Protokoll der Sitzung vom 24.02.2000

Kommen wir zu den Personalausgaben. – Sie brauchen nicht so aufgeregt zu sein, der Haushalt ist eine ganz sachliche Angelegenheit, über die man auch sachlich sprechen kann.

[Frau Martins (GRÜNE): Wir sind nichtaufgeregt, wir hören nur konzentriert zu! – Zuruf des Abg. Wieland (GRÜNE)]

Natürlich ist das sachlich, Herr Wieland! Ihre Zwischenrufe haben leider nicht so sehr viel Substanz! Vielleicht sollten Sie einmal in den Haushaltsplan sehen, das bildet auch manchmal. – Zum Personal: Wir hatten vorhin von Herrn Liebich gehört, wir sollten uns nicht so sehr an Stellen orientieren, sondern an Personalausgaben. Das ist haushaltstechnisch auch ganz nett. Ich frage mich bloß, wie er die Personalkosten reduzieren will, wenn er nicht an die Stellen herangeht. Sollen wir Lohnkürzungen durchführen, oder was stellen Sie sich vor? Für uns ist ganz klar: Es bleibt bei der Arbeitsplatzsicherheit im öffentlichen Dienst; mit uns wird es keine betriebsbedingten Kündigungen geben.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Allerdings muss man sagen: Wir erwarten dann auf der anderen Seite auch Flexibilität von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die dann, wenn sie z. B. im Personalüberhang sind, bereit sein müssen, in anderen Aufgaben, als sie sie bisher wahrgenommen haben, tätig zu werden, um zur Beseitigung von Erledigungsstaus beizutragen oder zusätzliche Einnahmen für die Landeskasse zu erschließen. Senator Werthebach hat dazu erste Schritte unternommen, und wir werden ihn auf diesem Weg auch weiterhin unterstützen.

Eines darf man bei der Diskussion über Personalausgaben nicht vergessen, und das ist ein Appell an die Tarifpartner: Wenn sich die Forderung der ÖTV nach 5 % Tarifsteigerung im öffentlichen Dienst durchsetzt, bedeutet das für das Land Berlin 600 Millionen DM Mehrausgaben per anno, und das bedeutet, dass wir, um diese 600 Millionen DM aufzufangen, etwa 5 000 Stellen zusätzlich pro Jahr abbauen müssten. Das ist die Größenordnung, die wir uns gern ersparen würden und die wir auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im öffentlichen Dienst ersparen wollen.

Dass im Personalbereich nichts geschehen sei, ist keine richtige Aussage, Herr Liebich, und das wissen Sie auch genau. Dass in den nächsten Jahren nichts passieren werde, ist auch nicht richtig. Wir sparen in dem Rahmen, wie es uns die Arbeitsplatzsicherheit erlaubt. Es wird eine Nettoeinsparung von 10 750 Stellen bis zum Jahr 2004 geben. Das ist eine Zahl, die andere Bundesländer und der Bund längst nicht erreichen, und eine Größenordnung, die in manchen Bereichen schon an die Grenze der Leistungsfähigkeit der Verwaltung herangeht. Es ist ein ehrgeiziges Ziel, die Personalausgaben auf 13,7 Milliarden DM zu begrenzen. Wir müssen alle gemeinsam an einem Konzept arbeiten, auch im Hinblick auf einen zentralen Stellenpool, wie man dies auf vernünftige Weise abwickelt und die Leistungsund Funktionsfähigkeit des Landes Berlin nicht beeinträchtigt. Richtig hat Finanzsenator Kurth gesagt, es wird nicht mehr so weitergehen, dass wir mit dem Rasenmäher über die Ausgaben fahren und linear kürzen. Wir brauchen Aufgabenkritik. Wir müssen klar sagen, welche Aufgaben in Zukunft nicht mehr in staatlicher Trägerschaft erledigt werden können und welche man überhaupt nicht mehr wird wahrnehmen können. Wir müssen alle Leistungsgesetze kritisch hinterfragen – das ist auch ein Auftrag an uns. Ich habe dazu hohe Erwartungen an die Kommission, die zur aufgabenkritischen Betrachtung der Berliner Verwaltung eingesetzt werden soll. Ich appelliere an den Senat,

[Zuruf des Abg. Müller-Schoenau (GRÜNE)]

dass das mit Tempo erfolgen soll und nicht erst einmal in aller Gemächlichkeit eine Personalauswahl stattfindet, dass man sich nicht erst ewig trifft und sich erst eine Geschäftsordnung gibt. Es kann nicht sein, dass das Jahr 2000 vorbei ist und noch nichts

geschehen ist. Wir brauchen zum Haushalt 2001 aufgabenkritische Überlegungen des Senats und der Kommission. Deswegen fordern wir Tempo.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Es wird kein Weg an der Aufgabenkritik vorbeiführen, wenn man sich vor Augen hält, welche Risiken wir in den nächsten Jahren vor uns haben.

Ein Risiko ergibt sich aus dem Defizit des Haushalts 1999, den noch Frau Fugmann-Heesing als Finanzsenatorin verantwortet hat. Dabei handelt es sich um rund 3,2 Milliarden DM, die wir im nächsten Haushaltsjahr ausgleichen müssen. Zudem sind zusätzliche Risiken aus wohnungspolitischen Entscheidungen zu erwarten. Deswegen können wir uns nicht ausruhen. Es muss weiter aufgabenkritisch gespart werden – auch im Hinblick auf den Länderfinanzausgleich. Wir müssen uns an den Länderdurchschnitt anpassen. In diesem Fall wollen wir ausnahmsweise Durchschnitt sein.

Ich komme zu den einzelnen Aufgabenfeldern des Haushalts. Ich bin froh, dass es dem Senat gelungen ist, trotz aller Sparbemühungen Schwerpunkte zu setzen. Die Kultur ist für mich ein wichtiger Schwerpunkt. Diese ist für die Anziehungskraft Berlins von existentieller Bedeutung. Wir wollen kein weiteres Schillertheater. Wir wollen keine Schließung von Einrichtungen. Wir wollen die Existenz aller Einrichtungen garantieren. Wir werden sie auch finanzieren.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wir freuen uns über zusätzliches Engagement des Bundes. Es geht aber nicht, dass der Bund nur zusätzliche Maßnahmen finanzieren will und das Grundangebot der Stadt Berlin obliegt. Berlin unterhält heute Einrichtungen, die früher auf mehrere staatliche Ebenen aufgeteilt waren. Wir unterhalten sowohl die preußische Staatsoper als auch die kommunale Oper und sowohl die preußischen Staatstheater als auch kommunale Einrichtungen. Das kann ein Stadtstaat dauerhaft nicht leisten. Der Bund muss sich entscheiden, welche Hauptstadt er sich leisten will. Es geht nicht, dass Staatsminister Naumann nur die Rosinen auf dem Kuchen garniert, und Berlin muss den Kuchen backen. Herr Naumann muss mitrühren. Nur gemeinsam werden wir das Kulturangebot sichern können.

Auf der anderen Seite steht die Notwendigkeit, in der Kultur den Aufwand zu mindern. Dass ein Thema wichtig ist, darf nicht dazu verleiten, jegliche betriebswirtschaftliche Überlegung beiseite zu wischen. Deswegen werden wir darauf achten, dass der Aufwand für Kultur verringert wird. Nicht jede Einrichtung braucht eigene, aufwendige Werkstätten und einen eigenen Verwaltungsapparat. Konzentration auf die künstlerische Aufgabe, Zusammenarbeit und Zusammenfassung aller Nebenaufgaben ist die Devise der Stunde. Das müssen die künstlerischen Unternehmen leisten.

Wir werden darauf achten, dass vorgegebene Etats eingehalten werden. Es kann nicht sein, dass derjenige, der die finanziellen Vorgaben des Senats am konsequentesten missachtet, am Jahresende eine Ausgleichszahlung aus dem gesamten Etat der Theater erhält und somit noch belohnt wird. Wer nicht in der Lage ist, mit vorhandenen Mitteln umzugehen, muss daraus auch persönliche Konsequenzen ziehen.

[Beifall bei der CDU]

Nicht nur das Kulturangebot ist für die Stadt Berlin von existentieller Bedeutung, sondern auch die verkehrliche Anbindung des Wirtschaftsstandorts. Wir brauchen schnelle Verbindungen für eine schnelle Stadt. Leider hat die rot-grüne Bundesregierung den Aufbau Ost in einen Abbau Ost verkehrt.

[Zuruf des Abg. Cramer (GRÜNE)]

Herr Cramer, dazu können Sie gerne etwas sagen. Es ist schließlich die Verantwortung Ihrer Fraktion. – Als erstes Geschenk wurde die wichtige Ausbaustrecke Berlin-München aus dem Programm gestrichen, die die Fahrzeit halbiert hätte.

[Niedergesäß (CDU): Hört, hört!]

Nun können wir weiterhin in gemächlichem Tempo zwischen Berlin und Bayern reisen. Als zweites wurde der Transrapid zwischen Berlin und Hamburg gestrichen – trotz weit fortgeschrittener Planung und enormer finanzieller Vorleistungen – auch aus ideologischen Gründen. Mit diesen beiden Maßnahmen hat die Bundesregierung die Verbindung zwischen der Hauptstadt und den beiden Millionenstädten auf einen Stand von vor Jahren zurückgeworfen. Wir hören die Versprechungen der Bahn und der Bundesregierung gerne, nämlich dass die Verbindung nach Hamburg ausgebaut werde. Wir hören sie wohl, allein uns fehlt der Glaube!

[Zuruf des Abg. Berger (GRÜNE)]

Denn gleichzeitig kommt der neue Bahnchef und sagt, er wolle alle Maßnahmen – Berlin betreffend – auf den Prüfstand stellen, dabei ist der Fernbahnhof Papestraße genauso zur Disposition gestellt wie die Verbindung mit Polen und Osteuropa. Das ist ein Schrumpfbahnkonzept, das wir nicht mitmachen werden, gegen das wir kämpfen werden.

[Beifall bei der CDU]

Wir erwarten einen leistungsfähigen Ausbau der Verkehrsverbindungen, wie ihn die alte Bundesregierung vorgesehen hatte. Wir erwarten auch, dass der Transrapid – wenn überhaupt – in Berlin gebaut wird und Berlin mit dem Flughafen Schönefeld verbindet. Diese wichtige, zentrale Leittechnologie muss in Berlin verwirklicht werden und nicht in Nordrhein-Westfalen, Hessen oder sonstwo.

[Beifall bei der CDU – Beifall des Abg. Dr. Borghorst (SPD) und der Frau Abg. Merkel (SPD)]

Berlin setzt Akzente im Haushalt bei den Verkehrsinvestitionen, und zwar auch durch den Ausbau der U-Bahnlinie 5 zwischen dem Regierungsviertel und dem Alexanderplatz.

[Zuruf des Abg. Cramer (GRÜNE)]

Es sind bereits Vorleistungen von weit über 300 Millionen DM verbaut.

[Müller-Schoenau (GRÜNE): Sinnlos verbaut!]

Diese werden wir nicht einfach auf den Müll werfen. Wir werden im Tunnel keine Pilze züchten, sondern wir werden diesen Netzschluss vollziehen, damit ein sinnvolles Netz entsteht. Zudem werden wir die Straßenbahn erweitern. Wir werden den Ostbahnhof an das Straßenbahnnetz anbinden und wichtige Maßnahmen im Straßennetz finanzieren. Dazu gehört der Tiergartentunnel genauso wie die Ortsumfahrung Köpenick. Was uns in diesem Haushaltsentwurf fehlt,

[Müller-Schoenau (GRÜNE): Ist Geld!]

ist die Antwort auf die Frage, was mit dem Ausbau des Park-andride-Angebots geschieht– das werden wir noch einmal diskutieren müssen – und wie man dem schleichenden Verfall unserer Straßeninfrastruktur begegnen will. Darauf erwarten wir Antworten vom Verkehrssenator.

[Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Cramer (GRÜNE)]

Herr Cramer, es kann doch auch Ihnen nicht egal sein, dass die Straßen Berlins in einem Zustand sind, bei denen selbst der Radfahrer durch Schlaglöcher auf die Nase fällt. Das muss auch im Interesse eines Radfahrers sein. Es ist doch nicht nur im Sinne der Autofahrer.

[Beifall bei der CDU]

Wir sind froh, dass es auch im Bereich Inneres gelungen ist, Schwerpunkte zu setzen. Das Berliner Modell wird weitergeführt – mehr Grün auf die Straße und gleichzeitig mehr Farbe ins Revier. Das bedeutet gleichzeitig Sanierung und Renovierung der Abschnitte, um menschenwürdige, vernünftige Arbeitsverhältnisse zu schaffen.

Wir sind der Auffassung, dass die Verwaltungsreform ein zentraler Bestandteil der Senatspolitik ist. Deswegen bestehen wir darauf, dass die Bürgerämter in diesem Haushalt Niederschlag finden. Der Senat muss den Bezirken Anschubfinanzie

rung leisten, denn sie können die Aufgabe nicht allein wahrnehmen. Wir werden in der 2. Lesung darauf achten, dass entsprechende Summen eingestellt werden.

[Liebich (PDS): Was ist entsprechend?]

Wir werden sehen, was entsprechend ist. Es geht um 2 bis 14 Millionen DM. Sie haben die Diskussion verfolgt. Der Senat wird auflisten müssen, welche Summen notwendig sind. Anschubfinanzierung kann nicht bedeuten, dass alles im ersten Jahr geschieht. Wir müssen sicher über mehrere Jahre reden.

Ich komme zum Zukunftsfonds im Bereich Wirtschaft und Technologie: Ich bin natürlich ganz anderer Auffassung als Sie, Herr Liebich. Der Zukunftsfonds ist ein wichtiger Beitrag zur Schwerpunktsetzung Berlins für moderne Technologie.

[Liebich (PDS): Auf Pump!]

Unsere Zukunft kann nicht darin liegen, alte Technologien am Leben zu halten und zuzusehen, wie alte Industriearbeitsplätze verloren gehen. Unsere Zukunft muss darin liegen, moderne Technologien nach Berlin zu holen und Innovationen zu fördern. Dafür soll der Zukunftsfonds dienen. Wir wollen dem Senat den Zukunftsfonds als Mittel zur Schaffung neuer Technologien und Arbeitsplätze an die Hand geben. Das ist unser oberstes Ziel.