Protokoll der Sitzung vom 12.07.2001

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 31. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, die Gäste und die Zuhörer sehr herzlich.

Zuerst zum Geschäftlichen: Am Montag sind drei A n t r ä g e auf Durchführung einer A k t u e l l e n S t u n d e eingegangen, und zwar:

1. Antrag der Fraktion der Grünen und der Fraktion der SPD zum Thema: „Haushaltssituation Berlins – verantwortungsvoll sparen, zukunftsorientiert umstrukturieren, gerecht verteilen“,

2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Wissenschaft schützen und Ausstrahlung der Hochschulmedizin in Berlin sichern“,

3. Antrag der Fraktion der PDS zum Thema: „Nachtragshaushalt – erste notwendige Konsequenz aus der Bankenkrise“.

Die Fraktion der CDU hat im Ältestenrat darum gebeten, die Aktualität ihres Themas heute mündlich zu begründen. Dafür erhält Frau Abgeordnete Grütters das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion beantragt für die Aktuelle Stunde dieser letzten Plenarsitzung vor der Sommerpause – das hat fast schon Tradition –, über die Hochschulverträge zu reden, über ihre Bedeutung für die Stadt, ihre Bedeutung für die Wissenschaft und ihre Bedeutung für die Hochschulen selbst, denn offenbar hat die Übergangsregierung unter Wowereit und Goehler das noch nicht ganz verstanden.

Heute Morgen hatte die Senatorin für Wissenschaft zu einer Pressekonferenz eingeladen, auf der sie – wie ich höre – den Vollzug der Hochschulverträge verkündet hat. Es heißt, die Universitäten hätten jetzt unterschrieben, man sei ganz glücklich über die Einigung. Frau Goehler, Sie setzen offenbar auf die Macht des Faktischen, weil Ihnen die Argumente ausgegangen sind. Ihr Koordinator hat mir nämlich schon am Dienstagnachmittag weiszumachen versucht, die Universitäten hätten unterschrieben. Auch er wollte mit dieser Behauptung, die auch gleich über die Medien verbreitet wurde, den Vollzug in seinem Sinne herbeireden. Ein Anruf bei den Betroffenen hat Sie aber entlarvt. Ihre jetzigen Vertragsbedingungen hatten die Universitäten keineswegs unterschrieben, und sie haben es auch heute noch nicht getan. So geht es auch nicht, einfach die Universitäten entmündigen wollen, weil Ihnen deren Zaudern nicht passt.

[Beifall bei der CDU]

Sie sind in einer unangenehmen Lage, weil Ihnen Herr Wowereit keinen Verhandlungsspielraum gelassen hat und Sie die Universitäten entweder nur erpressen oder in die jetzigen Vertragsbedingungen zwingen können. Dass die sich das nicht gefallen lassen, ist aber auch verständlich. Die haben für morgen früh um 8.00 Uhr zu einer Pressekonferenz in der FU eingeladen. Dort wollen die Hochschulpräsidenten ihren Standpunkt mitteilen. Nach meinen Informationen warten die Präsidenten genau auf unsere heutige Parlamentssitzung, um dann zu entscheiden, ob sie ihre Unterschrift unter den Knebelvertrag setzen sollen und können, den ihnen Frau Goehler seit vergangener Woche schmackhaft zu machen versucht.

[Zuruf des Abg. Schuster (SPD)]

Ich finde, das ist die Stunde des Parlaments,

[Widerspruch von links]

das die buchstäblich entscheidende Rolle in den Auseinandersetzungen, Herr Schuster, zwischen der Senatorin und den unter Druck gesetzten Hochschulen spielen muss.

[Beifall bei der CDU]

Wie oft, Herr Schuster, beklagen wir, die Parlamentarier – auch Sie haben das immer getan –, dass wir zum reinen Vollzugsorgan des Senats verkommen, weil uns immer die bereits ausgekochten Beschlüsse vorgesetzt werden? – Hier haben wir einmal original den Fall, der uns wirklich zum Souverän macht.

[Zurufe der Abgn. Schuster (SPD) und Brauer (PDS)]

Wir müssen entscheiden, welche Verträge den Universitäten zur Unterschrift vorgelegt werden.

[Schuster (SPD): Das machen wir auch!]

Wir können hier heute im Plenum noch einmal das Schlimmste verhindern, das in der Gestalt der Einsparvorgabe von 145 Millionen DM für die Medizin daherkommt. Auf uns verlassen sich die Präsidenten, auf uns zählen sie, übrigens nach Ihrem feigen Abstimmungsverhalten im Wissenschaftsausschuss,

[Zurufe der Abgn. Schuster (SPD) und Roß (SPD)]

dass SPD, Grüne und PDS ganz einfach nur hinter der SPD-Forderung von 150 Millionen DM hinterhergelaufen sind und damit den Hochschulen den letzten Verhandlungsspielraum genommen haben.

Es gibt gerade noch diese Plenarsitzung zwischen den beiden Pressekonferenzen, die wir in unserer Fürsorgepflicht für die Universitäten nutzen können und nutzen wollen.

[Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD]

Sie – SPD, Grüne und PDS – sind den Universitäten mit Ihrem Abstimmungsverhalten in den Rücken gefallen und haben ihnen Verhandlungsspielraum – wenn Herr Wowereit überhaupt einen gelassen hat – genommen. Mit sechs zu fünf Stimmen haben Sie diesen Vertrag mit auf den Weg gegeben.

[Cramer (Grüne): Haben Sie denn dagegen gestimmt?]

Daher müssen wir unserer Verantwortung hier im Plenum nachkommen,

[Gelächter des Abg. Cramer (Grüne) – Zuruf der Frau Abg. Merkel (SPD)]

damit wir, Herr Cramer, das Vertrauen nicht enttäuschen, das die Hochschulen offensichtlich auch noch in Sie, nämlich in das ganze Plenum setzen.

[Beifall bei der CDU – Cramer (Grüne): Sie haben sich doch enthalten!]

Lassen Sie uns – das ist meine Bitte – jetzt und hier über die Bedingungen noch einmal beraten, damit wir zu vernünftigen Entscheidungen kommen, die es den immer noch zögernden Hochschulpräsidenten ermöglichen, zu unterschreiben, wenn ihre Bedingungen erfüllt sind.

[Gaebler (SPD): Sie haben immer noch nichts dazugelernt! Landowsky-Schule!]

Über ihre Bedingungen haben wir weder hier noch im Ausschuss im Detail beraten. Das genau muss deshalb der Beratungsgegenstand in der Aktuellen Stunde sein. Die CDU beantragt für die Aktuelle Stunde das Thema „Wissenschaft schützen und die Ausstrahlung der Hochschulmedizin in Berlin sichern“. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der SPD begründet der Abgeordnete Eßer. – Bitte sehr!

Frau Grütters! Die Aufregung, die Sie in der Stimme hatten, verstehe ich nach der gestrigen Diskussion im Hauptausschuss nicht so ganz. Wie ich mich erinnere, haben wir dort zu den Hochschulverträgen etwas beschlossen, und Ihre Leute haben sich in dieser Sache enthalten. Und auf einmal tun Sie so, als sei da eine Katastrophe passiert!

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS – Zuruf der Frau Abg. Greiner (CDU)]

(A) (C)

(B) (D)

Das Thema, das wir vorschlagen, hat im Übrigen eine Menge mit dem von Ihnen angesprochenen Thema zu tun.

Man kann im Rahmen dieser Aktuellen Stunde sicher einiges dazu sagen, denn die Finanzkrise Berlins ist das Thema, das alles überschattet. Sie entscheidet auch darüber, welche Wege in die Zukunft für die Stadt gangbar sind und in welchem Maß wir in der Lage sind, sie zu finanzieren. Das ist auch das Thema der Hochschulverträge. Denn diese stehen auch unter dieser Einschränkung. Deshalb heißt unser Thema: „Haushaltssituation Berlins – verantwortungsvoll sparen, zukunftsorientiert umstrukturieren, gerecht verteilen“.

Der neue rot-grüne Senat bringt heute einen Nachtragshaushalt ein. Sie wissen alle, dass das eine Notmaßnahme ist. Darüber sprechen Sie vielleicht ungern, weil Sie und insbesondere ein führender Politiker Ihrer Partei daran beteiligt ist, dass es zu dieser Notlage gekommen ist.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Wir haben – nichts könnte aktueller sein – kein Interesse daran, nur über die Notmaßnahmen und einzelne Titel zu sprechen, sondern wir halten es für vernünftig, sich in diesem Zusammenhang noch einmal darüber zu unterhalten, wie wir in diese Situation gekommen sind und wie wir herauskommen. Alle Fraktionen sollten Perspektiven über diesen Nachtragshaushalt hinaus aufzeigen. Wenn Sie in diesem Zusammenhang etwas sagen wollen – ich habe das später auch vor –, beispielsweise zu den Themen Bildung und Wissenschaft und wie wir in Berlin Wissensvorsprünge schaffen, dann ist das wunderbar. Insofern ist unser Thema das richtige, und das Haus sollte dem zustimmen.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Ich habe keine weiteren Wortmeldungen. Dann lasse sich abstimmen: Wer dem Antrag der Fraktion der Grünen und der SPD auf Durchführung einer Aktuellen Stunde zum Thema „Haushaltssituation Berlins“ zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen! – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das erste war die Mehrheit. Damit ist dieser Antrag angenommen, und die anderen Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde haben ihre Erledigung gefunden. Ich werde die Aktuelle Stunde zusammen mit der Beratung über den Nachtragshaushalt unter dem Tagesordnungspunkt 1 A aufrufen.

Die Fraktion der SPD hat mir mit Schreiben vom 11. Juli 2001 mitgeteilt, dass sie auf ihrer letzten Fraktionssitzung Frau Kirsten Flesch als s t e l l v e r t r e t e n d e s M i t g l i e d d e r G 1 0 K o m m i s s i o n für Herrn Klaus Wowereit nominiert hat. Damit auch dieses Gremium während der parlamentarischen Sommerpause vollzählig auch mit seinen Stellvertretern arbeiten kann, bitte ich darum, dass wir diese N a c h w a h l zu Beginn unserer heutigen Sitzung vornehmen. Wer also F r a u K i r s t e n F l e s c h als stellvertretendes Mitglied der G 10-Kommission zu wählen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist Frau Flesch gewählt.

Folgende M i t g l i e d e r d e s S e n a t s haben sich für die zeitweise A b w e s e n h e i t w ä h r e n d u n s e r e r h e u t i g e n S i t z u n g entschuldigt: Der Regierende Bürgermeister wird zwischen 17.30 Uhr und 19.00 Uhr sowie ab 20.00 Uhr abwesend sein. Grund ist das Treffen mit dem UN-Generalsekretär Kofi Annan und dem Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse sowie Vorbereitung der Bundesratssitzung am 13. Juli im Kreise von Ministerpräsidenten. Senator Strieder ist abwesend von 14.30 Uhr bis 15.30 Uhr sowie von 18.00 Uhr bis 19.00 Uhr. Grund ist hier die Tagung der Internationalen Expertenkommission „Historische Mitte Berlin“.

Nun noch ein Hinweis: Mit Schreiben vom 2. Juli hatte mich die CDU-Fraktion gebeten, am 1. S e p t e m b e r eine S o n d e r s i t z u n g einzuberufen. Darauf haben sich mittlerweile alle Fraktionen verständigt. Ich weise schon jetzt darauf hin, dass ich am Ende der Sitzung zu einer Sondersitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin am 1. September 2001, und zwar zu 13.00 Uhr, einladen werde. Notieren Sie das bitte. Die Einladun

gen erhalten Sie gemäß der Geschäftsordnung eine Woche vorab. Tagesordnungspunkt ist die vorzeitige Beendigung der Wahlperiode des Abgeordnetenhauses. Ich denke, dass sich die Fraktionen noch auf einen gemeinsamen Antrag verständigen.

Wir kommen damit zur