Protokoll der Sitzung vom 01.02.2001

Viele Fragen wurden heute also zu Recht gestellt. Man darf gespannt sein, ob der Finanzsenator hinreichend Auskunft geben kann, damit weitere Untersuchungen vermieden werden.

[Zuruf des Abg. Mierendorff (CDU)]

Ich glaube, es ist für den Senat an der Zeit, endlich die Karten auf den Tisch zu legen und umfassend zu informieren.

[Zuruf des Abg. Dr. Steffel (CDU)]

Auf jeden Fall aber muss alles unternommen werden, damit keine Spekulationen und Mutmaßungen im Raum stehen bleiben und eine lückenlose Aufklärung erfolgt, schon im Interesse von Herrn Kurth, Herrn Landowsky und insbesondere auch im Interesse der Bankgesellschaft.

[Zuruf des Abg. Braun (CDU)]

Aber auch im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung der Bankgesellschaft und der finanziellen Situation in Berlin dürfen wir es nicht zulassen, dass die Bank durch Missmanagement ein Dauersanierungsfall wird. Offensichtlich muss auch die Frage diskutiert werden, ob es nicht zu einer grundlegenden Neuausrichtung des Unternehmens kommen muss und ob das Konzentrieren auf den Immobilienbereich überhaupt die richtige Strategie war und ist. Und wenn das Management zu dieser Diskussion entweder nicht in der Lage oder willens ist oder wenn Inkompatibilitäten das nicht zulassen, stellt sich die Frage nach personellen Konsequenzen ganz von selbst.

[Beifall bei der PDS und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Fehlentwicklungen, die immerhin dafür verantwortlich sind, dass seit 1994 rund 8 Milliarden DM an Wertberichtigungen gebildet werden mussten, sind endlich zu stoppen. Und gerade vor dem Hintergrund, dass wir alle gemeinsam in den letzten Jahren zunehmend – auch im Sozial- und Jugendbereich – mit jeder Mark rechnen mussten, dass wir Vermögensaktivierungen vorgenommen haben, die uns allen wehgetan haben, ist es nicht länger hinzunehmen, dass bei der Bankgesellschaft zig Millionen DM in den Sand gesetzt werden, dass durch Missmanagement Steuerausfälle in Millionenhöhe, Kursverluste und Dividendenausfälle in den letzten Jahren zu verzeichnen sind und – zum Schaden der Stadt und der Bürgerinnen und Bürger – der Landeshaushalt zusätzlich belastet wird. Das ist so nicht länger zu akzeptieren.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Da wird nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine politische Bewertung der gesamten Vorgänge bei der Bankgesellschaft nötig sein. Die SPD-Fraktion wird diese Debatte führen, wird die Fakten auf den Tisch legen und Verantwortlichkeiten klar benennen. [Zuruf des Abg. Kaczmarek (CDU)]

Wichtig ist, dass alles getan wird, um schonungslos aufzuklären und die Bankgesellschaft im Interesse der Stadt endlich wieder positive Schlagzeilen schreibt.

[Starker Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Der nächste Redner ist für eine Redezeit von fünf Minuten der Abgeordnete Dr. Wruck. – Bitte sehr!

[Wieland (Grüne): Warum denn nicht am Ende der Debatte?]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist manchmal seltsam: Probleme, die es vor Jahrzehnten bereits gab, werden plötzlich von heute auf morgen zu einem großen Problem,

[Gelächter bei der PDS und den Grünen]

weil das, was hier andeutungsweise von einigen Vorrednern gesagt wurde, bereits Anfang der 80er Jahre im Parlament diskutiert wurde: die Frage der Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit von bestimmen Ämtern mit einer Mitgliedschaft in diesem Parlament.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Damals gab es in Berlin eine große Diskussion – auch innerhalb der CDU – über diese Frage. Und eine Minderheit innerhalb der CDU sagte: Wir müssen klare Linien schaffen. Der Grundsatz der Gewaltenteilung darf nicht durchlöchert werden. Wir müssen sagen, dass ein Parlamentarier nicht gleichzeitig an leitender Stelle in einer Gesellschaft sein darf, die auch vom Land getragen wird bzw. an dem das Land Berlin eine Beteiligung hat, und zwar unabhängig von der Größenordnung. Und die Freunde aus der CDU, die mit mir auf der gleichen Position standen, haben in den 80er Jahren auf die Regelung des Bundeslands Bayern hingewiesen, das eine ganz klare Trennung zwischen Amt und Mandat vornimmt –

[Vereinzelter Beifall bei der PDS und den Grünen]

unabhängig davon, ob das Land auch nur mit 5 % und ob es mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist. Das heißt, über Schachtelgesellschaften kann man die Unvereinbarkeitsregelung nicht torpedieren. Das ist die bayerische Lösung. Und es gab innerhalb der Sozialdemokratischen Partei einen, der gesagt hat: „Das ist toll; das müssten wir durchsetzen!“ Das war Harry Ristock. Und Harry Ristock hat auch versucht, diese klare Trennung zwischen Amt und Mandat innerhalb der SPD durchzusetzen,

[Zuruf des Abg. Müller-Schoenau (Grüne)]

was auch nicht gelungen ist, wie wir sehen; denn das Wahlgesetz kennen wir. Wir hätten heute dieses Problem wahrscheinlich nicht,

[Dr. Steffel (CDU): Welches Problem?]

wenn seinerzeit bereits klar zwischen Amt und Mandat getrennt und der Grundsatz der Gewaltenteilung verwirklicht worden wäre. Das ist nicht der Fall.

[Frau Richter-Kotowski (CDU): Was hat denn das mit Gewaltenteilung zu tun?]

Das hat sehr wohl etwas mit Gewaltenteilung zu tun, Frau Kollegin. Ich weiß nicht, ob Sie in den 80er Jahren die Diskussion verfolgt haben, als es darum ging, dass Führungspositionen in Gesellschaften, an denen das Land beteiligt ist, nicht von einem Abgeordneten eingenommen werden dürfen. Das war die Position der Reformgruppe. Sie gehörten wohl noch nicht dazu. Und wir haben seinerzeit – Lehmann-Brauns weiß das, Junge Union –, zwei Leute haben damals anders gestimmt als die Mehrheit der CDU-Fraktion, das waren Frau Dr. Besser und ich, die für eine klare Trennung waren. Deswegen mein Appell: Wir werden diese Probleme immer wieder bekommen, die hier angeschnitten wurden, die der Aufklärung bedürfen, wenn nicht eine klare Trennung nach bayerischem Vorbild und auch nach der Auffassung des seligen Harry Ristock endlich hier in diesem Parlament durchgesetzt wird.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Nun hat das Wort der Senator Kurth!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bankgesellschaft Berlin ist die wichtigste Unternehmensbeteiligung des Landes. Das gilt für ihre Rolle als Arbeitgeber, das betrifft ihren Beitrag zum Wirtschaftsstandort Berlin, und das gilt auch für ihre Bedeutung als Vermögensgegenstand. Wir setzen heute in der Aktuellen Stunde und in der

(A) (C)

(B) (D)

Sen Kurth

Beantwortung der Großen Anfrage eine Diskussion fort, die vor einiger Zeit in der Presse begonnen wurde und in der es um die Beurteilung einiger struktureller Entwicklungen ging, um die Kreditpraxis einer Tochtergesellschaft und schließlich um Struktur und Wert der Bankgesellschaft. Herr Müller, Sie haben es geschafft, auch noch die Kapitalausstattung der IBB heute dazuzupacken. Zum Teil werden diese Sachverhalte munter vermischt, und wo das nicht genügt, wird auch mit Unterstellungen gearbeitet. Ich verweise auf die Begründung Ihrer Großen Anfrage.

In der gestrigen Sitzung des Vermögensausschusses wurde im Rahmen des rechtlich Möglichen umfassend zu allen Sachverhalten Stellung genommen. Ich bin Herrn Dr. Rupf für seine Bereitschaft zu der sehr ausführlichen Unterrichtung der Abgeordneten dankbar. Ich hoffe für die Zukunft, dass er diese Bereitschaft aufrechterhält. Möglicherweise, Herr Wolf, wird es dadurch etwas gemindert, dass Sie zwar gestern ein Wortprotokoll beantragt haben, aber Herrn Dr. Rupf heute anders zitieren, als er sich gestern im Vermögensauschuss jedenfalls eingelassen hat, [Kittelmann (CDU): Hört, hört!]

beispielsweise bei der Struktur dieser Fonds. – Wir werden die Diskussion im Vermögensausschuss nach Vorlage der Jahresabschlüsse und der Empfehlungen der Wirtschaftsprüfer auch fortsetzen. Mir liegt bei dieser Diskussion, aber auch bei der heutigen Aktuellen Stunde an folgender Klarstellung: Der Senat bekennt sich ohne Einschränkung zu seiner Verantwortung als Mehrheitseigentümer der Bankgesellschaft.

[Zuruf von links: Aha!]

Dazu gehört selbstverständlich das umfassende Recht des Abgeordnetenhauses, die Wahrnehmung der Eigentümerfunktion des Senats bei der Bankgesellschaft zu kontrollieren wie bei jedem anderen landeseigenen Unternehmen auch, die entsprechenden Informationen zu erhalten, die konzeptionellen Vorstellungen des Eigentümers oder Mehrheitseigentümers im Rahmen des Möglichen – es handelt sich um eine börsennotierte Aktiengesellschaft – zu erörtern. Das gilt auch für die Einhaltung bestimmter qualitativer Standards in der Geschäftspolitik der Bank. Das ist völlig in Ordnung und wird von niemandem in Abrede gestellt. Ich bin sehr froh, Herr Wolf, dass wir die Senatsvorlage zur weiteren Entwicklung des Beteiligungscontrollings, über die wir im letzten Herbst gesprochen haben, in Kürze auf der Tagesordnung des Hauptausschusses haben.

Für diese Erörterungen gelten aber selbstverständlich auch die Begrenzungen, die das Wertpapierhandelsrecht und das Aktienrecht nun einmal setzen. Das heißt konkret: Insiderrelevante Sachverhalte dürfen weder vom Vorstand noch vom Aufsichtsrat in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Ich bin übrigens froh, dass wir in der Bundesrepublik klare Insiderregelungen haben. Einige Vertreter der Opposition, nicht alle, aber einige erwarten nun, dass der Senat sich darüber hinwegsetzt und zu Einzelheiten von Kreditverträgen in der Öffentlichkeit Stellung nimmt. [Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]

Was glauben Sie eigentlich – schreien Sie nicht so! –, wie das auf Kunden und Kreditnehmer von Banken im Landeseigentum wirkt?

[Wieland (Grüne): Wie wirkt das, was bisher passiert?]

Ich darf jedem Kreditnehmer der Sparkasse Kreuzberg, der Berliner Bank, der Berlin Hyp versichern: Der Senat kennt und beachtet die Grenzen, die Aktien- und Wertpapierhandelsrecht ziehen, anders als die Grünen dieses wollen.

[Beifall bei der CDU]

Und diejenigen, die sich offenbar mit den rechtlichen Voraussetzungen ihrer Fragen noch nicht befasst haben,

[Wieland (Grüne): Haha!]

sollten sich wenigstens auf die Konsequenzen besinnen: Wenn Kreditnehmer bei öffentlichen Bankinstituten damit rechnen müssen, dass bloße Verdachtsmomente und Unterstellungen genü

gen, um Einzelheiten dieser Kreditverhältnisse in der Öffentlichkeit zu diskutieren, ist das eine massive Gefährdung der Marktchancen öffentlicher Banken und Sparkassen.

[Beifall bei der CDU]

Die rechtlichen Grenzen zu beachten ist selbstverständlich, aber das ist mir noch nicht einmal der wichtigste Punkt. Noch wichtiger ist mir die Verantwortung, die wir alle für die Bankgesellschaft haben. Es nutzt keinem, wenn das Ansehen der Bank beeinträchtigt wird, keinem außer vielleicht einigen Wettbewerbern. Die Schwierigkeiten des Standorts Berlin finden ihren Niederschlag auch in den Geschäftsberichten der Bank. Das ist richtig. Und gerade weil ich weiß, dass auch viele Mitarbeiter der Bank verunsichert sind, sage ich mit aller Klarheit: Zu unserer Verantwortung als Eigentümer gehört auch, dass wir uns bei ungerechtfertigten Vorwürfen vor unsere Unternehmen stellen, vor die Menschen, die dort arbeiten.

[Beifall bei der CDU]