Protokoll der Sitzung vom 01.02.2001

Herr Präsident! Frau Abgeordnete, Sie sollten wissen, dass der Verkehrsverbund im Wesentlichen eine Tarifgemeinschaft für den öffentlichen Personennahverkehr zwischen Berlin und Brandenburg ist. Wenn es um die Sicherheit auf Bahnhöfen der DB geht, ist dafür das Eisenbahnbundesamt zuständig und nicht die Senatsverwaltung oder die BVG. Die Anfrage des Kollegen Friederici richtete sich auf zwei U-Bahnhöfe. Bekanntermaßen betreibt die BVG die U-Bahnen und keine anderen Eisenbahnen. Infolgedessen hat sich meine Antwort auf die U-Bahnhöfe beschränkt.

Die Sicherheit an den normalen Bahnhöfen ist eine Sache des Einsenbahnbundesamts, aber Sie können sicher sein, dass wir natürlich auch mit der S-Bahn im Kontakt darüber sind, dass Vorfälle wie im Bahnhof Deutsche Oper dort nicht stattfinden.

Herr Cramer hat noch eine Nachfrage!

Herr Senator! Es geht nicht nur um die S-Bahn, sondern auch um die Fernbahn. Darauf bezog sich das Gutachten der Stiftung Warentest, nach dem gefragt wurde, auch. Vor Ihrer Zeit wurde entschieden, dass am neuen Fernbahnhof Spandau auf der westlichen Seite aus Sicherheitsgründen ein zusätzlicher Zugang errichtet wird. Der war ursprünglich auch am Ostbahnhof vorgesehen. Er ist aus Kostengründen unterblieben.

Sehen Sie auch hier ein Problem? Sind Sie bereit, das in die Untersuchung aufzunehmen und auch zu prüfen, ob am westlichen Bahnsteigende am Ostbahnhof ein zusätzlicher Zugang notwendig ist?

(A) (C)

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Herr Senator Strieder!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Diese Überlegungen haben wir auch angestellt. Eine abschließende Entscheidung darüber ist in Zusammenarbeit mit der Bahn noch nicht erfolgt. Ich hoffe aber, dass die Bahn überhaupt in der Lage ist, die Mittel für den Umbau des Bahnhofes Ostkreuz zu mobilisieren. Natürlich werden dann die modernen Sicherheitsstandards angewandt werden.

Dann kommen wir zur Anfrage Nr. 2, die mit der Mündlichen Frage Nr. 4 verbunden wird. – Frau Abgeordnete Kind hat das Wort über

fehlende Therapieplätze für Sexualstraftäter

Bitte schön, Frau Kind!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: 1. Trifft es zu, dass das für den Justizbereich zuständige Mitglied des Senats Warnungen des Sexualmediziners Prof. Klaus Beier vor fehlenden Therapieplätzen für Sexualstraftäter ignorierte? 2. Ist es richtig, dass es etwa 500 Täter gibt, die freiwillig einer Behandlung zustimmen würden, für die es jedoch nicht genügend ausgebildetes Personal gibt, obwohl die polizeilich registrierten Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern um 54 % gestiegen sind?

Danke schön, Frau Kollegin Kind! – Dann schließt Herr Kollege Wieland unmittelbar an zu einer Frage über

Regierender Bürgermeister erklärt sich für nicht zuständig beim Schutz vor Sexualstraftaten

Bitte schön, Herr Wieland!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: 1. Was hat der Regierende Bürgermeister auf die Schreiben des Leiters der Sexualmedizin an der Charite´ hin unternommen, die vor einer konkreten Gefährdung der Bevölkerung durch nicht behandelte Sexualstraftäter warnten? 2. Weshalb weist das mit der Wahrnehmung des Justizressorts beauftragte Senatsmitglied – der Regierende Bürgermeister – durch seinen Staatssekretär unablässig auf seine angebliche Unzuständigkeit hin, wenn es um den Schutz vor Sexualdelikten geht?

Danke schön, Herr Kollege Wieland! – Wer beantwortet die Fragen für den Senat? – Der Herr Regierende Bürgermeister. Bitte schön, Herr Diepgen!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Herr Abgeordneter! Zunächst will ich darauf hinweisen: So schnell wie möglich soll beantwortet werden, so kurz wie möglich, was bei diesem Thema manchmal schwierig ist. Dennoch, Frau Kollegin Kind, Ihre erste Frage beantworte ich mit Nein, Ihre zweite Frage mit Nein, die Zahl 500 ist nicht nachvollziehbar. Zu dem Gesamtthema weise ich darauf hin, dass der Senat alle Anstrengungen unternimmt, um die Bevölkerung zu schützen, natürlich auch vor potentiellen Sexualstraftätern. Dabei stehen Zuständigkeitsfragen zwar nicht im Vordergrund, interjection: [Weinschütz (Grüne): Eben!]

aber wir dürfen auch nicht zulassen, dass bisher nicht straffällig gewordene Menschen, von denen Mediziner behaupten, sie könnten straffällig werden, in der Verantwortung der Justiz einer Zwangsbehandlung unterworfen werden. Ich möchte hier auf den Gesamtzusammenhang hinweisen.

Der Senat hat in seinem umfangreichen Bericht an das Abgeordnetenhaus im Juni 1999 dargestellt, dass es ein umfangreiches Therapieangebot für Sexualstraftäter im Strafvollzug, im Maßregelvollzug und bei den Sozialen Diensten der Justiz gibt. In der Justizvollzugsanstalt Tegel existiert eine Sozialtherapeutische Anstalt mit 160 Behandlungsplätzen, womit übrigens das Land Berlin im Vergleich mit anderen Ländern ein sehr umfangreiches, möglicherweise das umfangsreichste Behandlungsangebot für diesen Personenkreis im Vollzug bereithält. Ob nun im Zusammenhang mit den Schreiben von Herrn Prof. Beier oder bereits davor, will ich nicht im Einzelnen untersuchen, festzuhalten ist jedoch, dass wir eine besondere Einrichtung im Justizvollzug per 1. November des vergangenen Jahres eingerichtet haben, und zwar speziell für verurteilte Sexualstraftäter. In dieser Einrichtung werden Programme versucht, bis dahin therapieunwillige Täter therapeutisch zu behandeln.

Es gibt eine zweite Maßnahme als Ergänzung zu der seit 1. November vergangenen Jahres arbeitenden Einrichtung. Sie wissen, Herr Abgeordneter Wieland, dass am 1. Januar 2003 die Änderung von § 9 Strafvollzugsgesetz über Pflichtbehandlung von Sexualstraftätern in Kraft tritt. Darauf bereiten wir uns natürlich vor. Dafür soll ein derzeit nicht genutztes Gebäude in der Justizvollzugsanstalt Tegel ausgebaut werden. Hier sind die Planungsmaßnahmen in die Wege geleitet. Ich gehe davon aus, dass diese Maßnahmen – wie andere Maßnahmen im Strafvollzug auch – in Zusammenarbeit mit der dabei in der Tat dann unmittelbar einzuschaltenden Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Verkehr vorangetrieben werden.

Ich muss noch einen Hinweis geben, einfach weil das hier eine öffentliche Diskussion über die Entwicklung an der Universität und zu den Überlegungen von Herrn Prof. Beier ist. Herr Prof. Beier ist Hochschullehrer, C 3, an der Humboldt-Universität. Sein Institut ist ausgestattet mit einer Professorenstelle, einer Stelle für eine Fachärztin und einer für eine Sekretärin. Darüber hinaus gibt es einige Drittmittel. Die Durchführung von Therapien für potentielle bzw. rechtskräftig verurteilte Sexualstraftäter gehört allerdings nicht zu dem Aufgabenbereich des Instituts für Sexualwissenschaften an der Charite´, denn das Institut selbst hat keine Ermächtigung für diese Behandlungen. Herr Prof. Beier besitzt eine persönliche Ermächtigung zur Therapie, also geht es bei seinen Aktivitäten allein darum, inwieweit er gegebenenfalls neben seiner beruflichen Tätigkeit dort Therapieplätze aufbauen kann bzw. dort auch die entsprechenden Abrechnungsmöglichkeiten hat. Das betrifft insbesondere Abrechnungen mit den Kassen, es handelt sich damit um eine Frage der Gesundheitsvorsorge.

Ich muss darauf hinweisen, dass Herr Prof. Beier – jedenfalls nach Auskunft der Wissenschaftsverwaltung – keinen Antrag auf eine höhere Personalausstattung seines Instituts gestellt hat. Die Bereitstellung von mindestens fünf Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter, die er in seinen öffentlichen Darstellungen für notwendig hält, ist bisher von der Universität nicht im Einzelnen behandelt worden. Wobei ich auf einen weiteren Punkt hinsichtlich seiner Finanzierungsüberlegungen aufmerksam mache: Er möchte nämlich, dass die zusätzlichen Maßnahmen für seine Arbeit aus dem Vermögen der 1933 zu Beginn der nationalsozialistischen Ära zwangsweise aufgelösten Magnus-Hirschfeld-Stiftung finanziert werden.

Aus den kurzen Andeutungen – das kann man natürlich sehr viel länger ausführen – wird sehr deutlich,

[Wieland (Grüne): Doch!]

dass es Herrn Prof. Beier um ein medizinisches Versorgungsangebot für diejenigen Menschen in dieser Stadt geht, die möglicherweise problematische Sexualerkrankungen aufweisen,

(A) (C)

(B) (D)

RBm Diepgen

aber gerade nicht Gegenstand polizeilicher oder staatsanwaltlicher Ermittlungen sind oder sich gar als Verurteilte im Vollzug befinden.

[Cramer (Grüne): Was soll denn das?]

Den Zwischenruf eines Abgeordneten: „Was soll das?“, muss ich so beantworten,

[Wieland (Grüne): Danach hatten wir nicht gefragt!]

dass ich nach unserem Rechtsstaatssystem nicht die Möglichkeit habe,

[Cramer (Grüne): Dafür stundenlang hier reden!]

potentielle Straftäter, die eventuell in der Stadt leben, einer Behandlung im Strafvollzug – und damit in Zuständigkeit der Justiz – zu unterwerfen. Das funktioniert – Gott sei Dank – in unserem Rechtsstaat nicht.

Ich will allerdings, weil der Gesamtzusammenhang besteht und ich auch nicht der Auffassung bin, dass Kompetenzabgrenzungen im Vordergrund stehen, darauf hinweisen, was mir die Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen mitgeteilt hat. Da wird auf Folgendes hingewiesen, ich zitiere:

Noch nicht straffällig gewordene Menschen in einer behandlungsbedürftigen sexualmedizinischen Erkrankung haben – soweit sie gesetzlich krankenversichert sind – nach § 27 SGB Anspruch auf eine Krankenbehandlung. Adäquates gilt natürlich auch für privat Versicherte. In Berlin

und das ist das Entscheidende –

gibt es derzeit 1 600 niedergelassene Psychotherapeuten.

[Frau Schaub (PDS): Das wollte aber keiner wissen!]

Damit ist bereits das Stadium der Überversorgung mit Psychotherapeuten erreicht.

Der Versorgungsgrad liegt danach bei 127 %. Berlin gehört insofern – so wird mir hier mitgeteilt – zu den Regionen Deutschlands, die über ein sehr breites Angebot von Therapiemöglichkeiten verfügen.

Es wurde die Frage nach der Zahl 500 gestellt. Ich habe sie vorhin schon kurz beantwortet. Mir wird hier mitgeteilt – und zwar von den entsprechenden Wissenschaftlern in den zuständigen Verwaltungen –, dass die von Herrn Prof. Beier genannte Zahl, 500 unbehandelte, nicht straffällig gewordene Menschen mit Sexualstörung, nicht nachvollziehbar sei. Empirische Nachweise oder auch nur konkrete Hinweise dazu gibt es jedenfalls nicht.

Es geht hier vordergründig – und dafür habe ich Verständnis –, dass eine persönliche Ermächtigung zur Behandlung auf eine Institutsermächtigung ausgedehnt wird. Das erwähne ich nur deswegen, weil es dazu eine klare Rechtslage gibt, nämlich in § 96 SGB. Entscheidungen über diese Zulassung erfolgen über einen Zulassungs- und Berufungsausschuss. Sie unterliegen nicht staatlicher Kontrolle, sondern sind Angelegenheit der Krankenkassen.

Ich sage hier sehr deutlich: Ich nehme – wie Sie insbesondere an den zwei konkreten Maßnahmen erkennen, die nach kurzer Zeit meiner Zuständigkeit für den Justizbereich erfolgt sind – den konkreten Ausbau – Inkrafttreten 1. November – von zusätzlichen Einrichtungen und den Ausbau jener im Augenblick noch nicht genutzten Räumlichkeiten in Tegel sehr ernst. Ich nehme auch darüber hinaus die Zusammenarbeit mit den für Gesundheit und Wissenschaft zuständigen Kolleginnen und Kollegen sehr ernst. Ich bitte jedoch die Öffentlichkeit darum, nicht ein aktuelles Thema einer Straftat mit unmittelbar auf Einzelinstitute ausgerichteten Wünschen zu verbinden und damit zu einer Verunsicherung der Bevölkerung in Berlin beizutragen. Ob es genug Therapieplätze gibt, darüber kann man immer streiten. Aus den Vergleichszahlen ergibt sich jedenfalls, dass es hier in Berlin – vergleichbar mit anderen Regionen – keinen besonderen Mangel gibt, selbst unter Berücksichtigung der speziellen Problemlage einer Großstadt und Metropole.

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! – Nachfragen hat die Fragestellerin, Frau Kind. Bitte schön, Frau Kind!

[Atzler (CDU): Wieso denn? Das war doch nicht kurz und knapp!]

Das war alles erschöpfend. Aber wenn die Kolleginnen und Kollegen Nachfragen haben, dann haben sie eben Nachfragen!