 Monaten. Damit dürfte Brandenburg eher jenseits statt diesseits der Grenze seiner finanziellen Leistungsfähigkeit angekommen sein. Der Gestaltungsspielraum in der Zukunft ist damit kaum noch gegeben; Risiken einer Zinsänderung sind erheblich.

Für die Tilgung sind mehrere Jahrzehnte veranschlagt. Damit werden Generationen von Bürgern belastet und verpflichtet. Damit werden auch die Anstrengungen der letzten zehn Jahre zur Schuldentilgung konterkariert; aber das mag die Fraktion DIE LINKE ausführen.

Es wäre selbst unter Corona-Bedingungen weniger vermessen gegangen. So hätte man statt der 2,4 Milliarden Euro neuer Schulden einfach auf den noch nicht verplanten Teil des Zukunftsinvestitionsfonds in Höhe von 600 Millionen Euro zurückgreifen und so die neuen Schulden bei 1,8 Milliarden Euro einbremsen können.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich gestatte keine Zwischenfrage, solange wir ausgegrenzt werden. - Vielen Dank, Herr Dr. Redmann.

Wir wollen uns aber nicht über Gebühr mit Änderungsvorschlägen aufhalten. Die weiteren Einzelpläne folgen. Im Übrigen wurden doch ausnahmslos alle Änderungsanträge der Nichtregierungsfraktionen, der Oppositionsfraktionen in den Haushaltsberatungen mit der Koalitionsmehrheit abgelehnt - alle!

Offensichtlich haben Sie, sehr geehrte Koalitionäre, das Dogma der Alternativlosigkeit verinnerlicht. Das macht Ihre Politik so doktrinär. Das führt zu Entscheidungen, die den Wohlstand und die Freiheit unseres Landes gefährden. Um das zu illustrieren, zitiere ich nicht Goethe, sondern die Beatles - „A day in the life“ - und rufe uns vier Nachrichten vom 8. bzw. 9. Dezember 2020 in Erinnerung: