Sie vertrauen nicht auf die Leistungen des ÖPNV, die überzeugen, sondern Sie wollen die Autofahrer zu ihrem Glück zwingen.
Wir vertrauen der Leistung des ÖPNV, der S-Bahn, der BVG und der Regionalbahn. Wir wollen – und das ist der fundamentale Unterschied zu Ihnen – überzeugen, nicht zwingen!
Das ist aber nicht das, was wir wollen! Das Angebot der öffentlichen Verkehrsmittel in dieser Stadt ist so gut, dass man durchaus darauf vertrauen kann. Es überzeugt; wir müssen niemanden dazu zwingen, mit U- und S-Bahn zu fahren; die Menschen in dieser Stadt nehmen dieses Angebot freiwillig wahr. Wer sich mit dem Auto durch die Innenstadt quält, wird häufig mit der U- oder S-Bahn schneller sein und dieses Angebot auch nutzen. Die Menschen handeln vernünftig und brauchen von Ihnen nicht dazu gezwungen zu werden.
Herr Wieland, wir können nicht jeden Stau auflösen, den Sie mit Ihrem alten Auto im Straßennetz von Berlin auslösen. Aber wir arbeiten daran.
Wir haben z. B. durch die Verlängerung der Stadtautobahn einen beträchtlichen Stau aufgelöst, der die Menschen in der Silbersteinstraße in Neukölln schwer belastet hat. Dort ist Lebensqualität geschaffen worden durch Straßenbau.
Nun ist nichts dagegen einzuwenden, dass Menschen sagen: Wir verzichten freiwillig auf das Auto. Wir fahren eben mit der U-Bahn oder mit der S-Bahn. – Das sollte jeder von Zeit zu Zeit machen. [Heiterkeit bei den Grünen]
Selbstverständlich; das ist kein Problem! – Aber wir brauchen deshalb keine kollektiven Beglückungsveranstaltungen, die dieses ermöglichen oder erzwingen. Das Bahnnetz dieser Stadt ist gut genug. Diese Veranstaltung des autofreien Sonntags – ich habe sie mir angeguckt – war sehr bemerkenswert.
Es gab eins der üblichen Straßenfeste, wie wir sie – mindestens fünf am Tag – in dieser Stadt an jeder Ecke haben, relativ großflächig. Was ich besonders bemerkenswert fand: Meine Kinder konnten an jeder Ecke Auto fahren. Es gab Kettcars; es gab benzin- und elektrogetriebene Autos. Überall wurde den Kindern beigebracht: Das Auto ist persönliche Freiheit und Mobilität. Das ist eigentlich auch eine gute Veranstaltung gewesen.
[Over (PDS): Das zeigt, dass im nächsten Jahr die Opposition den autofreien Sonntag organisieren muss!]
Senator Strieder hat das in seiner bewährten Art organisiert. Er hat – wie immer – beides gemacht: nicht ganz autofrei, nur ein bisschen und eigentlich doch nicht so richtig. Damit können alle zufrieden sein.
Meine Damen und Herren von der Opposition! Sie müssen endlich einmal begreifen, dass der Autofahrer kein schlechtes Gewissen haben muss, weil er in dieser Stadt Auto fährt. Das wollen Sie den Leuten einreden. Sie müssen auch endlich einmal zur Kenntnis nehmen, dass Mobilität ein positiver Wert ist und nicht nur die Mobilität des Schaukelstuhls, in dem man hin und her schaukelt, sondern die Mobilität, in der Stadt voranzukom
men und Ziele in vernünftiger Zeit zu erreichen. Mobilität ist Grundlage des Wohlstands. Mobilität muss nicht immer Autofahren bedeuten –
das ist gar nicht die Frage und auch nicht der Streitpunkt, da sind wir doch gar nicht auseinander –, sondern es muss einen vernünftigen Mix der Verkehrsmittel bedeuten. Wir müssen Verkehrsmittel vernünftig nutzen. Wir als Politiker müssen die Voraussetzung dafür schaffen, dass Menschen den ÖPNV nutzen können mit vernünftigen und einfachen Tarifen – da haben wir noch einiges zu tun –, mit einem vernünftigen Angebot, z. B. mit dem Ausbau der U 5 – dafür werden Sie sicherlich dann auch sein –,
mit einem Ausbau des Straßenbahnnetzes – dann werden wir es nicht nötig haben, die Menschen zu zwingen, mit dem ÖPNV zu fahren. Wir müssen auch nicht – wie bestimmte Bundestagsfraktionen – an der Preisschraube drehen, um letztendlich das Auto zu einem Luxusverkehrsmittel zu machen. Das wollen wir nicht; das Auto ist ein demokratisches Verkehrsmittel für alle Bürger.
Das soll es auch bleiben. Das Auto wird auch in Zukunft eine Rolle in dieser Stadt spielen – eine Rolle zusammen mit dem ÖPNV und nicht gegen ihn. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zu über 50 % der Berliner Haushalte, die über kein eigenes Auto verfügen, könnte ich seit sechs Wochen – genauso wie Herr Kaczmarek – an einem autofreien Tag des Berliner Senats teilnehmen. Wir haben hier schon abenteuerliche Ausführungen gehört. Da kann man sich nur wünschen, dass die CDU mit dieser Argumentation genauso k. o. geht wie mit ihrer Argumentation gegen die Ökosteuer.
Am 24. September war der autofreie Sonntag des Senats. Wir erinnern uns: Der Rest Europas hatte den Freitag davor diese Imagekampagne für eine verstärkte ÖPNV-Nutzung veranstaltet. Es soll eben kein Zwang ausgeübt werden, sondern es geht darum, dass wir für eine verstärkte ÖPNV-Nutzung werben. Und das muss auch einmal die Regierungskoalition in diesem Hause zur Kenntnis nehmen. In anderen Bundesländern und Städten sind selbige Parteien schon erheblich weiter. Man möge es mir verzeihen, aber am 24. September, dem autofreien Sonntag des Senats, bin ich mit meiner Familie lieber mit dem Auto auf unsere Datsche gefahren, als mich am VW-Cartrennen bei den offiziellen Feierlichkeiten zu beteiligen.
Der erste autofreie Tag seit langem in Berlin war Dienstag der 26. September, als Tausende von Truckern die Regierung belagern wollten und dabei selbst schwer k. o. gingen. Die Berlinerinnen und Berliner nahmen die Herausforderung der Trucker an und gingen in den Untergrund: Die Truckerdrohung war ein wunderbarer Erfolg für den Berliner Nahverkehr, der an diesem Tag bis zu 30 % mehr Fahrgäste hatte. Die BVG landete bei diesem Überraschungscoup der Berlinerinnen und Berliner mit ihrem Halbpreisticket einen wirklichen Achtungserfolg. Das Einzige, was man den Truckern an diesem Tage vorwerfen kann, ist, dass sie in Ausübung ihres Demonstrationsrechts keine Parkgebühren an das Land Berlin entrichtet haben.
Ich bin bereit, dem Senat von Berlin bei der weiteren Durchführung autofreier Tage unter die Arme zu greifen.
Als Anmelder verkehrsflussgefährdender Demonstrationen könnte ich – wie gewohnt – in guter Kooperation mit der Berliner Polizei tätig werden. Der Polizeipräsident und sein Stab würden die bewährten weitreichenden Verkehrssperrungen veranlassen, wie sie inzwischen selbst bei kleinsten Demonstrationen in dieser Stadt üblich geworden sind. – Sie können mir das glauben, ich mache so etwas häufiger! – Der Senat müsste natürlich die BVG davon überzeugen, dass sie von der Möglichkeit Gebrauch macht, bis zu 30 Tage Sondertarife einzurichten. Wir haben das bereits in einem in der letzten Sitzung eingebrachten Dringlichkeitsantrag gefordert. Und wir haben es gesehen: Wenn die BVG Angebote an die Berlinerinnen und Berliner macht – und 4 DM für eine Tageskarte ist offensichtlich ein Angebot –, werden diese auch angenommen. Preissenkungen sind ein gewichtiger Anreiz, sich immer öfter in den öffentlichen Personennahverkehr zu begeben.
Auch die Medien würden wieder ihren Teil dazu beitragen, durch eine großartige Panikmache im Vorfeld plus Live-Berichterstattung von den Orten des Geschehens. Das macht Meldungen, das bringt Umsatz – die „Abendschau“ live vom U-Bahnhof Karl-Marx-Straße. Sie sehen, alle in der Stadt würden auf die eine oder andere Weise von solch einem autofreien Tag profitieren.
Aber wir beschäftigen uns hier mit zwei Anträgen der Grünen. Und eigentlich müssen wir uns hier vor allem mit einer Sache beschäftigen, nämlich mit der Berliner Sozialdemokratie. Die SPD in diesem Hause hat es noch nicht einmal geschafft, diesen läppischen Anträgen der Grünen auf Durchführung autofreier Tage in Berlin im Ausschuss zuzustimmen. Stattdessen ein völlig fauler Formelkompromiss mit der Vorfeldorganisation des ADAC.
Meine Damen und Herren der Berliner Sozialdemokratie! Sie wollen in dieser Stadt etwas verändern, davon kann man jeden Tag in der Zeitung lesen. Sie wollen eine rot-rosa-grüne Option für diese Stadt.
Na, dann tun Sie endlich mal was dafür! Bis zu einem linken Bündnis – das müssen Sie sich, Frau Kollegin, leider auch von mir anhören – scheint vor allen Dingen die SPD-Fraktion hier im Berliner Abgeordnetenhaus einiges lernen zu müssen. – Vielen Dank für die Zustimmung des Kollegen Arndt. Ich würdige das auch gern einmal.
Ja, Herr Präsident. Ich werde jetzt meinen letzten Gedanken noch ausführen und komme dann zum Schluss. – Wenn wir jetzt auf Bezirksebene mit der SPD beginnen, konkrete Projekte umzusetzen, dann darf das nicht zu einer therapeutischen Veranstaltung verkommen. Die SPD muss jetzt einmal in den Bezirken beweisen, dass sie noch Ideen für eine andere Verkehrspolitik, eine andere Stadtentwicklungslogik besitzt. Und wir werden in Kreuzberg-Friedrichshain im nächsten Jahr einen bezirklichen autofreien Tag veranstalten. Diese Form von Bündnissen, die jetzt im Bezirk geschlossen werden, das ist kein Spiel im Gegensatz zu dem, was die Berliner SPD-Fraktion hier im Abgeordnetenhaus und im Ausschuss veranstaltet hat. – Vielen Dank, meine Damen und Herren!