Protokoll der Sitzung vom 28.06.2001

[Niedergesäß (CDU): Wir haben die absolute Mehrheit!]

Fast alles scheint möglich.

Ich setze eine gute Tradition des ehemaligen Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Wieland fort und ende mit einem Zitat von Heribert Prantl aus der „Süddeutschen Zeitung“:

Aus der ehrlichen Erregung in der CDU/CDU über die SEDNachfolgepartei ist eine eher künstliche Empörung geworden, die sich die Union deswegen erhalten will, weil sie sich von der Pflege alter Nachkriegsfeindbilder Nutzen verspricht. Der Zukunft zugewandt präsentiert sich die CDU damit freilich nicht. Ausgerechnet die Partei der Einheit zeigt sich als Partei der Spaltung.

Dieser Wahlkampf wird kurz sein. Dieser Wahlkampf wird hart sein. Aber spalten darf er diese Stadt nicht. Und dafür tragen alle Parteien, auch die CDU, eine Verantwortung.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS – Zurufe von der CDU: Und tschüss!]

Zu einer Kurzintervention hat das Wort Herr Abgeordneter Niedergesäß. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Klotz, Sie haben sich angemaßt, darüber zu befinden, wer hier im Abgeordnetenhaus sitzt und wer nicht. Ich kann Ihnen nur mitteilen, dass mir im Gegensatz zu Ihrem Wahlergebnis 9 Stimmen am Direktmandat gefehlt haben.

[Tja! von links]

Die Bevölkerung hat entschieden, wer hier sitzt, und das wird auch bei der nächsten Wahl so sein.

[Doering (PDS): Ja, am 23. September!]

Die Bevölkerung wird entscheiden und die Wahlmänner und -frauen in den Kreisen werden entscheiden, wer hierher kommt, und nicht Sie werden festlegen, wer hier wieder auftritt. – Danke schön!

[Beifall bei der CDU]

Nunmehr hatte sich der Abgeordnete Dr. Wruck gemeldet. Als Fraktionsloser hat er eine Redezeit von 5 Minuten. – Bitte sehr!

[Weinschütz (Grüne): Welche Bibelstelle heute? – Gram (CDU): Ekkehard, zeige es den Gottlosen!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es wird sich über diesen Beitrag von mir niemand so richtig freuen – weder die Regierungsfraktionen noch die CDU-Fraktion.

Im Volk heißt es: Politik verdirbt den Charakter. Bismarck hat dem entgegengesetzt: Charakterlose Menschen verderben die Politik.

[Beifall bei der CDU, der SPD und den Grünen – Niedergesäß (CDU): Sehr gut!]

Eins haben sie alle – Abgeordnete, Senatoren, Mandatsträger – gemeinsam, eins lieben sie alle: zu reden von Wahrheit, Glaubwürdigkeit und vielen anderen Dingen mehr in dieser Richtung. Und man zeigt immer gerne auf die anderen. Aber vor die eigene Brust schlägt man sich nicht. Der Regierende Bürgermeister – und wir reden ja über die Regierungserklärung – hat von Wahrhaftigkeit gesprochen und hat dabei vergessen, dass die SPD in den letzten Wahlkampf gegangen ist mit der ausdrücklichen Versicherung: Keine Zusammenarbeit mit der PDS! Das ist also, was Sie jetzt gemacht haben, kein Fall von Wahrhaftigkeit, hier zu sitzen als Regierender Bürgermeister,

[Beifall bei der CDU]

und zwar von Ihren eigenen Vorstellungen ausgehend.

Wir wissen alle, dass das, was Landowsky getan hat, auch nichts mit Wahrhaftigkeit zu tun hatte.

[Beifall links – Zurufe von den Grünen: Das stimmt! Aber wenn man in der Regierung sitzt, dann wird man besonders kritisch beäugt, was man sagt. Und da kommt es darauf an, wie man mit dem Recht umgeht. Totalitäre Politiker benutzen das Recht so, wie es ihnen beliebt. Was ihnen nützt, ist Recht, was ihnen nicht nützt, ist Rechtsmissbrauch. Und – jetzt frage ich hier, und da frage ich alle Fraktionen und diese etablierte Parteienlandschaft – wenn es hier um Neuwah- len geht, wie nimmt man es, wie hält man es mit der Verfas- sung? Ist man sich klar darüber, dass das Grundgesetz keine Selbstauflösung eines Parlamentes kennt? Und der Regierende Bürgermeister spricht vom Übergangssenat. Es gibt keinen Übergangssenat nach unserer Verfassung! [Beifall bei der CDU – Zurufe von links]

Haben wir das Recht im Sinne eines Selbstauflösungsbeschlusses? Was sagen die Kommentierungen zur Berliner Verfassung dazu? – Die sagen nämlich: zum Beispiel, wenn im Parlament eine Pattsituation gegeben ist. Der Senat hat keine ordentliche Mehrheit im Parlament. Dafür ist der Selbstauflösungsbeschluss bestimmt und nicht für willkürliche Entscheidungen, wie lange eine Amtszeit gilt. Denn alle, die hier sind, sind vom Souverän Volk für 5 Jahre gewählt. Diese Mandatsträger haben nicht das Recht nach dem Grundgesetz, sich über den Souverän hinweg zu setzen und zu sagen: Wir wollen aber, so wie es uns beliebt, eine Wahl haben. – So kann man nicht mit dem Recht umgehen! Ich appelliere deswegen an alle, das noch einmal zu überlegen und sich genau vorzustellen, was es bedeuten würde, wenn Parlamentarier zum Beispiel beim Verfassungsgericht klagen würden

[Aha! und weitere Zurufe – Heiterkeit]

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oder beim Bundesverfassungsgericht oder Bürger klagen würden. – Sie brauchen gar nicht darüber zu lachen! Wir kennen die Zeit, wie in bestimmten Bereichen mit Recht umgegangen worden ist und wie man über Recht gelacht hat

[Beifall des Abg. Faber (CDU)]

und das Recht missbraucht hat. Nein, meine Damen und Herren, wir sollten und klar darüber sein, was dieses Parlament hier macht und inwieweit es das Recht hat, sich über den Souverän Volk, das dieses Parlament bis 2004 gewählt hat, hinwegzusetzen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Frau Dr. Reiter (SPD): Aber das Volk will Neuwahlen!]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Regierungserklärung ist damit abgegeben und besprochen.

Wir kommen zur Abstimmung über die Vorlage – zur Beschlussfassung – über die Billigung der Richtlinien der Regierungspolitik, Drucksache 14/1363. Wer dieser Vorlage seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenstimmen! – Stimmenthaltungen? – War das eine Enthaltung? –Damit sind die Richtlinien bei Gegenstimmen und einer Enthaltung vom Haus gebilligt – zwei Enthaltungen, habe ich mich gerade korrigieren lassen. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt geschlossen.

[Zuruf von der CDU: Machen wir eine Auszählung!]

Ja, so etwas fangen wir auch noch an. Wir sind doch nicht im Kaspertheater.

[Beifall bei der SPD]

Wir sind dann bei

lfd. Nr. 1 B:

Aktuelle Stunde zum Thema „Neuwahlen jetzt“

in Verbindung mit

Drucksache 14/1362:

Antrag der Fraktion der CDU über Neuwahlen am 21. Oktober 2001

Drucksache 14/1373:

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der Grünen auf Annahme einer Entschließung über Neuwahlen in Berlin zum 23. September 2001

Hierzu rufe ich auf

Drucksache 14/1375:

Antrag der Fraktion der PDS auf Annahme einer Entschließung über Neuwahlen in Berlin zum 23. September 2001

der mit dem vorigen Antrag wortgleich ist. Wortmeldungen liegen vor. Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Gaebler das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD hat in den vergangenen Wochen ihren Beitrag zu einem Neuanfang in Berlin geleistet.

[Gram (CDU): Wo und wann?]