Protokoll der Sitzung vom 05.04.2001

[Beifall und Heiterkeit bei den Grünen und der PDS]

Wir haben in dieser Stadt nicht nur eine Krise, sondern gleich drei Krisen: Wir haben eine Bankenkrise, eine Finanzkrise und eine Krise der großen Koalition. Wir sagen als Grüne: Das ist wenigstens eine Krise zu viel, und wir haben heute auch als Thema für diese Aktuelle Stunde formuliert: „Bankenkrise, Finanzkrise, Koalitionskrise – es reicht!“

[Beifall bei den Grünen]

Die Stadt wird zurzeit nicht regiert. Die große Koalition blokkiert sich gegenseitig. Der Regierende Bürgermeister sieht nur eine – man höre und staune – „aufgepfropfte Personaldiskussion“ – so wörtlich. Ansonsten schwebt er über den Dingen, am liebsten noch über den Wolken im Direktflug in die USA. Da ist seine Welt noch in Ordnung, und da ist Landowskys Welt noch in Ordnung. Deswegen feiert man sich auch, denn eine Stadt, die direkt mit den USA verbunden ist, kann ja wohl so schlecht nicht sein. Realitätsverdrängung in Potenz findet hier statt. Die Probleme schreien nach Lösungen, sei es der Bewag-Verkauf oder der Massenexodus bei den Aufsichtsräten der Messe Berlin – Herr Branoner ist gleich mit untergetaucht; er erscheint weder in den Debatten, noch sitzt er hier – und nicht zuletzt die Umkonstruktion der Bankgesellschaft, die notwendig ist.

Sagen Sie doch einmal, woher Sie das Geld zum Nachschießen nehmen wollen, Herr Kaczmarek! Machen Sie doch einmal einen realistischen Vorschlag! Der Regierende Bürgermeister hat gesagt: Netto-Neuverschuldung. – Da war er schon immer groß drin. Wir fliehen wieder in die Netto-Neuverschuldung. Da hat dankenswerterweise das Geburtstagskind Kurth gesagt: Nein, so nicht! Nicht zu Lasten künftiger Generationen! – Aber das war der Vorschlag, der vom Regierenden Bürgermeister kam.

Dann gibt es den Vorschlag, die Bankgesellschaft selber solle Kredit aufnehmen und Genussscheine ausgeben. Auch dies würde auf Jahre hin diese Bankgesellschaft nicht in die Lage versetzen, Dividende zu zahlen und weiter Ertragsteuer zu zahlen.

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Auch das weiß man. Insofern sind unsere Vorschläge als einzige vorwärtsweisend. Unsere Vorschläge der Entflechtung und des Verkaufs dessen, was man nicht kommunal benötigt, sind richtig. Sie haben Zukunft genauso, wie unsere Forderung nach einem Nachtragshaushalt richtig war und zur rechten Zeit gestellt wurde. Es ist ja wohl nicht unsere Schuld, dass die anderen immer nachklappen, wenn wir richtig und zur korrekten Zeit die Vorschläge machen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Eines muss auch einmal gesagt werden: Die Frage Landowsky muss ja wohl gelöst werden – ob es richtig ist, was heute in der „Berliner Zeitung“ stand, oder ob es falsch ist. Es ist für uns auch nicht die primäre Frage, ob er unter Wahrung seines Gesichtes im April, im Mai oder im Sommer geht. Das ist für uns nicht die primäre Frage. Aber wir überlegen uns natürlich, wie die Haushaltskrise gelöst werden und eine große Koalition zu einem Nachtragshaushalt kommen soll, wenn der Fraktionsvorsitzende nicht dabei ist – der Fraktionsvorsitzende dieser Koalition. Das soll man mir einmal vormachen! Er kann ja die Zeit nutzen, um das Bündnis mit den anständigen Sozialdemokraten zu schmieden. Er hat vorausgesagt, dass er das tun will – ausgerechnet er, dessen goldener Abschied mit zweimal 700 000 DM, mit Dienstwagen, mit Sekretärin und mit lebenslang 350 000 DM Rente ja wohl noch in Erinnerung ist.

Ausgerechnet er, der auch einen LBB- und GEHAG-Fonds gezeichnet hat, diesen Exklusivfonds, den man dann zurücknahm mit der bemerkenswerten Begründung, man habe möglicherweise gegen die Beratungspflicht verstoßen und sei so schadensersatzpflichtig. Das muss man sich einmal vorstellen: Der Banker Landowsky berät in einem Selbstgespräch den Anleger Landowsky, berät ihn offenbar falsch, und dann nimmt der Banker Landowsky von dem Anleger Landowsky die Fonds zurück und entschädigt ihn. Das ist die Selbstbedienung in Vollendung, die diese Bankgesellschaft geleistet hat. Wenn Sie ihm noch weiter goldene Brücken bauen, wenn Sie ihm noch hochhieven wollen in den Bundestag, wie man es heute alles lesen konnte – goldener Abschied in der Bank, goldener Abschied in der Politik –, dann sage ich Ihnen: Das ist tatsächlich eine Tatarenmeldung, wie Herr Wambach heute sagte. Eine Tatarenmeldung für die Bürgerinnen und Bürger, dass sich Selbstbedienung in dieser Stadt leider lohnt, dass sich Selbstbereicherung in dieser Stadt leider lohnt, und das ist eine Schande!

[Beifall bei den Grünen und der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Und jetzt heißt es auf einmal: Soll doch die Opposition bitte so nett sein und uns sagen, wie wir den Karren wieder aus dem Dreck ziehen können.

[Kaczmarek (CDU): Bitte nicht!]

Naja, Herr Kurth sagt es so. Herr Kaczmarek, ich sage es ja: Sie wissen alles besser. Es hat die Halbwertzeit von noch nicht einmal zwei Monaten, dann ist es Makulatur, was Sie hier gesagt haben. Wir haben hier ganz ernst vorgetragen, dass wir mit unserer Bundestagsfraktion über die Frage einer Bundeshilfe für Berlin durchaus geredet haben, das hat Sie zu einem Scherz veranlasst: „Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihren Metzger selber.“ – Sie meinten Oswald Metzger. Dann sagen Sie doch einmal, ohne sich hier hinzustellen nach dem Motto: „Das machen wir mit links“, wie Sie im laufenden Haushaltsjahr fünf, sechs oder sieben Milliarden DM mobilisieren wollen, wie Sie das Haushaltsloch stopfen wollen,

[Niedergesäß (CDU): Sie stehen wohl unter Alkohol? – Sonst würden Sie hier nicht so wirr reden!]

ob Sie auch solche putzigen Vorschläge wie Herr Senator Kurth haben: dann holen wir es doch bei den Sozialhilfeempfängern. An diesem Punkt hat Hans-Georg Lorenz völlig Recht, wenn er heute sehr selbstkritisch sagt: Die Menschen in der Stadt wissen doch, wo ihr Geld geblieben ist: Bei den Hochbauprojekten,

[Niedergesäß (CDU): Sehr witzig!]

bei den Tiefbauprojekten, dort ist es geblieben, bei den Verpflichtungen und Folgezahlungen, die wir heute alle zahlen müssen. Wir sagen auch, nicht weil es schön ist, Recht behalten zu haben, sondern weil wir es immer gesagt haben:

[Niedergesäß (CDU): Lächerlich, was Sie erzählen!]

Ja, Sie wollten es auch nie hören! – hier eine Wasserstadt, da eine Wasserstadt, städtebauliche Entwicklungsgebiete, hochgerechnete Bevölkerungszahlen, auch von Wolfgang Nagel, jährlich Hunderttausend mehr in Berlin. Da haben Sie, Herr Niedergesäß, doch immer Hurra! gebrüllt, die Hauptsache war doch, Treptow und Köpenick war dabei. Das war Ihre einzige Sorge!

[Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der PDS]

Sie waren doch der unkritischte Betonfanatiker hier. Wir haben gesagt: Für künftige Generationen wird hier unverantwortlich das Geld in Tunneln versenkt, es wird in Olympiawahn gesteckt,

[Rabbach (CDU): Na, na!]

Frau Schreyer musste sich, – daran hat meine Kollegin Klotz neulich gerade erinnert – als sie diese Fehlkonstruktion der Bankgesellschaft gegeißelt hat, von Herrn Pieroth fragen lassen, woher sie eigentlich ihren Doktortitel habe. Es hat sich leider alles bewahrheitet, wovor wir gewarnt haben. Sie haben zehn Jahre lang arrogant gelacht, Sie insbesondere, Herr Kaczmarek. Und deshalb sagen wir: Wenn wir jetzt die Nothelfer des Haushalts spielen sollen, dann hätten wir zunächst einmal so etwas wie Selbstkritik erwartet von der CDU.

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Wir fragen auch – deswegen ist auch mit einem Rücktritt von Landowsky, wie kommod er auch immer sein mag und wie man das Unmögliche des Gesichtswahrens noch Zustande bringen will, die Affäre nicht beigelegt –, welche Rolle Eberhard Diepgen eigentlich gespielt hat. Es ist ja wohl aufgefallen, dass sein Beitrag zur Stabilisierung der Bankgesellschaft just im Januar diesen Jahres offenbar der gewesen ist, das faule Ei Klaus Groth zu legen, just in diese IBAG, die mit um die Welt gepustetem Geld auf den Cayman-Islands gegründet werden sollte, unter Vortäuschung anonymer Investoren, auch wieder so arrogant.

[Zuruf von der CDU]

„Ja, das wissen Sie wohl nicht, dass in solchen Fällen Investoren anonym bleiben, das ist bankenüblich.“

Das macht man so. Es gab sie nicht. Es war Voodoo-Ökonomie, sie ist aufgeflogen. Wir haben es vorausgesagt. Just in diesem Cayman-Deal sollte auch noch Klaus Groth gerettet werden, Eberhard Diepgen hat zum Telefonhörer gegriffen, auch dies wird in dem Untersuchungsausschuss untersucht werden. Wir sagen: Er ist nicht irgendeine Person. Er hätte seit Januar Gelegenheit gehabt – heute ist er entschuldigt –, einmal das Wort zu ergreifen, einmal in diesem Plenum das Wort zu erheben. Das hat er nicht für nötig befunden. Wir wissen: Er steht inmitten dieses Filzes, er ist nicht irgendwer, er ist der Master of Desaster, das sagen wir ganz bewusst, – [Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS – Oh! von der CDU]

Herr Wieland, Sie müssen zum Schluss kommen!

– und wir sagen es insbesondere im Preußen-Jahr: Wer glaubt, dass sich die Bevölkerung an BakschischBanking und Günstlingswirtschaft, wie wir es hier in krassester Form erlebt haben,

[Niedergesäß (CDU): Es ist ja widerlich, was Sie hier erzählen!]

gewöhnt, wer glaubt, dass man so weitermachen kann, der täuscht sich. Berlin hat eine andere, Berlin hat eine bessere Regierung verdient und wird sie bekommen!

[Starker Beifall bei den Grünen und der PDS]

(A) (C)

(B) (D)

Für die SPD-Fraktion hat das Wort Herr Abgeordnete Wowereit!

[Over (PDS): Stimmt das, was in der „Berliner Zeitung“ steht?]

Wir werden sehen!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Wieland! Sie haben in einem Unrecht, wenn Sie Herrn Kaczmarek hier zum Hauptverantwortlichen machen, dann stimmt das schlicht und ergreifend nicht.

[Zuruf des Abg. Wieland (Grüne)]

Na, der ist in einer ganz blöden Rolle, wie wir alle wissen. Er muss das schönreden, was nicht schön ist. Diese Rolle haben mehrere in der CDU-Fraktion zur Zeit zu spielen, weil der eigentlich Verantwortliche nicht mehr reden kann und handlungsunfähig ist. Deshalb muss Herr Kaczmarek versuchen, das Beste daraus zu machen. Herr Kaczmarek, Sie sind ein anerkannter Haushaltsfachmann

[Beifall der Frau Abg. Birghan (CDU)]

ja, da kann man auch klatschen –

[Beifall bei der SPD und der CDU]

und haben bewiesen, dass Sie etwas anderes für die Stadt wollen als viele Ihrer Vorgänger, die die Lösung der Haushaltsprobleme immer nur im Geld ausgeben, in neuer Verschuldung gesehen haben, sondern Sie bemühen sich darum zu sagen: Es kann nicht so weitergehen. Trotzdem, Herr Kaczmarek, es hat in Ihrer Rede ein starkes Element gefehlt. Das ist das Element, das man einmal selbstkritisch fragt: Was hat die CDU damit zu tun und zu verantworten beim Thema Bankenkrise? Dazu haben Sie in ihrer Rede leider gar nichts gesagt.

[Cramer (Grüne): Kein einziges Wort!]

Mehr möchte ich dazu eigentlich gar nicht sagen.

[Niedergesäß (CDU): Haben Sie Dienstag im Fernsehen schon gemacht!]