und wenn Sie glauben, dass Sie sich als Senator hier jede Flapsigkeit erlauben können. Sie haben die Öffentlichkeit belogen, und es ist nicht besser, wenn Ihre Fraktion sagt, wenigstens hat er das Parlament nicht belogen.
Das ist geradezu schon die „Koch’sche Richterskala“, dass man mildernde Umstände hat, wenn man nur der Zeitung gegenüber die Unwahrheit sagt. Das ist ungeheuerlich.
Es gibt hier einen ganz deutlichen Unterschied. Wir haben bei Herrn Strieder weniger kritisiert, dass er diese Tüte genommen hat. Das ist nachzulesen. Wir haben gesagt: Ein Senator, der sich dann wie ein ertappter Pennäler aufführt, der lässt Fragen nach seiner Statur und der lässt Fragen aufkommen, ob er als Senator tatsächlich geeignet ist.
Denn die Primärmitteilung im „Tagesspiegel“ ist die gewesen: Senator Strieder erklärt, er hat eine solche Tüte gar nicht gesehen. – In einem lange recherchiertem Artikel, in einer Abhandlung darüber. Wäre es nicht widerlegt worden, wäre diese Fehlinformation in der Öffentlichkeit geblieben.
Frau Künast ist die Einzige in diesem ganzen Spektrum, die von sich aus den Schritt an die Öffentlichkeit getan hat,
[Ha, ha! bei der CDU – Wowereit (SPD): Das ist doch lächerlich! – Weitere Zurufe von der CDU und der SPD]
lange bevor irgendein Journalist recherchiert hatte, lange bevor es irgendwo in den Medien gestanden hat! – Das ist nicht lächerlich, das sind die Fakten.
Wenn Sie diesen Unterschied nicht sehen wollen, wenn Sie hier losschreien, weil Sie gern alles durcheinanderrühren wollen, dann tun Sie mir leid.
Es gibt auch einen zweiten Unterschied, den kann man doch einmal ganz einfach benennen. Herr Strieder ist Amtsträger. Für Herrn Strieder gilt das, was seinerzeit unter Senator Pätzold formuliert und gefasst wurde, für alle Beschäftigte des Landes Berlin, für alle öffentlich Bedienstete. Ich darf zitieren, ich zitiere es gerne, schon weil ich quasi Erich Pätzold dann immer reden höre:
Die selbstlose, uneigennützige und auf keinen persönlichen Vorteil bedachte Führung der Dienstgeschäfte ist eine der wesentlichen Grundlagen eines am Wohl aller Bürger ausgerichteten öffentlichen Dienstes.
Das ist das Entscheidende. Und in diesem Zusammenhang hat auch der oberste Korruptionsbekämpfer in Berlin, Oberstaatsanwalt Wulf, sehr deutlich und sehr klar gesagt, dass er es als verheerend empfindet, wenn hier Politiker ihre Vorbildfunktionen in dieser Weise nicht wahrnehmen. Wir meinen, dass wir auch als Parlamentarier hier selbstkritischer sein sollten und selbstkritisch sein müssen. Deswegen ist in unserem Antrag auch eine Passage zu der Frage unserer eigenen Verhaltensmaßregeln, was die Annahme von Geschenken angeht, enthalten.
Es ist ein Zeichen der Neuzeit, dass man auf Presseempfängen nicht mehr nur den obligatorischen Kugelschreiber und die Zeitungen des nächsten Tages bekommt, sondern dass es nunmehr offenbar auch Geschenke im Wert von 900 DM gibt. Dem müssen wir uns auch stellen, und dem müssen wir mit Ernst Rechnung tragen. Deswegen sind wir der Ansicht, dass das Parlament hier für sich eine Regelung finden muss, wie es andere Parlamente und der Deutsche Bundestag getan haben.
Ja, Herr Luther, ich komme zu meinem letzten Satz. – dass von Senatsmitgliedern so getan wird, als sei das alles völlig normal, was man hier gemacht hat, als sei es gar im Interesse des armen Landes Berlin, dass man einmal hier oder da gratis mitfliegt. Ich sage: Auch viele kleine Mosaiksteine können im Ergebnis ein höchst unappetitliches Bild einer Politik ergeben, die anfällig ist für Belohnungen, die anfällig ist für Geschenke, die anfällig ist für Beeinflussung. Das darf nicht geschehen, dem müssen wir entgegen treten.
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der PDS – Dr. Steffel (CDU): Humorloser Beitrag!]
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wieland! Sie bringen einen Antrag zur Vorbildfunktion der Politik ein. Dieser Beitrag war kein Vorbild und schon gar nicht von Politikern und zwar deshalb, weil Sie vieles miteinander vermischt haben, so dass man sich schon die Frage der Redlichkeit Ihrer Ausführungen stellen kann.
Unbestreitbar haben die Politik, mehr noch die Politiker eine Vorbildfunktion, nicht nur, aber auch im Kampf gegen Filz und Korruption. Zu unserer Glaubwürdigkeit gehört, dass wir unser Handeln mit unserem Reden in Einklang bringen. Dieser Verantwortung muss sich jeder politisch Tätige stellen, ganz gleich, welches politische Amt er bekleidet. Jeder von uns weiß, dass er sein Amt – sei es als Senator oder als Abgeordneter – so zu führen hat, dass noch nicht einmal der Anschein erweckt wird, sein Handeln oder Reden sei durch Hingabe von Geschenken, Geldspenden oder sonstigen Belohnungen beeinflusst. Dies alles ist eigentlich so selbstverständlich, dass es einer gesonderten Regelung hierfür nicht bedarf.
Anlass für den hier zu entscheidenden Antrag sind zwei Vorgänge: die Dienstflüge einiger Senatoren in Privatmaschinen einiger bekannter Berliner Unternehmen und die Entgegen
nahme eines sogenannten Organizer beim „Focus“-Fest im Herbst vergangenen Jahres. Beide Vorgänge sind unterschiedlich zu bewerten.
Die Dienstflüge von Senatoren, soweit zumindest bislang bekannt, sind weder rechtlich noch politisch zu beanstanden.
Nachdem was bisher bekannt ist, Herr Wieland. Nach Auffassung der CDU-Fraktion ist es sogar die Aufgabe und die Pflicht der Senatoren, alles zu unterstützen, was der Berliner Wirtschaft nützt.
Hierzu gehören Ansiedlungsbemühungen ebenso wie das Akquirieren von Aufträgen, um Arbeitsplätze zu sichern oder noch besser, um solche zu schaffen. Soweit bekannt, haben die Senatoren die Privatflugzeuge der Berliner Unternehmen auch nur für diese Zwecke benutzt. Niemand hat die Flüge mit privaten Reisen verbunden, wie es offensichtlich in anderen Bundesländern der Fall gewesen ist.
Auch die Journalisten, die ebenfalls an diesen Flügen teilnahmen, haben offensichtlich an diesen Flügen keinen Anstoß genommen. Ich gehe davon aus, dass auch die Journalisten in ihrer unabhängigen Berichterstattung durch die Flüge nicht beeinflusst wurden.
Die rechtlichen Bestimmungen sind klar, der sogenannte Pätzold-Erlass gilt, anders als der Antrag suggeriert, auch für Senatoren. Darüber hinaus ist es unsere Aufgabe, nicht die des Senats, die Senatoren zu kontrollieren. Wir haben die Möglichkeit, Misstrauens- und Missbilligungsanträge zu stellen, wenn wir, die Abgeordneten, ein Fehlverhalten feststellen. Aus der Rechtfertigungspflicht dem Parlament gegenüber möchte ich die Senatoren nicht entlassen.
Anders ist die Entgegennahme des Organizers durch Senator Strieder auf dem „Focus“-Fest zu beurteilen. Selbst wenn er das Geschenk nicht hätte ablehnen können, wäre es seine Pflicht gewesen, dieses sofort abzugeben. Derartige Geschenke müssen dann sozialen oder gemeinnützigen Zwecken zugeführt werden. Seiner Pflicht ist Senator Strieder offensichtlich verspätet und erst dann, als der Fall öffentlich wurde, nachgekommen. Er hat sich dafür entschuldigt, und ich meine, das ist genug. Bei den persönlichen Belastungen unserer Spitzenpolitiker verzeihe ich ihm diese Nachlässigkeit.
Nach dem Coming-out einer Abgeordneten im Rechtsausschuss in der letzten Woche wurde die Frage aufgeworfen, ob auch die Abgeordneten sich neue Verhaltensregeln geben sollten. Unsere Fraktion ist hierüber gesprächsbereit, auch wenn wir uns von ihnen nicht viel versprechen.
Rechtlich bestehen Bedenken. Nach Artikel 38 Grundgesetz sind Abgeordnete nur ihrem Gewissen unterworfen und dem Wähler gegenüber verantwortlich. Jeder von uns steht unter einem ständigen Rechtfertigungsdruck für sein Handeln, sich selbst, seiner Partei und dem Wähler gegenüber. Zudem gibt es Verhaltensregeln zum Beispiel bei Inkompatibilitäten oder bei der Mitarbeit für das ehemalig MfS. Unser bisheriges Problem war nicht die Feststellung von Verstößen, sondern deren Ahndung. Dieses Problem werden wir wegen Artikel 38 auch bei neuen Verhaltensregeln nicht lösen.
Ich bezweifele auch, dass die Beeinflussung von Abgeordneten von Einladungen oder kleinen Geschenken wirklich relevant ist. Wir alle nehmen sehr viele Termine wahr. Nicht aus Vergnügen, sondern um Informationen zu sammeln, für unsere Ansichten zu werben oder um unsere Fraktion zu repräsentieren.
Ich appelliere deshalb an alle, Maß zu halten. Wir sollten nicht in eine Verdächtigungshysterie verfallen und aus jedem Besuch eines Empfangs einen Bestechungsskandal machen. Ich weiß, der Zeitgeist surft auf der Welle der Parteiverdrossenheit. Es sollte das Interesse aller Demokraten sein, sich hieran nicht zu
beteiligen. Das sind wir uns gegenüber, aber insbesondere auch unseren vielen ehrenamtlich politisch Tätigen in unseren Parteien gegenüber schuldig. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine erste Rede in diesem Hause zu Filz und Korruption – ich hätte mir etwas anderes, Besseres vorstellen können.
Aber so ist nun einmal das Leben, Herr Landowsky. Beim Kollegen Wieland hatte ich den Eindruck – er hat dies selbst gesagt –, dass er es schade findet, dass in Berlin kein Parteiskandal, kein Finanzskandal zu verzeichnen ist,