Ich möchte Ihnen noch eines mit auf den Weg geben, weil Sie im Hinblick auf die Zuordnung zum Bund hier Anmerkungen gemacht haben: Es ist inzwischen 4 oder 5 Jahre her, da ging die Debatte um die Finanzierung der Mahnmale in der Stadt. Damals habe ich gesagt, wir müssen sicherstellen, dass beispielsweise Topographie des Terrors und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand möglichst insgesamt vom Bund finanziert werden sollten. Sie waren es, die das heftig kritisiert haben.
Gucken Sie in den Protokollen nach! Ich bin sehr dankbar, dass Sie diesen Standpunkt heute inzwischen übernommen haben und insofern auf dem richtigen Weg sind, auf dem Weg der Tugend.
Ich möchte im Hinblick auf den Kulturetat dem öffentlichen Eindruck entgegenwirken, der in Deutschland und insbesondere im Ausland entstehen könnte, es lohne sich insgesamt nicht mehr, nach Berlin zu kommen, weil die Kulturszene hier kaputt gespart würde. Ich halte für den Zeitraum der letzten 10 Jahre fest, dass darin die Herrichtung des Hamburger Bahnhofs lag, des Stülerbaus für die Sammlung Berggruen, der Bau des Jüdischen Museums, die Konzeption Topographie des Terrors – über die wir uns in der Tat noch über die Ausfinanzierung zu unterhalten haben. Dazu gehört auch die zweite Ausbaustufe des Deutschen Technikmuseums, die Entscheidung über die Berlinische Galerie am Kreuzberg, der Wiederaufbau der Museumsinsel.
Die Entscheidung darüber, dass die EFRE-Mittel dafür in Anspruch genommen werden, die ist nicht erst am Dienstag getroffen worden, sondern vor 14 Tagen und ist übrigens Frau Thoben auch ausdrücklich so in einem gemeinsamen Gespräch vom Finanzsenator, vom Wirtschaftssenator und von mir mitgeteilt worden. Ich sage das nur, damit es keine Geschichten gibt, die immer weiter in der Stadt verbreitet werden.
Wer meint, auf dem Kultursektor sei nichts geschehen und wir würden insgesamt den Abbau der Kulturszene in dieser Stadt betreiben, der irrt, der hat entweder überhaupt keine Ahnung oder der berichtet wider besseren Wissens falsch.
Wir wissen doch, dass im Hinblick auf die Theaterlandschaft und beispielsweise die Opernhäuser besondere Fragestellungen vorhanden sind: wie Komische Oper und Staatsoper in der Zukunft zusammenarbeiten, welche Form der Zusammenarbeit es zwischen den sonstigen Musiktheatern gibt, also Theater des Westens und im Bereich der leichten Muse der Friedrichstadtpalast, wie ein organisierbarer Abfindungsfonds geschaffen werden kann. Das sind alles Fragen, die nicht im Etat im Einzelnen ausgewiesen werden, sondern Fragen der Haushaltswirtschaft. Das alles steht an.
Auch zu den Reflexen der gegenwärtigen Zeit gehört, dass die Intendanten im Sinne der Selbstdarstellung sehr viel kräftiger und professioneller sind als viele andere.
Es gibt einige Intendanten – Herr Peymann ist heute genannt worden, dass wissen wir nun –, seien sie aus Wien oder aus Stuttgart, es gibt einige Regisseure, einige Künstler, die begreifen sich und ihre gesamte künstlerische Motivation in der Abgrenzung und in der Abrechnung gegenüber Dritten. – Das ist eine höfliche Formulierung von mir. – Das darf aber nicht dazu führen, dass die nun glauben, stets mit vollen Kassen rechnen zu können. Ich will allen Intendanten in Berlin eines ausdrücklich auf den Weg geben – und das ist kein Eingriff in die Freiheit der künstlerischen Betätigung: Ich träume davon, ich möchte gerne über möglichst viele gute Inszenierungen die Debatte in der Berliner Kulturpolitik haben und nicht darüber, ob sie denn eine künstlerische Leistung nicht erbringen können, weil sie eine Million DM weniger oder eine Million mehr haben.
Von der Finanzausstattung allein hängt nun wirklich künstlerische Qualität nicht ab! Diese Feststellung muss ich hier mit aller Deutlichkeit treffen.
Das alles deutet darauf hin, dass die Situation beherrschbar ist, auch mit den vorhandenen finanziellen und personellen Mitteln. Natürlich, wenn Sie bei den bevorstehenden Abschlussberatungen im Hauptausschuss Deckungsvorschläge machen, dann wird der Senat das alles mit großem Interesse verfolgen. Momentan haben wir beim Haushalt die Stunde des Parlaments und nicht der einzelnen Vorlagen des Senats.
Aber ich gehe von der Gesamtverantwortung aus, weil es nicht nur ein Thema Kulturfinanzierung gibt, sondern die Finanzierung auch bei den Schulen, in einigen Feldern der Sozialpolitik, in der inneren Sicherheit ein Thema ist, dass wir einen ausgewogenen Haushalt vorlegen müssen und dass die Eckdaten sich dort nicht mehr verändern. Jedenfalls erwarte ich für das Jahr 2000 nichts anderes, und die Entscheidung für das Jahr 2001 werden wir in Kürze treffen. Das ist die Ausgangsposition für jeden, der exekutive Verantwortung in Berlin in der Zukunft wahrnimmt.
Noch einmal zur Kollegin Thoben. Ich habe schon darauf hingewiesen: Ich bedaure ihren Rücktritt. Ich halte auch fest, dass in ihrer kurzen Amtszeit durch die Art, wie sie ihr Amt angepackt hat, und auch durch die Erwartungen, die gerade durch ihr spezielles Profil in Hinblick auf wirtschaftliche Verhaltensweisen und dergleichen in sie gesetzt worden sind, Bewegung in Kultur- und Wissenschaftspolitik gekommen ist. Ich sage hier auch: Ich danke ihr für die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Der Antritt hat ebenso viel Bewegung gebracht wie ihr Abtritt. Dabei will ich vor allen Dingen zwei Punkte nennen.
Erstens: Wir werden den eingeschlagenen Weg der Reform und der Privatisierung und der Stärkung von Eigenverantwortung und Selbständigkeit konsequent weitergehen. Als der Berliner Senat 1993 die staatlichen Schaubühnen schließen musste, begann – ich erinnere daran! – nach einem heilsamen Schock, eine neue Diskussion, in der nicht selten Regisseure
und Intendanten selbstkritisch über die Struktur des Theaters und seine Kosten nachdachten. Intendanten, die kurz zuvor noch zusätzliche Millionen gefordert hatten, wollten auf einmal, um den Zusammenbruch ihres Hauses abzuwenden, Mittel in Millionenhöhe aus dem eigenen Haushalt zur Verfügung stellen. Ich erinnere nur daran, dass das „verbeamtete und vergewerkschaftete Theater“ – das war August Everding – grundsätzlich in Frage gestellt wurden. Coram publico wurden horrende Honorierungswünsche der Intendanten und Regisseure angeprangert. Ich zitiere einen, der sich jetzt auch an der Debatte, auch in seiner Rolle im Rat der Künste beteiligt. Jürgen Schitthelm konnte damals unwidersprochen feststellen:
Die Sparmöglichkeiten sind vielfältig in einer Stadt mit so vielen Theatern. Aber das Personal in Verwaltung und Technik wird behandelt wie Friedhofsgärtner im öffentlichen Dienst. Nach 30 Jahren Wohlstand müssten etwa Bühnentechniker jetzt auch einmal Teildienst machen – 4 Stunden Vormittags und 4 Stunden Abends.
Ich räume ausdrücklich ein: Das haben wir bis heute nicht hingekriegt, weil das Gegenstand von Tarifverhandlungen ist, auch mit dem Bühnenverein und anderen. Aber an den Beispielen und an der Debatte, die wir in Berlin schon einmal hatten, wird deutlich, dass die Probleme dieser Stadt lösbar sind und dass wir erwarten können und erwarten müssen, dass alle, die unmittelbar in den Theatern tätig sind, ihren Beitrag leisten. Der wird auch eingefordert! [Beifall bei der CDU und der SPD]
Das langfristig Planungssicherheit bringende Theaterfinanzierungskonzept hat noch kein ausreichendes Kostenbewusstsein geschaffen. Jedenfalls kann ich das den Reaktionen entnehmen. Aber die Diskussionen haben stattgefunden. Daran werden wir anknüpfen. Wir wollen nicht etwa strukturelle Veränderungen als Schließungen im Bereich der Theaterlandschaft verstanden wissen. Aber eines halte ich hier auch fest: Eine Bühne, die selbst nicht mehr die hinreichende künstlerische Qualität bringt, einzelne Theaterleute oder generell Künstler, die – wie man im künstlerischen Bereich sagt – abgetanzt, abgelatscht sind, die werden nicht weiter künstlich durch öffentliche Subventionen gefördert werden können – das muss klar sein –,
sondern da müssen wir für Neues, auch für neue Kreativität und neue, innovative Kräfte ein Stückchen Raum schaffen. Das gehört zur Lebendigkeit einer Theater- und Kulturstadt!
Das Zweite – darüber ist im Einzelnen hier schon gesprochen worden – ist die notwendige offene Diskussion über die Zukunft der Hauptstadtkultur. Es kann nicht sein, dass Berlin ständig um die von der Bundesregierung zugesagten 100 Millionen DM betteln muss und dass diese Beträge dann von einem Parlamentarischen Staatssekretär nach Gutsherrenart und kurzfristig fallweise vergeben werden
und dann noch in einer Form fallweise vergeben werden, dass die Beträge mindestens drei Mal gleichzeitig ausgegeben werden. Wenn die Bundesregierung zum Kulturetat nicht einen festen und berechenbaren Beitrag leisten möchte, müssen und können zwischen dem Bund und dem Land die Institutionen ausgehandelt werden, die der Bund in Zukunft ganz oder wenigstens hälftig übernehmen möchte. Ich weise darauf hin, dass man sehr Acht geben muss, welche Institutionen dafür im Rahmen unseres Verfassungsverständnisses und der Kulturhoheit der Länder in Betracht kommen. Es sind im Regelfall die Institutionen, die etwas mit Darstellung der Geschichte des Gesamtstaates, der Nation zu tun haben. Es können Einrichtungen sein, die ganz bewusst auch Aufgaben im Rahmen der außenpolitischen Repräsentanz der Bundesrepublik Deutschland haben. Ich möchte also nicht, dass wir durch die Art der Finanzierung und die einzelne Ausformung wegen des Kulturföderalismus eine streitige Debatte über die Hauptstadtfinanzierung mit anderen
Ländern bekommen. Und ich muss ausdrücklich einzelne Repräsentanten der Bundesregierung darauf hinweisen, dass sie hier bitte sorgfältig zu argumentieren haben.
Das Einmischen in alle Einzelfragen der Landes- oder Kommunalzuständigkeit wird hier den Wunsch Berlins, dass der Bund sich durchaus beteiligen kann, eher hindern als fördern. Diese Mahnung – ich will es ausdrücklich als Mahnung begriffen haben – will ich hier formulieren.
Meine Damen und Herren, hier gibt es – in den Anträgen sind ergänzende Vorschläge gemacht worden – angesichts der Debatten, die wir im letzten Jahr mit dem Bund hatten, durchaus Möglichkeiten, dass wir nicht quer durch verschiedene Institutionen, sondern an einzelnen Institutionen orientiert, zu einer Mitverantwortung des Bundes kommen. Nur eines sage ich dann auch noch, damit es da gar nicht erst Ärger gibt: Die Einrichtungen, die der Bund dann eventuell in Eigenverantwortung übernimmt, sind nicht automatisch die einzigen Leuchttürme der Berliner Kulturszene,
sondern da gibt es wahrlich mehr, übrigens auch – da haben Sie völlig Recht, Frau Ströver – im Spannungsfeld zwischen dem, was der Bund dann macht, und dem, was städtische Kultur ist. Und dass zur städtischen Kultur nicht nur die großen Häuser gehören, sondern auch die kleinen und die kulturelle Szene insgesamt, die nämlich die Kreativität bringt und die Anziehungskraft für junge Leute, das will ich Ihnen hier ausdrücklich bestätigen. [Beifall bei der CDU und der SPD – Zuruf der Frau Abg. Oesterheld (Grüne)]
Ich erwarte also von Herrn Naumann auch ein Stück weit Zurückhaltung auf der einen Seite und Kreativität auf der anderen.
Erstens: Wir werden die wirtschaftliche Basis der Stadt verbreitern müssen. Ohne das ist die Vielfalt auch im wissenschaftlichen Bereich, in der Forschung und in der Kultur nicht zu erhalten. Hier ist zu Recht mehrmals darauf hingewiesen worden, dass die kulturelle Ausstrahlung und die Vielfalt der kulturellen Institutionen und Aktivitäten in der Stadt eine wesentliche Grundlage für die wirtschaftliche Entwicklung und für die Anziehungskraft gerade auch in Bezug auf neue Unternehmen sind. Dabei rede ich nicht nur vom Tourismus, sondern ich rede insgesamt von einer neuen Szene im Bereich der Dienstleistungen und der neuen Technologien.
Zweitens: Wir werden die inneren Reformen konsequent weiter umsetzen. Und das betrifft auch nicht nur das Feld der Kulturund der Wissenschaftspolitik, sondern die Stadt insgesamt – von der Verwaltungsreform bis hin zu dem, was schon beschlossen ist, Verwaltungs- und Bezirksgebietsreform oder die Polizeireform. Das Beispiel der Hochschulverträge muss auch auf andere Bereiche übertragen werden.
Und der dritte Punkt ist die Debatte um den Länderfinanzausgleich und den Solidarpakt. Dabei wird es auch ganz neue Formen geben müssen, die in den Länderfinanzausgleich und in den Bund-Länderausgleich einbezogen werden. Leistung muss sich lohnen. Das ist völlig richtig. Dazu gehört aber auch, dass das System entsprechend angelegt sein muss. Ich erinnere an die Debatten, die in der letzten Legislaturperiode vom Kollegen Radunski geführt wurden. Dabei ging es darum, ob es volkswirtschaftlich sinnvoll ist, in Kultureinrichtungen zu investieren, weil damit zusätzliche Einnahmen im Bereich des Tourismus entstehen. Eine solche Debatte darf nicht einfach durch die Feststellung beendet werden, dass das für unsere Steuereinnahmen sowieso nichts bringt, weil im System der verbundenen Röhren des Länderfinanzausgleichs für uns nichts übrig bleibt. Das heißt, auch die nehmenden Länder haben ein Interesse daran, dass der Grundsatz gilt: „Leistung in den einzelnen Regionen muss sich lohnen!“ Dass wir in dem Gesamtsektor keinen kalten
Wettbewerbsföderalismus haben wollen, sondern dass wir erwarten, dass gleiche Chancen für alle Länder unter Berücksichtigung der besonderen Belastungen – dabei übrigens auch der Altlasten auf dem Feld der deutschen Teilung – eingeräumt werden, ist aus meiner Sicht Grundbedingung.
Wenn man sich das alles vor Augen hält, besteht wahrlich keine Veranlassung zur Panikmache, sondern die Chancen der Stadt bestehen, wenn sie auch mit riesigen Schwierigkeiten in den Übergangsphasen verbunden sind.