Protokoll der Sitzung vom 16.11.2000

Natürlich war ein anderes Vorgehen gegen ein besiegtes Volk möglich. Wir haben es auch erfahren in diesem Land. Insofern sind die Erinnerungen an die Nachkriegszeit sehr differenziert und in der Tat nicht unbedingt positiv. Wir hatten großes Glück mit diesem Mann. Die Geschichtsforscher sagen uns, ein anderer Mann sei im Gespräch gewesen für diese Stadt, er wäre möglicherweise ein Racheengel gewesen und nicht derjenige, der sich für die besiegten Deutschen eingesetzt hat und an den Rand seiner politischen rechtlichen Möglichkeiten gegangen ist. Dass Sie das nicht zur Kenntnis nehmen wollen und können, verwundert schon einigermaßen.

Auch für die SPD-Fraktion sind die rechtlichen und noch weniger die inhaltlichen Argumente des Regierenden Bürgermeisters und der Senatskanzlei überzeugend. Bersarin soll nämlich aus zwei rechtlichen Gründen nicht mehr Ehrenbürger werden: Zum einen sollen wir 1992 endgültig entschieden haben, zum anderen sei eine postume Neuverleihung nach den Richtlinien Berlins nicht möglich. Ignoriert wird, dass es sich dabei gar nicht um eine Neuverleihung, sondern um eine Wiederherstellung der Ehrenbürgerwürde handelt.

[Beifall des Abg. Dr. Zotl (PDS)]

Es geht um die Korrektur einer 1992 irrtümlich getroffenen Entscheidung im Senat. Weil es sich aber nicht um eine Neuverleihung handelt, ist die Frage postum oder nicht postum irrele

vant. Dass eine politische Entscheidung auch nicht korrigierbar sein soll, passt nicht zu den Grundsätzen eines demokratischen Staates und leuchtet mir persönlich überhaupt nicht ein. Aber lassen wir die rechtlichen Argumente beiseite. Sie sind in diesem Fall ohnehin vorgeschoben.

Wenden wir uns Ihren inhaltlichen Argumenten zu, Herr Regierender Bürgermeister. Ich kürze ab, weil viel dazu gesagt worden ist. [Unruhe bei der CDU]

Diese Argumente sind in der Tat sehr dünn, historisch diffus und undifferenziert. Sie zeugen für mich für eine Verunsicherung Ihrerseits. Ich erlaube mir noch einmal, aus Ihrer Mitteilung – zur Kenntnisnahme – an das Parlament zu zitieren. Sie begründen die Ablehnung folgendermaßen, Frau Lötzsch hatte das auch zitiert, das ist aber so exemplarisch dafür, wie dünn die Begründung ist, wie undifferenziert und undurchdacht, deshalb mache ich es noch einmal:

Das Verhalten des sowjetischen Militärs hat bei zahlreichen Berlinern nicht nur positive Erinnerungen ausgelöst.

Und andererseits hätten

alle Stadtkommandanten in den verschiedenen Teilen der Stadt nach dem Völkerrecht eine Pflicht zur Versorgung gehabt. [Unruhe bei der CDU]

Es ist schlichtweg unwissenschaftlich und halb wahr. Damit bleiben Sie weit hinter dem Stand der parlamentarischen als auch der öffentlichen Diskussion zurück. Alle Ihre inhaltlichen Argumente sind widerlegt worden. Ich verzichte darauf, sie hier noch einmal aufzuführen.

[Unruhe – Glocke des Präsidenten]

Das eigentliche Problem sind vielleicht auch gar nicht die Argumente –

Einen kleinen Moment. Meine Damen und Herren! Ich bitte doch um etwas Ruhe!

– oder Ihre persönliche Haltung, sondern es gibt da eine Fraktion im Abgeordnetenhaus, die CDUFraktion, die mehrheitlich beschlossen hat, ihre geschichtliche Brille aus der Zeit des Kalten Krieges auch im 21. Jahrhundert aufzubehalten.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Gram (CDU): Und Sie auch!]

Die anders denkende Minderheit in der CDU-Fraktion ist mundtot gemacht worden. Im rechten Feld der Wählerschaft will die CDU hörbar bleiben. Eigentlich könnten wir uns, die Vertreter der anderen Volkspartei, glücklich schätzen, denn Sie überlassen uns die Bereiche der Gesellschaft, für die z. B. die Leserschaft des „Tagesspiegels“ steht:

[Zuruf des Abg. Eyck (CDU)]

61 Prozent haben sich bei einer „Tagesspiegel“-Umfrage für die Wiederherstellung der Ehrenbürgerschaft für Bersarin ausgesprochen.

[Eyck (CDU): Wer liest denn „Tagesspiegel“?]

Aber es geht hierbei um historische Wahrheit und um eine Neubestimmung Berlins als einer Stadt am Schnittpunkt zwischen Ost und West. Dafür und für die Verleihung der Ehrenbürgerwürde streben wir den Konsens an.

Über die Ehrenbürgerwürde entscheidet übrigens der Senat in Übereinstimmung mit dem Abgeordnetenhaus. Der Senat wird mit seiner CDU-Mehrheit die Übereinstimmung mit dem Abgeordnetenhaus nicht erreichen. Damit wird das Problem nicht ad acta gelegt, sondern bleibt eine ungelöste Aufgabe der Berliner Politik.

(A) (C)

(B) (D)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Mitteilung – zur Kenntnisnahme – ist damit im Plenum besprochen. Die Fraktion der PDS hat jedoch den Antrag gestellt, die Besprechung im Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten fortzusetzen. Wir müssten das dorthin überweisen. Darüber lasse ich abstimmen. Wer dem Antrag der Fraktion der PDS folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist diese Besprechung beendet und findet im Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten nicht statt.

Wir sind dann bei der

lfd. Nr. 9, Drucksache 14/765:

Vorlagen – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 64 Abs. 3 VvB

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragt die Überweisung der lfd. Nr. 4 der Zusammenstellung – das ist die Wasserschutzgebietsverordnung Erkner mit der Verordnungsnummer 14/74 – an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Weitere Überweisungsanträge liegen mir nicht vor. Ich stelle dann fest, dass das Haus von den übrigen Verordnungen Kenntnis genommen hat.

Die lfd. Nr. 10 ist bereits durch die Konsensliste erledigt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 11, Drucksache 14/767:

Antrag der Fraktion der PDS über Stadtteilzentren

Der Beratungsvorbehalt ist zurückgezogen worden. Dann stimmen wir über die Ausschussüberweisung ab. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Gesundheit, Soziales und Migration und an den Hauptausschuss. Wer der Überweisungsempfehlung folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist die Überweisung beschlossen.

Die lfd. Nrn. 12 und 13 sind durch die Konsensliste erledigt.

Wir sind bei der

lfd. Nr. 14:

a) Drucksache 14/770:

Antrag der Fraktion der PDS über Einsetzung einer Expertenkommission „Überprüfung von Verwaltungsvorschriften“

b) Drucksache 14/771:

Antrag der Fraktion der PDS über Runden Tisch „Bürgernahe Dienstleistungsverwaltung“

c) Drucksache 14/772:

Antrag der Fraktion der PDS über Verwaltungsreformziele für das Jahr 2000 und 2001

d) Drucksache 14/773:

Auf Beratung wird verzichtet. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung aller vier Anträge der PDS an den Ausschuss für Verwaltungsreform. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist die Überweisung beschlossen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 15, Drucksache 14/775:

Antrag der Fraktion der Grünen über interkulturelle Bildung an der Landespolizeischule

Auf die Beratung wird verzichtet. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung. Wer dieser Empfehlung folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist die Überweisung beschlossen.

Die lfd. Nr. 16 ist durch die Konsensliste erledigt.