Gesetze haben die unangenehme Eigenschaft, dass sie ab dem Tag des Inkrafttretens voll gelten. Das ist nun einmal so.
Dieser Umstand fiel der CDU-Fraktion schon immer schwer – besonders ihrem Vorsitzenden. Wir erinnern uns an die – zu Unrecht so benannte – Lex Landowsky. Diese eingeräumte Frist von fünf Jahren hat er noch um gut sechs Monate überzogen. Auch dabei hat er noch auf beiden Stühlen gesessen. Noch am 13. Juni 1996 schrieb die „Berliner Morgenpost“:
Den Buchstaben des Gesetzes wurde Rechnung getragen, aber nicht dem Geist des Gesetzes. Aus dieser Konstellation bestehe weiter die große Gefahr von Interessenkollisionen des Politikers und Denkers Landowsky, monieren die Grünen. Für Landowsky ist diese Kritik abwegig. Er hält das von Mompers rot-grüner Koalition verabschiedete Wahlgesetz für verfassungswidrig. Dies habe bereits das Berliner Landgericht in der Klage des CDU-Abgeordneten HeinzViktor Simon angedeutet.
So Landowsky noch, nachdem er sozusagen ein bisschen schwanger, ein bisschen gegen das Gesetz verstoßend in der letzten Legislaturperiode sechs Monate hier gesessen hatte. Die Hoffnung auf Simon war trügerisch. Herr Simon hat vor dem Bundesverfassungsgericht mit Pauken und Trompeten verloren. Aber nun heute – geradezu Mitleid heischend – zu sagen – wir haben es gar nicht geglaubt –, diese Konstruktion bürde einem doch eine Menge an Belastung auf. Und Freund Eberhard sagt: Du musst Prioritäten setzen, Klaus-Rüdiger! – Wir haben seit über zehn Jahren gesagt, dass diese Machtkonstellation missbrauchsanfällig ist. Herr Riebschläger, Herr Lüdtke und Herr Kujat haben Konsequenzen gezogen. Nur Sie glaubten immer, diesen Konsequenzen ausweichen zu können. Nur Sie wollen noch bis zum 23. Mai Ihre beiden Stühle verteidigen. Das wird Ihnen nicht gelingen! Sie wurden nicht nur einmal gewarnt, sondern hundertfach. Diese Warnungen wollten Sie nicht hören. Jetzt haben Sie den Schlamassel; jetzt kommt es – wie man neudeutsch sagt – recht hart für Sie. Aber Mitleid gibt es wenig.
Sie haben immer erbarmungslos auf die Opposition und andere eingedroschen. Jetzt kommt ein wenig von dem zurück, was Sie sich über die Jahre herausgenommen haben. Mitleid haben wir nicht, Herr Landowsky.
Es geht hier nicht um „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, das lassen wir weg. Ich schließe mich Herrn Wolf an: Nicht wir haben schwarze Kassen überbracht und Ursachen gesetzt. Das ist alles bei Ihnen zu suchen und bei Ihnen geschehen.
Senator Kurth will heute sehr wenig sagen. Das hat er im „Inforadio“ angekündigt. Unsere dringlichen Fragen könne er weitgehend nicht beantworten. Aber die Fragen sind gestellt, und sie bleiben in der Welt. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Bereits jetzt hat sich die Vermutung, die wir in der letzten Debatte hatten, bestätigt, nämlich dass das sogenannte Greico-Geschäft – die angebliche Milliardenkaufsumme einer Briefkastenfirma ohne Telefonanschluss –, dieser letzte Akt einer Voodoo-Ökonomie der Bankgesellschaft ein verzweifelter Versuch war, noch einmal eigenes Geld rund um den Globus zu pusten und so zu tun, als seien die Bilanzen in Ordnung, als habe man Gewinne und als sei die Schieflage der Bank nicht da. Das ist eine beispiellose Flucht nach vorne, ein beispielloses Schneeballsystem.
Auch der Verdacht der Strohmanngeschäfte hat sich verdichtet. 1,7 Milliarden DM Kredit für einen technischen Angestellten, der laut Spiegel zur Sicherheit einen Audi A4 zu bieten hat, dem Vernehmen nach ein Firmenwagen.
Und ein Fahrrad! Das fällt unter die Pfändungsfreigrenze, wie der Jurist sagt. Also Sicherheiten gleich null. Erklären Sie mal der Öffentlichkeit, dass das das Gebaren einer mehrheitlich im Eigentum des Landes Berlin stehenden Institution ist und dass dieses Gebaren nicht zu beanstanden ist!
Wir erinnern auch an die beiden zentralen Fragen, Herr Kurth: 1. Was ist – ganz grundsätzlich – davon zu halten, dass eine landeseigene Bank ein vorrangiges Ziel – man kann fast sagen einen existentiellen Zweck – hat, nämlich zu erreichen, dass die Wohlhabenden und Reichen möglichst wenig Steuern zahlen und das Land Berlin möglichst wenig Steuern einnimmt? 2. Wie kann es sein, dass bei dieser Gelegenheit eine schöne neue Fondswelt aufgebaut wird, bei der der Anleger praktisch gar kein Risiko, das Land Berlin und der Steuerzahler aber alle Risiken zu
tragen haben? – Das sind die beiden Fragen, die nach wie vor unbeantwortet in der Welt sind. Sie haben mit der Aufklärung begonnen. Das sagen wir anerkennend. Sie haben ja noch im Januar erklärt: Die Bank zahlt eine Dividende. Wo ist das Problem? – Sie haben das im Februar noch etwas eingeschränkt gesagt. Nun sehen Sie kritischer hin. Das freut uns. Aber weil etliche Fonds Namen aus der griechischen Mythologie haben – wie Nike und Okeanus – noch einmal die klare Aussage: Es gibt einen Augiasstall, Herr Kurth, und Sie werden daran gemessen werden, ob Sie damit beginnen, hier auszumisten.
Ich habe mit der Antes-Affäre begonnen und schließe mit ihr in Abwandlung eines Reims aus den damaligen Tagen: Die Affären Landowsky und Antes, die haben was Verwandtes.
Sagen Sie es ruhig noch ein drittes Mal, neben Schmutzfink auch noch Dreckschleuder. Wissen Sie, Herr Landowsky, bei Ihnen fasziniert die Chuzpe, die Sie haben, dass Sie noch Aschermittwochsreden halten, dass Sie hier weiter wie ein Rohrspatz herumschimpfen in gewohnter Weise, immer Schaum vor dem Mund, das fasziniert in gewisser Weise bei Ihnen.
Ich überschätze auch Äußerungen von Frau Pau nicht, sie sei keine Abenteuerin. Auf die Idee wäre ich auch nie gekommen, dass sie zu Abenteuern neigt.
Ich sehe auch die Schwierigkeiten bei der SPD, noch einen geeigneten Kandidaten zu finden. Ich habe für all das Verständnis.
Aber ich erinnere an das traurige Bild einer Ruth Wagner, die in Hessen in Nibelungentreue zu Roland Koch zu lange – bis zum heutigen Tage – ausgeharrt hat.
Ich erinnere auch daran, wie schwer es werden wird, Herr Kollege Wowereit, der Bevölkerung bittere Spar- und Haushaltsnotwendigkeiten zu erklären, die gleichzeitig noch im Kopf hat, welche CDU-Selbstbedienungsorgien mit Fonds und anderen Bankgeschäften hier stattgefunden haben. Das wird schwierig werden.
Die Menschen sind hier sehr sensibel. Deshalb sage ich ganz gelassen: In dieser Affäre können wir gerne abwarten, denn eins ist gewiss, die Zeit arbeitet für uns.
Danke schön, Herr Kollege Wieland! – Für die SPD- Fraktion hat nunmehr der Vorsitzende derselben, der Kollege Wowereit, das Wort. Bitte schön, Herr Wowereit!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind heute zum zweiten Mal nach vier Wochen mit einem Thema beschäftigt, wo sich weder die Opposition noch der kleinere Regierungspartner und erst recht nicht die größte Regierungsfraktion darüber freuen sollte, dass wir heute darüber diskutieren müssen. Ich sage es auch mit allem Ernst. Die Debatten, die wir hier führen um die Spendenaffäre der CDU, nutzt aktuell und parteipolitisch überhaupt keinem, aber einem schaden sie auf jeden Fall: dem Ansehen der Stadt Berlin.
[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS und den Grünen – Zuruf des Abg. Weinschütz (Grüne)]
Das ist das größte Problem an der ganzen Angelegenheit. Wir sind in einer Phase in dieser Stadt, wo wir einen Aufbruch signalisieren konnten, wo wir bundesweit, aber auch europaweit deutlich machen konnten, dass es mit dieser Stadt aufwärts geht, dass die Politik in der Stadt sich um die Probleme der Stadt kümmert,
dass wir sagen: Wir sind das neue Berlin, wir sind das vereinigte Berlin, wir sind das innovative Berlin, das die Probleme der Zukunft anpackt, wir sind eine spannende Stadt, wir laden alle ein, in dieser Stadt mit uns zu arbeiten, damit es den Menschen in der Stadt und in dieser Region besser geht, wir setzen ein Zeichen für Internationalität. – Das war der Ansatz. Und ich habe am Anfang des Jahres gedacht, gerade in einem Jahr, wo wir keine Wahlen haben, werden wir das auch inhaltlich unterlegen können.
Worüber reden wir? – Wir reden über eine Spendenaffäre und über eine Situation, wo Außenstehende den Eindruck haben müssen, in Berlin herrscht eine Bananenrepublik, wo man Spenden geben muss, um eine Investition durchführen zu können. Dies ist ein nachhaltiger Schaden für den Wirtschaftsstandort dieser Stadt. Dies sollten wir so schnell wie möglich beenden, und zwar alle gemeinsam.
Auch die Situation der Bankgesellschaft Berlin ist überhaupt nicht erfreulich. Wir brauchen diese Bankgesellschaft Berlin, weil sie ein wesentlicher Standortfaktor auch für die wirtschaftliche Entwicklung dieser Stadt ist. Wir waren froh, dass wir eine starke Bankgesellschaft in dieser Stadt h a t t e n , die auch Wirtschaftsförderung par excellence betrieben hat. Nicht alles, was heute schlecht gemacht wird, war bei der Bankgesellschaft schlecht, sie hat auch wesentliche Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung dieser Stadt gegeben. Wir haben uns darüber Gedanken gemacht, wie wir diese Bankgesellschaft umstrukturieren können beispielsweise dadurch, dass wir die Investitionsbank Berlin zur Landesstrukturbank machen können, damit sie noch ein kräftigeres Instrument der Wirtschaftsförderung wird. Deshalb kann keiner in diesem Raum ein Interesse daran haben, dass die Bankgesellschaft sich in einer Schieflage befindet oder tiefer hineingebracht wird, sondern wir müssen ein Interesse daran haben, dass wir unsere Bankgesellschaft, wo wir – Gott sei Dank – im Interesse der Berlinerinnen und Berliner 56,5 Prozent der Anteile noch halten, wirtschaftlich stark machen.