Protokoll der Sitzung vom 30.11.2000

[Zurufe von der CDU: Zwei Enthaltungen!]

Zwei Enthaltungen! Diese habe ich übersehen. Dennoch ist der Antrag abgelehnt.

Wir sind jetzt bei

lfd. Nr. 3 A, Drucksache 14/853:

II. Lesung der Vorlage – zur Beschlussfassung – über Gesetz zum Abkommen vom 9. Juli 1998 zur Änderung des Abkommens über die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Medizinprodukten, Drucksache 14/542, gemäß Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Gesundheit, Soziales und Migration vom 23. November 2000 und des Hauptausschusses vom 29. November 2000

Diese II. Lesung ist dringlich. Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Paragraphen miteinander zu verbinden. – Widerspruch höre ich nicht. Ich rufe also auf die §§ 1 und 2, die Überschrift und die Einleitung im Wortlaut der Vorlage Drucksache 14/542. Die Ausschüsse empfehlen einstimmig die Annahme der Vorlage. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Daher schließe ich die Einzelberatung und verbinde die Einzelabstimmungen mit der Schlussabstimmung. Wer dem Gesetz im Wortlaut der Vorlage Drucksache 14/542 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist das einstimmig angenommen.

lfd. Nr. 3 B, Drucksache 14/854:

II. Lesung der Vorlage – zur Beschlussfassung – über Gesetz zum Abkommen vom 3. Dezember 1998 zur Änderung des Abkommens über die Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik und über die Akkreditierungsstelle der Länder für Mess- und Prüfstellen zum Vollzug des Gefahrstoffrechts, Drucksache 14/547, gemäß Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Gesundheit, Soziales und Migration vom 23. November 2000 und des Hauptausschusses vom 29. November 2000

Auch diese II. Lesung ist dringlich. Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Dann eröffne ich die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Paragraphen miteinander zu verbinden. – Widerspruch höre ich auch hier nicht. Dann rufe ich auf die §§ 1 und 2, die Überschrift und die Einleitung im Wortlaut der Vorlage Druck

sache 14/547. Die Ausschüsse empfehlen einstimmig die Annahme der Vorlage. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Ich schließe die Einzelberatung und verbinde die Einzenabstimmungen mit der Schlussabstimmung. Wer dem Gesetz im Wortlaut der Vorlage Drucksache 14/547 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Abermals einstimmig angenommen!

lfd. Nr. 3 C, Drucksache 14/859:

II. Lesung der Vorlage – zur Beschlussfassung – über Gesetz zur Neuregelung der Zuständigkeiten des Landeseinwohneramtes Berlin, Drucksache 14/595, gemäß Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung vom 27. November 2000 und des Hauptausschusses vom 29. November 2000

Diese II. Lesung ist ebenfalls dringlich. Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der sieben Artikel miteinander zu verbinden. – Dagegen höre ich keinen Widerspruch. Dann rufe ich auf die Artikel I bis VII, die Überschrift und die Einleitung im Wortlaut der Vorlage Drucksache 14/595 unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlungen Drucksache 14/859. Die Wortmeldungen liegen mir vor. Es beginnt die Fraktion der Grünen. Herr Wieland hat das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Fraktion unterstützt die Intention dieses Gesetzes, stichwortartig gesagt: Bildung der Bürgerämter, Dezentralisierung des Landeseinwohneramtes. Das ist für uns keine Frage; deswegen haben wir auch in dem dafür zuständigen Ausschuss für Verwaltungsreform für dieses Gesetz gestimmt. Was wir nicht akzeptieren, ist die Art und Weise, wie in diesem Zusammenhang trotz inzwischen zweijähriger Beratungen mit den Bedenken des Berliner Datenschutzbeauftragten umgegangen wurde. Er hat immer wieder angemahnt, dass der Weg, der hier beschritten wurde, sowohl landes- als auch bundesrechtlich gegen Gesetze verstößt und so nicht machbar ist. Er hat noch in seinem Jahresbericht im Jahre 1999 darauf hingewiesen:

Die Aufspaltung von materieller Aufgabenzuweisung und Zuständigkeit für die hierfür erforderliche Verarbeitung personenbezogener Daten ist mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht vereinbar.

Die Regelung, die Sie jetzt hier haben, ist damit nicht vereinbar. Es geht darum, welche Daten hier verknüpft werden können, und darum, inwieweit durch diese Dezentralisierung das entsteht, was wir immer verhindern wollten: ein gläserner Bürger. Man muss auch darauf achten, Frau Flesch, ob sich unter dem Signum „Bürgerfreundlichkeit“ hier nicht möglicherweise schwerwiegende Verstöße gegen den Datenschutz ergeben. Sie haben das ganz offensichtlich nicht getan. Wir wollten dieses Gesetz deswegen am Montag in den Unterausschuss Datenschutz überweisen, wie es im Übrigen auch Herrn Dr. Garstka, der hier anwesend ist, von den Sprechern der Fraktionen der großen Koalition zugesichert worden war.

[Cramer (Grüne): Hört, hört!]

Wir von der Opposition haben es für selbstverständlich erachtet, dass wir in diesem nun eigens zur Wahrung des Datenschutzes eingerichteten Unterausschuss über diese höchst relevante Materie sprechen, wo wir uns ansonsten sehr ausführlich – Verwaltung für Verwaltung – mit wesentlich kleineren Dingen befassen. Sie wollten die Bedenken nicht hören. Offenbar wollen Sie sich damit nicht auseinander setzen. Sie scheuen die Auseinandersetzung. Wir sagen: Eine solche Regelung, die eindeutig gegen Gesetze verstößt, die den datenschutzrechtlichen Standards nicht entspricht, können wir jedenfalls nicht mittragen.

[Beifall bei den Grünen]

Wir fordern Sie noch einmal auf, die Sache zu heilen. Sie ist zu heilen!

(A) (C)

(B) (D)

Wieland, Wolfgang

Herr Dr. Garstka hat zwei Wege nachgewiesen. Er hat es nicht einmal getan, er hat es bestimmt fünf Mal getan; jedenfalls liegen mir fünf Schriftstücke im Laufe der Zeit vor. Wir haben den Zeitdruck nicht mehr. Sie mussten das Inkrafttreten des Gesetzes um einen Monat verschieben. Man hätte es diesen Montag noch geschafft, man schafft es auch nächsten Montag noch und kann es dann im Januar endgültig beschließen. Das heißt, das Zeitargument ist kein Argument. Deswegen fordere ich alle auf, die diesen wichtigen Schritt der Bürgerämter nicht mit dem Makel versehen wollen, dass es gegen den erklärten Willen des Datenschutzbeauftragten so konstruiert wird, die nicht die Gefährdung haben wollen, dass bei erstbester Gelegenheit die Gerichte diese Regelung für ungültig erklären und die vor allen Dingen nicht wollen, dass dann nächstes Jahr die CDU-Fraktion mit einem Vorstoß kommt und sagt: Wir müssen jetzt das Berliner Datenschutzgesetz verschlechtern, weil wir im AZG eine Regelung haben, die gesetzlich nicht zulässig ist. – Diese Gefahren muss man sehen, und diese Gefahren können ausgeräumt werden. Deswegen stelle ich für meine Fraktion den Antrag, den Gesetzentwurf in den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung zurück zu verweisen. Dann kann er ordnungsgemäß beraten werden, dann kann geprüft werden, wie die Vorschläge von Dr. Garstka noch einzuarbeiten und umzusetzen sind. Dann haben wir ein Gesetz, hinter das sich alle guten Gewissens stellen können. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Wieland, für Ihren Redebeitrag! Wir haben den Antrag verstanden. – Für die Fraktion der CDU hat Herr Nippert das Wort. – Ich würde mich freuen, meine Damen und Herren Abgeordnete, wenn die Mannschaftsbesprechung bei der SPD vielleicht mit Blick nach vorn stattfindet, weil das gegenüber dem Redner höflich ist. – Wer ist der Spielführer des Sit-ins, wer hat das Kommando? Bitte den Blick hierher, ansonsten können Sie gerne reden! – Danke schön! – Sie haben das Wort, Herr Nippert.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielen Dank auch für die Mahnungen an die Kollegen, die sich an diesem Thema nicht so begeistern können, sich zurückzuhalten.

Ich würde gern darauf zurückgehen, was vor zwei Jahren in diesem Hohen Hause passiert ist. Damals ist das Zweite Gesetz zur Reform der Berliner Verwaltung verabschiedet worden. Das war ein grundlegendes Gesetz, und wir streiten heute eigentlich, Herr Wieland, nicht über die Frage des Datenschutzes,

[Wieland (Grüne): Doch!]

wir streiten über eine Frage, die vor zwei Jahren dem Grunde nach entschieden wurde. Es wurde nämlich entschieden – Artikel I des damaligen Gesetzes, Aufgaben der Hauptverwaltung und der Bezirksverwaltungen:

(1) Die Hauptverwaltung nimmt die Aufgaben von gesamtstädtischer Bedeutung wahr. Dazu gehören:

1. die Leitungsaufgaben (Planung, Grundsatzangelegenheiten, Steuerung und Aufsicht),

2. die Polizei-, Justiz- und Steuerverwaltung,

3. einzelne andere Aufgabenbereiche, die wegen ihrer Eigenart zwingend einer Durchführung in unmittelba- rer Regierungsverantwortung bedürfen.

Der zweite Absatz lautet:

(2) Die Bezirksverwaltungen nehmen alle anderen Aufgaben der Verwaltung wahr.

Das ist der Kern der Angelegenheit. Seit zwei Jahren streiten wir uns darüber, was zwingend von der Regierung wahrzunehmende Aufgaben sind und welche an die Bezirke gehen müssen.

Die sogenannte Abschichtung der Aufgaben des Landeseinwohneramtes betrifft Aufgaben, die nicht zwingend – jedenfalls nach unserer Auffassung – der regierungsverantwortlichen Durchführung bedürfen. Wir haben im Laufe der Zeit aus den

Beratungen gelernt, das bestimmte Dinge so, wie wir es uns vorgestellt haben, als dieses Zweite Gesetz verabschiedet wurde, so nicht gehen. Wir haben Vorlagen aus der Verwaltung bekommen, die Bände füllen, in denen uns nachgewiesen wurde, dass dieses und jenes nicht machbar sei. Wir haben uns mit den Argumenten von Berufsorganisationen auseinandergesetzt, dass bestimmte Bezüge hergestellt werden, wenn man Bürgerämter in der integrierten Form einrichtet, wie wir sie wollen, dass es Bezüge gibt zwischen Aufgabengebieten, die vom Gesetz her nicht miteinander vermischt werden dürfen. Wir haben uns in den Ausschüssen bemüht, dafür Lösungen zu finden, und ich denke, wir haben welche gefunden.

Der Datenschutz, Herr Wieland, ist mit Sicherheit nicht die Kernfrage, an der die Abschichtung von Aufgaben aus der Regierungsebene in die Bezirke scheitern darf.

[Wieland (Grüne): Man muss es sauber machen!]

Allerdings haben wir auch deutlich gemacht, dass es an einem Punkt, an dem es offensichtlich Schwierigkeiten geben könnte – das ist das sogenannte Verwertungsverbot im Zusammenhang mit der Kenntnisnahme von Vorgängen, die nicht in den einen Sachbereich fallen, sondern in einen anderen –, eine Lösung geben muss, die nicht zu Lasten der betroffenen Mitarbeiter gehen darf. Dieses ist eine Kondition, die wir an dieses Gesetz geknüpft haben, und wir haben deutlich gemacht, dass es zu einer endgültigen Klarstellung wahrscheinlich einer Änderung des Datenschutzgesetzes bedarf,

[Wieland (Grüne): Sehr deutlich! aber nicht zum jetzigen Zeitpunkt, Herr Wieland, sondern das ist ein Komplex, der – wie ich dieses Haus kenne – wiederum Monate und vielleicht Jahre in Anspruch nehmen wird, und so lange wollen wir nicht warten. Denn wir haben festgestellt, dass bei der Behandlung dieses Gesetzes der Widerstand, der uns entgegengebracht wurde, und der Widerstand gegen die Neuerung insgesamt doch enorm war. Aber das Gesetzgebungsverfahren hat gezeigt, dass auch so eine schwierige Angelegenheit wie diese schlussendlich befriedigend abgeschlossen werden kann, wenn der politische Wille dazu vorhanden ist, insbesondere auch in diesem Hause und an der Spitze einer bestimmten Senatsverwaltung und dort von jemandem, der an dem Zweiten Gesetz, das ich hier zitiert habe, mitgewirkt hat, es zu verabschieden. Der vorliegende Gesetzentwurf zeigt aber auch, dass bei beharrlicher Arbeit und beständigem Nachbohren durch das Parlament auch sehr grundsätzliche und damit tiefgreifende Veränderungen in der Verwaltung möglich sind. Das gibt Hoffnung für die Zukunft der Verwaltungsmodernisierung in Berlin. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu diesem Gesetz – jetzt und heute. – Danke schön! [Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Herr Nippert. Für den Beitrag der Fraktion der PDS hat jetzt Herr Dr. Zotl das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich wird mit diesem Gesetz zur Neuregelung der Zuständigkeiten des Landeseinwohneramtes eine Normalität hergestellt, wie sie nahezu überall üblich ist. Meldestellenaufgaben sind kommunale Aufgaben, und dagegen ist nichts einzuwenden. Wir wissen alle, dass die jetzige Regelung, die in Berlin mit der Konzentrierung auf die Landesebene noch vorherrscht, eine Regelung ist, die nach 1945 seitens der Alliierten getroffen worden ist – aus guten Grund: weil es um polizeiliche, um Meldestellenangelegenheiten usw. geht. Diese Gründe gibt es seit vielen Jahren nicht mehr. Alle Umfragen: Welche Leistungen hätten Sie gerne im Bürgeramt? – sie werden ja regelmäßig nach dem Verwaltungsreformgesetz gemacht – alle diese Umfragen sagen: Jawohl, wir wollen dort neben diesen und jenen und Auskünften und der Lohnsteuerkarte auch das Pass- und Meldewesen weitestgehend konzentriert haben, und das möglichst nach dem

Prinzip der sogenannten Allzuständigkeit. – Dafür gibt es auch technische Lösungen. Dieses Bedürfnis war es – darin stimmen nahezu alle Fraktion überein –, weshalb wir im Verwaltungsreformausschuss gesagt haben: Jetzt, mit diesem Gesetz kann der erste Schritt getan werden, auch hin zur Allzuständigkeit, hin dazu, dass die Meldestellen auch in die Bürgerämter integriert werden, was ja mit dem Gesetz noch gar nicht der Fall ist. Da werden sie erst einmal kommunalisiert bzw. in die Bezirksämter delegiert. Das Gesetz sagt ja noch nichts in dem Sinne aus, dass die Aufgabe in die Bürgerämter kommen soll. Aber der Weg ist dazu offen, und das war der Grund, dass wir gesagt haben: Ja, wir wollen dieses Gesetz.