führung befindliche Altbauquartiere sowie auch entsprechende Plattenwohnungen im Ostteil der Stadt. Leerstand ist zu drei Vierteln ein Problem des Ostteils der Stadt. Der generelle Trend hinsichtlich des zunehmenden Wohnungsleerstands in den neuen Bundesländern gilt insoweit auch zumindest für die Großsiedlungen am Stadtrand im Ostteil der Stadt. Aber für uns gilt: Berlin braucht seine Großsiedlungen! Wir werden kein Abrissprogramm auflegen.
Wenn sich Leerstand an wenigen Stellen der Stadt ballen sollte, würde dies sozial instabile Situationen nach sich ziehen. Dies wollen wir verhindern. Und wir werden die Entspannung auf dem Wohnungsmarkt nutzen, um vor allem die Großsiedlungen städtebaulich aufzuwerten. Unsere Erfahrungen mit der behutsamen Stadterneuerung werden wir dabei nutzen. Im Klartext: Abriss und Teilabriss einzelner Wohnungen ist möglich, wenn dadurch die Wohnsituation verbessert wird. Es wird aber keinen Abriss zur Entlastung des Wohnungsmarktes geben.
Wir müssen insbesondere in den Großsiedlungen des Ostteils eine größere Nutzungsmischung herbeiführen. Ich werde deshalb dem Senat eine Novelle der Zweckentfremdungsverbotsverordnung vorschlagen.
Ich werde die Verwendung von Wohnraum – insbesondere im Erdgeschoss – für andere Zwecke zulassen. Das ist wichtig, um notwendige Dienstleistungen, aber auch kleinteiliges Gewerbe zu ermöglichen und damit im Sinne sozialer Stadt gestaltend zu wirken.
Herr Senator! Wir wissen, dass Sie „unbegrenzte“ Redezeit haben, aber die Fraktionen schauen mich immer so vorwurfsvoll an, weil Sie bereits die doppelte Zeit verbraucht haben.
Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie mich nicht vorwurfsvoll angucken. In Anbetracht von 25 Einzelfragen könnte ich sonst nur in Abkürzungen sprechen.
Es ist ein gutes Zeichen, dass das Abgeordnetenhaus sich mit großer Geduld dieser Frage widmet. Es sind eben über 700 000 Menschen, die in den Großsiedlungen in Ost und West wohnen. Deren Schicksal liegt dem Abgeordnetenhaus am Herzen.
Weiter zur Frage der Zweckentfremdungsverbotsverordnung: Wichtig ist, dass wir die Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen in den Großsiedlungen anregen, um Wohnen und Arbeiten zu verknüpfen. Der Fokus der beabsichtigten Veränderungen liegt also auf den Erfordernissen der sozialen Stadt, aber auch auf dem generellen Abbau bürokratischer Verfahren.
Die Großsiedlungen des sozialen Wohnungsbaus ebenso wie des komplexen Wohnungsbaus sind für die Versorgung der Bevölkerung mit preiswertem, qualitativ hochwertigem Wohnraum unverzichtbar. Sie sind daneben ein Stück Stadtkultur und
Heimat der dort lebenden Menschen. Deshalb müssen wir sehr sensibel mit diesem Erbe umgehen. Unsere städtischen Wohnungsbaugesellschaften haben das erkannt und unterstützen aus eigenen Mitteln Mieterbeiräte, Stadtteilmanagement, Stadtteilinitiativen und kulturelle Aktivitäten. Der Regelfall ist, dass der finanzielle Einsatz für die Großsiedlungen deutlich die Möglichkeiten übersteigt, die den Gesellschaften aus der Kostenmiete des sozialen Wohnungsbaus zur Verfügung stehen.
Deshalb hat das Land Berlin die Anstrengungen der unterschiedlichen Akteure in den Großsiedlungen des sozialen Wohnungsbaus seit 1990 zusätzlich mit 30 Millionen DM für Maßnahmen im Wohnumfeld unterstützt, und für den Zeitraum 2001 bis 2004 stehen 20,6 Millionen DM weitere Fördermittel für diese Zwecke zur Verfügung. Stabile Wohnquartiere mit einer ausgewogenen sozialen Mischung sind kein Selbstzweck. Solche Quartiere bieten Heimstatt für Familien mit Kindern, eine lebenswerte Umwelt für junge und alte Menschen und erleichtern auch die Integration von Einwohnern nicht deutscher Herkunft. Unsere generellen Ansätze zur Stabilisierungen der Großsiedlungen über Attraktivitätssteigerung, Mietenpflege und Wohnumfeldverbesserung sind damit zugleich auch wichtige Voraussetzung für die Befriedigung von Bedürfnissen spezifischer Bevölkerungsschichten.
Vor Ort wird diese Politik insbesondere dort gezielt unterstützt, wo wir mit unserem Quartiersmanagement Hilfestellung leisten können. So widmet sich das Quartiersmanagement in Marzahn Nord besonders der Gruppe der Spätaussiedler und weist zahlreiche erfolgversprechende Integrationsprojekte auf. Und selbstverständlich ist die Arbeit in den Quartiersmanagementgebieten in Schöneberg, Wedding oder Tiergarten nicht ohne besondere Anstrengungen zur Integration ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger vorstellbar. Die vom Quartiersmanagement initiierten und unterstützten Netzwerke greifen die besonderen Kommunikationsstrukturen der verschiedenen Ethnien auf.
Die Einbeziehung von Jugendlichen in spezifischen Freizeit-, Motivations- und Ausbildungsprojekten ist Kern der Arbeit aller Quartiersmanager. Dabei kommt insbesondere den Schulen der betroffenen Gebiete eine zentrale Integrationsfunktion zu, die sich nicht allein auf den Erziehungsauftrag beschränkt, sondern wichtige soziale Funktionen für den gesamten Kiez übernimmt. Und natürlich war die Beseitigung des Defizits an Spiel- und Bolzplätzen ein Schwerpunkt in der Infrastrukturpolitik für die Großsiedlungen im Osten der Stadt. Dort sind bis 1999 rund 550 neue Spielplätze, 120 neue Bolzplätze und zwei Kletterfelsen entstanden. Allein in den Großsiedlungen Marzahn und Hellersdorf wurden in den zurückliegenden 10 Jahren 29 Jugendklubs und -einrichtungen neu geschaffen, davon fünf kostenintensive Umbauten ehemaliger Kindertagesstätten. In beiden Großsiedlungen wurden durch Investitionen der Bezirke zwei neue Gymnasien, eine Sonderschule und ein Oberstufenzentrum errichtet. Dies alles zeigt, dass auch in Zeiten knapper finanzieller Mittel Land und Bezirke in der Lage waren, durch gezielte Schwerpunktbildung die Investitionen zu finanzieren, die für die Entwicklung der Stadt und ihrer Wohngebiete erforderlich waren.
Und dort, wo spezifische Defizite bestehen, werden wir auch in Zukunft mit gezielten Programmen wie etwa dem Schulsanierungsprogramm, dem Plätzeund Wohnumfeldprogramm gezielte Hilfe für diese Bezirke anbieten.
Lassen Sie mich zusammenfassen: Sowohl die Großsiedlungen des sozialen Wohnungsbaus als auch die Großsiedlungen des komplexen Wohnungsbaus sind unverzichtbar für die Wohnversorgung in Berlin. Sie sind das Zuhause für rund 770 000 Menschen, und sie sollen es bleiben. Sie sind oft wegen ihres Ausmaßes Städte in der Stadt und deshalb für Besucher nicht leicht zu begreifen und zu akzeptieren. Die großen Anstrengungen und herausragenden Erfolge des Landes Berlin in der Qualifizierung dieser Stadtteile und ihre Einbeziehung in die positive
Perspektive der gesamten Stadt finden ihre Fortsetzung. Wir werden an der von mir skizzierten Politik, die in den letzten 10 Jahren erfolgreich war, konsequent festhalten.
Vielen Dank, Herr Senator, für die umfassende Beantwortung der Großen Anfrage! – In der Besprechung haben die Fraktionen maximal 10 Minuten. Herr Over beginnt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Senator Strieder! Dass Sie sich die demographische Entwicklung als Erfolg der Senatswohnungsbaupolitik ans Revers heften wollen, ist doch ein bisschen starker Tobak. Aber ansonsten würde ich doch noch mal darum bitten, dass Sie unsere 17 Einzelfragen, nicht 25, wie Sie vielleicht beim Zählen etwas durcheinander gekommen sind, in schriftlicher Form beantworten. Denn gerade zur Lebenssituation von Frauen und Kindern, von Nichtdeutschen fand ich diese Ausführungen längst nicht ausreichend; besonders, wenn man sich die Fragen dazu auch einmal anschaut.
Sie führten aus, dass 69 % der Westplatte belegungsgebunden sind. Das ist richtig, aber das wird nur noch kurze Zeit so sein.
Denn mit dem Verkauf der GSW werden in großem Umfang genau diese Wohnungen aus dem Bestand und damit auch aus der Belegungsbindung herausfallen. Dazu will ich Ihnen nur einmal an drei Zahlen erläutern, was das bedeutet. In Charlottenburg sind zurzeit noch 15 000 Wohnungen belegungsgebunden; nach dem Verkauf der GSW sind es noch 10 000 – minus ein Drittel.
In Reinickendorf sind es zurzeit noch rund 32 100, nach dem GSW-Verkauf rund 11 000 weniger; das ist auch hier ein Minus von einem Drittel. Und in Steglitz ist die Situation sogar so prekär, dass von den rund 8 200 belegungsgebundenen Wohnungen nur 3 600 übrig bleiben, ein Minus von 60 % des Bestandes. Und wir schlittern damit in Westberlin auf eine neue Wohnungsnot im Bereich der niedrigen Mieten zu.
Das ist völlig übersichtlich, und diese gefährliche Segregation, die damit einsetzt, die dann zu einem Abwärtstrend in beiden Hälften der Stadt führen wird, nämlich sowohl in den Gebieten im Westen als auch in der Ostplatte, wo dann die einzigen belegungsgebundenen Wohnungen sind. Dass Ihnen das nicht gefällt, das ist mir klar.
Doch, lieber Kollege Strieder, bei der ganzen Arbeit der letzten Wochen ist Ihnen offensichtlich – –
Herr Over, Sie lamentieren hier, dass die Belegungsbindungen zurückgefahren werden. Haben Sie nicht erkannt, dass mit dem Zurückfahren der Belegungsbindungen der Leerstand weitestgehend heruntergedrückt wird und andere Chancen für Leute, die heute da gar nicht reinkommen, entstehen und eine Durchmischung in den Quartieren entsteht, die wesentlich günstiger ist als alles, was sich sonst abzeichnet?
Ja, lieber Herr Niedergesäß, da haben Sie leider auch etwas nicht verstanden. Die Sozialwohnungen, die damals in Westberlin gebaut worden sind, sind für die ganz niedrigen Einkommen, also die, die auch Sozialhilfe beziehen, aber auch für die mittleren und die gehobenen Einkommen gebaut worden. Heute ist es so, dass sich diese Wohnungen nur noch leisten kann, wer entweder vom Sozialamt sein Geld bezieht, weil dann die Miete übernommen wird, oder wer schon unter die Fehlbelegungsabgabe fällt. Die Menschen mit einem mittleren Einkommen haben doch überhaupt nicht mehr die Chance, bei Warmmieten von 14 bis 16 DM sich diese Wohnungen zu leisten; ganz abgesehen von der Frage, ob sie es wollen.
Aber zurück zu meiner Rede, wir haben ja nicht sonderlich viel Zeit. – Herr Strieder, ich wollte Ihnen empfehlen, ein bisschen Presseschau zu betreiben. In den letzten Wochen war da sehr viel Interessantes zur Debatte um die Großsiedlungen in Ost und West zu lesen. Ich zitiere:
Das sagte unser ehemaliger Kollege Rudolf Kujath in der „Neuen Züricher Zeitung“ vom 21. Januar dieses Jahres.