Protokoll der Sitzung vom 31.05.2001

Wenn es eine Person in der letzten Legislaturperiode gegeben hat, die empfindlich die Kreise der Verflechtungen von Politik und Investoren gestört hat, dann war es Frau Fugmann-Heesing. Sie stand doch im Zentrum der Kritik gerade Ihrer Parteifreunde nicht deshalb, weil sie sich erlaubt hat in der baulichen Unterhaltung zu sparen, sondern weil sie gesagt hat, dass öffentliche Projekte, dass Grundstücke ausgeschrieben werden müssen und nicht nach Gutdünken vergeben werden dürfen. Deshalb stand sie im Zentrum der Kritik.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Jetzt so zu tun, als habe sie etwas versäumt, ist geradezu lächerlich. [Wieland (Grüne): Warum ist sie eigentlich nicht länger Senatorin?]

Das war in der Tat ein Fehler, Herr Wieland, da sind wir uns, glaube ich, einig. Ich denke auch, dass Frau Fugmann-Heesing heute anders mit der Problemlage umgehen würde.

[Zimmer (CDU): Wie mit der Bundeswehr!]

Wir sind in der schwersten Finanzkrise seit Jahrzehnten. Es hilft nichts, wenn man das immer beschönigt und so tut, als sei das harmlos, und so tut, als könne man diese Krise mit einem Nachtragshaushalt lösen, indem man dort einfach eine Zahl verändert: Nettokreditaufnahme im Jahr 2001 gleich 3,6 Milliarden DM, dann beschließt man einen Nachtragshaushalt, und

dort steht dann 9,6 Milliarden DM, und damit ist das Problem erledigt. Damit ist das Problem leider nicht erledigt, die Probleme holen uns vielmehr immer ein.

Wenn in den letzten Wochen Zahlen auf den Tisch gelegt worden sind, dann hatten leider diejenigen Recht, die gesagt haben, wir haben ein Risiko in Höhe von 5 Milliarden DM bis 6 Milliarden DM für den Landeshaushalt.

[Müller-Schoenau (Grüne): Das waren wir!]

Leider hatten diejenigen Recht, die gesagt haben, der Wertberichtigungsbedarf bei der Bankgesellschaft liegt bei 12 Milliarden DM. Die sind dafür angegriffen, verhöhnt worden für diese Zahlen. [Müller-Schoenau (Grüne): Von wem denn?]

Es ist ihnen Rufmord nachgesagt worden, wenn sie solche Zahlen in die Welt setzten – all diese Zahlen haben sich leider bitter bewahrheitet. Das ist traurige Realität. Wer heute noch so tut, als seien das alles Kavaliersdelikte, als seien das Betriebsunfälle oder als sei die Bankenkrise ein unbeherrschbares Naturereignis, der tut mir, ehrlich gesagt, Leid. Sie tun mir deshalb Leid, weil sie zeigen, dass sie nicht in der Lage sind, die Zukunftsaufgaben für diese Stadt zu bewältigen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS und den Grünen]

Herr Regierender Bürgermeister! Ich hatte das Vergnügen, Ihre Rede vorab schriftlich zu lesen, und habe sie anschließend auf mich wirken lassen. Ich habe als Ihr Koalitionspartner Schwierigkeiten damit gehabt, den Versuch zu unternehmen, tatsächlich einmal zu klatschen.

[Cramer (Grüne): Das hatten wir schon länger!]

Es ist ein komisches Bild, wenn eine Koalitionsfraktion nicht klatschen kann. Das kann zwei Ursachen haben: einmal die Rede oder auch das Verhalten des Koalitionspartners.

[Kittelmann (CDU): Nicht klatschen will! – Zurufe von der CDU: Parteidisziplin!]

Das hat mit Parteidisziplin nichts zu tun. Ich habe diese Rede auf mich wirken lassen. Ich hatte auch Hoffnungen in diese Rede gesetzt. Ich muss sagen: genau bei Ihrer Rede wie auch der von Herrn Steffel fehlt mir eines – neben weiteren Kleinigkeiten, die wollen wir gar nicht erst erörtern –, eines fehlt, und das fehlt, glaube ich, auch den Berlinerinnen und Berlinern: dass sich endlich einmal die CDU distanziert von einem der Hauptverantwortlichen der Bankenkrise – dessen Platz ist heute leer, aber leider nicht dauerhaft –, und das ist Herr Landowsky. Sie haben es bis heute nicht geschafft, sich mit einem Wort zu distanzieren von der Spendenaffäre der CDU und dem Schaden in Höhe von Hunderten Millionen DM, die Herr Landowsky allein der Bankengesellschaft zugefügt hat.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Das fehlt. Wenn man etwas aufarbeiten will, dann muss man einen Schlussstrich ziehen. Dass der Regierende Bürgermeister es nicht kann, das kann ich zum Teil nachvollziehen. Herr Steffel, dass Sie die Chance vertan haben, das hat mich dann allerdings doch verwundert.

Die ganze Stadt hat darauf gewartet, dass – wann war es – am Montag oder Dienstag Ihr Landesvorstand endlich den Mut hat, die Fehlentscheidung, Herrn Landowsky noch zu adeln, zum Vizechef der Berliner CDU zu wählen – in Kenntnis aller Vorwürfe –, zurückzunehmen. Der Regierende Bürgermeister hat genau gewusst, was das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen ihm vorwirft. In Kenntnis dieser Vorwürfe wird Herr Landowsky noch geadelt von der Berliner CDU. Das zeigt, dass man nichts gelernt hat aus dieser Affäre!

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Niedergesäß (CDU): Kommen Sie endlich zur Sache!]

Das ist zur Sache, das ist zur Sache, Herr Niedergesäß, und zwar deshalb, weil die Berlinerinnen und Berliner sich nicht damit zufrieden geben werden, wenn weiterhin gesagt wird, es hätten alle nichts gewusst, es habe niemand für nichts gekonnt, aber sie

müssen die Zeche zahlen. Es ist nach wie vor ein unerträglicher Zustand, dass ein Auflösungsvertrag gemacht worden ist für einen Chefbanker, im Februar, in dem ihm zugesichert worden ist, volle Gehälter weitergezahlt zu bekommen für zwei Jahre und in dem ihm volle Pensionszahlungen zugesichert worden sind.

Und Frau Klotz, ich weiß gar nicht, warum Sie immer die Zahl „350 000 DM Pension“ aufgreifen.

[Wieland (Grüne): Die pussligste! – Zuruf der Frau Abg. Ströver (Grüne)]

Ich bin der Meinung, das ist viel mehr, was er da kriegt: dass Herrn Landowsky heute noch alle Insignien der Macht der Bankgesellschaft zustehen. Es wird keine Verantwortung gezogen, der Aufsichtsrat der Berlin-Hyp kommt nicht zu einer Sondersitzung zusammen,

[Zuruf des Abg. Cramer (Grüne)]

auch nicht auf Druck von Sozialdemokraten, die sagen, der Vertrag muss gekündigt werden, dieser Auflösungsvertrag muss angefochten werden, weil er jeder Geschäftsgrundlage entbehrt hat. Das ist bis heute nicht vollzogen worden vom Aufsichtsrat der Berlin-Hyp. [Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS und den Grünen]

Das ist offensichtlich in diesen Bankkreisen auch so üblich. Man lernt ja immer wieder dazu. Und weil vorhin der Hinweis kam von Herrn Wolf: Wenn es denn so wäre, dass die alle ihre Konsequenzen zögen in der Privatwirtschaft! Die Topmanager ziehen eben keine Konsequenzen. Sie kriegen, ob sie ihre Arbeit gut oder schlecht gemacht haben, auf Lebenszeit ihre Pension.

[Zuruf des Abg. Wolf (PDS)]

Und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bankgesellschaft bangen heute um ihren Arbeitsplatz – für das Missmanagement ihrer Chefs. Danach fragt kein Mensch, ob da 1 000, 2 000 oder 3 000 Arbeitsplätze abgebaut werden müssen. Das müssen wir als Verantwortliche, als Eigentümervertreter der Berlinerinnen und Berliner auch den Mitarbeitern der Bankgesellschaft erklären können, wie es dazu kommen konnte.

Ich gehe auch nicht davon aus, dass Herr Diepgen oder sonst jemand, der sich jetzt im Raum befindet, irgendetwas direkt mit einer Kreditvergabe zu hat. Aber selbstverständlich müssen wir die Antworten geben, warum sämtliche Kontrollmechanismen nicht funktioniert haben. Da waren sicherlich kriminelle Energien mit im Spiel, anders kann man es ja gar nicht mehr bezeichnen. Nur, haben wir schon ein Ergebnis einer dieser Untersuchungen? – Bislang hatten wir nur Einstellungen der Verfahren. Da gab es eine kollektive Verantwortungslosigkeit teilweise. Und es ist doch nicht so, dass alles so unbekannt war. 8 Milliarden DM Zurückstellungen bis zum Jahr 2000, das war eine gigantische Kapitalvernichtung für den Eigentümer. Und der Eigentümer ist nicht nur das Land Berlin, sondern auch Kleinaktionäre, die NordLB, die Gothaer Versicherung und andere.

[Zuruf des Abg. Atzler (CDU)]

Da hätte doch spätestens die Alarmglocke läuten, das Management zur Rechenschaft gezogen werden müssen, wenn hier dem Eigentümer die Rendite entzogen wird und damit dem Berliner Landeshaushalt wichtiges Geld, das wir für die viele sozialen Aufgaben, die wir zu erledigen haben, brauchen.

[Niedergesäß (CDU): Was hat Ihre Aufsichtsrätin dazu gesagt?]

Und jetzt sind noch einmal 4 Milliarden DM dazu gekommen. Jetzt sind wir bei 12 Milliarden DM Kapitalvernichtung innerhalb kürzester Zeit. Dies ist keine Naturkatastrophe, das ist eine Katastrophe, aber keine unvorhersehbare. Und mir kann keiner einreden, dass es an einer Risikobereitschaft lag, dass es anderen Banken so gegangen ist. – Selbstverständlich gibt es bei Geschäften Risiken, nur gerade Banker zeichnen sich normalerweise dadurch aus, dass sie diese kleinstmöglichst halten. Jeder, der einmal einen Privatkredit beantragt hat, gerade ein kleiner Handwerksmeister weiß das, weiß, wie man ausgezogen wird von den Prüfern der Banker, damit das Risiko minimiert wird.

Wenn jemand mit einem Jahreseinkommen von 100 000 DM einen Kauf tätigen kann, wo ihm die Bank zu 100 Prozent die Sanierung von Plattenbauten für 500 Millionen DM finanziert, ohne jede Sicherheit, ohne jedes Know-how, dann ist das nicht mehr Risiko, dann kann man überhaupt gar nichts mehr dazu sagen. Entweder ist es Dussligkeit hoch fünf, das gehört bestraft, oder es sind Machenschaften gewesen. Das muss doch endlich einmal akzeptiert werden, dass das keine Risikoeinschätzung war.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Zuruf von der SPD: So ist es!]

In der Zeitung war nachzulesen, dass das vom Kreditausschuss der eigenen Bank nicht bewilligt war, dass der hintergangen worden ist, dass es Prüfungen gab, die das nicht zugelassen haben. Trotzdem hat es diesen Kredit gegeben. Z u f ä l l i g waren das CDU-Mitglieder, z u f ä l l i g gab es von diesen beiden Herren eine Barspende in den Räumen der Berlin-Hyp an den Vorstandsvorsitzenden. Das sind alles Zufälle, aber diese Zufälle, meine Damen und Herren von der CDU, die müssen Sie den Berlinerinnen und Berlinern noch erläutern, weil sie heute alle die Zeche dafür bezahlen.

Was erwarten die Bürgerinnen und Bürger eigentlich noch von diesem Haus? – Eins erwarten Sie auf jeden Fall, und das ist Ehrlichkeit. Ich habe gestern in meiner neuen Rolle als Reporter der „Abendschau“ Befragungen gemacht, drüben in den Arkaden am Potsdamer Platz.

[Gram (CDU): Hat man kaum einen Unterschied gemerkt!]

Wissen Sie, was die Bürgerinnen und Bürger alle – egal ob jung, ob alt, ob Berliner oder nicht Berliner – gesagt haben bei der Frage, welchen Eindruck sie hätten von Politikern in der Öffentlichkeit, in den Medien, oder wie Politiker sein sollten? Es kam eine Antwort immer: Sie sollten ehrlich sein. Das heißt im Umkehrschluss, dass unser Image, und zwar unser aller Image, so ist, als ob wir nicht die Wahrheit sagten.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Starker Beifall bei der CDU – Cramer (Grüne): Wieso klatschen Sie von der CDU? – Weitere Zurufe von links]

Da klatschen ausgerechnet Sie, Herr Gewalt – wunderbar!

[Cramer (Grüne): Das ist Realitätsverweigerung!]

Das haben wir ja schon oft zur Kenntnis genommen. – Und zur Ehrlichkeit gehört auch, den Menschen in dieser Stadt die Wahrheit zu sagen. Die 6 Milliarden DM, die hier offensichtlich über Kredite geregelt werden sollen, werden einschneidende Maßnahmen für jeden einzelnen nach sich ziehen. Die sind nicht wieder herbeizuschaffen. Es ist auch so ehrlich, so zu tun, als ob ich die 4 Milliarden DM nur kurzfristig an die Bankgesellschaft gebe. Die sind höchstwahrscheinlich weg. Und das Risiko ist noch da, dass es mehr wird. Es kann mir auch keiner einreden, dass bei der Bankgesellschaft schon alles herausgekommen ist, was als Risiko da ist.

Und jeder neue potentielle Erwerber – offensichtlich gibt es ja einige, die Schlange stehen bei Herrn Diepgen – wird die Unterlagen der Bankgesellschaft ganz genau anschauen, er wird sie alle prüfen, von vorne bis hinten. Er wird nichts übernehmen vom Mehrheitsaktionär des Landes Berlin, was ihm seine Rendite verhagelt und ihm zusätzliche Risiken beschert.