Protokoll der Sitzung vom 01.02.2001

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 22. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sehr herzlich und freue mich, dass ein so großes Interesse besteht, diesmal auch bei den Abgeordneten.

Als Erstes g r a t u l i e r e i c h d e m A b g e o r d n e t e n B e r g e r herzlich z u m G e b u r t s t a g. Das Haus wünscht Ihnen alles Gute,

[Beifall]

Gesundheit und politischen Erfolg, der Ihnen sicherlich im Hause unterschiedlich gewünscht wird.

Dann habe ich Ihnen einiges Geschäftliches mitzuteilen – erstens: Die Fraktion der PDS hat mir mit Schreiben vom 31. Januar 2001 mitgeteilt, dass sie ihren A n t r a g über Rechtsextremismus konkret und vor Ort bekämpfen – Mobile Beratungsteams einrichten – Drucksache 14/664 – z u r ü c k g e z o g e n hat.

Am Montag sind wieder zeitgleich vier A n t r ä g e a u f D u r c h f ü h r u n g e i n e r A k t u e l l e n S t u n d e eingegangen, und zwar:

1. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Bund und Länder in der Pflicht – gerechter Finanzausgleich für die Hauptstadt Berlin“,

2. Antrag der Fraktion der Fraktion der SPD zum Thema: „Berlin – eine schrumpfende Stadt? Die Bevölkerungsprognose der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung“,

3. Antrag der Fraktion der PDS zum Thema: „Turbulenzen bei der Bankgesellschaft Berlin“,

4. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Die Geschäfte der Bankgesellschaft Berlin – Milliardenverluste für das Land“.

Nach Aussprache im Ältestenrat am Dienstag haben wir uns einvernehmlich darauf verständigt, dass wir heute die Aktuelle Stunde, die auf Antrag der Fraktion der Grünen zu Stande gekommen ist, aufrufen werden. Diese Aktuelle Stunde – wie immer unter dem Tagesordnungspunkt 1 A – wird dann verbunden mit der Behandlung der Großen Anfrage unter dem Tagesordnungspunkt 3. – Die Regularien über Redezeit und Verfahren erläutere ich Ihnen dann zu Beginn der Aktuellen Stunde, denn sonst könnten wir sie bis dahin wieder vergessen haben.

Nun rufe ich auf

lfd. Nr. 1:

Fragestunde gemäß § 51 der Geschäftsordnung

Wie ich sehe, freut sich Herr Finanzsenator Kurth schon.

[Sen Branoner: Alle!]

Der Senat sagt, es freuten sich alle über die heutige Fragestunde. – Zum Ablauf unserer heutigen Fragestunde schlage ich Ihnen zu Beginn vor, die F r a g e n 2 u n d 4 der Frau Abgeordneten Kind und des Abgeordneten Wieland zum Thema „Therapieplätze für Sexualstraftäter“ m i t e i n a n d e r z u v e r b i n d e n. Es wäre gut, wenn sich diese beiden Kollegen – ich sehe Frau Kind und auch Herrn Wieland – entsprechend vorbereiten würden. In diesem Fall sollten wir sechs Zusatzfragen zulassen, wobei die Fragen 1 und 2 bzw. 3 und 4 jeweils den Fragestellern zustehen.

Weiterhin schlage ich Ihnen vor, die F r a g e n 3 , 8 u n d 9 der Frau Abgeordneten Schaub, des Abgeordneten Volk und der Frau Abgeordneten Annelies Herrmann, die sich alle mit der Gesundheitsgefährdung in Berliner Bädern befassen, m i t e i n a n d e r z u v e r b i n d e n. Ich wäre dankbar, wenn sich die betreffenden Kollegen darauf entsprechend vorbereiteten. – Wie ich sehe, haben alle mitgehört. – Wir sollten zu diesem Komplex insgesamt acht Zusatzfragen zulassen, wobei jeweils zwei

Zusatzfragen den drei Fragestellern zustehen; das machen wir dann im Wechsel. – Wenn Sie einverstanden sind – das sehe ich so –, dann werden wir so verfahren.

Das Wort hat nunmehr der Abgeordnete Oliver Friederici von der Fraktion der CDU zu einer Mündlichen Anfrage über

Wie reagiert die Bau- und Verkehrsverwaltung auf das mangelhafte Testergebnis – ermittelt durch die Stiftung Warentest – bei der Sicherheit von Berlins Bahnhöfen?

Bitte schön, Herr Kollege Friederici, Sie haben das Wort!

Besten Dank! – Ich frage den Senat:

1. Welche Konzeption wird der Senat als Konsequenz aus dem mangelhaften Stiftung-Warentest-Ergebnis bei der Sicherheit von Bahnhöfen verfolgen oder vorlegen, auch als vorbeugende Maßnahme gegen eine Wiederholung wie beim Kabelbrandunfall am 8. Juli 2000 beim U-Bahnhof Deutsche Oper?

2. Wie wird seitens der Bauverwaltung sichergestellt, dass nunmehr der neue Lehrter Bahnhof, ganz im Gegensatz zu den bereits neu gestalteten Bahnhöfen Zoo und Ostbahnhof, garantiert auf den neuesten Stand der Sicherheitstechnik gebracht wird?

Zur Beantwortung dieser Frage hat Herr Senator Strieder das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Herrr Abgeordneter! Ich möchte zunächst festhalten, dass die Stiftung Warentest nicht etwa alle Berliner U-Bahnhöfe überprüft hat, sondern lediglich zwei. Aber – und auch das war uns vorher klar – es stimmt, dass die Situationen dort verbesserbar ist.

Wir glauben nicht, dass die Bewertung der Stiftung Warentest hinsichtlich des U-Bahnhofs Zoo stimmt, denn der ist baulich relativ eindeutig und einfach konzeptioniert. Anders sieht es aus bei dem in den 20er Jahren errichteten U-Bahnhof Alexanderplatz. Deshalb wird der Senat darauf drängen, dass die BVG diesen Bahnhof bevorzugt mit dem neuen Fluchtwegeleitsystem ausstattet. Noch im Februar wird es am U-Bahnhof Osloer Straße erprobt, der Feuerwehr vorgestellt und nach einer Optimierung eingesetzt.

Wir haben bereits in der Auswertung der Brandereignisse vom 8. Juli 2000 auf dem U-Bahnhof Deutsche Oper – unabhängig von der Stiftung Warentest – überprüft, welche Maßnahmen insgesamt zu ergreifen sind, um die Sicherheitssituation auf einigen Berliner Bahnhöfen zu verbessern. Dabei ist – besonders bezüglich der Bahnhöfe, die nur über einen Ausgang verfügen – eines der wesentlichsten Themen das Fluchtwegeproblem. Die BVG ist mit einem Gutachter dabei, die Bahnhöfe der Linie 2 zu überprüfen. Meine Verwaltung wird nach Vorliegen dieses Gutachtens überprüfen, was an den anderen U-Bahnlinien zu tun ist. Wir werden dafür sorgen, dass die für notwendig erachteten Verbesserungen sofort in Angriff genommen werden. Wenn es um die Sicherheit im öffentlichen Personennahverkehr geht, darf es keine finanziellen Restriktionen und Beschränkungen geben. Es darf nicht aus Grund des Geldmangels auf viele Jahresraten verteilt werden. Was notwendig ist, muss sofort erledigt werden.

In der Auswertung des Brands vom Juli 2000 hat sich ergeben, dass das Kommunikationssystem derartigen Situationen nicht gewachsen ist. Es werden jetzt kurzfristig in der Nähe der Bahnhofausfahrsignale Direktfernsprecher für das Personal installiert. Diese stellen eine direkte Verbindung des Betriebspersonals vor Ort mit der Leitstelle sicher. Die Installation für alle Bahnhöfe des U-Bahnnetzes soll noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Außerdem sieht die BVG eine Umstellung der Telekommunikationsanlagen und Notrufeinrichtungen auf digitale Technik vor. Damit wird auch die Leistungsfähigkeit dieser Anlagen gesteigert.

(A) (C)

(B) (D)

Sen Strieder

Zum Lehrter Bahnhof: Die Funktion der Aufsichtsbehörde beim Lehrter Bahnhof wird vom Eisenbahnbundesamt wahrgenommen. Der Senat hat keine unmittelbaren Zugriffsmöglichkeiten auf die Ausgestaltung der Sicherheitstechnik des Lehrter Bahnhofs. Wir haben aber mit der Berliner Feuerwehr bereits im Planfeststellungsverfahren für die Verkehrsanlagen im zentralen Bereich mitgewirkt und die sicherheitsrelevanten bautechnischen Fragen – beispielsweise die Lage der Treppenanlagen und der Zugänge, Öffnungen für Entrauchungseinrichtungen bis hin zur Lage von Feuerwehraufstellplätzen und Speiseanschlüsse für trockene Steigleitungen im Rahmen des Brandschutzkonzepts – für diese umfangreichen Bahnanlagen abgestimmt. Natürlich wird sich der Senat in den Gesprächen mit der Bahn dafür einsetzen, dass aktuelle brandschutztechnische Erkenntnisse – insbesondere hinsichtlich erforderlicher Ausrüstungen bei dem noch stattfindenden Innenausbau des Bahnhofs – berücksichtigt werden. Ob dazu allerdings die Hinweise der Stiftung Warentest wichtige Argumente liefern, können wir abschließend nicht beurteilen, aber wir gehen davon aus, dass die Brandschutzfachleute des Eisenbahnbundesamts sich mit dieser Expertise auseinander setzen.

Danke schön, Herr Senator! – Ich erinnere – ohne Anlass – noch einmal daran, dass die Kollegen des Hauses kurze Fragen stellen wollten und dass der Senat durch den Präsidenten gebeten wurde, seinerseits kurze Antworten zu geben, damit möglichst viele zum Zug kommen.

Wir kommen zu den Nachfragen. – Bitte, Herr Kollege Friederici!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Senator, Sie sprachen den Zusammenhang zwischen den Finanzen und der Sicherheit an. Ist sichergestellt, dass die bereits erfolgte Reduzierung des Aufsichts- und Sicherheitspersonals in U-Bahnhöfen keine Beeinträchtigung für die Sicherheit mit sich bringt? Sie hatten darauf hingewiesen, dass Sicherheitsmaßnahmen nicht an den Finanzen scheitern dürften.

Bitte, Herr Senator!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Wir müssen zwei Dinge unterscheiden. Einerseits handelt es sich um notwendige Investitionen, beispielsweise in die Anlagen der U-Bahnhöfe. In solchen Situationen muss das Land Berlin gegebenenfalls eingreifen und helfen. Eine Planung, die notwendige Sicherheitseinrichtungen aus finanziellen Gründen auf fünf bis sechs Jahre verteilen würde, habe ich abgelehnt und in meinem Haus die Weisung erteilt, dass das, was nach Vorlage der Gutachten für unabdingbar erachtet wird, sofort realisiert werden muss.

Der zweite Aspekt Ihrer Frage richtet sich eher an den Kollegen Branoner als Aufsichtsratsvorsitzenden der BVG, nämlich wie die innerbetrieblichen Verhältnisse bei der BVG sind und wie die BVG mit ihrem Personal kalkuliert. Die BVG plant, die Bahnhöfe im Wesentlichen wieder zu besetzen. Sie hat insbesondere einen mobilen Sicherheitsdienst eingerichtet, der in der Lage ist, unmittelbar aus den einzelnen Bahnhöfen heraus zu reagieren. Ich glaube, dass sich die Situation, die die BVG gegenwärtig in personeller Hinsicht für die Sicherheit auf den Bahnhöfen vorhält, als sinnvoll und zuverlässig erweist. Wir hatten beim U-Bahnhof Deutsche Oper nicht das Problem, dass der Brand nicht gemeldet werden konnte, sondern dass Zweifel an der Funktionsfähigkeit der Kommunikationsanlage angebracht sind. Infolgedessen werden diese Kommunikationsanlagen jetzt verbessert, überholt und mit einer neuen Technik ausgestattet.

Danke schön, Herr Senator! – Herr Friederici hat keine weiteren Nachfragen. Dann hat jetzt Herr Cramer eine Nachfrage. – Bitte schön!

Herr Senator, wird bei der Sicherheitsüberprüfung, die durchgeführt wird, ein eventueller Einbau von geschlossenen Systemen mit Drehkreuzen berücksichtigt? Stimmen Sie mit mir überein, dass die Investitionsmaßnahmen, die möglicherweise für zweite Zugänge notwendig sind, wichtiger sind als die Ausstattung des Berliner U-Bahnnetzes mit Drehkreuzen?

Bitte, Herr Senator!

Herr Abgeordneter, wenn zweite Ausgänge sicherheitstechnisch notwendig sind, dann sind sie notwendiger als Drehkreuze, die sicherheitstechnisch nicht notwendig sind. Ich hatte dies schon deutlich gemacht.

Dass man mit notwendigen Investitionen immer noch versuchen kann, das Thema am Köcheln zu halten, ist möglich. Ich könnte jetzt eine Rede über das Sicherheitsempfinden der Berlinerinnen und Berliner auf den Bahnsteigen halten,

[Wieland (Grüne): Nein!]

aber dazu habe ich hier heute keine Lust, weil es die eigentliche Frage nicht berührt. Entscheidend ist, dass der Senat dafür sorgen wird, dass erkannte Sicherheitsmängel auf den U-Bahnhöfen umgehend abgestellt werden.

Danke, Herr Senator! – Es gibt eine Nachfrage von Frau Matuschek!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Senator, es verwundert mich, dass Sie fast ausschließlich von der BVG sprechen. In Berlin sind mehrere Verkehrsunternehmen tätig. Ich beziehe mich ausdrücklich auf die S-Bahn: Wird sich die technische Überprüfung der Brandschutzsituation auf die S-Bahnanlagen erstrecken? Mir fällt besonders der Bahnhof Ostkreuz ein. Werden Sie im Verkehrsverbund darauf hinwirken, dass dort einheitliche Brandschutzregelungen für alle Bahnhöfe durchgesetzt werden?

Bitte, Herr Senator!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete, Sie sollten wissen, dass der Verkehrsverbund im Wesentlichen eine Tarifgemeinschaft für den öffentlichen Personennahverkehr zwischen Berlin und Brandenburg ist. Wenn es um die Sicherheit auf Bahnhöfen der DB geht, ist dafür das Eisenbahnbundesamt zuständig und nicht die Senatsverwaltung oder die BVG. Die Anfrage des Kollegen Friederici richtete sich auf zwei U-Bahnhöfe. Bekanntermaßen betreibt die BVG die U-Bahnen und keine anderen Eisenbahnen. Infolgedessen hat sich meine Antwort auf die U-Bahnhöfe beschränkt.