Protokoll der Sitzung vom 12.07.2001

Wenn ich es mir einfach machen wollte, Herr Cramer, so wie Sie es sich immer einfach machen, würde ich auf die SPD verweisen und würde sagen: Momper mit seiner Idee von den Olympischen Spielen,

[Gelächter bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Bausenator Nagel, der mit seinen Allmachtsansprüchen Milliardengräber der städtebaulichen Entwicklungsgebiete aufmachte, und ich kann mich noch sehr gut an einen Satz im „Tagesspiegel“ erinnern, in dem Wolfgang Nagel mit den Worten zitiert wurde: „Am liebsten wäre ich gleichzeitig Finanzsenator. Dann könnte ich mir das Geld gleich selbst bewilligen.“

[Heiterkeit bei der CDU]

So hat er sich in der Tat in dieser Zeit auch verhalten.

[Beifall bei der CDU]

Wer das Stein gewordene Denkmal nagelscher Politik sehen will, der braucht nur in die Wasserstadt Oberhavel zu fahren und sich die beiden nur einen Steinwurf voneinander entfernt stehenden Brücken anzusehen. Das ist das Nagel-Denkmal der Unsinnigkeit und der Verschwendungssucht.

Zum Glück ist es uns erspart geblieben, dass er gleichzeitig auch noch Finanzsenator wurde, sonst wäre die Lage des Landes wahrscheinlich noch schlimmer. Es gab damals Prognosen, die Investments gerade auch in die Entwicklungsgebiete und die Infrastruktur gerechtfertigt haben. Es gab damals soziale Spannungsfelder, die es auszugleichen galt – auch auf Kosten einer höheren Verschuldung. Dieses war der Vereinigung der beiden Stadthälften geschuldet, und wir wissen alle, dass in den darauf folgenden Jahren der Finanzbedarf nicht geringer war. Wenn heute behauptet wird, die Verschuldung sei letztlich nur ein Ergebnis der Verschwendungssucht Einzelner oder vielleicht der Bankenkrise oder vielleicht personifiziert durch Klaus Landowsky, der muss sich fragen lassen, ob all die Maßnahmen, die in den vergangenen Jahren zu dieser Verschuldung geführt haben, tatsächlich falsch gewesen sind und ob er sie alle rückgängig machen will.

[Zuruf des Abg. Cramer (Grüne)]

Was ist mit der Infrastruktur für den Wirtschaftsstandort Berlin, der Finanzierung der Messeerweiterung? Was ist mit den Sportanlagen, die gebaut wurden? Was ist mit der Angleichung zwischen Ost und West, der Angleichung der Löhne im öffentlichen Dienst? Das war eine wirkliche Tat, ein wirklicher Beitrag zur inneren Einheit, und nicht das gysische Talkshowgeschwafel, sondern ein wirklicher Beitrag zur inneren Einheit dieser Stadt.

[Beifall bei der CDU]

Was war mit dem doch von allen so begrüßten Abbau der Fehlbelegungsabgabe, um soziale Schwerpunktgebiete dieser Stadt zu entlasten? Was war mit der Beschäftigungssicherungsvereinbarung, die dazu geführt hat, dass Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst erhalten blieben, die aber natürlich auch Geld gekostet hat? Was war mit der Wohnungsbauförderung, die Anfang der 90er Jahre eine Wohnungsnot zu beseitigen hatte? Was war mit der Entwicklung der neuen Mitte am Potsdamer und Leipziger Platz und an der Friedrichstraße? Was war mit der Wahrung der Menschenrechte durch Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen aus Ex-Jugoslawien, weit über das Maß hinaus, das diese Stadt eigentlich, nach den normalen Schlüsseln, hätte aufnehmen müssen?

[Beifall bei der CDU]

Waren alle diese Maßnahmen falsch?

[Beifall bei der CDU]

Alle diese Maßnahmen haben zur Verschuldung geführt und haben dazu geführt, dass diese Stadt finanziell belastet war.

[Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]

Aber es waren richtige Entscheidungen, die zum Zusammenwachsen dieser Stadt beigetragen haben, Beiträge zur inneren Einheit dieser Stadt. Wir würden diese Entscheidungen heute wieder so treffen, wenn wir sie treffen müssten.

[Cramer (Grüne): Alle?]

Berlin ist nicht mit Alma-Ata oder Ulan-Bator im Standortwettbewerb, sondern Berlin muss sich dem Standortwettbewerb mit München, Hamburg, Paris und London stellen.

[Zuruf des Abg. Wolf (PDS)]

Deswegen muss in die Infrastruktur investiert werden, und deswegen waren die Entscheidungen der vergangenen Jahre richtig. Zweifellos muss heute entgegengesteuert werden. Die Spielräume werden enger, und die Grenzen der Verschuldung rücken näher.

[Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]

Auch nicht alle Blütenträume der vergangenen Zeit, Anfang der 90er Jahre, sind Wahrheit geworden.

[Zuruf des Abg. Cramer (Grüne) – Eßer (Grüne): Nichts stimmt an dieser Einsicht!]

Leider hat die SPD bisher jeden Versuch vermieden, die Probleme wenigstens ansatzweise in den Griff zu bekommen. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Auftritte von Frau FugmannHeesing auf Sonderparteitagen der SPD, wo jede einzelne Vermögensveräußerung durch die SPD genehmigt werden musste, was dann auch immer unter der Bedingung geschah, dass ein hoher SPD- oder Gewerkschaftsfunktionär mit einem gut dotierten Vorstandsposten bedacht wurde.

[Beifall bei der CDU – Zurufe von der CDU: Das musste sein! – Hört, hört!]

Leider hat auch Frau Fugmann-Heesing geschummelt. In ihrer Not hat sie nämlich das Defizit einfach in Schattenhaushalte verschoben, indem sie durch die In-sich-Geschäfte verdeckte Kapitalentnahmen in Milliardenhöhe durchführte und ihrem Nachfolger Peter Kurth ein Defizit von 3 Milliarden DM hinterließ.

[Cramer (Grüne): Erzählen Sie mal was von Pieroth!]

Sie war eine Haushaltskonsolidiererin der Planung, aber als die Karten auf den Tisch kamen, war der Lack ab.

[Wolf (PDS): Wo waren Sie denn damals?]

Man muss ihr aber zugute halten, Herr Wolf, dass sie es war, die das Problem des Haushalts auf die Tagesordnung brachte; allerdings waren ihre SPD-Nachfolge aus anderem Holz. Sie waren und sind Teil des Problems – nicht der Problemlösung.

[Beifall bei der CDU]

Der neue „Senat“ – so steht es in einer Presseüberschrift – „entdeckt ein neues Milliardenloch“. Dazu kann ich nur sagen: Das ist ein Loch, dass Sie selbst gegraben haben, nämlich bei der Vermögensveräußerung. Wie sah es denn aus mit dem Verkauf der GEHAG-Anteile? – Das war unterschriftsreif durch den damaligen Finanzsenator Peter Kurth vorbereitet und wurde durch die SPD verhindert. Jetzt – oh Wunder! – taucht derselbe Verkauf wieder auf der Verkaufsliste von Frau Krajewski auf. Und was ist mit dem Verkauf der Wohnungsbaugesellschaft GSW – vorbereitet durch Peter Kurth? Die Ausschreibungsbedingungen wurden durch Herrn Strieder so lange bearbeitet, bis sie 100 % kompatibel zu einem Angebot eines bestimmten Anbieters waren und kein anderer mehr Interesse hatte.

[Hört, hört! von der CDU]

Kein Wunder, dass ein riesiges Loch im Vermögensverkaufshaushalt klafft; das hat die SPD ganz allein verschuldet.

[Beifall bei der CDU]

Damit kommen wir zum Kernproblem dieses Übergangssenats, zur angeblichen Haushaltskompetenz dieser Koalition. Es ist ja nun der Fluch einer Regierungspartei – Herr MüllerSchönau hat es erfahren –, dass man viele Dinge vertreten muss, die an sich nicht so richtig vertretungswürdig sind. Mit bewundernswürdiger Statur vertreten Sie hier dünne Papiere als die großen Würfe. Wir als Oppositionspartei haben das nicht nötig

[Gelächter bei der PDS und den Grünen]

und haben jetzt die Freiheit, jedenfalls bis wir dann ab 21. Oktober wieder in der Regierungsverantwortung sind,

[Gelächter bei den Grünen – Cramer (Grüne): Traumtänzer!]

auch Ihnen deutlich den Spiegel vorzuhalten. Da haben wir zum Beispiel den Übergangssenator Strieder, der für Bauen, Wohnen und Verkehr zuständig ist.

[Niedergesäß (CDU): Gegen Bauen und Verkehr ist der!]

Wie steht es denn mit der finanzpolitischen Kompetenz des SPD-Vorsitzenden und Senators? – Im Jahr 2000 hat er diese bewiesen durch knapp 36 Millionen DM Personalkostenüberschreitung. Das Haushaltsrisiko der Entwicklungsgebiete hat er praktisch unbeachtet gelassen. Und die Wohnungsbaugesellschaften – das wird jetzt Stück für Stück deutlich – stehen zum großen Teil vor dem Ruin. Herr Strieder hat schon als Kreuzberger Bezirksbürgermeister eine Bauruine hinterlassen. Wahrscheinlich hat ihm der Pamukkale-Brunnen nicht gereicht, jetzt will er die ganze Stadt. Nicht weniger als sieben Gesellschaften, die von seiner Verwaltung betreut werden, haben – bezogen auf die Bilanzsumme – eine Fremdkapitalquote von mehr als 99 %. – Darunter sind drei Wohnungsbaugesellschaften, die sogar über 100 % liegen, wenn man das nicht in der Bilanz enthaltene Aufwendungsdarlehen einbezieht, und da ist der aktuelle Fall der Wohnungsbaugesellschaft Marzahn noch nicht einmal dabei.

Nun noch einmal im Klartext für die Mitglieder der Fraktionen auf der linken Seite – Sie sollen später nicht sagen können, davon hätten Sie nichts gewusst: Allein im Verantwortungsbereich von Herrn Strieder gibt es Risiken in mindestens zweistelliger Millionenhöhe.

[Wolf (PDS): Gab es doch schon zu Klemanns Zeiten!]

Bei Ihrem Parteivorsitzenden, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dem die strukturellen Vorschläge der CDU nicht gut genug waren, drohen ein halbes Dutzend Insolvenzen öffentlicher Unternehmen, während es der Herr Senator vorzieht, in den Wahlkampf zu ziehen und gar nichts mehr zu entscheiden.

[Beifall bei der CDU]

Das ist die wahre Haushaltskompetenz auf dieser Seite. – Und der Sachhaushalt? – Das Lieblingsbeispiel Topographie des Terrors wird ja als ein großer Erfolg dargestellt.