Protokoll der Sitzung vom 01.03.2001

[Oh! von der PDS und den Grünen – Zuruf des Abg. Weinschütz (Grüne)]

Wir stehen für eine gerechte und verhältnismäßige Beurteilung, eine Diskussion, die nicht nach dem Prinzip verfährt: Splitter vor Balken. Ihr Spiel machen wir nicht mit.

[Cramer (Grüne): Machen Sie die ganze Zeit!]

Ich bin ganz sicher: Die CDU und diese Fraktion sind und bleiben die Leistungsträger der Stadt.

[Cramer (Grüne): Fragt sich nur, auf welchem Gebiet!]

Das werden die Menschen nicht verkennen. Sie erwarten kurzfristig von uns die volle Konzentration auf die Lösung der politischen Aufgaben. Langfristig wird die Union, darauf können Sie sich verlassen – ein bestimmender Faktor in dieser großen, lebenswerten Stadt bleiben. – Ich bedanke mich!

[Anhaltender Beifall bei der CDU]

Nunmehr hat das Wort Herr Abgeordneter Wieland für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen!

[Dr. Steffel (CDU): Oh Gott, muss ich mir das antun?]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lehmann-Brauns! Gerade weil wir persönlich immer ein korrektes Verhältnis hatten – Sie haben es gesagt –, erlauben Sie mir hier drei Anmerkungen.

Zunächst einmal: Ihre Rede hatte durchaus karnevalistische Anteile. Nun ist Aschermittwoch gestern gewesen, und diese Zeit eigentlich vorbei. Die Menschen in dieser Stadt fragen sich bei diesem Komplex auch, wo denn eigentlich ihre Steuergelder geblieben sind. Sie fragen sich, was denn auf sie zu kommt mit einer Haushaltssperre bereits im zweiten Monat des Jahres, und sie sehen selbstverständlich genau den Zusammenhang zwischen sozialen Schieflagen wegen fehlender Zuwendungen und dem Highlife und der Geldverschwendung und Geldvernichtung, die diese Landesbank gemacht hat. Das ist ein sehr ernstes Thema für sie – anders, als Sie es hier dargestellt haben.

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Eine zweite Bemerkung, Herr Lehmann-Brauns: Gerade weil wir Sie immer als korrekten Konservativen geschätzt haben – jenseits dieser Cliquen und dieser K-Gruppen innerhalb der CDUFraktion – Ja! „K“ wie Kittelmann, der Mann in Ihrem Nacken, der ist gemeint! –, hat es uns sehr verwundert, dass ausgerechnet Sie es waren, der vorgestern diese Solidaritätsbekundung – man erinnert sich hier fast auf ein dreifaches Hoch auf den Fraktionsvorsitzenden, an andere Zeiten der PDS erinnerte man sich, als man das hörte –, diese offene Solidaritätsbekundung ohne geheime Abstimmung, obwohl sie beantragt war, durchgezogen hat. Und Sie wollen hier noch imponieren und wollen damit noch sagen: Da zeigt sich, wie geschlossen unsere Fraktion hinter Klaus Rüdiger Landowsky steht. Wer soll das denn glauben! Das war kein Zeichen der Stärke, das war ein Zeichen der Schwäche, was Sie dort in Ihrer Fraktionssitzung gemacht haben.

[Beifall bei den Grünen und der PDS – Beifall des Abg. Dr. Rogall (SPD)]

Und schließlich und endlich war das eine Rede, die Sie hier gehalten haben, als ob die Mauer noch stände,

[Beifall bei den Grünen und der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

als ob Sie beweisen müssten, was in den Medien seit Tagen geschrieben wird: das Gefühl, irgendwie geht das alte Westberlin jetzt zu Ende. Die alten Netzwerke, die alten Machtstrukturen, die halten nicht mehr. Da sind eben die Risse, da ist das System Landowsky am Ende. Dann haben ausgerechnet Sie ein allerletztes Mal die Fahne „Freiheit oder Sozialismus“, „Sozialismus oder Klaus-Rüdiger Landowsky“ gehisst. Die Rolle liegt Ihnen eigentlich nicht, Herr Lehmann-Brauns, und es ist schade, dass nun ausgerechnet Sie diese Rolle hier gespielt haben und diese Nummer dargeboten haben.

Insgesamt muss man sagen, und das ist das, was uns heute berührt: Vier Wochen können in den Politik eine lange Zeit sein. Wir hatten hier vor einem Monat die letzte Plenarsitzung, eine Plenarsitzung, zu deren Ende Klaus Landowsky triumphierend sagte: Das war ein Rohrkrepierer der Opposition, was wir erlebt haben. – das war noch vor seinem halben Rücktritt. Wir haben gestern erlebt, dass Eberhard Diepgen im Radio sagte: „Die Parteispendenaffäre der CDU ist beendet. Die Krise ist beendet.“ Friedrich Merz hat vor kurzem gesagt: „Doppelspitzen können auch funktionieren.“ Bei der Doppelspitze Landowsky–Diepgen funktioniert eigentlich nur noch das eine – die totale Verdrängung der Realität, und das ist etwas wenig. Insbesondere für einen Regierungschef ist das zu wenig.

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Wir haben hier Herrn Diepgen vor einem Jahr gefragt: Wie sieht es aus mit Parteispenden auch in Berlin? – Es war die allgemeine Krise der schwarzen Kassen. Herr Diepgen – damals war er noch da; wo er jetzt gerade wieder – –

[Bm Dr. Werthebach: Sie müssen mal nach links gucken!]

(A) (C)

(B) (D)

Wieland, Wolfgang

Er hat die Fronten gewechselt! – Damals haben Sie noch von Ihrem angestammten Platz aus gesagt: Ich weiß von nichts. – Und auf den Vorhalt, dass der Pankower Bezirksvorsitzende, Herr Federlein, gefordert hatte, dass auch das Rechenwerk der Berliner CDU überprüft würde: Dann soll Herr Federlein doch erst einmal sagen, was er weiß! – Sie haben das arrogant in die Ecke geschoben, und das Protokoll verzeichnet Beifall von Klaus-Rüdiger Landowsky an dieser Stelle, und der wusste sicherlich, warum er an dieser Stelle Beifall geklatscht hat.

[Heiterkeit bei den Grünen und der PDS]

Sie haben, Herr Diepgen, in Nichts das getan, was Ihr hessischer Amtskollege wenigstens behauptet hat – nicht eingelöst, aber behauptet –: brutalstmögliche Aufklärung. Sie haben bis zum heutigen Tag sich darauf zurückgezogen: Ich weiß von nichts! – mit einer Formulierung, die man fast vom Gericht her kennt: Ich habe mein Erinnerungsvermögen bemüht und muss auch zu der Aubis-Spende sagen: ich erinnere mich nicht. – Der Herr Heers, Ihr Parteikollege, der von Ihnen eingesetzt wurde, hat Sie dazu noch nicht einmal befragt. Er hat auch Herrn Wilczek beispielsweise nicht befragt: Wusste denn der Landesvorsitzende Eberhard Diepgen von dieser Spende? – Nichts dergleichen. „Bild“ hat gefragt. „Bild“ hat am 15. Februar Herrn Wilczek unter der Überschrift „Was wusste Diepgen vom Schwarzgeldkonto“ gefragt:

Bild: Ein letztes Mal: Hat Herr Diepgen vom Schwarzgeldkonto gewusst oder nicht?

Wilczek: Also, es kann sich in kürzerer Zeit alles Mögliche ergeben.

[Heiterkeit bei den Grünen und der PDS]

Bild: In kürzerer Zeit?

Wilczek: Also, in hierarchischen Ebenen ist doch klar – ich meine, Sie sind doch nicht von gestern –, das sind technische Abläufe.

Bild: Von denen auch die Spitze wusste?

Wilczek: Es ist jetzt gut! Wir müssen jetzt in unsere Wohnung. Auf Wiedersehen!

[Heiterkeit bei den Grünen und der PDS – Gram (CDU): Seit wann zitieren Sie denn die „Bild-Zeitung“?]

Alles aufgeklärt! Alles aufgeklärt, wie Sie behaupten. Affäre beendet! Wem wollen Sie das eigentlich sagen? Gerade Sie sind Ihrer Verantwortung zur Aufklärung bisher in keiner Weise nachgekommen. gerade Sie haben bisher alles getan, damit es im Unklaren bleibt. Sie haben sich bisher nur als Meister des Spurenverwischens hier in dieser Stadt präsentiert. Und auch dies ist für einen Regierungschef zu wenig, und auch dies ist für einen Parteivorsitzenden eine Schande.

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Der Heers-Bericht ist sowieso ein Dokument, das die Lektüre lohnt. Ich zitiere aus ihm:

Nicht erklären kann sich Herr Wilczek die Frage, warum die Spende nicht in das Rechenwerk der CDU aufgenommen worden ist. Die Angelegenheit liege zu lange zurück.

Über Herrn Buwitt heißt es:

Herr Buwitt vermochte die Frage, weshalb eine ordnungsgemäße Verbuchung der Spenden entsprechend dem Parteiengesetz nicht vorgenommen wurde, nicht zu beantworten. Die Angelegenheit liege zu weit zurück.

Das muss man sich einmal vorstellen, Herr Lehmann-Brauns: Auch Sie haben es eben noch einmal gefordert. Ihr Herr Buwitt hat unter lautem Gejohle und mit seiner Bundestagsfraktion zusammen vom Bundesaußenminister verlangt, dass er nach 30 Jahren angeben müsse, mit wem er jeweils gefrühstückt habe. Sie sind ja auch der Ansicht, das müsse man können. Ihr Schatzmeister darf hier einfach sagen: Nach 6, 7 Jahren weiß ich partout nicht mehr, was mit der angeblich einzigen Spende war,

die unkorrekt von mir verbucht wurde, was mit der einzigen illegalen Parteispende geschehen ist. Das soll jemand glauben, und da meinen Sie, kommen Sie hiermit raus. Wenn Sie es nicht aufklären, muss es ein Untersuchungsausschuss aufklären, und ein Untersuchungsausschuss kann nicht so konsequenzenlos angelogen werden, wie es bei der Privatperson Heers natürlich möglich war. Das hat dann andere Konsequenzen, und da kann ich Ihnen jetzt schon sagen: Dann ziehen Sie sich mal ganz warm an!

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Klaus Wienhold, der sich um seine Krone als Plattenbaukönig irgendwie geprellt sieht, bezeichnet – Ja, er gibt viele Interviews, Herr Landowsky! – seine Spende als abgenagten Knochen, und Sie haben mitgenagt. Das ist das Problem dabei! 5 000 DM für Ihren Spezi Kauffmann für Wahlkampfhilfe und 10 000 DM für Ihren Kreisverband Zehlendorf. Die Frage, die Herr Heers auch nicht aufgeklärt hat, die auch Herr Diepgen offenbar nicht aufklären will, ist jetzt: Wurde damit Ihr sogenanntes Startgeld gezahlt? Wurde damit die Praxis Ihrer Partei eingelöst, dass man nur kandidieren darf, wenn man vorher Geld hinlegt? Denn dann haben auch Sie persönlich sich hier bereichert. An dieser Stelle werden wir das nicht in extenso untersuchen. Wir wissen, dass in anderen Bezirken derartige Startgelder bis in die Höhe von 18 000 DM gehen – in Reinickendorf zum Beispiel. Da stellt sich natürlich auch die Frage, ob das verfassungsmäßige passive Wahlrecht noch gewahrt ist, wenn nur Wohlhabende antreten. Auch dies wird untersucht werden.

Aber hier interessiert etwas anderes, nämlich die Frage: Haben Sie von der Wienhold-Spende dieses Startgeld gezahlt? – Auch dazu versagt der Heers-Bericht. Dieser Bericht ist lediglich ein Argument der Enttäuschung und der Täuschung gewesen. Die Öffentlichkeit sollte von diesen Vorgängen abgebracht werden. Bis heute ist nicht aufgeklärt, warum diese Barspende überhaupt gebracht wurde. Bis heute wird bestritten, dass es einen Zusammenhang zwischen der Spende und dem Kreditgeschäft gegeben hat. Das alles soll die Öffentlichkeit glauben. Das alles soll von Ihnen als letztes Wort in der Aufklärung der Affäre hingestellt werden. Das glaubt Ihnen kein Mensch! So kommen Sie nicht durch! Die Frage ist eigentlich, was empörender ist: das, was geschehen ist, oder die Tatsache, dass Sie glauben, durch billige Manöver das Offenkundige in Abrede stellen und die Öffentlichkeit für dumm verkaufen zu können.

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Herr Strieder ist kein Schmutzfink, nur weil er auf den liederlichen Umgang der CDU-Fraktion mit Geldern hinweist. Es ist nicht richtig, dass alle Fraktionen dies getan haben. Nur bei der CDU-Fraktion fehlten Belege. Nur bei der CDU-Fraktion stellte der Rechnungshof fest, er habe das Rechenwerk teilweise nicht nachvollziehen können. Nur bei der CDU-Fraktion gibt es eine schwarze Kasse, die – wie wir seit heute wissen – offenbar noch aus den 70er und 80er Jahren stammt. Die Vermutung besteht, dass die Gelder des Bauunternehmers Franke darin überlebt und überwintert haben und heute – wie Herr Heide sagt – zur Vermögensbildung – von wem eigentlich? – Zinsen bringen, ohne dass dies deklariert ist.

Herr Heide hat den schönen Satz geprägt, mit dem neuen Fraktionsgesetz habe man sich erst anfreunden müssen. Das ist ein gottvoller Satz. Ich stelle mir vor, dass ein Autofahrer bei einer Verkehrskontrolle sagt: Herr Wachtmeister, mit der neuen Promillegrenze muss ich mich erst anfreunden. Ich bitte um Nachsicht.

[Heiterkeit bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Gesetze haben die unangenehme Eigenschaft, dass sie ab dem Tag des Inkrafttretens voll gelten. Das ist nun einmal so.