Protokoll der Sitzung vom 13.07.2000

mensvertrag festgeschrieben wird; denn die Tücke liegt bekanntlich im Detail. Wenn man sich das anschaut, findet man durchaus noch einige offene Fragen, über die wir unbedingt hier hätten debattieren sollen. Ich spreche die Frage an, dass für die nächsten 15 Jahre festgelegt ist. den Anschluss- und Benutzerzwang an die Berliner Stadtreinigung zu geben. Das ist eine sehr schwerwiegende Entscheidung, zu der man so und so stehen kann. Aber man hätte sie hier zumindest debattieren müssen. Es sind Gebührensenkungen angeregt worden, bei denen man auch darüber reden sollte, ob sie angemessen sind, ob sie auf der richtigen Grundlage berechnet wurden. Die Frage der Eigen

kapitalverzinsung ist hier wieder ins Gespräch gekommen, bei der man auch noch einmal daran erinnern muss. dass mit dieser Frage der Senat in Sachen Berliner Wasserbetriebe ganz heftig vor dem Verfassungsgericht auf die Nase gefallen ist. All dies sind Aspekte, die so langfristig und so tiefgreifend sind, dass man sie hier diskutieren muss.

Ein ganz wichtiger Aspekt der Qualität, wozu man überhaupt

solche Unternehmensverträge abschließt, hat gar keine Rolle gespielt. Es ist nicht im Ansatz darüber geredet worden, wozu man dieses öffentliche Unternehmen überhaupt braucht. Es ist wie bisher in der Vergangenheit bei allen Unternehmen: Wichtig ist. dass der Senat sie besitzt; dann kümmern wir uns nicht mehr darum. Aber dann im Einzelfall - ich erinnere an eine Debatte im Unterausschuss Haushaltskontrolle -,wenn es zum Beispiel darum geht, wie viele Ferienheime die Berliner Stadtreinigung hat. möchte plötzlich jeder wieder ganz weit hineinregieren. Aber jetzt ist der Zeitpunkt, zu dem man darüber redet, was in solch einem Unternehmensvertrag als Rahmenbedingungen festgeschrieben wird. Jetzt ist er unterschrieben. Jetzt ist es wieder zu spät. Dann können Sie sich diese kleinlichen Debatten dazu in Zukunft auch sparen.

[Beifall bei der POS - Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Ich kann jetzt den Senat nur noch einmal auffordern, uns künf

tig in solche Debatten einzubeziehen. insbesondere dann, wenn die Konsequenzen so langfristig sind. Und ich bitte Sie, dem Antrag trotzdem Ihre Zustimmung zu erteilen; denn er enthält noch einen zweiten Teil, und diesem kann man zumindest zustimmen. Wenn so ein Vertrag geschlossen wurde. ist es das Mindeste, dass wir als Abgeordnetenhaus in regelmäßigen Abständen über die Erfüllung der Effizienzkriterien. die in diesem Vertrag festgelegt sind, informiert werden, darüber, was mit dem Geld der Berliner Gebührenzahlerinnen und -zahler passiert. Ich fordere Sie herzlich auf, diesem Antrag zuzustimmen. - Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der POS - Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Schönen Dank, Herr Kollege! Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Kollege EBer das Wort! - Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass ein amtierender Senat ein derartiges Milliardengeschäft Herr Liebig sagtees-mit Bindung über drei Legislaturperioden hinweg am Parlament vorbei und ohne öffentliche Debatte abschließt, ist der Gipfel politischer Unkultur.

[Beifall bei den Grünen - Vereinzelter Beifall bei der POS]

Ich will darüber nicht weiter jammern, aber doch eines feststellen: Dass ein Senat -welcher auch immer - das datf, offenbart eine demokratisch bedenkliche Gesetzeslücke. die dringend geschlossen werden muss.

[Beifall bei den Grünen - Vereinzelter Beifall bei der POS]

Wenn wir diese nicht schließen, werden wir auf dem Weg zu einem Staat. der steuert und nicht rudert- Stichwort "Aufgabenkritik'' - als Parlament ganz ins Hintertreffen geraten. Unsere Fraktion behält sich deshalb vor, eine Gesetzesinitiative zu ergreifen, die das Wirksamwerden derartiger Verträge in Zukunft von der Zustimmung durch das Parlament abhängig macht - eine Ratifizierung sozusagen. Es wäre schön, wenn auch die anderen Fraktionen im Interesse von Demokratie und parlamentarischer Kontrolle mitzögen. Das sollten Sie überlegen; Sie können sich nicht sicher sein, nicht auch bald einmal wieder auf der Oppositionsbank zu sitzen.

[Beifall bei den Grünen - Vereinzelter Beifall bei der POS]

Zum Inhalt des Vertrags: Soweit bekannt. mache ich dazu ein paar Anmerkungen, die vielleicht erklären, warum uns dieser Vorgang auch in der Sache so erbost. - Wir wollen eine effiziente, preiswerte und ökologisch verantwortungsbewusste Müllbeseitigung. Dazu brauchen wir unseres Erachtens allerdings, wo immer möglich, Wettbewerb in der Abfallwirtschaft - und Sie schaffen ein Monopol! Und zwar brauchen wir Wettbewerb, ohne dass der Staat sich aus seiner Steuerungsfunktion verab· schiedet. Seine Steuerungsfunktion ist insbesondere bei der Müllverwertung, also der Weiterverarbeitung und der Deponierung, gefordert; denn die Erfahrung mit der liberalisierten Abfallverwertung im gewerblichen Bereich hat deutlich gezeigt, dass dadurch weltweit die verantwortungslosesten Formen von Mülltourismus gefördert werden. Umso einfacher und ökologisch verträglich könnte man aber die Hausmüllentsorgung und die Straßenreinigung dem Wettbewerb öffnen - das, was Sie genau nicht tun! Der dazu notwendige sozial verträgliche Übergang sollte in der gleichen Zeit bewältigt werden können, die für die BVG gültig ist, nämlich innerhalb von höchstens acht Jahren. Ich kann den Unterschied zwischen den BVG-Beschäftigten und den BSR-Beschäftigten nicht erkennen. Was aber machen Sie? -Sie monopolisieren ausgerechnet diese überteuerten Bereiche für weitere 15 Jahre auf Kosten von uns allen; denn wir alle bezahlen dafür die Zeche, zumeist als Mieter in Form der Betriebskosten in der Miete.

Ein paar Zahlen: Der Verband der Haus- und Grundbesitzer schätzt anhand seiner Vergleichszahlen mit anderen Kommunen - das können Sie selbst nachprüfen -, dass die Müllabfuhr in Berlin 35% teurer ist als nötig. Wie der Senat selbst die Situa

tion bei der Straßenreinigung einschätzt, hat sich in der letzten

Haushaltsberatung gezeigt, als Sie die Kosten der Stadtreinigung mit Verweis auf eine Untersuchung des Rechnungshofs einseitig um 40% herabsetzen wollten. Sie gehen also davon aus. die Stadtreinigung sei um 40% überteuert. Und dann kommen Sie jetzt und sagen, 1 0% Gebührensenkung sei das Größte aller Dinge! Ich sage: Das ist keine Erfolgsmeldung; das ist schlicht zu wenig!

[Beifall bei den Grünen - Vereinzelter Beifall bei der POS]

Sie werden damit auch der sozialen Verantwortung -darüber sprach Herr Liebig - im zugegeben komplizierten Dreieck von Interessen der öffentlichen Hand, Beschäftigten der BSR und Bevölkerungsmehrheit in Gestalt der Mieter nicht gerecht. Der Regierende Bürgermeister hat zum BSR-Vertrag gesagt: Wir suchen immer die breite Mitte. Aber dieser Vertrag geht für die nächsten 15 Jahre in der Hauptsache zu Lasten der Bevölkerungsmehrheit Vermutlich hatte der Regierende Bürgermeister auch weniger die Breite der Mitte als die Breite des nächsten

Haushaltslochs im Blick. Sie werden den Verdacht kaum zer

streuen können, dass es hier um den klassischen Fall von kurzfristiger Liquiditätsschöpfung geht zum Stopfen aktueller

Finanzlöcher - wie es gemeinhin vorkommt, wenn jemand am Rande des Bankrotts entlangsegelt Denn der Clou für den Senat ist ja, dass er sich 455 Millionen DM Kapitalverzinsung vorab auszahlen lässt und der BSR 350 Millionen DM Eigenkapital entnimmt. Das bedeutet bares Geld auf die Kralle für den

Haushalt 2001, das uns und der BSR in den kommenden 15 Jahren dann aber fehlen wird. Man stopft also das aktuelle

Finanzloch, um ein neues aufzureißen. Seriös kann man das wahrhaftig nicht nennen, weder finanzpolitisch noch ökonomisch.

[Beifall bei den Grünen]

Die BSR hatte bislang ein ausgewiesenes Stammkapital von 650 Millionen DM. Das macht mal vereinbarte 4% mal15 Jahre nach Adam Riese 284,4 Millionen DM, jetzt nicht abgezinst, an Zinsen für die 15 Jahre. Welches Kapital und welcher Zinssatz wurde bei der Gewinnentnahme von 455 Millionen DM eigent

lich zugrunde gelegt? Und wie wird die BSR die Kapitalentnahme verkraften? Ohne zufriedenstellende Antwort auf diese Frage, auch wenn Sie hier jetzt nicht diskutieren, werden Sie den Verdacht nicht entkräften können. Senat und BSR hätten hier einen Vertrag zu Lasten der Verbraucher und der Umwelt

beschlossen.

Abschließend können wir angesichts vollendeter Tatsachen, vor die wir gestellt werden, nur dringend an Sie appellieren: Do the right thing und begrenzt den Vertrag auf höchstens acht Jahre wie bei der BVG. Macht ihr das nicht. gilt da unten das Logo: Am besten Papierkorb.

[Beifall bei den Grünen und der POS- Gram (CDU): Was haben Sie für 'ne Rückennummer?]

Schönen Dank, Herr Kollege. Beantragt ist die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie- federführend- sowie an den Haupt

ausschuss und mitberatend an den Ausschuss für Stadtentwick

lung und Umweltschutz. Wer dem seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen!- Die Gegenprobe! -Enthaltungen!- Das war bei einer Enthaltung im Übrigen einstimmig.

Dann rufe ich auf

lfd. Nr. 39 B, Drucksache 14/557:

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der SPD über Beschäftigungsumfang der Schulsekre· tärinnen und Schulsekretäre

Der Dringlichkeit wird nicht widersprochen.

Beratung wird nicht gewünscht. Wer der Überweisung an den Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport sowie an den Hauptausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen! Die Gegenprobe!- Enthaltungen?- Dann war das einstimmig.

Lfd. Nr. 39 C, Drucksache 14/558:

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der SPD über leistungsfähigen und umweltverträg· Iichen Wirtschafts· und Güterverkehr in Berlin

Der Dringlichkeit wird nicht widersprochen.

Beratung wird nicht gewünscht. Überweisung an den Aus

schuss für Bauen, Wohnen und Verkehr- federführend- und an den Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie ist beantragt. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Gegenstimme und keiner Enthaltung ist dies im Übrigen nicht einstimmig beschlossen.

Lfd. Nr. 39 D, Drucksache 14/559:

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der SPD über weitere Maßnahmen zur Verbesserung des Sozialgefüges im Bestand des sozialen Woh· nungsbaus

Der Dringlichkeit wird nicht widersprochen.

Beratung wird nicht gewünscht. Die Überweisung an den Aus

schuss für Bauen. Wohnen und Verkehr ist beantragt. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! - Die Gegenprobe! Enthaltungen! Dann ist das einstimmig so

beschlossen.