Eberhard Diepgen

Sitzungen

14/3 14/5 14/7 14/8 14/9 14/11 14/13 14/18 14/21 14/22 14/23 14/25 14/27 14/28 14/29

Letzte Beiträge

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn das Ergebnis noch nicht ausgedruckt ist – es liegt vor. Ich nutze die Gelegenheit, mich bei den Berlinerinnen und Berlinern für die vielen Jahre zu bedanken, in denen ich für die Stadt, für die Berlinerinnen und Berliner arbeiten durfte.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst bitte ich um Verständnis für meine kurze Verspätung. Dass das Fragebedürfnis des Parlaments so eingeschränkt ist, ist eine gewisse Neuigkeit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Mittelpunkt der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauses steht sicher der eingebrachte Misstrauensantrag gegen den Regierenden Bürgermeister und Mitglieder des Senats. Damit müssen Sie als Abgeordnete eine Entscheidung von großer politischer Tragweite treffen.
Ich will heute an eine andere Entscheidung erinnern. Vor zehn Jahren mussten die Abgeordneten des Deutschen Bundestages eine Entscheidung treffen, die ebenfalls von einer großen politischen Tragweite war. Damals ist die Entscheidung für Berlin gut ausgegangen.
Selbst langjährige Kenner des deutschen parlamentarischen Systems haben übereinstimmend die Hauptstadtdebatte des Deutschen Bundestages am 20. Juni 1991 als eine Sternstunde unserer parlamentarischen Demokratie erlebt. Thema dieser ganz ohne Fraktionszwang und parteipolitische Rücksichtnahme geführten Debatte war dabei keineswegs die Verlegung von einigen Tausend Beschäftigungspositionen von Bonn nach Berlin, sondern eine Auseinandersetzung mit dem Wesen einer Hauptstadt und damit dem Wesen einer Nation, verbunden mit einer klaren Einordnung einer sich nach Osten erweiternden Europäischen Union. Manchmal scheint der parlamentarische Betrieb im tagespolitischen Taktieren und im parteipolitischen Proporz unterzugehen, am 20. Juni 1991 erlebte aber die deutsche Demokratie im wiedervereinigten deutschen Vaterland eine Parlamentsdebatte in ihrer höchsten Form. Dabei stand nicht nur das knappe, für viele überraschende, für manche sicher auch enttäuschende Ergebnis im Mittelpunkt, sondern zunächst einmal die Debatte selbst.
Das Symbol für Einheit und Freiheit, für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, für das ganze Deutschland war wie keine andere Stadt immer Berlin – von der Luftbrücke, über den 17. Juni 1953, vom Mauerbau im August 1961 über den 9. November 1989 bis hin zum 3. Oktober 1990.
Ob wir wirklich ohne Berlin heute wiedervereinigt wären? – Ich glaube es nicht. – So argumentierte Wolfgang Schäuble. Hans-Dietrich Genscher ergänzte: Vereinigung heißt auch, aufeinander zugehen. Mit der Hauptstadtentscheidung können wir – so Hans-Dietrich Genscher – ein Zeichen setzen.
Unsere Aufgabe ist es:
so führte Willy Brandt aus –
1. mit dafür zu sorgen, dass Teilung durch Wort halten überwunden wird,
2. so nahe wie möglich an dem zu bleiben, was der Bundestag seit 1949 beschlossen und versprochen hat,
3. so zu entscheiden, dass wir die neue Lage ebenso im Auge behalten wie die veränderte europäische Realität.
Man muss – so meinte wohl Willy Brandt, in dieser Hinsicht vielleicht ein Konservativer – eben das halten, was man versprochen hat, um glaubwürdig und verlässlich zu sein.
Und Willy Brandt fuhr dann fort:
Beim Thema Europa scheinen einige zu meinen, nationale Hauptstädte werde es bald nicht mehr geben. Ich habe meine Zweifel, was den Zeitraum angeht. Ich rege Wiedervorlage an, wenn die Briten London, die Spanier Madrid et cetera abgeschafft haben werden.
Und Konrad Weiß gab abschließend sozusagen eine persönliche Liebeserklärung für die Stadt ab. Er formulierte:
Berlin ist Zukunft, ist Leben, ist Spannung und Stress, Unruhe und Bewegung. Berlin ist widerspenstig und widersprüchlich. Berlin wird uns nicht in Ruhe lassen.... Für Bonn spricht viel, aber für Berlin spricht alles.
Die Debatten von damals sollen – müssen vielleicht – nicht erneut geführt, die Schlachten nicht zum zweiten Mal geschlagen werden. Viele Parlamentarier, die vor zehn Jahren gegen Berlin gestimmt haben, wurden in der Zwischenzeit sicher für diese Stadt gewonnen.
Mit dem Bezug des Bundeskanzleramtes ist zehn Jahre nach dem historischen Hauptstadtbeschluss der Umzug – so hat es der Bundeskanzler formuliert – formal beendet. Ein Mitglied der Bundesregierung hatte formuliert: „Damit ist jeder Umzug von Bonn nach Berlin auch abgeschlossen.“ – das war damals der Witz der Woche.
Architektonisch fügen sich die Regierungs- und Parlamentsbauten hervorragend in die Berliner Stadtplanung ein. Dafür hat auch Berliner Stadtpolitik, Berliner Stadtplanung Sorge getragen. Bis auf das neue Bundeskanzleramt sind alle Mitglieder der Bundesregierung in renovierten oder erweiterten Altbauten untergebracht. Der Bundesrat hat im ehemaligen Preußischen Herrenhaus eine hervorragende Adresse, der Bundestag im alten Reichstagsgebäude seinen historisch angemessenen Sitz. Auch im Jakob-Kaiser-Haus gelingt die für Berlin typische Verbindung zwischen historischer Bausubstanz und moderner Architektur. Das von Axel Schultes und Charlotte Frank konzipierte, Ost und West verbindende und spreeübergreifende Band des Bundes hat zwar noch nicht seine volle Symbolkraft entfaltet, weist aber ganz genau in die richtige Richtung, genau so, wie die innere Wiedervereinigung selbst, die ebenfalls noch nicht vollendet ist.
Für Berlin hat der Umzug von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung natürlich positive Auswirkungen. Geist und Geld kamen in die Stadt, nicht nur durch den Umzug der öffentlichen Bediensteten, sondern insbesondere durch die ihnen folgenden Interessenvertreter, die Verbände, die Botschaften und die Medien. Auch für viele Firmen, beispielsweise aus dem Multimedia-Bereich oder den neuen Technologien, wurde die Stadt – durch Krieg und Teilung wirtschaftlich arg gebeutelt – wieder besonders attraktiv.
Und dennoch wurde der wirtschaftliche Einfluss des Hauptstadtbeschlusses, insbesondere in der Bundespolitik, immer überschätzt. Trotz positiver Tendenzen hat das Wirtschaftswachstum in Berlin das deutsche Mittelfeld noch nicht erreicht, können die Chancen der Zukunft die Lasten der Teilung noch nicht voll ausgleichen. Regierungssitz zu sein ist noch lange allein kein Erfolgsrezept für eine starke Wirtschaftsmetropole; Beispiele wie Ottawa, Albany oder Canberra belegen das. Berlin musste und muss hart um seinen Platz im Konzert der europäischen Wirtschaftsmetropolen kämpfen. Bei allen eigenen Anstrengungen, die sicher in der Zukunft immer noch zu verstärken sind, muss festgehalten werden, dass auch die deutsche Hauptstadt, wie alle anderen Hauptstädte, kein Selbstläufer ist, sondern Hauptstädte eine Gemeinschaftsaufgabe sind, eine nationale Gemeinschaftsaufgabe.
(A) (C)
(B) (D)
RBm Diepgen
Für die deutsche Föderalismusdiskussion sei festgehalten: 16 Landeshauptstädte ersetzen noch keine Bundeshauptstadt. Der deutsche Umdenkungsprozess, der mit der Debatte vor zehn Jahren im Bundestag begonnen hatte, ist noch nicht abgeschlossen. „Nur eine Nation, die keine sein will, braucht keine Hauptstadt und keine Solidarität.“ Ich erinnere an diesen Satz von Brigitte Seebacher-Brandt. Das war die Herausforderung, eine Hauptstadt auch zu akzeptieren, mit all dem, was dazugehört.
So segensreich der Umzugsbeschluss 1991 war, so schädlich seine verzögerte Umsetzung. Chancen wurden dadurch verpasst oder kleingeredet. Berlin verfügte bei der Wiedervereinigung noch aus DDR-Zeiten über eine regierungs- und parlamentstaugliche Infrastruktur. Ein Umzug aus dem Stand heraus wäre damals möglich gewesen. Natürlich sind wir Berliner und sicher auch die meisten Menschen in den neuen Bundesländern bis heute froh, dass mit dem historischen Umzugsbeschluss ein kraftvolles Zeichen für die innere Wiedervereinigung gesetzt wurde. Aber manche Entwicklungschancen Berlins wurden durch den zögerlichen Umzug behindert. Insgesamt kann aber festgehalten werden, dass der Hauptstadtumzug eine logistische Meisterleistung gewesen ist, ein Stück deutsche Wertarbeit im gesetzten Kostenrahmen, allerdings – wie ich eben schon sagte – im verzögerten Zeitrahmen. Für das insgesamt so erfolgreiche Unternehmen sei all jenen, die sich mit ihren öffentlichen Äußerungen, mit ihrem Abstimmungsverhalten im Deutschen Bundestag oder auch mit Inititiativen im Deutschen Bundesrat oder mit ihrer Arbeit für Planung und Umsetzung des Umzugs eingesetzt haben, noch einmal hier von dieser Stelle herzlich im Namen der Berlinerinnen und Berliner gedankt.
Zehn Jahre lang hat die Berliner Koalition aus CDU und SPD den Wiedervereinigungsprozess gestaltet, von Berlin aus, aber keineswegs ausschließlich für unsere Stadt. Damals standen wir wirklich vor einem Neuanfang. Die Leitlinie war, das Zusammenwachsen Berlins zu ermöglichen, zu fördern und zu beschleunigen. Wir wollten eine Einheit in Freiheit ohne Sieger und Besiegte. Und wir haben im Umbruch die Balance wahren wollen.
Deswegen war es so wichtig, dass wir zehn Jahre lang Aufbau Ost vor Ausbau West gesetzt haben,
dass wir gegen erhebliche Widerstände in Berlin eine Politik der Tarifangleichung, also gleichen Lohn für gleiche Arbeit, verfolgt haben. Und ich erinnere mich noch sehr genau, wie 1990, 1991 – der vor kurzem Koalitionspartner – Herr Momper mit Polemik gegen diese Forderung der Lohnangleichung vorgegangen ist. Ich erinnere mich sehr genau daran, dass sie erst langsam dazu bewegt werden mussten, eine solche Politik der inneren Einheit wirklich zu verfolgen.
Es war wichtig, dass wir ein einheitliches Gesundheits-, Bildungs- und Sozialsystem aufgebaut haben, dass wir Justiz, Polizei und Feuerwehr, dass wir jahrzehntelang getrennte Institutionen möglichst ohne Verwerfungen wieder zusammengeführt haben.
Haushaltspolitisch war dieser Kurs mit erheblichen zusätzlichen Ausgaben verbunden. Ich wundere mich heute, wer so alles dagegen polemisiert, dass wir in der Haushaltsentwicklung Schwierigkeiten haben: weil wir diese Politik der inneren Einheit betrieben haben.
Es war eine bewusste Entscheidung übrigens der gesamten Koalition in all den Jahren, die Sanierung der Infrastruktur der Stadt, die teils seit 100, teils seit 50 Jahren nicht mehr in Angriff genommen worden war, in den neunziger Jahren anzupacken. Niemand, Frau Kollegin Schöttler, in diesem Haus will wohl in Zweifel stellen, dass es auch sinnvoll war, bei den Aufbauarbeiten, bei der Stadtentwicklung Leitlinien zum Ausbau Berlins zu einer behindertengerechten Metropole mit zu berücksichtigen. Niemand will das wohl, auch wenn das zusätzliches Geld gekostet hat.
Bei nahezu allen Entscheidungen mit finanziellen Auswirkungen stand der Senat immer im Spannungsfeld zwischen den Fragen: Was können wir uns finanziell leisten? Und was müssen wir uns aus Gründen der Zukunftssicherung Berlins leisten? – Die Debatte hierüber ist immer sehr intensiv und – Herr Kollege Böger, Sie werden sich erinnern – auch kontrovers geführt worden. Ich erinnere an Ihre heftigen Anstrengungen, Bemühungen, gerade im Schulbereich die Einsparungen in der Amtszeit Ihrer Amtsvorgängerin noch weiter zu verstärken. Ich erinnere daran, dass Sie den Vorwurf formuliert haben: Da ist ja Unfähigkeit zur Sparsamkeit. – Herr Böger, ich weiß, dass Sie jedenfalls heute zufrieden damit sind, dass der damalige und heutige Regierende Bürgermeister Ihre Amtsvorgängerin und heute auch Sie selbst gegen sich selbst immer in Schutz genommen hat.
Weil wir Arbeitsplätze und Steuerkraft fördern wollten, haben wir, und zwar gemeinsam, den Haushalt oft erheblich belastet. Der gleichzeitig notwendige Ausgleich musste dabei – das ist eine Folge für mittelfristige Finanzplanungen, um das technisch zu sagen – zeitlich gestreckt werden. Aber notwendige Investitionen vorzufinanzieren, halte ich für eine verantwortliche Politik, nicht nur für gerade mal so verantwortlich, sondern für eine in wesentlichen Punkten auch notwendige Politik.
Zunächst einmal – das wissen wir alle – muss Berlin seine Hausarbeiten machen, die Stadt muss modernisiert werden. Wir müssen alle Anstrengungen der Sparsamkeit durchführen, uns auf Kernaufgaben konzentrieren. Aber Kernaufgaben sind so zu definieren, dass sie auch die Zukunft und die Zukunftsmöglichkeiten der Berlinerinnen und Berliner mit umfassen.
Dann muss die Stadt ihre Position im Bund-Länder-Finanzausgleich sichern. Der Kollege Kurth hat hier gute Vorbedingungen für die Erörterungen geschaffen, die gerade auch in der nächsten Woche wieder stattfinden. Schließlich ist die Verantwortung der gesamten Nation – ich sage: nicht nur des Bundes – für ihre Hauptstadt herauszuarbeiten. Dabei ist dann zu beachten: Was ist hier nationale Aufgabe? Was ist kommunale
(A) (C)
(B) (D)
RBm Diepgen
Das alles sind die Entscheidungen, die wir dann auch zu treffen haben, anzumahnen haben. Und ich sage, in dieser Reihenfolge wegen der Durchsetzbarkeit in dieser Republik. In dieser Republik war es nämlich leider nicht in allen Punkten – und ist es heute noch nicht – eine Selbstverständlichkeit, dass nationale Einrichtungen, die es in Berlin gibt, dass das, was teilungsbedingte Lasten dieser Stadt sind, mit großer Selbstverständlichkeit auch als Gemeinschaftslasten angesehen werden. Aber selbstverständlich erst unsere Schularbeiten, dann der Normalfall des Länderfinanzausgleichs und dann die Sonderaufgaben, die für Berlin zu bewältigen sind!
Ich behaupte – das betraf nicht nur mich, aber wenn Sie wollen, formuliere ich es auch sehr persönlich bezogen –, die Modernisierung unserer Stadt mit sozialem Gesicht, das ist jedenfalls mein Credo.
Berlin ist heute wieder die wichtige Metropole im Herzen Europas. Übrigens sind sich alle ausländischen Beobachter da längst einig. Ich komme auf die Zitate von Herrn Weiß zurück. Die ausländischen Beobachter sind sich längst einig: Die Stadt ist kreativ und vital. Die Berliner sind spritzig und witzig,
und ich behaupte, von Ideen sprühend. Ein bisschen ist dabei – den Zuruf nehme ich gerne auf – auch bei der Regierung hängen geblieben, und zwar in all diesen Charakterisierungen, die ich eben vorgenommen habe. Aber vor allen Dingen für die Stadt ist es entscheidend. Aber wir wissen, nur die Stadt selbst schwankt in ihrer Rollenfindung zwischen Wagemut und Wehgeschrei. Angesichts der Spannungen und der Belastungen in dieser Stadt – und zwar der Menschen in dieser Stadt – ist das auch sehr verständlich.
Und dieses in einer sozial verträglichen Form gestaltet zu haben, das ist der richtige Weg, auch übrigens für die Zukunft – ganz abgesehen davon, Herr Wowereit, dass betriebsbedingte Kündigungen nichts anderes sind als Beschäftigungsprogramme für die Arbeitsgerichte und andere Juristen.
Wir haben den Berlinern viel zugemutet, den Menschen im Osten sicher die gewichtigeren Änderungen
und denen im Westen die größeren finanziellen Abstriche. Aber die Freude über die Gestaltung der Einheit – jedenfalls bei mir – überwiegt bei weitem die Schwierigkeiten, die wir insgesamt in
der Entwicklung hatten. Ohne Reibungsverluste verlief der Prozess der inneren Wiedervereinigung nicht. Ich möchte aber an dieser Stelle allen Berlinerinnen und Berlinern herzlich für ihre große Veränderungs- und Modernisierungsbereitschaft danken, dafür, dass die Stadt – so ist es in den Medien einmal beschrieben worden – so geliftet worden ist, sich so verändert hat, auch die gesellschaftlichen Strukturen sich so verändert haben.
Ich bedanke mich für die Anpassungsfähigkeit, für die Geduld und übrigens auch für die Weitsicht der Berliner bei der Volksabstimmung über die Fusion mit Brandenburg, denn da war die weitsichtige Entscheidung bei den Berlinerinnen und Berlinern.
Und ich bedanke mich für Tatkraft und auch dafür, dass vieles ein Stück mit Humor genommen wird. Jedenfalls haben die Berlinerinnen und Berliner die Entwicklung der Stadt so begleitet.
Was die Berlinerinnen und Berliner gemeinsam geleistet haben, die Mitarbeiter des so oft gescholtenen öffentlichen Dienstes, die Arbeiter auf dem Bau, die Planer am Reißbrett, die Wissenschaftler im Labor und die Unternehmer im Büro, das sucht seinesgleichen. Jedenfalls: Die Stadt war und wird bleiben eine Werkstatt der Einheit, in der das Berlin und das Deutschland der Zukunft entsteht.
Solche Fähigkeiten brauchen wir auch in den nächsten Jahren. Denn im Prozess der inneren Wiedervereinigung haben wir die Halbzeit gerade erst überrundet. Wir konnten unser Ziel, die weitgehende Angleichung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse, noch nicht vollständig erreichen. Wir werden sicher noch Jahre in ganz Deutschland benötigen, um wirklich von Deutschland einig Vaterland sprechen zu können. Das betrifft die materiellen und noch mehr die mentalen Voraussetzungen.
Mir ist wegen der Kraft der Stadt und der Berlinerinnen und Berliner über die Zukunft Berlins nicht bange. Aber ich habe Sorge, dass durch die aktuelle politische Entwicklung dringend notwendige Entwicklungsschritte, die für eine gedeihliche Entwicklung Berlins in nächster Zeit dringend erforderlich sind, nicht rechtzeitig oder nicht hinreichend erfolgen werden.
Ich denke dabei an die Herausforderungen beim Länderfinanzausgleich. Ich habe schon darauf hingewiesen, welche Ausgangsposition der Kollege Kurth gemeinsam mit vielen Ländern, und zwar parteiübergreifend, erarbeitet hat.
Ich denke aber auch an die Lösung der aktuellen Bankenkrise. Ich bin beunruhigt, dass gestern im Hauptausschuss nicht das klare Signal ausgesendet worden ist, dass hier das Land Berlin als Eigentümer seine Pflichten erfüllt. Da geht es übrigens nicht nur um Kapital, sondern auch um Vertrauen auf den Märkten, und da ist deutlich geworden, dass die Entscheidungen nicht getroffen werden, zum Nachteil der Sparer und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Ich denke an den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld. Da kommen wir jetzt in die entscheidende Phase. Wie sind denn die Positionen dieses Bündnisses, das sich jetzt abzeichnet? – Völlig durcheinander! Die einen wollen den Flughafen kleiner, und die anderen wollen auf die Verkehrsanbindung verzichten – um das nur in einigen Punkten zu beschreiben.
Ich denke auch an andere wichtige Investitionsentscheidungen in Bildung und Wissenschaft. Eines ist klar: Wir können nicht alles hier und heute tun. Aber wir dürfen – das darf keine Stadt – die Zukunft auch nicht durch nicht mehr rückholbare Unterlassungen gefährden.
(A) (C)
(B) (D)
RBm Diepgen
Ich werde mich weiter einsetzen für eine auskömmliche Förderung von Forschung und Wissenschaft, für die Opernhäuser und die Vielfalt, auch die internationale Vielfalt im kulturellen Angebot. Den Flughafen habe ich bereits genannt. Aber notwendig ist auch die Vision für das, was in der Innenstadt entsteht; dazu gehören die Bauakademie genauso wie die sonstige Bebauung des Schlossplatzes einschließlich des Stadtschlosses mit wesentlichen Teilen der historischen Entwicklung.
Herr Kollege Böger, zur Frage der Verlässlichkeit – ich habe es heute mit Ihnen. Zu den notwendigen Entwicklungen angehört auch eine solide Werteerziehung in Form eines Religionsunterrichts, übrigens eines Religionsunterrichts, der sich praktisch in allen deutschen Ländern bewährt hat.
Dass das alles zusammenhängt mit Überlegungen zum inneren Frieden, zur sozialen Gerechtigkeit, das ist wohl völlig selbstverständlich. Aber auch dieses sage ich heute: Ich fordere einen vernünftigen und nachvollziehbaren Stufenplan für die Tarifangleichung im öffentlichen Dienst. Das muss das Signal sein, das weiter von Berlin ausgeht. Hier erwarte ich von der Bundesregierung endlich verlässliche Vorschläge, damit die Menschen damit auch etwas anfangen können.
Der historische Umzugsbeschluss des Deutschen Bundestages im Juni 1991 war ein Zeichen für den Willen zur Einheit,
Versöhnung und zur Gleichberechtigung. Er sollte Mauer und Stacheldraht, den 17. Juni 1953 und den 13. August 1961 nicht etwa vergessen machen, aber überwinden helfen. In diesem Jahr gedenken wir des 40. Jahrestages des Mauerbaus. Ich glaube, wir müssen – wir wäre es lieb, wenn ich sagen könnte, alle gemeinsam – verhindern, dass alte Wunden wieder aufgerissen werden, dass erneut ein Riss durch die Gesellschaft, eine Spaltung durch die Stadt geht. Der Bruch der Koalition hätte mich, da er lange geplant war, eigentlich nicht überraschen dürfen. Aber er hat mich doch getroffen und betroffen gemacht. Er sprengt das auf fünf Jahre fest verabredete Bündnis. Er widerruft die noch 1999 entschieden vorgetragene Zusicherung der SPDFührung, in keiner Form mit der PDS, der Partei der SED in Kontinuität, zusammen zu arbeiten. Er zeigt in meinen Augen einen Mangel an Verlässlichkeit.
Das ist eine Eigenschaft, die unsere Stadt dringend benötigt.
Die Abgrenzung von der PDS ist dabei keine Ausgrenzung von Menschen in den neuen Ländern, in der alten DDR, nicht einmal von alten Funktionären der SED, denn es kommt auf das Heute, ihre Vorstellungen von heute an.
Dann zeigt sich ein Geist, der absolut nur rückwärts orientiert ist, nicht gelernt hat und für die Zukunft auch nicht Freiheit, Demokratie und soziale Marktwirtschaft gestalten kann.
Ich jedenfalls war entsetzt, auch bei den Korrekturbemühungen, die jetzt über die Ticker laufen, als gestern der stellvertretende Bundesvorsitzende der PDS
ausgerechnet zum 40. Jahrestag des Mauerbaus verkündet: Die Mauer hat 1961 den Frieden in Europa und der Welt erhalten.
Das muss man sich intellektuell auf der Zuge zergehen lassen. Wer so argumentiert, rechtfertigt jedes politische Verbrechen.
Im Herbst 1999 wurden die Mitglieder dieses Abgeordnetenhauses für fünf Jahre in die Verantwortung genommen. Sie haben einen Senat gewählt, der sich damals auf eine breite Koalition stützen konnte. Ein Koalitionspartner möchte nun in ein anderes Bündnis. Rein rechnerisch ist dafür die Mehrheit vorhanden, allerdings nicht eine Mehrheit von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Die sind viel, viel kleiner, weil der Wähler vor eineinhalb Jahren ganz andere Entscheidungen getroffen hat. Also der politischen Kultur entspricht das wohl nicht. Die Mehrheit ist nämlich nur vorhanden, wenn es zum Bündnis der SPD mit der PDS kommt. Es wäre sicher undemokratisch, den Mitgliedern dieses Hauses zu verwehren, eine neue Regierung mit neuen Mehrheiten zu wählen. Aber – das sage ich den Kolleginnen und Kollegen, insbesondere denen, die mir unmittelbar gegenüber sitzen – jeder muss überprüfen, mit wem er Zusammenarbeit anstrebt, mit wem er zusammenarbeitet und in wessen Abhängigkeit er sich begibt.
Jeder Abgeordnete ist nur seinem Gewissen verantwortlich. Jeder Abgeordnete muss sein Verhalten mit seinen ganz persönlichen geschichtlichen Erfahrungen, seinen früheren Aussagen, seiner Verantwortung für die Gegenwart und seiner Hoffnung für die Zukunft in Einklang bringen. Ihre Entscheidung in zwei Tagen wird keine alltägliche sein, sondern ein Signal – weit über dir Grenzen der Stadt hinaus. Und so ist es auch gemeint.
Sie müssen wissen, welches Signal Sie ausgeben wollen. Die Entscheidung kann Ihnen keiner abnehmen; sie können sie nicht delegieren. Also nehme jeder sich in die Pflicht. Aber vergessen und verdrängen Sie bei dieser Entscheidung nicht die Erinnerung an Ernst Reuter und Willy Brandt! – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst etwas Wichtiges vorab: Gestern hat mich der Präsident des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen über die Ergebnisse der Sonderprüfung von Kreditengagements der Bankgesellschaft unterrichtet. Es zeichnet sich immer größere Klarheit ab. Die Angaben haben die bisherigen Einschätzungen im Wesentlichen bestätigt. Inzwischen liegen Presseerklärungen des Bundesaufsichtsamtes vor. Es zeichnet sich ein Kapitalbedarf in Höhe von gut – so formuliert das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen – 2 Milliarden Euro ab. interjection: [Weinschütz (Grüne): 4 Milliarden DM!] Diese Zahl zeigt das gesamte Desaster der Bankenkrise. Ich halte es jedoch für wichtig, dass mit dieser Information nunmehr hoffentlich die galoppierenden Spekulationen über die Entwicklung der Bank und einzelner Kreditengagements zu Ende gehen. Die Krise der landeseigenen Bankgesellschaft Berlin erfasst auch die Entwicklungsmöglichkeiten und das politische Klima der Stadt Berlin. Nicht nur bankenübliche Risiken, die anfängliche Euphorie und das später nur verzögerte Wachstum der Wirtschaft in den neuen Ländern oder die Binnenwanderung in Deutschland zwischen Ost und West, sondern vor allem auch gravierende Fehleinschätzungen und offensichtlich Missmanagement innerhalb der Bank sind die Ursachen. Als Stichworte nenne ich das auch im Abgeordnetenhaus im Rahmen des Untersuchungsausschusses überprüfte Aubis-Engagement der Bank und die Sanierungsversuche für die Immobilientochter des Konzerns. Verstöße gegen das Kreditwesengesetz wurden aufgedeckt und führten zu Rücktritten und Entlassungen einzelner Vorstandsmitglieder. Aufsichtsrat und Vorstand der Bankgesellschaft Berlin sowie die Bankenaufsicht haben Sonderprüfungen einzelner Kreditengagements der Bankgesellschaft und ihrer beiden Tochterunternehmen, der Landesbank und der BerlinHyp, veranlasst. Ergebnisse der Sonderprüfungen hat das Bundesaufsichtsamt heute vorgelegt. Ich habe darauf hingewiesen. Als Ergebnis zeichnete sich bereits vorher – und zwar seit mehreren Wochen – ein zusätzlicher Eigenkapitalbedarf der Bankgesellschaft zur Weiterentwicklung des Kreditgeschäfts ab. Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen hat in der heuti
gen Erklärung eine notwendige Kapitalerhöhung bei der Bankgesellschaft von gut 2 Milliarden Euro genannt. Mit Schreiben vom 21. Mai dieses Jahres hatte der Aufsichtsratsvorsitzende der Bankgesellschaft zuvor Mitglieder des Aufsichtsrats und Anteilseigner informiert, dass die Gesellschaft aus rechtlichen Gründen zur Fortführung ihres Geschäftsbetriebes eine Kapitalzuführung benötige. Die Größenordnung belaufe sich in etwa auf die jetzt genannte Höhe.
Das Land Berlin als Gewährträger der Landesbank und Hauptanteilseigner der Bankgesellschaft Berlin steht hier in der Verantwortung, und wir sehen uns in der Verantwortung. Die Handlungsfähigkeit der Bank ist sicherzustellen. Dabei geht es um die Interessen der Bankkunden, der vielen Tausend Kleinsparer, der 16 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bankgesellschaft. Es geht um das Vertrauen von vielen Tausend gerade kleinen und mittelständischen Unternehmen in ihre Sparkasse und Landesbank. Und es geht um Vermögensinteressen des Landes Berlin. Gegenüber dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen hat der Senat daher die Garantie dafür abgegeben, dass das nach dem Kreditwesengesetz vorgeschriebene und darüber hinaus für die Geschäftsausrichtung erforderliche Eigenkapital der Bankgesellschaft sichergestellt wird.
Der Senat hat mit seinem Beschluss vom 22. Mai eine weit reichende Verantwortung übernommen und zur Abwendung eines größeren Schadens dabei auch für diejenigen zumindest mitgehandelt, die ebenfalls Anteilseigner der Bankgesellschaft sind, kurzfristige Beschlüsse zur Schadensbehebung und zur Sicherung des Geschäftsbetriebes aber nicht treffen wollten oder in dem Zeitablauf nicht treffen konnten. Der Senat war sich bei seiner Entscheidung darüber bewusst, dass die tatsächlichen finanziellen Auswirkungen der Garantieerklärung wegen der Unklarheit über den tatsächlichen Wertberichtigungsbedarf zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststanden. Es war zu erwarten, dass die anderen Anteilseigner oder gegebenenfalls neue strategische Partner der Bankgesellschaft Berlin sich an der notwendigen Eigenmittelausstattung beteiligen. Wir konnten also davon ausgehen, dass die notwendigen Leistungen aus dem Berliner Landeshaushalt gegebenenfalls abgesenkt werden können.
Der Senat wird dennoch dem Berliner Abgeordnetenhaus eine Erhöhung der Kreditermächtigung um 4 Milliarden DM – das sind die 2 Milliarden Euro – zur Sicherung des Eigenkapitals der Bank vorschlagen. Damit soll sowohl die Glaubwürdigkeit des Engagements des Landes Berlin bei der Eigenkapitalausstattung als auch – und darauf kommt es noch mehr an – das Vertrauen in künftige Geschäftsmöglichkeiten und auch Renditeerwartungen der Bank in den nächsten Jahren unterstrichen werden.
In den letzten Tagen ist des öfteren von der notwendigen Übernahme von Verantwortung gesprochen worden.
Der Senat trägt nicht die Verantwortung für einzelne notleidende Kreditengagements der Bankgesellschaft Berlin oder gar für Verstöße gegen das Kreditwesengesetz. Er sieht sich aber in der Verantwortung, die Folgen der offensichtlichen Schieflage, einer schwierigen Krise der landeseigenen Bank, zu beseitigen, die Ursachen zu ermitteln und eine Wiederholung, soweit es in seinen Kräften steht, zu verhindern.
Wir erwarten vom Vorstand der Bankgesellschaft ein klares Konzept für die künftige Geschäftspolitik,
mögliche neue strategische Partner und eine schonungslose Aufklärung der Verantwortlichkeit.
Wir erwarten ein entsprechendes Handeln der Aufsichtsratsmitglieder. Wir erwarten von den Mitgliedern der Aufsichtsgremien klare Beschlüsse und Weisungen gegenüber dem Vorstand,
(A) (C)
(B) (D)
RBm Diepgen
nach denen Verantwortliche auch tatsächlich zur Verantwortung gezogen werden, das heißt, gegebenenfalls auch zu Schadensersatz herangezogen werden.
Wir erwarten eine Überprüfung der Arbeit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Die Wirtschaftsprüfer, und zwar unterschiedlich in ihrer Verantwortung und in ihrer Tätigkeit auch in den vergangenen Jahren, haben bisher nicht plausibel erklären können, warum sie für die vorangegangenen Geschäftsjahre testierte Jahresabschlüsse vorgelegt und Mitglieder in den Aufsichtsgremien und auch die Anteilseigner dadurch nicht über anstehende gravierende Probleme unterrichtet haben. Die Verhaltensweisen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften werden übrigens auch nicht dadurch besser, dass einzelne von ihnen heute offensichtlich der Versuchung unterliegen, bestehende Risiken einzelner Engagements eher besonders hoch zu bewerten. Offensichtlich haben wir es mit der Folge einer Entwicklung zu tun, die auch in anderen Bundesländern und bei anderen Prüfungsvorgängen zu Schadensersatzansprüchen gegenüber Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in mehrstelligen Millionensummen geführt haben. Schadensersatzansprüche gegenüber Wirtschaftsprüfungsgesellschaften können und dürfen also nicht ausgeschlossen werden.
Die aktuelle Situation der Bankgesellschaft Berlin hat unmittelbare Auswirkungen auf den Haushalt des Landes.
Die Gewinne der Anteilseigner aus dem Bankgeschäft sowie Steuereinnahmen des Fiskus bleiben aus. Wegen der Schieflage der Bank sind die Aktienkurse zunächst massiv gesunken. Überlegungen zur Veräußerung von Eigentumsanteilen an der Bank zum Ausgleich des Berliner Landeshaushalts müssen daher aus Gründen wirtschaftlicher Vernunft zurückgestellt werden. Sie wissen, wir hatten vor, uns von Teilen des Eigentums an der Bankgesellschaft zu trennen, auch aus Gründen des Haushaltsausgleichs. In der aktuellen Situation gibt es keine Alternative, das heißt: weitere Anstrengungen zur Einsparung und an Stelle von Vermögensveräußerungen in der geplanten Höhe des Jahres 2001 vorübergehend eine Erhöhung der Netto-Neuverschuldung in diesem Jahr.
Auch wenn die Kreditaufnahmen in den nachfolgenden Haushaltsjahren wieder zurückgenommen werden sollen, so bleiben doch die Zinsbelastungen für die auch nur kurzfristig aufgenommenen Kredite. Bei einem Kredit von 1 Milliarde DM fallen nach den jetzigen Zinsen etwa 50 Millionen DM im Jahr an.
An dieser Stelle will ich – getrennt vom Manuskript – darauf hinweisen: Ich habe den Eindruck, dass der eine oder andere auch im Bankengeschäft es sich verdammt leicht macht,
wenn er glaubt, das Land Berlin kann, weil es muss, die finanzielle Verantwortung übernehmen und einen Ausgleich vornehmen. Wenn dann differenziert wird zwischen den Beträgen der Kreditaufnahme von mehreren Milliarden DM und den tatsächlichen Belastungen im Hinblick auf die Zinsen, darf das nicht als eine Bagatellisierung missverstanden werden. Denjenigen, die so argumentieren, muss ich sagen, sie sollen uns, den Politikern, einmal klar machen, wie wir den Bürgern gegenüber verantworten sollen angesichts der ohnehin schwierigen Haushaltssituation und der Einsparungen, dass wir hier zu einem Engagement verpflichtet sind und auf der anderen Seite Einsparungen von den Bürgern erwarten.
Ich sage dies hier mit aller Emotionalität, aber auch mit Klarheit, weil hier ein Stück Verantwortung deutlich gemacht werden muss.
Ich habe von den Erwartungen und dem Vertrauen in die künftige Geschäftsentwicklung der Bankgesellschaft und insbesondere dabei der Landesbank gesprochen. Ein Konzept der künftigen Geschäftspolitik kann daher – ich sage: muss – auf der starken Stellung der Landesbank im sogenannten Sparkassengeschäft aufbauen. Hier hat die Landesbank Berlin einen Marktanteil von 60 %, der nicht nur eine gute Basis für künftiges wirtschaftliches, geschäftliches Verhalten und künftige Ergebnisse bildet, sondern auch den Grund für ein Interesse von öffentlichen und privaten Banken an einer Zusammenarbeit und einem Einstieg in die Bankgesellschaft darstellt. Das Land Berlin kann sich dabei – ich sagte schon, wir wollten das auch – von Anteilen der Bankgesellschaft trennen. Das Landesinteresse liegt in diesem Zusammenhang nicht nur in der Renditeerwartung an einem landeseigenen Unternehmen, sondern vor allem in der Sicherung des Bankenstandortes, in den gesamten wirtschaftlichen Auswirkungen des Bankenstandortes und den Arbeitsplätzen in Berlin. Ich muss wohl nur verkürzt darauf hinweisen, dass gerade die Landesbank ein wichtiges Institut für die mittelständische Berliner Wirtschaft ist.
Diese Interessen können aber auch außerhalb der Eigentümerrolle gewahrt werden. Die gesamte Diskussion nach dem offen liegenden Desaster, der Krise der Bankgesellschaft macht deutlich, dass der Privatisierungskurs notwendig ist,
auch aus Gründen, welche Verknüpfungen es bei Lösungsansätzen zwischen politischen Interessenlagen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten gibt.
Der Senat erwartet, dass die Partner der Bankgesellschaft, die NordLB und die Gothaer Versicherungsgruppe, sich an der Kapitalerhöhung beteiligen. Das erwähne ich nur deswegen noch einmal, weil eine solche Beteiligung auch in ihrem eigenen Interesse liegt. Damit kann der Berliner Beitrag verringert werden, aber mittelfristig ist das Land Berlin daran interessiert, auch aus Gründen der Haushaltsgestaltung Anteile der Bankgesellschaft zu veräußern. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt hieße es aber, die Bankgesellschaft oder Teile davon unter Wert zu verkaufen und damit die Vermögensinteressen des Landes Berlin nicht zu wahren. Auch ist zu beachten, dass – möglicherweise durch überhöhte Wertberichtigungen – im Augenblick stille Reserven gebildet werden, die bei künftigen Wertermittlungen – also auch Veräußerungserlösen – mit zu beachten sind.
Wichtig ist die Frage – sie wird auch öffentlich diskutiert –: Gibt es Interessenten? – Ich sage aus eigener Erfahrung: Ja, es gibt Interessenten, und auch der Deutsche Sparkassen- und Giroverband – ich habe persönlich mit dem Verantwortlichen, Herrn Hoppenstedt, darüber gesprochen – und die DGZ-DekaBank haben ausdrücklich erklärt, dass sie nach wie vor an einer Beteiligung interessiert sind.
Mit meinen bisherigen Formulierungen habe ich den Handlungsbedarf angesichts der Bankenlage – dieser Krise, der Schieflage – dargestellt. Mit der nüchternen Beschreibung ist die gesamte Dimension des Vorgangs nicht umschrieben. Materiell ist Schaden entstanden; aber noch schwerwiegender ist der psychologische Schaden für die Entwicklung der Stadt.
Es entsteht eine breite öffentliche Diskussion bis hinein in eine Beratung im Deutschen Bundestag – wobei ich allerdings glaube, dass einige der Repräsentanten im Deutschen Bundestag sich mit ihrer Initiative nicht gerade mit Ruhm bekleckern.
Dass ausgerechnet Vertreter aus Berlin auch noch die Forderung aufstellen – und zwar jenseits rechtlicher Kenntnis –, in Brüssel sollte sorgfältig juristisch geprüft und verhindert werden,
(A) (C)
(B) (D)
RBm Diepgen
dass das Land Berlin seine Verpflichtungen gegenüber der Bankgesellschaft wahrnimmt, das zeigt nicht viel Sachverstand und nicht viel Interessenwahrnehmung für die Situation in Berlin und die Berlinerinnen und Berliner.
sollte genau darauf eine Antwort gegeben werden. Die Bankgesellschaft stand – anders als die WestLB – nicht im Fadenkreuz der Kritik der europäischen Wettbewerbshüter. Auch das war eine Folge unserer konkreten Rechtskonstruktion.
Ich selbst bin nicht Mitglied in den verschiedenen Aufsichtsräten der verschiedenen Banken.
In meinen Gesprächen mit den Aufsichtsratsvorsitzenden der Bankgesellschaft – von Edzard Reuter bis Prof. Feddersen – gab es zunächst keine entscheidenden Warnsignale, die auf eine Bankenschieflage des jetzigen Ausmaßes schließen ließen.
Und gerade deswegen gibt es auch offene Fragen. Und viele Berlinerinnen und Berliner sind zu Recht sauer und verbittert und fragen sich in diesen Tagen: Wie war es möglich, dass das Abgeordnetenhaus, dass die Mitglieder des Senats, dass auch der Regierende Bürgermeister von der Entwicklung bei der Bankgesellschaft so lange nichts erfahren haben?
Dazu zitiere ich die frühere Kollegin im Senat, die ehemalige Senatorin für Finanzen, Frau Fugmann-Heesing, die vor kurzem im „Tagesspiegel“ sehr klar dazu Stellung genommen hat:
Es gab und gibt in Berlin einen schwierigen Immobilienmarkt. Das wussten wir im Aufsichtsrat. Und es gab die Besonderheiten der Mietgarantien für Immobilienfonds. Angesichts dieser Situation habe ich und haben andere Aufsichtsratsmitglieder der Landesbank mehrfach den Vorstand wegen der Risikoabschätzung befragt. Bis der Fall Aubis bekannt wurde, sind erhebliche Risiken, die deutlich über den Stand der Wertberichtigungen hinausgingen, immer bestritten worden.
Und auch im Sommer 1998 erklärte die Kollegin Fugmann-Heesing hier im Abgeordnetenhaus:
Uns liegen keine Erkenntnisse vor, wonach wir damit rechnen müssten, dass sich Risiken realisieren, die zu einer Gewährträgerhaftung führen würden.
Zu dem Gesamtzusammenhang hier stelle ich Folgendes fest: 1. Der Senat erwartet, dass die Gremien der Bank alle möglichen Ansprüche auf Schadensersatz prüfen und gegebenenfalls durchsetzen ohne Ansehen der Person.
2. Wir müssen uns auf Wirtschaftsprüfer verlassen können. Wenn aber innerhalb kürzester Frist einander widersprechende Befunde von Seiten der Wirtschaftsprüfer kommen, dann ist das kein Zeichen von Verlässlichkeit,
und ich wiederhole noch einmal die Frage des Schadensersatzes.
3. Über die innere Struktur der Bankgesellschaft wird seit ihrer Gründung diskutiert. Es gab auch vorsichtige Ansätze von Zwischenrufen, als ich dieses Thema hier andeutete. Aber alle, die in der Stadt für die Entscheidung, für die Kombination aus öffentlich-rechtlicher und privater Bank Verantwortung getragen haben – und übrigens zum wesentlichen Teil noch heute tragen –, haben diese Kombination für richtig, für möglich gehalten. Sie haben sie gewollt.
Seien Sie vorsichtig – insbesondere die Fraktion der Grünen!
Auch die heutige EU-Kommissarin Michaele Schreyer war in die Gespräche rund um die Gründung eingebunden und hat damals diese Kombination jedenfalls nicht in der Striktheit abgelehnt.
Wegen einer öffentlichen Frage an den Justizsenator: Es gibt eine dringende Bitte und Aufforderung an den Generalstaatsanwalt: Sofern zusätzliche personelle und sächliche Ressourcen in der Staatsanwaltschaft oder auch bei der Polizei sinnvoll sind, sind diese bereitzustellen, und ich sage: im Zweifelsfall eher zusätzliche Kräfte als eine Kraft zu wenig!
Ich habe das Thema der Gesamtverantwortung für die Stadt schon angesprochen. In den vergangenen zehn Jahren haben – auch im Hinblick auf die im Moment besonders bedeutsamen Felder der Finanz- und Wirtschaftspolitik – die Union und die SPD gemeinsam hier die Verantwortung getragen. Ich denke, beiden Seiten ist diese Verantwortung bewusst.
Ich zitiere dabei auch ein jüngstes Interview des Fraktionsvorsitzenden der SPD: „Wir stehen als SPD im Senat zu unserer Verantwortung.“
Für mich und die CDU ist das eine Selbstverständlichkeit.
Die Bankenschieflage und ihre wirtschaftlichen und haushaltsrechtlichen Folgen haben einen zusätzlichen kritischen Blick der Berlinerinnen und Berliner und der deutschen Öffentlichkeit auf die Haushaltslage der Stadt gerichtet. Der Senat wird und muss seine Anstrengungen zur Lösung der Bankenkrise vor dem Hintergrund dieser psychologischen, sachlichen Situation in der Republik verbinden mit Entscheidungen zur kurz- und mittelfristigen Finanz- und Haushaltsentwicklung.
Der Senat hat dabei weder die Absicht, das Thema klein zu reden oder gar zu verdrängen
Der Finanzsenator und der Bundesfinanzminister haben festgestellt, dass keine Haushaltsnotlage im Sinne des Bundesverfassungsgerichtes besteht.
(A) (C)
(B) (D)
RBm Diepgen
Das Land hat sich auch nicht – das wäre auch unklug – zur Lösung der Probleme aus der Bankenschieflage Hilfe suchend an Bund und Länder gewandt.
Allerdings ist festzustellen – auch das darf man nicht verdrängen –, dass die aktuelle Situation auch die Diskussion um den Länderfinanzausgleich politisch erschwert.
Die Bankenkrise ist dabei für Berlin nicht das entscheidende strukturelle Problem. Die Steuerquote von 40 % ist das Problem. Wirtschaftsentwicklung und strikte Sparsamkeit sind dabei die notwendigen Rezepte. Und gerade in diesen Tagen müssen wir uns ja auch immer mit Hinweisen in einigen Kommentaren auseinander setzen, die Stadt sei vom Stillstand geprägt, und notwendige Haushaltsentscheidungen, Sparsamkeit, Modernisierungsmaßnahmen seien in der Vergangenheit nicht getroffen worden. Zu diesem Argument Stillstand möchte ich die Kommentatoren nur einmal zu einem Gang durch die Stadt aufrufen.
Bezirks- und Verwaltungsreform, übrigens einschließlich der Verkleinerung des Berliner Abgeordnetenhauses – daran sollten Sie auch denken –,
die Absenkung der Gesamtausgaben sowie des Gesamthaushaltes – daran lässt sich viel ablesen. Aber in dem Zusammenhang kommt es mir auf etwas anderes an, sehr persönlich: Ich bekenne mich zu meiner persönlichen Verantwortung für eine Politik, die mit den Stichworten Modernisierung mit sozialem Gesicht umschrieben werden kann.
Für die Stadt mussten und müssen auch noch heute die Grundvoraussetzungen für einen Standortwettbewerb innerhalb von Deutschland und in Europa geschaffen werden. Das ist die Folge der Teilung insgesamt,
und die Folge, dass wir erst langsam sicherstellen konnten, dass Berlin zusammenwächst und dass die Unterschiede in den sozialen und wirtschaftlichen Ausgangspositionen sich annähern. Und zu einer solchen Politik gehören unsere wissenschaftlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen, dazu gehören die Infrastruktur für Technologieparks, von Adlershof bis Buch, dazu gehört der Grundsatz, der hier vom Abgeordnetenhaus auch ausdrücklich geteilt worden ist – in Veranstaltungen jeweils in der Stadt rühmen sich alle dieser Überlegung –, nämlich der Grundsatz, der im vergangenen Jahrzehnt im Vordergrund stand: Aufbau Ost vor Ausbau West.
Ich stelle mich auch der Verantwortung für die Angleichung der Löhne zwischen Ost und West, mit all den Rückwirkungen, die dieses auch auf den Haushalt hat.
Aber ich stelle mich auch der Verantwortung und der Notwendigkeit, dass bei aller Dynamik des neuen Berlin – erfreulich, im Medienbereich sehr zukunftsorientiert –, dass es bei all diesen Herausforderungen auch die Benachteiligungen in Stadtquartieren der Berliner Bezirke gibt, die wir nicht vergessen dürfen und nicht vergessen wollen.
Und ich bleibe selbstverständlich auch dabei, dass das strukturelle Haushaltsdefizit des Landes Berlin auch etwas mit teilungsbedingten Lasten zu tun hat.
Es ist, und das war eine unserer Schwierigkeiten, immer der Hinweis gekommen, ihr werdet ja Hauptstadt, und deswegen muss man das eine oder andere nicht machen, quer durch die ganze Republik, egal von wem.
Es ist Anfang der 90er Jahre nicht gelungen, die typischen teilungsbedingten Belastungen des Haushalts außerhalb des normalen Länderfinanzausgleichs in das Finanzierungssystem unseres Föderalismus einzubeziehen. Ich nenne dabei nur noch eine Zahl, der Kollege Strieder weist immer darauf hin: 3,5 Milliarden DM jährliche Finanzierung des öffentlich geförderten Wohnungsbaus, wesentlich aus der Zeit vor der Wiedervereinigung. Das ist alles ein beredter Beweis dafür, dass wir es mit Folgeerscheinungen der deutschen Teilung zu tun haben.
Dies ist schmerzhaft, aber dennoch ohne Alternative. Will sich Berlin die eigene Gestaltungskraft erhalten,
ist eine solche weitere Stufe in der Zäsur der Haushaltspolitik unabweisbar. Wir wollen das finanzpolitische Schicksal Berlins nicht in die Hände Dritter legen. Wir werden unsere Schularbeiten machen, und wir werden Sie bitten, mitzuhelfen, Sie alle. Unsere Schularbeiten, das heißt Fortsetzung des Konsolidierungskurses mit Augenmaß und wirtschaftlicher Vernunft.
Die weitere Konzentration auf die Kernaufgaben des Staates steht an, tabulos und ideologiefrei sind die jeweiligen Möglichkeiten ressortübergreifend aufzuzeigen.
Ich kann niemandem versprechen, dass der Senat, dass wir alle dabei ohne Zumutungen auskommen werden, dass gar Liebgewonnenes auf alle Fälle erhalten bleibt.
Ich kann Ihnen aber versprechen, dass der Senat gemeinsam alle Anstrengungen unternehmen wird, die Zukunftsfähigkeit Berlins aus möglichst eigener Kraft zu sichern. Und die Aufräumungsarbeiten bei der Bank haben in den jeweiligen Verantwortlichkeiten begonnen und werden konsequent fortgesetzt.
Ich darf einige Aussagen zusammenfassen: Es gibt einen Handlungsbedarf, den der Berliner Senat verantwortungsbewusst ausfüllen wird.
(A) (C)
(B) (D)
RBm Diepgen
Erstens: Die Verantwortlichkeiten bei der Berliner Bankenkrise werden ungeschminkt aufgeklärt, konsequent verfolgt und der Öffentlichkeit schonungslos mitgeteilt.
Zweitens: Wir werden die notwendigen strukturellen Aufräumarbeiten bei der Bankgesellschaft forcieren und sie konsequent zu einem Erfolg führen.
Drittens: Wir werden die notwendigen Haushaltsentscheidungen kurzfristig im Hinblick auf die Wirtschaftskraft Berlins und die soziale Verantwortung treffen und dem Parlament vorlegen.
Seien Sie gewiss, dass dieser Senat seinen Verpflichtungen für die Stadt und für die Menschen dieser Stadt in vollem Umfang nachkommt. –
Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Frage 1: Die Stelle des Rechnungshofspräsidenten wurde zur Vorbereitung des Wahlvorschlages des Senats an das Abgeordnetenhaus überregional öffentlich ausgeschrieben. Das war übrigens die erste Ausschreibung dieser Art dieser Stelle. Eingegangen sind – das zu Ihrer Unterrichtung – 43 Bewerbungen. Die noch nicht abgeschlossene Auswahlentscheidung konzentriert sich jetzt im Auswahlverfahren auf die restliche Spitzengruppe, die sich auf drei Bewerbungen konzentriert.
Zu Frage 2: Nein!
Vielen Dank für die Erläuterung, Herr Präsident! – Herr Abgeordneter! Ihrer erste Frage beantworte ich wie folgt: Auf meinem Schreibtisch liegt eine Vorlage an den Senat, die ich in den nächsten Tagen zu unterzeichnen beabsichtige.
(A) (C)
(B) (D)
RBm Diepgen
Zweitens: Der Vizepräsident des Rechnungshofes tritt Ende Mai des Jahres in den Altersruhestand, wenn wir nicht verlängern. Der Rechnungshof hat die Stelle Februar bzw. März ausgeschrieben, und wir gehen davon aus, dass die auf Vorschlag des amtierenden Präsidenten erfolgte Bestellung des Vizepräsidenten kurzfristig erfolgen kann, so dass die Stelle zum 1. Juni 2001 besetzt werden kann.
Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Meine Damen und Herren! Es ist das Recht des Abgeordnetenhauses, zu wählen.
Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Meine Damen und Herren! – Der Abgeordnete irrt: Es ist nicht seit Beginn der Legislaturperiode bekannt, dass diese Stelle ausgeschrieben werden sollte, denn bisher sind diese Stellen nie ausgeschrieben worden. Es war eine gewisse Überraschung, dass sich der Senat für eine überregionale Ausschreibung entschieden hat.
Zweitens: Es ist erfreulich, wie viele Bewerbungen vorliegen, und ein ordnungsgemäßer Ablauf muss gewährleistet sein.
Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Meine Damen und Herren! Der Senat und insbesondere ich persönlich schätze den Kollegen Kaczmarek außerordentlich, aber nicht jeder Vorschlag von ihm wird automatisch vom Senat angenommen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete! Ich entnehme den vielfältigen Fragen, dass Sie sehr ins Detail im Hinblick auf Abstimmungsbedarf zwischen Verwaltungen eintreten wollen. Das geht möglicherweise bei einer Mündlichen Anfrage entsprechend den Überlegungen des Abgeordnetenhauses ein bisschen weit. Ich sage Ihnen hiermit zu, dass alle Fragen in Kürze schriftlich und durch die Senatskanzlei koordiniert beantwortet werden.
Herr Abgeordneter! Ich nehme Bezug auf meine Antwort, die ich eben gegeben habe. Sie bekommen die entsprechende Antwort unverzüglich.
Herr Parlamentspräsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete! Ich teile Ihnen mit, dass die Antwort am gestrigen Tage im Senat abgestimmt war, und darauf hat der Kollege Böger eben auch Bezug genommen.
Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Herr Abgeordneter! Zunächst will ich darauf hinweisen: So schnell wie möglich soll beantwortet werden, so kurz wie möglich, was bei diesem Thema manchmal schwierig ist. Dennoch, Frau Kollegin Kind, Ihre erste Frage beantworte ich mit Nein, Ihre zweite Frage mit Nein, die Zahl 500 ist nicht nachvollziehbar. Zu dem Gesamtthema weise ich darauf hin, dass der Senat alle Anstrengungen unternimmt, um die Bevölkerung zu schützen, natürlich auch vor potentiellen Sexualstraftätern. Dabei stehen Zuständigkeitsfragen zwar nicht im Vordergrund, interjection: [Weinschütz (Grüne): Eben!]
aber wir dürfen auch nicht zulassen, dass bisher nicht straffällig gewordene Menschen, von denen Mediziner behaupten, sie könnten straffällig werden, in der Verantwortung der Justiz einer Zwangsbehandlung unterworfen werden. Ich möchte hier auf den Gesamtzusammenhang hinweisen.
Der Senat hat in seinem umfangreichen Bericht an das Abgeordnetenhaus im Juni 1999 dargestellt, dass es ein umfangreiches Therapieangebot für Sexualstraftäter im Strafvollzug, im Maßregelvollzug und bei den Sozialen Diensten der Justiz gibt. In der Justizvollzugsanstalt Tegel existiert eine Sozialtherapeutische Anstalt mit 160 Behandlungsplätzen, womit übrigens das Land Berlin im Vergleich mit anderen Ländern ein sehr umfangreiches, möglicherweise das umfangsreichste Behandlungsangebot für diesen Personenkreis im Vollzug bereithält. Ob nun im Zusammenhang mit den Schreiben von Herrn Prof. Beier oder bereits davor, will ich nicht im Einzelnen untersuchen, festzuhalten ist jedoch, dass wir eine besondere Einrichtung im Justizvollzug per 1. November des vergangenen Jahres eingerichtet haben, und zwar speziell für verurteilte Sexualstraftäter. In dieser Einrichtung werden Programme versucht, bis dahin therapieunwillige Täter therapeutisch zu behandeln.
Es gibt eine zweite Maßnahme als Ergänzung zu der seit 1. November vergangenen Jahres arbeitenden Einrichtung. Sie wissen, Herr Abgeordneter Wieland, dass am 1. Januar 2003 die Änderung von § 9 Strafvollzugsgesetz über Pflichtbehandlung von Sexualstraftätern in Kraft tritt. Darauf bereiten wir uns natürlich vor. Dafür soll ein derzeit nicht genutztes Gebäude in der Justizvollzugsanstalt Tegel ausgebaut werden. Hier sind die Planungsmaßnahmen in die Wege geleitet. Ich gehe davon aus, dass diese Maßnahmen – wie andere Maßnahmen im Strafvollzug auch – in Zusammenarbeit mit der dabei in der Tat dann unmittelbar einzuschaltenden Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Verkehr vorangetrieben werden.
Ich muss noch einen Hinweis geben, einfach weil das hier eine öffentliche Diskussion über die Entwicklung an der Universität und zu den Überlegungen von Herrn Prof. Beier ist. Herr Prof. Beier ist Hochschullehrer, C 3, an der Humboldt-Universität. Sein Institut ist ausgestattet mit einer Professorenstelle, einer Stelle für eine Fachärztin und einer für eine Sekretärin. Darüber hinaus gibt es einige Drittmittel. Die Durchführung von Therapien für potentielle bzw. rechtskräftig verurteilte Sexualstraftäter gehört allerdings nicht zu dem Aufgabenbereich des Instituts für Sexualwissenschaften an der Charite´, denn das Institut selbst hat keine Ermächtigung für diese Behandlungen. Herr Prof. Beier besitzt eine persönliche Ermächtigung zur Therapie, also geht es bei seinen Aktivitäten allein darum, inwieweit er gegebenenfalls neben seiner beruflichen Tätigkeit dort Therapieplätze aufbauen kann bzw. dort auch die entsprechenden Abrechnungsmöglichkeiten hat. Das betrifft insbesondere Abrechnungen mit den Kassen, es handelt sich damit um eine Frage der Gesundheitsvorsorge.
Ich muss darauf hinweisen, dass Herr Prof. Beier – jedenfalls nach Auskunft der Wissenschaftsverwaltung – keinen Antrag auf eine höhere Personalausstattung seines Instituts gestellt hat. Die Bereitstellung von mindestens fünf Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter, die er in seinen öffentlichen Darstellungen für notwendig hält, ist bisher von der Universität nicht im Einzelnen behandelt worden. Wobei ich auf einen weiteren Punkt hinsichtlich seiner Finanzierungsüberlegungen aufmerksam mache: Er möchte nämlich, dass die zusätzlichen Maßnahmen für seine Arbeit aus dem Vermögen der 1933 zu Beginn der nationalsozialistischen Ära zwangsweise aufgelösten Magnus-Hirschfeld-Stiftung finanziert werden.
Aus den kurzen Andeutungen – das kann man natürlich sehr viel länger ausführen – wird sehr deutlich,
dass es Herrn Prof. Beier um ein medizinisches Versorgungsangebot für diejenigen Menschen in dieser Stadt geht, die möglicherweise problematische Sexualerkrankungen aufweisen,
(A) (C)
(B) (D)
RBm Diepgen
aber gerade nicht Gegenstand polizeilicher oder staatsanwaltlicher Ermittlungen sind oder sich gar als Verurteilte im Vollzug befinden.
Den Zwischenruf eines Abgeordneten: „Was soll das?“, muss ich so beantworten,
dass ich nach unserem Rechtsstaatssystem nicht die Möglichkeit habe,
potentielle Straftäter, die eventuell in der Stadt leben, einer Behandlung im Strafvollzug – und damit in Zuständigkeit der Justiz – zu unterwerfen. Das funktioniert – Gott sei Dank – in unserem Rechtsstaat nicht.
Ich will allerdings, weil der Gesamtzusammenhang besteht und ich auch nicht der Auffassung bin, dass Kompetenzabgrenzungen im Vordergrund stehen, darauf hinweisen, was mir die Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen mitgeteilt hat. Da wird auf Folgendes hingewiesen, ich zitiere:
Noch nicht straffällig gewordene Menschen in einer behandlungsbedürftigen sexualmedizinischen Erkrankung haben – soweit sie gesetzlich krankenversichert sind – nach § 27 SGB Anspruch auf eine Krankenbehandlung. Adäquates gilt natürlich auch für privat Versicherte. In Berlin
und das ist das Entscheidende –
gibt es derzeit 1 600 niedergelassene Psychotherapeuten.
Damit ist bereits das Stadium der Überversorgung mit Psychotherapeuten erreicht.
Der Versorgungsgrad liegt danach bei 127 %. Berlin gehört insofern – so wird mir hier mitgeteilt – zu den Regionen Deutschlands, die über ein sehr breites Angebot von Therapiemöglichkeiten verfügen.
Es wurde die Frage nach der Zahl 500 gestellt. Ich habe sie vorhin schon kurz beantwortet. Mir wird hier mitgeteilt – und zwar von den entsprechenden Wissenschaftlern in den zuständigen Verwaltungen –, dass die von Herrn Prof. Beier genannte Zahl, 500 unbehandelte, nicht straffällig gewordene Menschen mit Sexualstörung, nicht nachvollziehbar sei. Empirische Nachweise oder auch nur konkrete Hinweise dazu gibt es jedenfalls nicht.
Es geht hier vordergründig – und dafür habe ich Verständnis –, dass eine persönliche Ermächtigung zur Behandlung auf eine Institutsermächtigung ausgedehnt wird. Das erwähne ich nur deswegen, weil es dazu eine klare Rechtslage gibt, nämlich in § 96 SGB. Entscheidungen über diese Zulassung erfolgen über einen Zulassungs- und Berufungsausschuss. Sie unterliegen nicht staatlicher Kontrolle, sondern sind Angelegenheit der Krankenkassen.
Ich sage hier sehr deutlich: Ich nehme – wie Sie insbesondere an den zwei konkreten Maßnahmen erkennen, die nach kurzer Zeit meiner Zuständigkeit für den Justizbereich erfolgt sind – den konkreten Ausbau – Inkrafttreten 1. November – von zusätzlichen Einrichtungen und den Ausbau jener im Augenblick noch nicht genutzten Räumlichkeiten in Tegel sehr ernst. Ich nehme auch darüber hinaus die Zusammenarbeit mit den für Gesundheit und Wissenschaft zuständigen Kolleginnen und Kollegen sehr ernst. Ich bitte jedoch die Öffentlichkeit darum, nicht ein aktuelles Thema einer Straftat mit unmittelbar auf Einzelinstitute ausgerichteten Wünschen zu verbinden und damit zu einer Verunsicherung der Bevölkerung in Berlin beizutragen. Ob es genug Therapieplätze gibt, darüber kann man immer streiten. Aus den Vergleichszahlen ergibt sich jedenfalls, dass es hier in Berlin – vergleichbar mit anderen Regionen – keinen besonderen Mangel gibt, selbst unter Berücksichtigung der speziellen Problemlage einer Großstadt und Metropole.
Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Anhand der im Zusammenhang mit dieser Debatte genannten Zahlen haben wir noch einmal genau geprüft, welche notwendigen Maßnahmen wir ggfs. einleiten müssen. Deswegen fiel auch die Entscheidung der Mitarbeiter – und zwar unabhängig von meiner eigenen Entscheidung, die sich mehr auf die bauliche Erweiterung der Justizvollzugsanstalt Tegel ausrichtete –, dass es eine zusätzliche Einrichtung gibt für diejenigen, die bisher nicht behandelt werden wollten. Wir haben immer das Problem, dass ein Teil von Sexualstraftätern, nicht durch Gesetz, nicht durch Richterentscheidung, verpflichtet worden sind, sich behandeln zu lassen. Es gibt also diejenigen, bei denen wir die Möglichkeit haben, eine Behandlung zwangsweise durchzuführen, diejenigen, die eine Behandlung freiwillig zulassen, sowie diejenigen, die sich weigern. Wir wollen – gerade um auf das Problem einzugehen – durch diese sozialtherapeutische Einrichtung sicherstellen, dass alle Chancen genutzt werden, und zwar durch besondere Modelle, die entwickelt worden sind. – Verzeihen Sie, dass ich Ihnen diese nicht im Einzelnen medizinisch darstellen kann! – Wir wollen gerade dort Anreize schaffen, dass die Sexualstraftäter eine Behandlung freiwillig durchführen. Das sind die Antworten, die ich im Hinblick auf Ihre Zahlen geben kann.
Soweit es sich um zu Bewährungsstrafen verurteilte Täter handelt, liegt das im Bereich der sozialen Dienste. Dafür gilt die Zahl von 1 600 Therapeuten, die wir in der Stadt haben. Ich räume hier – –
Nein, ich habe nichts einzuräumen. Ich frage immer nach, ob die Zahlen ausreichend über dem Durchschnitt der Bundesrepublik liegen, weil ich weiß, dass wir in Berlin durch die soziale Situation der Stadt – Migrationsbewegung, Großstadtfragestellung – immer einen Zusatzbedarf haben. Das betrifft die Problematik der Gesundheitspolitik insgesamt.
Und nach den Zahlen liegen wir erheblich über dem Durchschnitt. Und – Verzeihung! – da gibt es auch noch die unabhängigen Entscheidungen der von den Kassen sehr stark bestimmten unabhängigen Gremien. Das ist also nicht eine Frage von Staatsaufsicht und Staatsentscheidung, sondern der Entscheidung von Fachleuten unmittelbar.
(A) (C)
(B) (D)