Protokoll der Sitzung vom 18.05.2000

Danke schön, Frau Kollegin! – Das Wort hat nunmehr die Frau Kollegin Dr. Rusta für die Fraktion der SPD. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Landowsky! Sehr geehrter Herr Lehmann-Brauns! Mit Irrationalitäten, Unterstellungen und Mutmaßungen kommen wir in diesem Punkt nicht weiter. interjection: [Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Braun (CDU): Was wurde denn unterstellt?]

Es gehört zu den elementaren Geboten der politischen Kultur, einen Fehler, den man gemacht hat, so schnell wie möglich zu korrigieren.

[Starker Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Dabei fehlt aus unserer Sicht die 1992 vom Senat beschlossene Streichung des ersten Berliner Stadtkommandanten, Bersarin, aus der Liste der Berliner Ehrenbürger. Das Urteil, Bersarin sei ein stalinistischer Machthaber ohne wesentliche Verdienste für die Stadt, dazu auch noch belastet durch die Deportationen im Baltikum, hat sich als voreilig und historisch falsch erwiesen. Herr Landowsky! Herr Bersarin hat in Berlin genau das gemacht, was den schlimmen Dingen, die Sie beschrieben haben, entgegengewirkt hat.

[Starker Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Hand aufs Herz – diese Einschätzung von Bersarin war damals nicht nur Folge unzulänglicher Beratung durch Historiker oder solche, die sich dafür hielten, sondern auch Folge mangelnder emotionaler und intellektueller Bereitschaft, dort zu differenzieren, was man mit dem SED-Regime zu verbinden glaubte. Damals, kurz nach der Wende, kurz nach der Überwindung dieses Regimes, war es noch zu verstehen, aber nicht mehr 10 Jahre danach; heute ist es nicht mehr zu akzeptieren.

Die historische Wahrheit – trotz Ihrer Mutmaßungen und Unterstellungen, Herr Lehmann-Brauns, denn es war so –, die in mehreren jüngsten historischen Publikationen einhellig dokumentiert ist, lautet:

Der erste Stadtkommandant, Bersarin, war ein Glücksfall für Berlin. Sein nur zwei Monate währendes Wirken hat aus dem zerbombten, depressiven Berlin eine kulturell und materiell lebensfähige Stadt gemacht.

Er war eben kein stalinistischer Sendbote, sondern ein Humanist mit hoher weltanschaulich-politischer Toleranz.

[Zurufe von der CDU]

Ernst Lemmer, CDU-Politiker und ehemaliger Bundesminister für innerdeutsche Angelegenheiten, formulierte rückblickend:

Generaloberst Bersarin schien nichts wichtiger zu sein, als Berlin wieder lebensfähig zu machen. Er nahm seine Aufgabe so ernst und hielt sie für so selbstverständlich, als hätte er sie in seinem eigenen Lande durchzuführen. Als Stadtkommandant, der offensichtlich auch für den Kleinen Mann ansprechbar war, erlangte er Popularität.

Der letzte Satz stammt von Peter Jahn, Direktor des Museums Berlin-Karlshorst.

(A) (C)

(B) (D)

Bemerkenswert war der Einsatz Bersarins für die Wiedereröffnung der kulturellen Einrichtungen Berlins, darunter die Philharmonie und das Deutsche Theater. Das geht weit über die Pflichten eines normalen Stadtkommandaten hinaus.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Das gilt übrigens auch für die Einführung des Religionsunterrichts an Berliner Schulen.

[Bm Böger: Ich wusste das immer! – Heiterkeit bei der SPD]

Seiner Toleranz und seinem Engagement für Berlin entsprach es, dass er unbelastete, konservativ eingestellte Persönlichkeiten in die Aktivitäten für das Wohl der Stadt mit einbezog. Der evangelische Bischof Dibelius und der Propst Grüber entwarfen von dem aufrechten Kommunisten Bersarin das Bild des weißen Raben. Nicht zufällig wurde von Zeitzeugen immer wieder der Verdacht geäußert, dass der tödliche Unfall Bersarins 1945 auf Befehl Stalins arrangiert worden sei, weil ihn sein Umgang mit den besiegten Deutschen zu weit von den stalinistischen Vorgaben entfernt hatte.

Wir rufen daher die CDU, unseren Koalitionspartner, auf, sich unserem Antrag zur Wiederverleihung der Ehrenbürgerwürde für Bersarin anzuschließen. Wir hoffen, dass die Ära Merkel dabei auch in die Berliner CDU Einzug findet,

[Vereinzelter Beifall bei der PDS und bei den Grünen]

Was Gorbatschow, der mit Ihrem Votum Ehrenbürger Berlins ist, für die deutsche Einigung und Einheit bedeutet, bedeutet Bersarin für die Wiederbelebung Berlins nach dem verheerenden Krieg. Es geht dabei aber nicht nur um die Herstellung historischer Gerechtigkeit, sondern es geht auch um das politische Selbstverständnis Berlins; denn mit der Auswahl der Ehrenbürger entwerfen wir ein Bild von uns selbst und definieren unsere Identität. Gerade Berlin als eine Ost-West-Metropole, die Ost und West zueinander bringt und vermittelt, muss mit einem differenzierten und vorurteilsfreien Bild des Ostens und seiner Geschichte in Deutschland und Europa vorangehen.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Zurufe von der CDU]

Dass die CDU etwas mehr Zeit für die Beurteilung Bersarins braucht, findet allerdings unser Verständnis. Deshalb plädieren wir heute für die Überweisung des Antrags an den Kulturausschuss. – Danke!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Frau Kollegin! Der Ältestenrat empfiehlt ebenfalls die Überweisung an den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten. Wer dem seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Enthaltungen – Bei einer Gegenstimme und einigen Enthaltungen ist das so beschlossen.

Die lfd. Nrn. 40 und 41 sind bereits durch die Konsensliste erledigt. Die lfd. Nr. 42 hatten wir bereits mit der lfd. Nr. 15 verbunden und entsprechend überwiesen. Die lfd. Nrn. 43 bis 50 sind ebenfalls durch die Konsensliste erledigt.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 51, Drucksache 14/385:

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion der PDS und der Fraktion der

Grünen über Fortführung des Projekts „IdA-Controlling“ und Übertragung auf weitere Themenfelder

Zu diesem Vier-Fraktionen-Antrag ist keine Beratung vorgesehen. Ich lasse sofort abstimmen. Wer dem Antrag Drucksache 14/385 seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 51 A, Drucksache 14/396:

Antrag der Fraktion der Grünen über Weiterfinanzierung der Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahme „Pottporree“

Dieser Antrag ist dringlich. Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Die Antrag stellende Fraktion der Grünen beantragt die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen und an den Hauptausschuss. Darüber lasse ich abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Die Gegensprobe! – Enthaltungen? – Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 51 B, Drucksache 14/400:

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU über Weiterentwicklung der Gesundheitsregion Buch

Auch dieser Antrag ist dringlich.

Es wird empfohlen, den Antrag wie folgt zu überweisen: federführend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz unter Zuladung des Ausschusses für Wirtschaft, Betriebe und Technologie, des Weiteren an den Ausschuss für Gesundheit, Soziales und Migration unter Zuladung des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung und an den Hauptausschuss. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Das ist einstimmig so angenommen.

Die Überweisungen gelten auch – so haben sich die Geschäftsführer der Fraktionen einvernehmlich verständigt – für den Antrag unter der

lfd. Nr. 29, Drucksache 14/329:

Antrag der Fraktion der PDS über kooperatives Regionalentwicklungskonzept für Berlin-Buch

den Sie auf der Konsensliste finden. – Hierzu sehe ich keinen Widerspruch. Dann wird so verfahren.

Die lfd. Nrn. 52 bis 54 sind bereits durch die Konsensliste erledigt.

Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Die nächste Sitzung wird am Donnerstag, dem 8. Juni 2000, um 13.00 Uhr stattfinden. Die heutige Sitzung ist damit geschlossen. Ich wünsche Ihnen einen guten Heimweg! – Danke schön!

[Schluss der Sitzung: 21.10 Uhr]