Sie können nachher die Wohltaten der Bundesregierung aufzählen, aber vergessen Sie dabei nicht, was der Bund uns alles an Lasten auferlegt hat und wo er, wenn er Zusatzeinnahmen hat, diese nach dem Motto verteilt: Die guten in das Bundestöpfchen, die schlechten Risiken in das Landeskröpfchen. Das ist eine Haltung, die Berlin in Schwierigkeiten gebracht hat.
Die Haushaltssperre, Herr Müller-Schoenau, ist keineswegs willkürlich. Das wissen Sie. Die Sperre ist im Sinne der Schwerpunkte, die wir in den Haushaltsberatungen gesetzt haben – nicht wir gemeinsam, sondern mehrheitlich –, eingesetzt worden. Sie ist eine notwendige Notbremse. Aber es gibt Ausnahmeregelungen mit Augenmaß. Dazu gehört das Quartiersmanagement, denn wir haben den Auftrag – das empfinden wir als Verpflichtung –, das Auseinanderdriften der Stadt zu verhindern. Dafür werden wir sorgen. Wir werden den Bürgerservice weiter zu einer modernen Verwaltung ausbauen. Die Anschubfinanzierung der Bürgerämter ist gesichert. Die Schul- und Sportstätten, die eine Sanierung dringend benötigen, sind finanziell abgesichert. Jugend hat in Berlin mit dieser Koalition Zukunft.
Wir sparen uns nicht kaputt. Auch die Maßnahmen, die zu mindestens 50 Prozent von Dritten finanziert werden, sind von der Sperre ausgenommen. Wir wirken auch der Verrottung der Infrastruktur entgegen. Bauliche Unterhaltungen – beispielsweise im Brückenbereich – sind von der Sperre ausgenommen. Auch die soziale Infrastruktur kann gesichert werden, denn Sie wissen, dass die Bezirke über 45 Prozent ihrer Ansätze verfügen dürfen.
Wir sparen nicht um des Sparens willen. Sparen ist sozial, weil uns eine Zinslast von 4 Milliarden DM drückt. Die Zahl ist oft genannt worden, aber man muss sie oft wiederholen: Die täglichen Zinsausgaben von rund 11 Millionen DM belasten uns. Die Zinsausgaben eines Jahres – die Finanzverwaltung hat das dankenswerterweise zusammengestellt – reichten aus, um ein Jahr alle Schulen – einschließlich aller Lehrer – oder die gesamte Sozialhilfe zu finanzieren. Die Zinsausgaben eines Vierteljahrs reichten, um die gesamte Rechtspflege Berlins, alle Gerichte und Justizvollzugsanstalten zu finanzieren. Mit den Zinsausgaben eines Monats könnten wir den gesamten Straßenbau finanzieren. Wenn Sie sich die Relationen ansehen, dann sehen Sie, dass die Zinsausgaben von vier Tagen der gesamten Sportförderung Berlins in einem Jahr entsprechen.
Deswegen führt an der Konsolidierungspolitik kein Weg vorbei. Sparen ist sozial. Zinzzahlungen sind unsozial. Es gibt keine Alternative zum Kurs der Koalition.
Richtig ist, dass nicht alle Chancen, die sich bisher geboten haben, genutzt wurden. Wir brauchen neue Sparideen, neue Ideen in der Haushaltswirtschaft und für den Haushalt. Die Idee, die die CDU-Fraktion schon immer verfolgt, ist: Weniger Staat und mehr privat. Und zwar wirklich privat. Das funktioniert sehr wohl, Herr Liebich. Sie kennen die Beispiele so gut wie ich. Nehmen Sie die Kraftfahrzeugzulassungsstelle Ost: Wir hatten damals eine Kostenschätzung der Senatsverwaltung für Bauen und Wohnen in Höhe von 59 Millionen DM. Diese Maßnahme ist mit Hilfe privater Investoren und eines Leasingmodells für 24 Millionen DM realisiert worden. Es sind Hallen in Schnellbauweise errichtet worden, für die Kostenschätzungen der Bauverwaltung in Höhe von über 40 Millionen DM vorlagen. Sie sind für 18 Millionen DM privat finanziert und gebaut worden. Das zeigt deutlich, dass man neue Wege der Finanzierung und Bauabwicklung gehen muss. Wir werden es auch schaffen, die Justizvollzugsanstalt in Großbeeren zu finanzieren – und deutlich unter den 170 Millionen DM, über die wir gestern diskutiert haben. Wir werden künftig Fälle wie die Topographie des Terrors, wo Geld der Steuerzahler in Millionenhöhe für Selbsterfahrungskurse für offensichtlich nicht vollständig ausgebildeten Architekten verschwendet wird, nicht mehr haben.
Herr Liebich, es gibt auch Punkte, in denen wir einig sind. Das betrifft beispielsweise die Gebäuderaumverwaltung oder das Facilitymanagement – wenn der Innensenator nicht zuhört.
Auch in diesen Bereichen ist dringender Handlungsbedarf. Es kann nicht sein – das haben wir im Hauptausschuss erlebt –, dass sich mehrere Verwaltungen hinsetzen und sich um die Höhe eines Dienstgebäudes streiten, weil sie nicht wissen, wie viele Stockwerke es hat. Das zeigt ziemlich deutlich, dass es dringend notwendig ist, an dieser Stelle privates Know-how einzusetzen, Private einzusetzen, um die Gebäuderaumverwaltung für das Land wahrzunehmen. Dahinter stecken zwei- bis dreistellige Millionenbeträge. Der Finanzsenator ist aufgefordert – er hat dies auch aufgenommen –, dieses so schnell wie möglich umzusetzen.
Noch ein Punkt, der in der Diskussion der vergangenen Wochen kontrovers diskutiert wurde: die langfristige Sicherung bestimmter Einrichtungen und ob man Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen langfristige Verträge gibt, die sie über einen bestimmten Zeitraum von den Zwängen und Risiken der Haushaltsberatungen freistellt. Es hat dazu Äußerungen nach dem Motto gegeben: Wir können in der jetzigen Situation keinem einen fünf- oder sechsjährigen Vertrag geben. Wir wissen nicht, was in drei Jahren ist. Jeder muss sich jährlich den Risiken der Haushaltsberatungen aussetzen. Man wird dabei sehen, was für Hochschulen, Opern und Theater übrig ist. – Diesen Weg halte ich für falsch. Langfristige Planungssicherheit für die Einrichtungen bei gleichzeitiger Vorgabe von Kostensenkungen und Wirtschaftlichkeitszielen ist der richtige Weg, um Kosten zu senken und um denjenigen, die in den Einrichtungen Verantwortung tragen und in Theatern und Wissenschaftseinrichtungen zu wirtschaften haben, einen Anreiz zum wirtschaftlichen Handeln zu geben. Das Beispiel Theater und Opern ist deutlich. Wir können einen Erfolg unserer Bemühungen erkennen. Die Opern sind nicht Gewinn bringend. Aber hatten wir nicht damit gerechnet, dass die Staatsoper ein nicht unerhebliches Millionendefizit produzieren würde? Jetzt haben wir zu konstatieren – nachdem der Unterausschuss Theater mit sehr viel Energie daran gearbeitet hat, dort eine Kostenkontrolle einzusetzen –, dass das Defizit nicht nur unterblieben ist, sondern diese Oper inzwischen zumindest überplanmäßige Einnahmen in Millionenhöhe erzielt hat. Das ist ein Anreiz und Beweis dafür, dass langfristige Planungssicherheit mit gleichzeitigen Kostensenkungsvorgaben erfolgreich ist. Deswegen wollen wir Verträge mit den Theatern, Kultureinrichtungen und Hochschulen abschließen, die diese langfristige Planungssicherheit und Rationalisierungserfolge bringen. Ich fordere Sie auf, uns auf diesem Weg zu folgen! [Vereinzelter Beifall bei der CDU]
Die Zukunft ist nicht einfach zu meistern. Das ist keine Frage; ich will auch nichts schönreden und so tun, als hätten wir keine Probleme und Risiken. Allerdings glaube ich, dass Sie der Sache Unrecht tun und unseriös handeln, wenn Sie die immensen Haushaltsprobleme einzig und allein auf die Bankgesellschaft, eine ihrer Tochtergesellschaften oder eine dort tätige Person reduzieren. Das entspricht nicht der Realität. Damit lösen wir die Probleme der Stadt nicht. Wir können sie nur lösen, wenn wir sachlich an die Fragen herangehen und einen möglichst breiten Konsens in diesem Haus zur Haushaltskonsolidierung finden. Alle Fraktionen sind aufgerufen, ihren Beitrag zur Sanierung der Finanzen zu leisten und den Finanzsenator in seiner schweren Arbeit zu unterstützen. Wir müssen sparen, um auch künftig noch gestalten zu können, soziale Sicherheit zu gewährleisten, Zukunft zu sichern und zu schaffen. Machen Sie dabei mit! Dann hat das Land Berlin eine gute und vernünftige Zukunft! – Vielen Dank! [Beifall bei der CDU]
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kaczmarek! Wenigstens in einem müssen wir Ihrem CDU-Fraktionsvorsitzenden Recht geben: Der Nachwuchs der CDU-Fraktion ist noch nicht so weit und wird es wohl auch in den nächsten Wochen nicht sein.
Wenn ein Finanzsenator schon acht Wochen nach Beginn des Jahres eine Haushaltssperre verhängt, dann ist das Ausdruck einer Schwäche dieser Regierung.
Eine Sperre ist immer nur das letzte Instrument, ist immer nur eine befristete Notlösung, damit der Haushaltsrahmen nicht komplett aus dem Ruder gerät. Eine Haushaltssperre ist immer ungerecht, weil sie pauschal wirkt. Sie betrifft die Betreuung von Obdachlosen genauso wie den Baubeginn einer Straße, zumindest theoretisch sollte dies so sein. Aber ungerecht ist auch das Verfahren, nach dem Sie, Herr Kurth, Ausnahmen von der Haushaltssperre verfügen. Frei nach dem Motto: „Wer hat den besten Draht zum Finanzsenator?“ wird die bauliche Unterhaltung aus der Sperre einfach herausgenommen. Freie Träger, die die soziale Grundversorgung dieser Stadt gewährleisten, nehmen Sie dagegen nicht aus. Gedenkstättenfahrten von Berliner Schülerinnen und Schülern finden nicht mehr statt,
dafür will aber Herr Werthebach die Berliner Staatssekretäre besser besolden. Finden Sie das gerecht, Herr Kurth? – Wir jedenfalls finden das ungerecht und verlangen deshalb Ausnahmen von der Haushaltssperre für Projekte der sozialen Infrastruktur, damit die soziale Versorgung in dieser Stadt gewährleistet wird. [Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]
Die Risiken, die dem Haushalt 2001 drohen, haben sich durch die Misswirtschaft der Bankgesellschaft erheblich verschärft. Aber sie waren auch vorher schon da. Die Koalition hat offensichtlich geglaubt, dass unangenehme Ausgaben nicht gezahlt werden brauchen, wenn man sie nicht in den Haushaltsplan schreibt: wie die 55 Millionen DM für den Flughafen, die 400 Millionen DM Mehrausgaben für die Sozialhilfe und weitere 400 Millionen DM Mehrkosten im Personalbereich.
und die ignoriert wurden. Sie verhalten sich wie eine Familie, die am Monatsanfang die Ausgaben plant, ohne an die Miete und an den Kredit zu denken, die dann irgendwann ab Mitte des Monats nur noch Stulle mit Brot essen kann, weil sie nicht mehr genug Geld für die Lebenshaltungskosten hat. Wie nennt man eigentlich eine Koalition, wie nennt man einen Senat, der sich so vor den Tatsachen drückt? – Wir sagen, ein solches Verhalten ist verantwortungslos, und verlangen deshalb einen Nachtragshaushalt, damit die Tatsachen endlich auf den Tisch kommen, auch wenn sie unangenehm sind.
Zu diesen Tatsachen gehören auch die pauschalen Minderausgaben von 700 Millionen DM, die wie ein Damoklesschwert über dem Haushalt hängen. Dass die titelscharfe Auflösung ein erster richtiger Schritt ist, haben wir gestern schon gesagt. Aber
einen Nachtragshaushalt brauchen wir dennoch, weil im Zusammenhang mit der Bankgesellschaft Risiken in Milliardenhöhe auf uns zukommen.
Und das – noch einmal ganz deutlich, auch in Richtung der PDS – hat nichts mit der zu erwartenden Steuerschätzung zu tun,
Die Risiken der Bankgesellschaft sind ganz allein von der Bankgesellschaft, im Besonderen von der Berliner Hypothekenbank und im ganz Besonderen von Herrn Landowsky zu verantworten.
Wenn Sie, Herr Kaczmarek, hier den Eindruck erwecken wollen, als resultierte die Finanzsituation des Landes Berlin allein aus den schlimmen Gesetzen der Bundesregierung,
dann muss man Sie daran erinnern, dass diese schnelle Rückführung der Berlinhilfe – wir erinnern uns – in wenigen Jahren nicht diese Bundesregierung, sondern die letzte zu verantworten hat und dass dieses brachiale Zurückfahren ein Problem ist, an dem dieses Land bis heute noch knabbert, das es bis heute noch nicht verkraftet hat: Und dafür war die CDU verantwortlich!
[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall von der SPD und der PDS – Cramer (Grüne): Jawohl, Herr Kaczmarek! – Niedergesäß (CDU): Die Subventionsmentalitätsmenschen!]
In der vergangenen Woche sprach der Regierende Bürgermeister von der Bankgesellschaft als „insgesamt solide“. Das erinnert uns an den Kapitän der „Titanic“, der sagt: Der Kahn hat keine Schieflage. – Zwei Dinge helfen uns bei der Bewertung der Situation der Bankgesellschaft mit Sicherheit nicht weiter: erstens die Augen zu verschließen vor dem, was wirklich auf das Land Berlin zukommt, und dies schönzureden, und zum Zweiten den Kritikern den Mund zu stopfen mit dem Argument, dies schade dem Ansehen der Bankgesellschaft, der Beschäftigten und dem des Bankenstandorts Berlin. – Der Schaden ist längst da, jetzt hilft es nur noch, reinen Tisch zu machen.
Wir werden Ihnen sagen, was die Misswirtschaft der Bankgesellschaft das Land Berlin kosten wird. Wir kommen bei genauer Betrachtung auf eine Gesamtsumme von mindestens 3,5 Milliarden DM bis 4 Milliarden DM – Milliarden DM! –, die für Berlin ganz oder teilweise ausfallen. Da sind die 135 Millionen DM an Dividendenausfall,