Inzwischen weiß ich es, Herr Liebich hat es vorgetragen: Die PDS möchte ihre geläuterte Position zur Privatisierung darlegen und darauf hinweisen, dass sie koalitionsfähig ist. Das finde ich jetzt wirklich uneingeschränkt gut. Die Formulierung aus dem Programm lautete doch ungefähr so, dass der Staatsbesitz nicht zwingend ist; diese Formulierung ist noch ausbaufähig.
„Nicht zwingend“ ist schon ein ganz kleiner Abschied, aber wirklich nur der allererste Schritt. Da ist noch eine ganze Menge zu tun, aber ich finde die Richtung völlig korrekt.
Nun hat der Kollege Kaczmarek zur PDS gesagt – das fand ich auch nicht besonders fair –, die PDS solle nicht immer nur reden, sondern handeln. Herr Kaczmarek, mit dem Satz wäre ich etwas vorsichtig, weil in diesem Hause links von der CDU relativ viele Leute darüber nachdenken, ob es nicht vielleicht richtig ist, dass die PDS außer reden auch handeln sollte. Da, wo die PDS handelt, sind es übrigens Ihre Parteikollegen, in Kreuzberg, die
gleich den Untergang des Abendlandes vermuten. Insofern finde ich es aus Ihrer Sicht ein wenig kurios, wenn Sie die PDS zum Handeln auffordern.
[Beifall bei den Grünen – Kaczmarek (CDU): Ich habe sie zu Vorschlägen aufgefordert, nicht zum Handeln, Herr Müller-Schoenau! Besser zuhören!]
Nun will ich die Fakten nicht alle wiederholen, die hier schon ausführlich dargelegt wurden. Wichtig ist aber die Bewertung. In der Bewertung gibt es eine relativ große Übereinstimmung darin, dass die Privatisierungspolitik des Senats in den letzten Jahren zwar nicht unbedingt als gescheitert, aber doch zumindest als dilettantisch und fehlerhaft bezeichnet werden muss.
Ich möchte Sie bitten: Vielleicht könnten Sie aus Ihrem Programm zitieren, Herr Müller-Schoenau, was dort zur Privatisierung steht. Ich kann mich erinnern, zumindest in der letzten Legislaturperiode haben Sie wesentlich dogmatischere Positionen in dieser Frage vertreten, zum Beispiel bei der Bewag-Privatisierung wie auch bei der BWB-Privatisierung, als unsere Fraktion. Vielleicht könnten Sie uns einmal über Ihre neueren Erkenntnisse informieren.
Ich musste mich allerdings in den letzten Monaten häufiger mit dem Vorwurf auseinandersetzen, dass ich zu sehr für Privatisierung bin, als mit dem, dass ich zu wenig dafür bin. Insofern muss ich sagen, dass ich mit dieser Kritik jetzt etwas wenig anfangen kann.
Zurück zum Thema. Herr Kurth hat versucht darzulegen, dass die Privatisierungspolitik des Senats vor allem dazu da war, Strukturpolitik zu machen und nationale und internationale Konzerne in die Stadt zu holen. Herr Kurth, Sie wissen, dass das nicht stimmt. Wir müssen uns doch nur einmal ansehen, wer in dieser Debatte spricht. Es spricht der Finanzsenator und nicht der Wirtschaftssenator. Es reden die Finanzpolitiker und Haushälter der Fraktionen, jedenfalls bisher.
Wir sind uns offenbar einig: Im Vordergrund Ihrer Privatisierungspolitik steht das Bemühen, kurzfristig größere Milliardenbeträge in die Kasse zu bekommen. Das finde ich in der gegenwärtigen Haushaltssituation legitim und notwendig, aber dann sollten Sie wenigstens so ehrlich sein, das auch zuzugeben.
Sie haben heute wieder gesagt, in zwei Jahren sei Schluss mit der Privatisierung. Dieser Satz hat bereits Tradition; Frau Fugmann-Heesing hat ihn vor zwei Jahren auch ausgesprochen. Ich vermute, in zwei Jahren werden Sie ihn wieder aussprechen. Es ist immer noch zwei Jahre hin, bis man ohne Privatisierung auskommen kann. Ich habe den Eindruck, solange Sie regieren, wird sich daran nichts ändern.
Wenn man aber weiß, dass Ihre Privatisierung vor allem den Zweck hat, Geld hereinzubekommen, kommt man vielleicht der Antwort näher, warum die Privatisierung so dilettantisch gelaufen ist. Der Hauptgrund liegt aus meiner Sicht darin, dass für Sie Verhandlungen über Privatisierung immer mit Zeitdruck verbunden waren. Zeitdruck ist, wie Sie wissen, ein sehr schlechter Berater bei Verhandlungen. Man sieht es an vielen Ergebnissen. Ich will den Zeitplan bei der Bewag in Erinnerung rufen. Die Einnahmen aus dieser Privatisierung waren schon im Haushalt 1998 ver
bucht, obwohl das Geschäft erst im Oktober 1999 zu Stande kam. Daran kann man sehen, unter welchem Druck Sie damals gestanden haben.
Das wusste natürlich auch die andere Seite am Verhandlungstisch. Was es für Konsequenzen gehabt hat, können wir heute sehen. Ich sage das nicht nur rückwirkend, sondern auch mit Blick auf das nächste Jahr. Da wollen Sie weit über 5 Milliarden DM aus Vermögensveräußerungen einnehmen. Diese Summe ist ganz unrealistisch und schwächt auch Ihre eigene Verhandlungsposition; denn jeder Investor, der weiß, wie nötig Sie auf das Geld angewiesen sind, wird es auch in Zukunft relativ leicht haben, Sie über den Tisch zu ziehen.
Ich beziehe mich hier hauptsächlich auf die Bewag, weil dieser Punkt im Zentrum steht. Bei den Energieversorgungsunternehmen im Nordosten Deutschlands arbeiten gegenwärtig rund 20 000 Menschen, die sich um ihre Arbeitsplätze Sorgen machen, weil sie nicht wissen, was für ein Energiekonzern dort entsteht.
Sie haben an Ihre Geschäftsführung appelliert, sich zusammenzuschließen. Das kann ich verstehen, muss auf der anderen Seite aber auch sagen: Es ist ein bisschen kurzsichtig zu glauben, alle Probleme seien gleich gelöst, wenn diese Fusion zu Stande käme. Für uns ist es wichtiger, die Frage zu klären, wo dieses Unternehmen seinen Sitz haben und wo die Energie künftig produziert werden wird. Das ist viel wichtiger als die Frage, wie es heißt. Aus Berliner Sicht steht im Vordergrund, die einheimische Energieproduktion zu halten, nicht nur wegen der Arbeitsplätze in den Kraftwerken, sondern auch aus ökologischen Gründen. Nur bei dezentraler Energieproduktion ist es möglich, Kraft und Wärme zu koppeln und die Gebäudeheizung auf dem gleichen Wege zu realisieren. Wenn es nicht mehr möglich sein sollte, die Energie hier zu produzieren, hätte das für die CO2- Bilanz Berlins fatale Folgen. Das müssen wir verhindern.
Nun haben die HEW angeboten, die Kraft-Wärme-Koppelung im bisherigen Anteil zu erhalten. Das ist aus unserer Sicht zu wenig. Kraft-Wärme-Koppelung in Berlin muss ausgebaut werden, und wir wissen ganz genau, das dies ganz unrealistisch ist, wenn das Unternehmen von einem Konzern gekauft wird, der selbst Energie in Norddeutschland und in Skandinavien en masse produziert und auch als sein Unternehmensziel formuliert hat, diese Energie exportieren zu wollen. Das ist aus unserer Sicht der falsche Weg. Deswegen finde ich es sehr positiv, hier zu erkennen, dass hinsichtlich Southern Energy offenbar ein breiter Konsens herrscht. Die PDS, wir, der Finanzsenator, vielleicht auch die SPD – die schüttelt noch ein bisschen mit der Hand – sind dafür, Southern Energy zu bevorzugen. Ich halte das für richtig – auch deswegen, weil Southern Energy im Gegensatz zu den anderen Partnern, die sich jetzt bei E.on zusammengeschlossen haben, die Vereinbarungen eingehalten hat, die seinerzeit mit ihnen geschlossen wurden. Und da, Herr Kurth, widerspreche ich Ihnen noch einmal. Sie haben gesagt, Ihr Erfolg vor Gericht habe gezeigt, die Verträge, die das Land Berlin abschließe, seien hieb- und stichfest. Das gilt vielleicht für mache Punkte, wo man jemanden davon abhalten kann, etwas zu tun. Das gilt aber nicht für all die Punkte, wo vertraglich vereinbart ist, dass Unternehmen etwas tun – dass sie Arbeitsplätze schaffen, dass sie Unternehmenszentralen nach Berlin verlagern, dass sie Geld in regenerative Energien stecken. Das haben Sie alles verabredet. Sie wissen ganz genau: Insbesondere die Vertragspartner von E.on haben die meisten dieser Zusagen nicht eingehalten. Ich finde, wenn es um die Zukunft der Bewag geht, sollten wir nicht gerade auf die Zusagen derjenigen Konzerne vertrauen, die schon bisher ihre Zusagen nicht eingehalten haben.
Ich will aber nicht nur rückwärts, sondern auch nach vorn gerichtet reden. Ich will nicht über die alten Privatisierungen reden, sondern ganz kurz auch noch über eine, die uns bevorsteht; denn wir sollten aus den schlechten Erfahrungen der bisherigen Privatisierungen Konsequenzen ziehen. Uns steht demnächst die Privatisierung des Flughafens Schönefeld bevor.
Hier habe ich das Gefühl, dass der Senat im Moment kurz davor ist, die gleichen Fehler, die er bei den anderen Privatisierungen gemacht hat, wieder zu machen,
nämlich eine falsche Privatisierung umzusetzen, nur um kurzfristig ein Finanzproblem zu lösen. Wir halten das für falsch.
Ich begründe das kurz. Sie wissen ganz genau: Die Privatisierung des Flughafens und der Flughafengesellschaft wäre viel ergiebiger, viel sinnvoller, wenn man erst den Planfeststellungsbeschluss zum Flughafen abwartete, um danach das Unternehmen zu privatisieren. Sie wollen jetzt im Schweinsgalopp privatisieren, um die Altschulden der Flughafengesellschaft wenigstens „wegdrücken“ zu können. Sie machen also das Gegenteil von dem, was Sie vorhin gesagt haben: Sie verzichten auf Einnahmen, um eine falsche Entscheidung durchzusetzen. Sie sollten diese Debatte zum Anlass nehmen zu sagen: Diese falsche Privatisierung steht erst noch bevor; wir könnten sie stoppen. Ich hoffe, Sie nutzen diese Gelegenheit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Müller-Schoenau, daran, dass ich hier heute als Wirtschaftspolitiker spreche, sehen Sie, dass die SPDFraktion das etwas anders sieht. Wir haben das Thema immer einerseits unter fiskalpolitischen Aspekten betrachtet, aber auf der anderen Seite auch – genauso wichtig – unter volkswirtschaftlichen und standortpolitischen Aspekten.
Ich weise die Kritik zurück, Herr Müller-Schoenau, dass die Privatisierungspolitik der großen Koalition dilettantisch war. Ich werde Ihnen zeigen, dass sie unter dem Strich erfolgreich war.
Es war auf der einen Seite wichtig, die notwendigen Einnahmen für die Haushaltskonsolidierung zu erlangen. Auf der anderen Seite war gerade die Privatisierung der Bewag, der GASAG und auch die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe dazu da, den Wirtschaftsstandort Berlin zu stärken. Das war einer der entscheidenden Punkte. Ich schlage hier keine alten Schlachten; denn der eine oder andere weiß, dass ich am Anfang dafür war, dass wir bei der Bewag und GASAG 25,1 % behalten sollten. Da wurde eine Entscheidung getroffen, die ich jedenfalls akzeptiere und respektiere. Mit den Privatisierungen – wenn man ehrlich daran geht – haben wir Folgendes erreicht: dass interessante internationale Investoren in die Stadt hereingekommen sind und wir dadurch verstärkt Chancen in Bezug auf internationale neue Geschäftsfelder in diesen Unternehmen haben. Das muss man einmal sehr deutlich sagen.
Es geht auch darum – das ist sehr wichtig bei solchen neuen Investoren –, dass dadurch auch Kapital in die Stadt kommt. Und vor allen Dingen – was ebenfalls sehr wichtig ist – kommt dadurch sowohl technisches Know-how als auch ManagementKnow-how in die Berliner Unternehmen hinein. Damit haben wir die Chancen, diese auch zu starken Berliner Unternehmen zu entwickeln. Das alles ist kein Selbstzweck, sondern es geht darum, zukunftssichere und wettbewerbsfähige Arbeitsplätze für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Stadt zu schaffen. Das ist der entscheidende Punkt.
Deswegen kommt es darauf an, fortlaufend eine Kontrolle dessen vorzunehmen, was an Privatisierungsverträgen abgeschlossen ist. Insofern ist es gut, dass wir im Abgeordnetenhaus und sicherlich auch im Wirtschaftsausschuss und im Hauptaus
schuss über solche Fragen reden – sowohl über die Ziele, wieweit sie eingehalten wurden, als auch über die Folgewirkungen und die Lehren, die wir daraus zu ziehen haben.
Das mache ich an einigen Punkten deutlich: Es ist gar keine Frage, dass es darauf ankommt, gute oder auch gerichtsfeste Verträge zu haben. Unabhängig von einigen Einzelpunkten waren diese Privatisierungsverträge unter dem Strich erfolgreich. Allerdings müssen wir schon sehr genau hinschauen und wissen, dass wir auf alle Eventualitäten – auch auf den Fall, den wir jetzt mit der Bewag erleben – eine vernünftige Antwort haben. Es ist entscheidend, daraus eine klare Konsequenz zu ziehen.
Der zweite wichtige Punkt ist: Die Zusagen wurden nicht alle eingehalten. Deswegen werden wir uns Gedanken machen müssen, inwieweit Zusagen stärker mit Vertragsstrafen und Sanktionen belegt werden müssen.