Die Dresdner Bahn – fangen wir mit den einzelnen Projekten an – ist zwingend erforderlich. Zum einen, um die Anbindung des neuen Flughafens im Süden Berlins, in Schönefeld, zu gewährleisten mit einem leistungsfähigen, in dichtem Takt verkehrenden Airport-Express, und um insgesamt die Verkehrskapazitäten in der Fernbahn sicherzustellen. Die Alternative wäre ein viergleisiger Ausbau der Anhalter Bahn, was zum Einen für die Anwohner eine erhebliche zusätzliche Belastung wäre, zum Zweiten Kosten und Fahrzeitverlängerung verursacht, die letztendlich die Bahn teurer kommen, als den Ausbau der Dresdner Bahn voranzutreiben. Hier werden Senat und Abgeordnetenhaus allerdings darauf bestehen, dass auch auf die Anwohner Rücksicht genommen wird, dass eine umfeld- und umweltverträgliche Lösung gefunden wird, an der sich Berlin beteiligt, die Berlin aber nicht voll finanzieren wird.
Zum Punkt Bahnhof Ostkreuz: Das ist nun ein Schildbürgerstreich par excellence. Der Bahnhof Ostkreuz taugt in seinem derzeitigen Zustand eher als Außenstelle des Technikmuseums als als Verkehrsknotenpunkt im S-Bahnnetz, der er eigentlich sein sollte. Ich glaube nicht, dass das ein Zustand ist, den man bewahren sollte, bei aller Freundschaft für den Denkmalschutz. Wenn die Bahn jetzt der Meinung ist, sie könnte dieses Projekt, das seit Jahrzehnten vor sich hergeschoben wird, noch weiter schieben, muss sie sich zum Einen sagen lassen: Es wird nicht gehen, wenn sie den Betrieb dort nicht einstellen will. Zum Anderen: Eine Zwischensanierung wird erheblich teurer werden. Und zum Dritten: Ich glaube, dass die Stadt Berlin und auch das Nahverkehrssystem es verdient hat, dass sich hier die Bahn so engagiert, dass nachher dort auch ein vernünftiger Betrieb stattfinden kann. Letztendlich wird Leidtragender die S-Bahn GmbH sein, die zwar Gewinne erwirtschaften soll, aber hier keine Unterstützung vom Bahnkonzern bei der Erneuerung der Infrastruktur bekommt.
Ein Verzicht auf den viergleisigen Ausbau des Fernbahntunnels wäre nun allerdings auch ein Treppenwitz der Geschichte. [Niedergesäß (CDU): Hört, hört!]
Wir bauen für 31⁄2 Milliarden DM vier Röhren durch die Stadt und bauen dann nur zwei aus, weil zwischenzeitlich der Bahn das Geld und die Lust ausgehen. Das kann es nun wirklich nicht sein! Man kann darüber nachdenken, ob man erst einmal zwei Gleise baut, und wenn der Airport-Express wirklich kommt, dann
die beiden anderen in Betrieb nimmt. Aber dass man sagt: Das andere verschiebt man auf den Sankt- Nimmerleinstag – das halte ich für falsch.
Das nächste Projekt auf der Streichliste: der Bahnhof Papestraße. Dies ist allerdings von erheblicher Bedeutung für den Innenstadtverkehr in Berlin. Wenn dieser Bahnhof nicht als Fernund Regionalbahnhof zur Verfügung steht, heißt das, dass alle Verkehre aus dem Süden Berlins zum Lehrter Bahnhof gezogen werden. Da es dort keine Nahverkehrsanbindung gibt, die den Namen verdient, würde das heißen, dass erhebliche zusätzliche Autoverkehre durch die Stadt fahren. Das kann weder im Sinne der Bahn noch im Sinne der Berlinerinnen und Berliner sein. Wir werden das jedenfalls nicht akzeptieren.
Der Verzicht auf die Bürohäuser am Lehrter Bahnhof ist da sicherlich noch das kleinste Problem. Der ist nämlich nicht von verkehrlicher Bedeutung. Genauso kann das überdimensionierte Parkhaus am Bahnhof Papestraße auch zumindest auf später verschoben werden. Die 500 Millionen DM, die das kosten soll, verliert die Bahn sonst wieder an den Konkurrenten Straße.
[Cramer (Grüne): Warum klatschen Sie denn nicht? – Niedergesäß (CDU): Weil ich für Parkplätze bin! – Heiterkeit]
Zum Schluss noch ein Blick auf die Internet-Seite der Bahn. Dort findet man unter dem Stichwort „Bauen für Berlin“ folgende Sätze:
Der Zweite Weltkrieg und vier Jahrzehnte deutscher Teilung haben tiefe Spuren hinterlassen. Von dem einst vorbildlichen Schienenverkehrssystem blieb kaum mehr als ein Torso übrig.
Hier endet dieser Artikel auf der Internetseite erstaunlicherweise. Wir werden uns damit nicht zufrieden geben.
Danke schön, Herr Kollege! – Für die Fraktion der PDS hat nunmehr Frau Matuschek das Wort. Bitte schön. Frau Kollegin!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gaebler, Sie haben sich gut herausgeredet! Wir brauchen uns nicht darüber zu unterhalten, dass Berlin die Bahn braucht. Das ist Konsens, da haben wir ausnahmslos gleiche Ansichten. Aber es ist ein bisschen zu wenig zu sagen, Schluderei und Chaos gebe es nur bei der Bahn; da fehle das Kostencontrolling; Unfähigkeit und Arroganz seien nur bei der Bahn vorhanden; und im Übrigen habe der Senat mit dem Tiergartenstraßentunnel den Kosten- und den Zeitplan eingehalten.
Das Alles ist nicht die ganze Wahrheit; denn Schluderei und Chaos gibt es nicht nur bei der Bahn, sondern auch beim Senat in Berlin. Dort gibt es auch Unfähigkeit und Arroganz.
reichlich – auch bei den Koalitionsfraktionen! Und der Tiergartenstraßentunnel ist keineswegs innerhalb des Kosten- und Zeitplans geblieben, sondern die Endabrechnung ist jetzt schon deutlich höher als ursprünglich vorgesehen.
Bis jetzt spricht man von 70 Millionen DM. Warten wir einmal die Endabrechnung ab, dort wird es noch mehr sein.
Ich habe mich gefragt, warum das Geschrei über die hohen Benzinpreise nicht auch noch in der Aktuellen Stunde erörtert wird. [Heiterkeit bei den Grünen]
Da sind wir bei dem Thema: Welche Verkehrsträger werden wie bevorzugt und welche werden wie benachteiligt?
Herr Gaebler, Sie haben richtigerweise angefangen, über die Bahnreform zu sprechen. Ein Geburtsfehler der Bahnreform war nämlich der, dass gerade die Bahn nicht gleichgestellt wurde zum Beispiel in der Belastung mit den Infrastrukturkosten. Die Bahn ist der einzige Verkehrsträger, der die vollen Infrastrukturkosten allein zu zahlen hat.
Man kann nicht immer so tun, als sei das nicht wahr. Das ist ein Mangel der Bahnreform. Wenn man den nicht angeht, kann man auch nicht den Verkehrsmix, den wir alle wollen, nämlich mehr Verkehr auf die Schiene bringen, tatsächlich angehen.
Der Sinn der Bahnreform ist in erster Linie, die Börsenfähigkeit dieses Unternehmens herzustellen, und genau das tut Herr Mehdorn. Er macht also nichts anderes, als seinen Auftrag zu erfüllen. Das macht er damit, dass die Unternehmens- und Investitionspolitik der Bahn ausschließlich auf dieses Ziel ausgerichtet ist. Das hat unter Umständen katastrophale Folgen, zum Beispiel hinsichtlich der Konzentration auf den Fernverkehr, zum Beispiel hinsichtlich der Vernachlässigung der Flächenbahn, zum Beispiel hinsichtlich der Vernachlässigung von Instandhaltung und Wartung bei der Bahn, zum Beispiel hinsichtlich des rigorosen Personalabbaus seit Jahren – auch der ist nicht aufgehalten worden –,
zum Beispiel hinsichtlich der Vergabepraxis. Anlässlich der Anhörung von Herrn Debuschewitz im Ausschuss habe ich das letzte Thema angesprochen. Die Vergabepraxis der Bahn lässt zu wünschen übrig, weil – dem Ziel, Börsenfähigkeit, entsprechend – solche Erscheinungen auftreten, dass Aufträge an Firmen vergeben werden, die ein unschlagbar niedriges Kostenangebot unterbreiten. Sie bekommen den Auftrag, haben jedoch oft nicht das Know-how, das man im Bahnbau braucht. Sie fangen an zu bauen. Dann kommen Kostensteigerungen. Die Nachrechnungen häufen sich. Dann häufen sich die Mängel, die die Bahn auch noch beseitigen muss. – Unter dem Strich bleibt Kostensteigerung. Also, wenn man bei der Bahn über Kostensteigerungen spricht, kann man nicht so tun, als hätte das nichts mit der Vergabepraxis zu tun, dann muss man auch die tatsächlichen Mängel deutlich benennen.
Und man muss auch sagen, dass das Pilzkonzept nicht nur ein Wunschtraum der Bahn AG war, sondern dass es gerade – und unter erheblichem Druck – seitens Berlins entstanden ist.
Es gab die Möglichkeit, andere Konzepte gerade bei der Aufwertung des Bahnknotens Berlin anzugehen, zum Beispiel das Ringbahnkonzept; das haben wir damals in die Diskussion eingebracht.
Es ist nicht tröstlich, jetzt konstatieren zu müssen, dass wir damals schon Recht hatten. Dennoch kann man nicht so tun, als ob das Pilzkonzept nur durch die Bahn entwickelt wurde. Es wurde maßgeblich durch den Senat mit vorangetrieben.
Ja, auch mit Ihrer Beteiligung, Herr Niedergesäß, das wissen wir. Sie können sich jetzt deshalb noch mächtig auf die Schenkel klopfen. Bravo! Übrigens war der Transrapid auch mit darin vorgesehen.
Das Planfeststellungsverfahren für den Verkehrsknotenpunkt im zentralen Bereich wurde in extrem kurzer Zeit durchgepeitscht. Jetzt heißt es: Das war damals eine tolle Leistung! Aber vielleicht wäre es besser gewesen, innerhalb des Planfeststellungsverfahrens genauer zu gucken, und nicht hinterher festzu
stellen, die Grundwasserverhältnisse seien möglicherweise doch nicht so einfach gewesen, wie man sich das damals vorgestellt hatte.
Und es gibt zum Beispiel auch bei der Strecke Köln-Frankfurt – das ist im Nachhinein öffentlich geworden – die Erkenntnis, man hätte damals im Planfeststellungsverfahren mehr geologische Gutachten beachten sollen. Das hätte man möglicherweise in Berlin beim Planfeststellungsverfahren für den Lehrter Bahnhof und den Tiergartentunnel auch tun sollen.
Die Rolle Berlins hat übrigens auch mit Finanzierungsauswirkungen zu tun. Ich komme darauf zurück, dass die Finanzierung der S-Bahn ein wesentlicher Bestandteil des Hauptstadtfinanzierungsvertrags ist, aber sie wurde zu Gunsten der U 5 und zu Gunsten des Tiergartenstraßentunnels in der Hauptstadtfinanzierung zurückgeschraubt.