Protokoll der Sitzung vom 26.10.2000

Sie tarnen sich hier als Haushaltskonsolidierer und wollen letztendlich nur die Bürgerinnen und Bürger über ihre wahren Ziele täuschen.

[Liebich (PDS): Sie haben uns erwischt! – Heiterkeit bei der PDS]

Ihr Ansatzpunkt ist, und das wollen Sie uns hier einreden, erstens: Privatisierung führt zu schlechterem Angebot für Bürger und Kunden und ist deswegen abzulehnen. Was ist die Realität

der Privatisierungen, die bisher durchgeführt wurden? – Nehmen wir das Beispiel Bewag. Hat die Versorgungsqualität, die Versorgungssicherheit in der Stadt darunter gelitten, dass der Betrieb privatisiert worden ist? – Nein, sie haben nicht darunter gelitten. Stattdessen sind die Strompreise, die in Berlin früher die höchsten im ganzen Bundesgebiet waren, gesunken, und das Energiepreisniveau dieser Stadt hat sich normalisiert und angepasst auf das Niveau insgesamt in Deutschland.

[Liebich (PDS): Das lag aber nicht an der Privatisierung! – Zuruf des Abg. Müller-Schoenau (Grüne)]

Dass das nicht nur das Werk der Privatisierung gewesen ist, Herr Liebich, da sind wir uns vollkommen einig. Die europäische Liberalisierung, die Öffnung des Marktes haben hier ein weiteres bewirkt.

[Liebich (PDS): Nur die Liberalsierung!]

Ein anderes Beispiel sei auch noch genannt, Sie haben erstaunlicherweise dieses Thema vollkommen umgangen, das sind die Privatisierungen von Wohnungsbaugesellschaften.

[Frau Oesterheld (Grüne): Die waren ja noch dümmer! – Doering (PDS): Nächster Tagesordnungspunkt!]

Genau auf diesem Gebiet spielen Sie Ihr übles Doppelspiel, auf der einen Seite zu fordern, wir müssen möglichst optimale Erträge erzielen, auf der anderen Seite, Mieterinnen und Mietern einzureden, wenn denn die Privatisierung kommt, dann wird der private Vermieter dich aus deiner Wohnung vertreiben, er wird Luxusmodernisierungen durchführen, er wird die Mieten in die Höhe treiben, und es wird nichts mehr so sein, wie es früher war. Das Beispiel GEHAG zeigt,

[Frau Oesterheld (Grüne): Oh!]

dass diese Bedenken und Befürchtungen reine Propaganda gewesen sind. – Frau Oesterheld, das wissen Sie auch, Sie waren bei der Anhörung im Bauausschuss dabei: Von 24 000 Wohnungen der GEHAG sind heute über 17 000 Wohnungen bei einer Quatratmetermiete unter 8 DM und 4 000 Wohnungen bei einer Quatratmetermiete unter 9 DM. Seit der Privatisierung sind Mietsenkungen von 1 DM bis 50 Pf pro Quatratmeter durchgeführt worden. Privatisierung führt nicht zu Preistreiberei, zu Mietermobbing, sondern führt zu sozialverträglichen Preisen und kundenfreundlichen Angeboten.

[Niedergesäß (CDU): Und Wettbewerb! – Frau Oesterheld (Grüne): Stimmt doch alles gar nicht!]

Ihre anderen Bedenken, die Sie äußern, Privatisierung führe zu Arbeitsplatzabbau und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen: Herr Liebich hat ja richtig darauf hingewiesen, dass gerade die Entwicklungen, die wir bei der Bewag beobachten müssen und beklagen, nichts mit der Privatisierung zu tun haben,

[Wolf (PDS): Das ist doch unser Textbaustein!]

sondern – Herr Wolf – das ist nicht Ihr Textbaustein, aber vielleicht können Sie sich den Realitäten trotzdem stellen – mit der Liberalisierung und mit der europäischen Marktentwicklung.

[Liebich (PDS): Habe ich doch alles gesagt, ist doch kein Dissens!]

Das ist in der Tat für die PDS eine neue Erkenntnis, insofern ist das auch begrüßenswert, wir wollen sie auch an der Stelle loben, wenn sie einmal eine vernünftige Erkenntnis haben und es vorwärtsgeht.

Wenn man sich parallel ansieht, wie viele Stellen der öffentliche Dienst in seinem Kernbereich in den vergangenen Jahren abgebaut hat und abbauen musste, dann ist jedenfalls die These, dass Privatisierung zum Arbeitsplatzabbau führt, keine richtige These und durch die Realität in keiner Weise erhärtet.

Privatisierung – das war der Ansatz, den Sie, Herr Wolf, mehrfach gebracht haben – gefährde politische Ziele. Wie wollen wir politische Ziel, die wir haben – und das ist immer der Ansatz von Herrn Berger, umweltpolitische Ziele – erreichen, wenn diese Unternehmen keine öffentlichen Unternehmen mehr sind? –

Dann muss man sich diese Frage ernsthaft stellen, welche politischen Ziele die öffentlichen Unternehmen bisher verfolgt haben. Und wer, Herr Cramer, hat sie eigentlich dazu angehalten, politische Ziele zu verfolgen?

[Liebich (PDS): Das ist ein richtig großes Problem!]

Und ist der Eindruck vielleicht nicht ganz falsch, dass nicht die Politik die Unternehmen gesteuert hat, sondern die Unternehmen die Politik in vielen Fällen gesteuert haben?

[Frau Oesterheld (Grüne): Ihre Schuld! – Doering (PDS): So schwach ist die Regierung, ich bin enttäuscht!]

Jedenfalls ist kaum zu entdecken, wo öffentliche Unternehmen bisher in wirksamer Art und Weise staatliche und öffentliche Ziele durch ihr unternehmerisches Handeln unterstützt haben. Und können denn staatliche Unternehmen überhaupt von den Zielen der Wirtschaftlichkeit, der Rentabilität abweichen, um staatliche, politische Ziele wahrzunehmen, ohne dass letztendlich ihre Substanz und ihr Bestand gefährdet ist? –

Wenn man es genau betrachtet und sich das ansieht, was wir heute noch an Beteiligungsportfolio haben, kann man diese Frage nun mit einem: „Es hat bisher nicht funktioniert“ beantworten. Ihre Hoffnung, dass durch ein verbessertes Beteiligungscontrolling genau dies erreicht werden kann, teile ich nicht. Dass Beteiligungscontrolling notwendig ist, um die wirtschaftlichen Ergebnisse dieser Unternehmen auf einen vernünftigen Stand zu bringen und dafür zu sorgen, dass sie nicht eine gewaltige Geldvernichtungsmaschine sind, darüber sind wir uns einig. Da gab es Versäumnisse in der Vergangenheit, und hier muss in Zukunft nachgearbeitet werden. Aber die Hoffnung, mit kommunalen Unternehmen politische Ziele durchzusetzen, ist eine Hoffnung aus dem vorigen Jahrhundert. Ich glaube nicht, dass das heute noch zeitgemäß ist.

Natürlich spielte früher die Versorgungssicherheit eine entscheidende Rolle in dieser Stadt. Heute ist das kein Thema mehr. Heute spielt preisgünstige Versorgung die Hauptrolle. Früher spielte die Versorgung mit billigem Wohnraum die Hauptrolle in Berlin. Heute, im Zeichen eines gewaltigen Wohnungsleerstands, ist es kein zentrales Problem mehr. Heute müssen die Wohnungsbaugesellschaften Kunden schon mit kostenlosen Monatskarten ködern, damit sie überhaupt Wohnungen mieten. Politische Ziele sollten wir also lieber mit politischen Methoden, über den Senat und nicht über die Hilfskonstruktion staatlicher Unternehmen durchsetzen.

Ihre weitere These ist: In der Privatisierung werden Unternehmen unter Wert verkauft. – Beim Kaufpreis sind wir alle immer Experten, wenn er festliegt. Die einen sagen, er ist zu hoch, die anderen sagen, es hätte noch ein bisschen mehr sein können. Über einen Zielkonflikt müssen wir uns jedoch im Klaren sein: Wer allgemeine sozial- und standortpolitische Ziele beim Verkauf eines Unternehmens vertraglich absichern will – und das wollen wir auch in Zukunft –, muss beim Kaufpreis Abstriche machen.

[Wolf (PDS): Landowsky hat das nicht verstanden!]

Unser Ziel ist es jedenfalls nicht, den höchstmöglichen Kaufpreis zu erzielen. Wir wollen öffentliche Unternehmen nicht zur Ausschlachtung freigeben, aber auch nicht der Auszehrung preisgeben, sondern wir wollen ihnen eine gesicherte und entwicklungsfähige Zukunft geben. Die – da bin ich mit dem Finanzsenator einig – finden sie nur mit privatem Kapital und nicht in den Fesseln des öffentlichen Rechts. Kommunale Unternehmen sind für den globalen Markt viel zu klein, um dort auf Dauer bestehen zu können.

Die Fragestellung muss eine andere sein. Wir müssen nicht fragen, warum wir privatisieren, sondern wir müssen uns fragen, warum wir noch so viele Aufgaben in öffentlicher Regie haben, die durch Private günstiger wahrgenommen werden könnten. Ich hoffe, dass die vielberufene Scholz-Kommission dazu in der Zukunft Vorschläge unterbreiten wird,

[Liebich (PDS): Aber haushaltswirksame?]

auch haushaltswirksame Vorschläge. Ob sie nun im Wert von 50 Millionen DM mehr oder weniger sind, das werden wir sehen.

Ich glaube, dass dort noch ein erheblicher Bestandteil vorhanden ist, bei dem man Privatisierungen im Sinne von Konzentration auf das Notwendige durchführen kann.

[Wolf (PDS): Sie sollten mal Ihre Vorschläge machen!]

Herr Wolf, Sie wollen sicherlich ein Haushaltssanierungsgesetz machen, wo meine Vorschläge alle niedergelegt sind! Ich freue mich schon darauf. Wenn Sie alle meine Vorschläge da hineinschreiben, haben Sie kein Problem; da stimme ich gern zu. Aber das warten wir erst noch einmal ab. Das sehen wir dann, wenn es so weit ist.

Wir privatisieren nicht um der Privatisierung willen, sondern um Finanzmittel für die zukunftsträchtigen Kernbereiche des staatlichen Handelns freizuschaufeln, für Bildung, Wissenschaft und Kultur, um dort in die Zukunft dieser Stadt investieren zu können. Deswegen ist die Privatisierung ein guter Weg. Der Senat sollte auch in der nächsten Zeit auf diesem Weg voranschreiten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Kaczmarek! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt der Abgeordnete Müller-Schoenau.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gebe zu, ich war mir vorher nicht ganz sicher, wozu diese Große Anfrage gestellt wurde. Nach dem Beitrag von Herrn Kaczmarek bin ich nun noch verwirrter. Die Botschaft Ihrer Rede war: Die Opposition ist doof und Privatisierungen sind gut. interjection: [Kaczmarek (CDU): Kurz gefasst!]

Das wird der Differenzierung der Argumentation der PDS-Fraktion nicht ganz gerecht. Da sollten Sie schon etwas mehr bieten.

Dann dachte ich, Ihre Funktion könnte sein, den Finanzsenator zu unterstützen und seine Position zu bekräftigen, z. B. in der Frage, was aus der Bewag wird, eine, wie ich finde, akzeptable Position. Dazu haben Sie gar nichts gesagt. Das ist ein wenig dürftig für die größte Regierungsfraktion,

[Hoff (PDS): Nur mengenmäßig!]

die auch noch den zuständigen Senator stellt. Wenn Herr Kurth Unterstützung erhält, ist es offenbar immer häufiger von der Opposition.

Nun wusste ich auch nicht genau, warum die PDS diese Große Anfrage beantragt hat.

[Hoff (PDS): Weil wir knorke sind!]

Inzwischen weiß ich es, Herr Liebich hat es vorgetragen: Die PDS möchte ihre geläuterte Position zur Privatisierung darlegen und darauf hinweisen, dass sie koalitionsfähig ist. Das finde ich jetzt wirklich uneingeschränkt gut. Die Formulierung aus dem Programm lautete doch ungefähr so, dass der Staatsbesitz nicht zwingend ist; diese Formulierung ist noch ausbaufähig.