Protokoll der Sitzung vom 09.03.2000

(B) (D)

Die Folge ist doch – und deshalb ist es nachgerade ein Witz, dass bei diesem Thema nun auch noch Staatssekretär Rauskolb ’rausgegangen ist; nachdem wir keinen Justizsenator mehr haben, verlässt nun der Staatssekretär den Saal, just wenn es zu dieser Debatte kommt: Wir haben hier den Vorschlag einer weiteren Verlagerung der Arbeit von der Innenverwaltung bzw. vom Landeseinwohneramt hin zum Verwaltungsgericht. Nichts anderes wird es bedeuten. Man sagt großartig, man spart zweieinhalb Stellen in der Innenverwaltung ein, wenn man das Problem mit Überhangliste irgendwann einmal gelöst haben wird – Sie schaffen es bestimmt nicht, Herr Werthebach, und man wir realiter zweieinhalb Stellen mehr im Überhang haben –, wird aber bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit ca. sechs Richterstellen neu zu schaffen haben, wenn man denn wirklich die Arbeit dorthin verlagert und sie dort die Arbeit machen lässt. Dies ist ein Irrsinn, um es einmal ganz deutlich zu sagen.

Wir haben es beim Asylverfahren erlebt, auf das Sie Bezug nehmen. Wir hatten früher im Asylverfahren geradezu einen Anerkennungsausschuss und einen Widerspruchsausschuss. Das waren sechs Personen auf Verwaltungsebene. Die hat man eingeschrumpft und einen Einzelentscheider geschaffen. Die Folge war, dass im Grunde jede Entscheidung zur Verwaltungsgerichtsbarkeit gegangen ist und die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf Jahre hin mit diesen Verfahren verstopft wurde – bis zum heutigen Tag. Aber offenbar hören Sie die Präsidenten überhaupt nicht mehr an – den Präsidenten des Verwaltungsgerichtes nicht, den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichtes auch nicht –, und wenn der Regierende Bürgermeister einmal als Quasijustizsenator dorthin geht, dann muss er sich Buhrufe und Pfiffe gefallen lassen – zu Recht!

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Diese CDU ist stark darin, gegen die richterliche Unabhängigkeit zu Felde zu ziehen. Sie ist stark darin, die Richter – –

[Zuruf von der CDU]

Ja, ja! Ihr werter Herr Landowsky! Es hieß: Die Richter sollen sich mal nicht so formaljuristisch an die Demonstrationsfreiheit halten. – Sie weisen das zu Recht zurück. Sie sagen zu Recht: Wir lassen uns in dieser Weise nicht kritisieren. – Sie müssen aber feststellen, dass ihre Belange und insbesondere ihre personellen Belange hier nicht mehr vertreten werden.

Seitdem wir Bundeshauptstadt sind – um das auch einmal zu sagen –, ist das Verwaltungsgericht für sämtliche Klagen und andere Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, ohne dass es dafür irgendeine zusätzliche Richterstelle gegeben hätten. Man kann nur froh sein, dass die Bundesregierung gerade heute erklärt hat, sie werde die Visapraxis liberaler handhaben, und möglicherweise nicht ganz so viele Verfahren auf das Verwaltungsgericht zukommen, wie bisher auf das Verwaltungsgericht Köln zugekommen sind.

Das, was hier vorgeschlagen wird, ist – wie gesagt – eine völlig uneinsehbare Verschiebung der Belastung. Diese Vorlage wurde am 29. Februar, einem zusätzlich geschenkten Arbeitstag, vom Senat beschlossen. Er hätte diesen Tag besser nutzen sollen. Diese Vorlage gehört in den Papierkorb.

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Das Wort hat der Abgeordnete Lorenz – bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer die Vorlage sehr aufmerksam liest, der muss nach sehr intensiver Prüfung bemerken, dass sie rechtlich, ja verfassungsrechtlich bedenklich ist, dass sie im Blick auf die Verwaltungsreform unsinnig ist und dass sie mit Sicherheit ein falsches politisches Signal setzt.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall bei der PDS und den Grünen]

Ich will das kurz erläutern: Die Bedenklichkeit im Verfassungsrecht beruht u. a. darauf, dass der Bundestag bzw. die Bundesregierung in diesem Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung durchaus auch von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, Widerspruchsverfahren wegfallen zu lassen. Er hat das bei der Duldung getan. Nach allgemeiner juristischer Interpretation hat er damit von seiner Gesetzgebungsbefugnis Gebrauch gemacht, und zwar in einer ganz bestimmten Art und Weise, so dass jede Weiterung rechtlich sehr bedenklich ist. Man muss das im Einzelnen sehr genau prüfen, aber das ist auch eine verfassungsrechtliche Bedenklichkeit.

Die Kosten, die dabei entstehen, sind nach meiner Einschätzung erheblich. Es mag ja sein, dass die Widerspruchsverfahren so ausgegangen sind, wie sie ausgegangen sind, aber selbst diese Tatsache, dass es eine Instanz gab, die zumindest ganz grobe Verstöße aus dem Wege geräumt hat, hat schon etwas bewirkt. Ich bin sicher, dass die Widerspruchsverfahren, unter denen jetzt zweieinhalb Leute in der Innenverwaltung zusammenbrechen, auf das Verwaltungsgericht kommen, und die können nicht so entscheiden wie die Entscheider in der Innenbehörde. Die müssen nämlich wirklich einmal rechtlich prüfen. Das heißt, es werden teurere Verfahren werden. Und es kommt noch etwas hinzu, was hier nicht bedacht wird: Eigentlich soll ein Verwaltungsverfahren im Widerspruch nicht nur die Rechtmäßigkeit, sondern auch die Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes überprüfen. Wenn das getan worden wäre, wäre vielleicht das eine oder andere Verfahren vermeidbar gewesen. Leider hat man über die Zweckmäßigkeit mancher Wege, die die Ausländerbehörde beschreitet, nicht hinreichend nachgedacht.

Ich bin also sicher, dass die Kosten, die bei der Justizverwaltung entstehen, sehr viel höher sein werden. Oder es kommt zu einem Stillstand der Rechtspflege, weil die Verfahrensdauer dann nicht mehr zwei Jahre, sondern drei oder vier Jahre betragen wird. Das ist durchaus schon einmal realistisch gewesen. Dass dies teilweise bedeutet, dass es zu schweren Verletzungen des Grundrechtes kommt, wenn beispielsweise Ehepartner durch dieses Verfahren auf Dauer oder relativ lange von der ehelichen Lebensgemeinschaft ausgeschlossen werden, darauf möchte ich nur hinweisen. Es wäre also eher vernünftig gewesen, ein gutes Widerspruchsverfahren zu machen, wie es beispielsweise in Bayern besteht, wo die Verwaltungsgerichte viel weniger belastet sind, weil sie mit vorzüglichen Widerspruchsbescheiden der Behörde konfrontiert sind, und sich daher auch auf diese beziehen können.

Schließlich und endlich zur politischen Frage: Ich halte es für eine Weltstadt, die sich anheischig macht, eine Metropole, vielleicht d i e Metropole in Europa oder wenigstens in Mitteleuropa zu werden, für nicht besonders glücklich, wenn man gerade für Ausländer das rechtliche Verfahren verkürzt. Das macht einen schlechten Eindruck und wird sicherlich auch dazu führen, dass bestimmte Länder, die kritisch – und zur Recht kritisch – auf die Bundesrepublik Deutschland schauen, der Meinung sind, dass man schon wieder etwas lässig mit den Fremden umgeht. Diesem Vorwurf sollte sich ein Staat wie die Bundesrepublik Deutschland, die davon abhängig ist, in der Welt insgesamt eine gute Achtung zu genießen, nicht aussetzen, einen solchen Eindruck sollte man vermeiden. Dass die Weltstadt Berlin der einzige Ort in der Bundesrepublik ist, der das tut, obgleich er es selbst in Anspruch nimmt, nun gerade diese Weltstadt zu sein, die weltoffen ist und von Ausländern lebt und Ausländer aufnimmt, –

Herr Abgeordneter! Sie müssen zum Schluss kommen.

– gerade eine solche Weltstadt sollte sich diesen Ruf nicht an das Revers heften lassen. Ich glaube also, wir müssen eine intensive Beratung vornehmen. Ich sehe im Augenblick nicht, dass diejenigen, denen Rechtsstaatlichkeit etwas bedeutet, einer solchen Vorlage zustimmen können.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall bei der PDS und den Grünen]

Die Vorabüberweisung hatten Sie bereits bestätigt. Im Ältestenrat wurde zusätzlich noch die mitberatende Überweisung an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung beantragt. Darüber lasse ich abstimmen. Wer diesem Überweisungswunsch folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Die Wahl der Richter des Verfassungsgerichtshofs haben wir bereits nach der Fragestunde vorgenommen.

Wir haben jetzt mehrere Wahlen, deshalb bitte ich Sie, bei den nächsten Tagesordnungspunkten konzentriert zuzuhören.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 7, Drucksache 14/33:

Wahl von fünf Personen zu Mitgliedern des Vorstandes der Jugend- und Familienstiftung des Landes Berlin

Wir kommen zu einer einfachen Wahl gemäß § 74 Absatz 1 Satz 1 unserer Geschäftsordnung.

Es werden vorgeschlagen von der Fraktion der CDU: D a g m a r K ö n i g , P e t e r S i e l e und L u t z R e i c h e r t ; von der Fraktion der SPD: H e l m u t B o r c h a r d t ; von der Fraktion der PDS: K a t r i n F l e i s c h e r.

Wer die Genannten zu wählen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann sind die Genannten gewählt.

Die lfd. Nr. 8 steht als vertagt auf der Konsensliste.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 9, Drucksache 14/186:

Wahl

a) von zwei Vertreterinnen einer Organisation, die die Interessen von Frauen vertritt, zum Mitglied und zur Stellvertreterin eines Mitglieds des Kuratoriums der Humboldt-Universität zu Berlin,

b) von zwei Personen, die Umweltbelange vertreten, zum Mitglied und stellvertretenden Mitglied des Kuratoriums der Humboldt-Universität zu Berlin

In einfacher Abstimmung durch Handaufheben können wir auch hier wählen.

Die Wahlvorschläge entnehmen Sie bitte der Anlage der Drucksache 14/186.

Wer die dort genannten Kandidaten zu wählen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann sind die dort Genannten gewählt.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 10, Drucksache 14/187:

Wahl von zehn Personen zu Mitgliedern sowie Wahl von zehn weiteren Personen zu Ersatzmitgliedern des Kuratoriums der Stiftung des öffentlichen Rechts Pestalozzi-Fröbel-Haus

Zur Wahl werden vorgeschlagen: Von der Fraktion der CDU als Mitglieder: A x e l R a b b a c h , U w e S c h m i d t , A n n e l i e s H e r r m a n n , M a r i o n K i t t e l m a n n und I n g r i d

B u c h h o l z ; als Stellvertreter: B a r b a r a H e r r m a n n , C e r s t i n R i c h t e r - K o t o w s k i , S t e f a n S c h l e d e , H e l l a K a s t e n und F r i e d e r i k e G a l l a n d.

Von der Fraktion der SPD werden vorgeschlagen als Mitglieder: D r. F e l i c i t a s Te s c h , G a b r i e l e T h i e m e D u s k e ; als Stellvertreterinnen: U l r i k e N e u m a n n und E v e l i n e N e u m a n n.

Von der Fraktion der PDS werden vorgeschlagen als Mitglieder: D r. M a r g r i t B a r t h , S i g l i n d e S c h a u b ; als Stellvertreter Wo l f g a n g B r a u e r und P e t r a S c h r a d e r.

Von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird als Mitglied U l r i k e H e r p i c h - B e h r e n s vorgeschlagen; als Stellvertreterin E l f i J a n t z e n.

Wer die Genannten zu wählen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann sind die Damen und Herren gewählt.

Wir sind bei der

lfd. Nr. 11, Drucksache 14/188: