Protokoll der Sitzung vom 12.10.2000

Die Verankerung eines Kompetenzkatalogs mit einer schärferen Abschichtung von Aufgabenbereichen und Befugnissen wäre ein entschiedener Beitrag zu mehr Bestimmtheit und Rechtssicherheit, Transparenz sowie Effizienz gemeinschaftlichen Handelns.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Wenn Sie das bei einem Antrag von uns machen würden!]

Dieses ist jetzt klar vorgetragen worden.

[Gelächter und Zurufe von links]

Das ist jetzt ein Absatz, der in seinem Inhalt nachzuvollziehen ist. Nunmehr haben Sie diesen Antrag gehört. Das ist die Änderung. Was an einzelnen Tippfehlern in einem Antrag enthalten ist, bearbeiten wir normalerweise immer redaktionell. Das geschieht des öfteren.

Jetzt lasse ich über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abstimmen. Wollen Sie zu diesem Änderungsantrag auch schon die namentliche Abstimmung?

[Wieland (Grüne): Nein!]

Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.

Damit sind wir bei dem dringlichen Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD. Dazu ist namentliche Abstimmung beantragt worden. Herr Wieland, ist damit auch die Frage der Geschäftsordnung erledigt?

[Wieland (Grüne): Ja!]

Dann stimmen wir über diesen Antrag in namentlicher Abstimmung ab. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der SPD seine Zustimmung zu geben wünscht, muss mit Ja stimmen, wer gegen diesen Entschließungsantrag ist, mit Nein, und wer sich enthalten will, enthält sich. Ich eröffne jetzt die Abstimmung. [Gongzeichen]

Hatten alle die Gelegenheit, abzustimmen? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung.

[Gongzeichen]

Wir haben 83 Ja-Stimmen, 45 Nein-Stimmen, 12 Enthaltungen und 1 ohne Abgabe. Damit ist der Entschließungsantrag angenommen.

Ich gebe Ihnen noch zur Kenntnis: Die den Fraktionen überreichte schriftliche Stellungnahme des Regierenden Bürgermeisters nehmen wir zu Protokoll.

Zu Protokoll gegebene Rede von RBm Diepgen:

Berlin ist unsere Heimat, Deutschland unser Vaterland und Europa unsere Zukunft. Heute, meine Damen und Herren, reden wir also über die Zukunft, und der dringliche Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der SPD weist da in die richtige Richtung.

Die deutschen Bundesländer haben nach Artikel 23 GG das Recht und die Pflicht, sich in den Prozess der europäischen Integration einzubringen. Ihre Positionen zu den anstehenden institutionellen Reformen und Weiterentwicklungen der Union sind in den Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz vom 15. Juni und vom 24. und 25. März 2000 festgelegt. Einvernehmlich geht es den Ländern um eine präzise Kompetenzabgrenzung zwischen der EU und den Mitgliedsstaaten in Anwendung des Subsidiaritätsprinzips und um die Gewährleistung der öffentlichen Daseinsvorsorge im EU-Vertrag. Ich habe diesem hohen Haus die Positionen der Ministerpräsidenten vom 22. Juni 2000 zur Kenntnis gegeben.

Es ist eine müßige Frage, ob die Vertiefung, also die Reformen, vor der Erweiterung, also der Aufnahme neuer Mitglieder, oder umgekehrt zu erfolgen habe, ob also das eine die Bedingung des anderen sei. Meines Erachtens müssen Vertiefung und Erweiterung gleichzeitig erfolgen. Sie müssen irreversibel beschlossen werden, es muss feste Termine und für bestimmte Bereiche klare Übergangsfristen geben.

Die deutschen Ministerpräsidenten sind sich einig, dass die Osterweiterung der EU nur gelingen kann, wenn es eine eindeutige Kompetenzverteilung zwischen der EU und den Mitgliedsstaaten gibt. Es ist dann Aufgabe der Staaten, die ihnen verbleibenden Kompetenzen auf die Länder, Regionen, Kommunen oder weitere Einheiten zu verteilen. Ich teile die Auffassung des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, dass die EU für die Sicherung des Binnenmarktes, die Stabilität des Euro, die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die Asylund Flüchtlingspolitik, die Kriminalitätsbekämpfung und den Umwelt- und Naturschutz zuständig sein sollte. Alle anderen Kompetenzen müssen auf den Prüfstand und im Zweifel den Mitgliedsstaaten zurückgegeben werden.

Das kann ein europäischer Vertrag, man kann ihn auch europäische Konstitution nennen, garantieren, der aus drei Teilen besteht:

−einer Grundrechtecharta,

−einem Kompetenzkatalog und

−einer Beschreibung der Aufgaben und der Funktionen der EU-Organe.

Für mich ist die Frage, ob es über die Vertiefung und Erweiterung eine Volksabstimmung geben sollte, nicht die entscheidende. Wichtig ist es aber in einer Demokratie, für beide Entscheidungen, die erhebliche Auswirkungen auf die Bürger unseres Staates haben werden, deutliche Mehrheiten zu erhalten, unabhängig davon, ob sich diese durch Wahlen oder Volksabstimmungen oder auf andere Weise zum Ausdruck bringen.

Die EU-Erweiterung betreffend müssen wir feststellen, dass die Union heute anstelle der sechs Gründungsmitglieder auf fünfzehn Mitgliedsstaaten angewachsen ist und weitere Staaten sich um die Aufnahme in die EU bemühen. Wir konzentrieren uns auf unsere mitteleuropäischen Nachbarn und die Ostsee-Anrainerstaaten. Hierbei halte ich nichts von Geleitzügen, d. h. die Kandidaten sollten aufgenommen werden, wenn sie für einen Beitritt reif sind, also die notwendigen Bedingungen erfüllen. Wir gehen auch davon aus, dass unser nächster Nachbar, Polen, mit dabei ist. In diesem Zusammenhang ist es vielleicht aufschlussreich, dass Tschechien und Slowenien schon heute ein höheres Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner haben als das jahrelange Mitgliedsland Griechenland. Sobald ein Land die Beitrittsbedingungen erfüllt, muss es einen klaren Beitrittstermin geben und gegebenenfalls begrenzte Übergangsfristen, beispielsweise bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit.

Was die Vertiefung angeht, so halte ich in der Tat, jedenfalls in der Regel, Mehrheitsentscheidungen anstelle des Einstimmigkeitsprinzips für den einzig gangbaren Weg. Nur bei Entscheidungen, die der Ratifizierung durch die nationalen Parlamente bedürfen, muss es bei der Einstimmigkeit bleiben. Im Ergebnisprotokoll der Jahreskonferenz der Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder vom 28./29. September 2000 in Bremerhaven sind die Bereiche, bei denen es beim Einstimmigkeitsprinzip bleiben soll, einzeln aufgeführt. Zur besseren demokratischen Legitimation wäre es sinnvoll, die Beschlüsse des Rates jeweils mit doppelter Mehrheit, also mit der Mehrheit der Staaten und der Mehrheit der von den zuständigen Regierungen repräsentierten Bevölkerung zu fassen. Es fällt also erheblich leichter, Mehr

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Präsident Führer

heitsentscheidungen zuzulassen, wenn es eine klare Kompetenzabgrenzung und ein Entscheidungsverfahren mit doppelter Mehrheit gibt. Die Anzahl der Kommissare sollte sich nach den sinnvollerweise einzurichtenden Arbeitsbereichen und nicht nach der Anzahl der EU-Mitgliedsländer richten.

Bei der Neuverteilung der maximal 700 Sitze im EU-Parlament, dessen Rechte im Rahmen einer Demokratisierung der Europäischen Union nachhaltig verstärkt werden müssen, sollte darauf geachtet werden, dass jeder Abgeordnete zukünftig die gleiche Anzahl von wahlberechtigten EU-Bürgern repräsentiert.

Als zweites großes Thema haben die deutschen Bundesländer die Sicherung der Strukturen und Institutionen der öffentlichen Daseinsvorsorge zum Thema gemacht. Es geht dabei nicht nur um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die Sparkassen und die Landesbanken. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil des historisch gewachsenen Gefüges der Bundesrepublik Deutschland und müssen im EU-Vertrag weiterhin ermöglicht werden. Es geht um Aufgaben besonderer öffentlicher Verantwortung, Sozialversicherung, Kultur und auch um den öffentlichen Personennahverkehr.

Die Bedeutung der EU-Erweiterung und Vertiefung ist unstrittig, gerade für Berlin. Das wirtschaftliche Wachstumspotential Berlins liegt in den neuen Medien und in den Zukunftstechniken, vor allem aber im wirtschaftlichen Austausch mit unseren östlichen Nachbarn. Die deutschen Bundesländer, einschließlich Berlin, gehen mit klaren Positionen in die Diskussionen um das Europa der Zukunft. Ich freue mich, dass auch das Berliner Abgeordnetenhaus sich konstruktiv und dezidiert an dieser Diskussion beteiligt.

lfd. Nr. 16, Drucksache 14/690:

Vorlage – zur Beschlussfassung – über Verkauf landeseigener Grundstücke an gemeinnützige Sportvereine

haben wir bereits mit der Konsensliste erledigt. Damit hat das Haus die Vorabüberweisungen der Vorlage – zur Beschlussfassung – an den Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport und an den Hauptausschuss genehmigt. Zu Beginn unserer heutigen Sitzung haben wir diese Vorlage zusätzlich zur Mitberatung an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz überwiesen. Der Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport hat bereits getagt. Der Hauptausschuss hat gestern die Beratung vertagt, und damit keine Schwierigkeiten bei der Federführung entstehen, schlage ich Ihnen vor, dass der Hauptausschuss nunmehr die Federführung hat. – Widerspruch sehe ich nicht, dann verfahren wir so.

Damit sind wir am Ende der heutigen Sitzung, die etwas turbulent zu Ende ging. Deshalb lade ich Sie trotzdem zur nächsten Sitzung am 26. Oktober 2000 um 13 Uhr ein.

Die Sitzung ist geschlossen.

[Schluss der Sitzung: 19.14 Uhr]

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A n l a g e 1 Konsensliste

Der Ältestenrat empfiehlt, nachstehende Tagesordnungspunkte ohne Aussprache wie folgt zu behandeln:

TOP 2 14/692 Gesetz zur Eingliederung des Landesamtes für Lehramtsprüfungen Berlin und des Staatlichen Prüfungsamtes für Übersetzer Berlin in das Landesschulamt bereits vorab an JugFamSchulSport

TOP 3 14/706 Zehntes Gesetz zur Änderung des Lehrerbildungsgesetzes an JugFamSchulSport (f) u. WissForsch

TOP 5 14/701 Große Anfrage über Hoffnungen, Erwartungen, Versprechungen – die Realität der Privatisierungspolitik der großen Koalition vertagt

TOP 6 14/698 Resozialisierung nichtdeutscher Strafgefangener ohne Arbeitsgenehmigung auch durch Zulassung zum Freigang zum Zwecke der Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit abgelehnt

TOP 7 14/702 Entwicklung des Gleisdreiecks angenommen

TOP 9 14/705 Haushalts- und Vermögensrechnung von Berlin für das Haushaltsjahr 1997 angenommen