Protokoll der Sitzung vom 14.06.2001

Er mag in diesem Frühjahr viele politische Fehler gemacht haben – so auch wir. In der Causa Landowsky hat sich der Regierende Bürgermeister wie ein Richter verhalten, für den im Rechtsstaat bis zu einem rechtskräftigen Urteil die Unschuldsvermutung gilt. [Frau Dr. Klotz (Grüne): Also, das ist aber wirklich – –!]

Heute sind wir klüger. Es wäre für alle Beteiligten besser gewesen, wenn Klaus Landowsky schon sofort im Februar alle Funktion hätte ruhen lassen bis zur Entwirrung dieses Knäuels Bankgesellschaft, an dem noch sehr viel zu entwirren ist, und zwar ohne Ansehen der Person und irgendeiner Parteizugehörigkeit.

[Beifall bei der CDU, der SPD und den Grünen]

Noch etwas Selbstkritisches: Im Senat hat die CDU-Seite noch geduldig Sachpolitik gemacht, obwohl, wie wir jetzt wissen, der Countdown des Koalitionsbruches – der Kollege Werthebach verzeihe die englische Stilisierung – hinter den Kulissen längst lief. Das kann man – je nach Temperament – schlechtes politisches Handwerk nennen, Naivität oder – viele, die mich mit ihrer Wut am Telefon bestürmen – auch politische Dummheit. Unverantwortlich war es trotzdem nicht!

[Beifall bei der CDU]

Dieses Papier, das ich in den Händen halte, das mir die Unfähigkeit und meine Schädlichkeit für die Stadt Berlin attestieren soll, ist ein schematischer Standardtext. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie sich wenigstens die Höflichkeit genommen hätten, eine Detailkritik meiner Arbeit zu machen.

[Bravo! von der CDU – Starker Beifall bei der CDU]

Ich hätte Ihnen gerne eine lange Liste meiner Fehlschläge und des Misslungenen übersandt, nur hätten Sie sie nicht hineingeschrieben, weil wir all dieses in gemeinsamer Verantwortung geschafft – oder eben nicht geschafft – haben.

[Beifall bei der CDU – Wieland (Grüne): Eben n i c h t geschafft!]

Frau Schöttler! Herr Strieder! Herr Böger! Dies sind trotz aller humoristischer Untertöne und all dieses Pulverdampfes Schicksalstage für Berlin, für Deutschland. Sie haben es gesagt: Es geht um einen Tabubruch, um eine Wende. Es sind wichtige Dinge, die die Bürgerinnen und Bürger entscheiden müssen. Es genügt nicht, dass Sie mit den oft zitierten Worten Goethes später sagen: „Und wir können sagen, wir sind dabei gewesen.“ Sie werden alle, quer durch die Fraktionen, daran gemessen werden, wie Sie dabei gewesen sind. Darum appelliere ich an Ihr Gewissen, Ihre Fairness und – wenn es sonst nichts ist – an Ihr Stilgefühl. Um es mit Erich Kästner zu sagen: „Kopf kurz schütteln vor Gebrauch! Ohne Misstrauen geht es auch!“ – Herzlichen Dank!

[Bravo! von der CDU – Anhaltender starker Beifall bei der CDU]

Das Wort für den Senat hat nunmehr Herr Senator Werthebach. – Bitte sehr, Herr Senator!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe erst heute Mittag von diesen von Herrn Stölzl soeben als „Farce“ bezeichneten Anträgen über die Abwahl der CDU-Senatoren Kenntnis bekommen. Es passt übrigens in den ganzen Ablauf dieses Drehbuchs. interjection: [Dr. Steffel (CDU): Richtig!]

Noch am Dienstag habe ich mit Herrn Strieder im Senat darüber gesprochen, habe ihn darauf hingewiesen, dass das eine Reihe von schwierigen verfassungsrechtlichen Problemen aufwirft.

[Wieland (Grüne): Nur für Sie!]

Daraufhin hat er mir gesagt, für den Fall, dass „irgendwelche Spielchen“ anstünden, hätten sie das überlegt. Ich bin also davon ausgegangen, dass dieses abwegige Vorhaben fallengelassen worden ist.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Wieso ist das abwegig?]

Aber das passt in die ganze Szene der bewussten Täuschung unserer Partei und unserer Senatoren in unserer Regierung.

[Beifall bei der CDU]

Als ich heute Mittag diese Anträge zur Kenntnis erhielt, habe ich mir vorgenommen, einige deutliche Sätze dazu zu sagen. Aber nach diesen wirklich glänzenden Reden von Eberhard Diepgen und von unserem neuen Fraktionsvorsitzenden Frank Steffel [Gelächter bei der PDS und den Grünen – Zuruf des Abg. Müller-Schoenau (Grüne)]

sehe ich diese Notwendigkeit nicht – mit zwei Ausnahmen. Ich hätte gern darauf hingewiesen, den Herrn Wieland zum Justizsenator zu machen, das heißt, den Bock zum Gärtner zu machen. [Beifall bei der CDU – Gelächter bei der CDU]

Wobei ich Ihnen – großmütig, wie ich bin – vielleicht noch die Position eines Gärtners zugetraut hätte, Herr Wieland – allerdings nur in der Winterszeit.

[Beifall bei der CDU – Gelächter bei der CDU – Frau Dr. Klotz (Grüne): Das müssen Sie gerade sagen!]

Ich bin sehr aufmerksam geworden, als Herr Wolf den – ich weiß nicht, wievielten – Erklärungsversuch für die PDS unternommen hat hinsichtlich der schwersten Verbrechen, die während der DDR-Diktatur begangen worden sind durch seine Partei – denn die PDS ist eine umbenannte SED, daran sollten wir immer erinnern. [Beifall bei der CDU]

(A) (C)

(B) (D)

Bm Dr. Werthebach

Aber, Herr Wolf, ich will gar nicht über die Vergangenheit reden. Ich rede über Ihre heutige Partei.

[Ach! von der SPD]

Es ist ja nicht nur der Innensenator von Berlin, der diese Partei – jedenfalls Einschlüsse in dieser Partei – mit Hilfe des Verfassungsschutzes beobachtet, und zwar deshalb, Herr Wolf, weil in dieser Partei Kräfte sind, Positionen sind, Einschlüsse sind, die nachweisbar marxistisch-leninistische Positionen noch vertreten, die man gemeinhin zu Recht als Kommunismus bezeichnen kann – heute noch. [Beifall bei der CDU]

Herr Wolf und meine Damen und Herren von der PDS, es ist ja nicht nur der Innensenator, der dies überprüft, sondern es ist der Bundesinnenminister, der die Gesamtpartei der PDS vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachten lässt – nicht etwa, weil ihm das in den Kram passt, sondern weil es harte Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Es ist auch nicht nur der Bundesinnenminister, sondern fast alle anderen Ministerkollegen haben ihren Verfassungsschutz angewiesen, diese Partei PDS zu beobachten. Das ist doch ein Faktum, das vor dem Hintergrund Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, zu denken geben sollte. Mit deren Hilfe wollen Sie eine Minderheitenregierung auf die Beine stellen, deren Instabilität ohnehin gewiss ist und die diesem Land mit Sicherheit Schaden zufügen wird und nicht, wie Sie behaupten, eine andere Politik beginnen will.

[Beifall bei der CDU]

Herr Wolf, meine Damen und Herren von der PDS! Ich bin gespannt, wenn Sie diese Fragen, die ich hier angesprochen habe, und die Vergangenheit Ihrer Partei auf einen Parteikongress oder Parteitag diskutieren. Ich bin ja mal sehr gespannt! Und ich erinnere mich noch allzu sehr an die Ausführungen von Gregor Gysi und Lothar Bisky über den Parteitag in Münster. Was hat er denn damals gesagt? – Er hat gerade von den Einflüssen gesprochen, die in Ihrer Partei noch vorhanden sind. Es sind ja nicht nur die alten SED-Funktionäre. Es sind ja im großen Umfang auch die alten DKP-Funktionäre, die bei Ihnen Heimat gefunden haben. Das ist doch das Problem, das wir haben.

Meine Damen und Herren! Mir liegt ein Punkt sehr am Herzen. Ich glaube, dass unsere Partei von den Vorwürfen in Sachen Bankenfiasko überrascht worden ist, nicht rechtzeitig richtig reagiert hat. [Frau Dr. Klotz (Grüne): Besonders Landowsky ist tierisch überrascht worden!]

Nur eines liegt mir am Herzen: Unser Regierender Bürgermeister trägt dafür keine Verantwortung, aber wirklich keine Verantwortung! [Beifall bei der CDU – Ach! von den Grünen]

Das ist eine unerhörte Unverschämtheit! Keine Verantwortung trägt er dafür! Die einzige Verantwortung, die er in dieser Angelegenheit hat, besteht darin, da das Kind in den Brunnen gefallen ist, da die Bankenkrise da ist, dass er nun versuchen muss, dieses Kind wieder aus dem Brunnen zu holen. Da wäre es verdammt notwendig gewesen, eine stabile, breite Mehrheit in diesem Parlament zu haben. Die haben Sie, meine Damen und Herren von der SPD, uns verwehrt!

[Beifall bei der CDU]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Annahme einer Entschließung über Neuwahlen in Berlin zum 23. September 2001, Drucksache 14/1296. Wer diesem Antrag seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich nun um das Handzeichen.

[Zurufe von der CDU]

Danke schön! Die Gegenprobe! – Ersteres war die Mehrheit. – Enthaltungen? – Keine Enthaltung. Dann ist diese Entschließung angenommen.

Der Form halber lasse ich nun noch über den textgleichen Antrag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/1305 abstimmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. –

[Ah! von der CDU]

Danke schön! Die Gegenprobe! – Danke! Enthaltungen? – Bei einer Enthaltung war erstes die Mehrheit, und auch dieser Antrag ist so beschlossen.

Gemäß Artikel 57 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung von Berlin darf die namentliche Abstimmung frühestens 48 Stunden nach der Bekanntgabe der Misstrauensanträge im Abgeordnetenhaus erfolgen. Wie Ihnen bekannt ist, werden dies auf der Sitzung am Sonnabend, dem 16. Juni 2001 vollziehen. Die 5 Anträge der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen über Entzug des Vertrauens mit den Drucksachennummern 14/1297 bis 14/1301 werden namentlich einzeln mit Hilfe unserer elektronischen Abstimmungsanlage entschieden werden.

Die lfd. Nr. 2 ist bereits durch die Konsensliste erledigt.

Wir kommen zu

lfd. Nr. 2 A, Drucksache 14/1280:

II. Lesung der Vorlage – zur Beschlussfassung – über Gesetz zum Staatsvertrag zwischen dem Land Berlin und dem Freistaat Bayern über die Zugehörigkeit der Mitglieder der Baukammer Berlin zur Bayerischen Ingenieurversorgung-Bau, Drucksache 14/977, gemäß Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 6. Juni 2001

Der Dringlichkeit wird ersichtlich nicht widersprochen.

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, eine gemeinsame Einzelberatung der zwei Paragraphen durchzuführen. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Ich rufe auf die §§ 1 und 2, die Überschrift und die Einleitung im Wortlaut der Vorlage Drucksache 14/977 unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlung Drucksache 14/1280. Der Ausschuss empfiehlt einstimmig bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Annahme der Vorlage mit einer redaktionellen Änderung in § 1 Abs. 1. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Ich schließe deshalb die Einzelberatung und verbinde die Einzelabstimmungen mit der Schlussabstimmung. Wer dem Staatsvertrag in der Vorlage Drucksache 14/977 unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlung Drucksache 14/1280 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann war das einstimmig.