Protokoll der Sitzung vom 01.03.2001

Ich eröffne die 23. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste, unsere Zuhörer und die Zuschauer draußen sehr herzlich.

Vor Eintritt in die Tagesordnung bitte ich Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

[Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.]

Im Alter von 87 Jahren ist am 24. Februar der S t a d t ä l t e s t e v o n B e r l i n A l e x a n d e r Vo e l k e r v e r s t o r b e n. Am 5. Dezember 1948 wurde er erstmals in die Stadtverordnetenversammlung von Groß-Berlin gewählt und gehörte ununterbrochen zunächst der Stadtverordnetenversammlung und später dem Abgeordnetenhaus von Berlin bis 1979 an. Er war also ein Mann der ersten Stunde. Mehr als 15 Jahre war Alexander Voelker Vorsitzender der SPD-Fraktion und gehörte über 20 Jahre dem Ältestenrat an.

Die Zeit seines politischen Wirkens war geprägt von der Blokkade, dem 17. Juni 1953, Chruschtschow-Ultimatum, dem Bau der Mauer und der Entspannungspolitik zwischen Ost und West. Er gehörte zu denen, die nach den schrecklichen Erfahrungen der Nazidiktatur und des Krieges unermüdlich den Wiederaufbau der Stadt förderten. Dies tat er nicht nur als gewählter Volksvertreter, sondern auch als Mitglied des Vorstandes der Bewag, dem er 20 Jahre angehörte.

Er gestaltete über einen langen Zeitraum an verantwortungsvoller Stelle die Entwicklung des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens in unserer Stadt. Alexander Voelker war ein konsequenter und engagierter Parlamentarier mit hoher persönlicher Integrität, immer hart in der Sache, aber konziliant im Umgang mit seinen Kolleginnen und Kollegen. Seine Freundlichkeit, seine Gelassenheit im mitunter hektischen Parlamentsalltag und seine Besonnenheit auch bei kontroversesten Debatten haben oftmals zur Versachlichung der politischen Diskussionen beigetragen und gaben ein Beispiel für alle.

1973 wurde er vom Senat mit der Ernst-Reuter-Plakette ausgezeichnet. Abgeordnetenhaus und Senat ehrten Alexander Voelker 1980 mit der Würde eines Stadtältesten.

Berlin sagt Dank für das jahrzehntelange politische Wirken eines vorbildlichen Demokraten. Wir trauern um Alexander Voelker und gedenken seiner mit Hochachtung.

Wie so oft liegen Freud und Leid dicht beieinander. Wir haben auch freudige Mitteilungen: Ich weiß nicht genau wann, aber irgendwann zwischen 0.00 Uhr und 0.02 Uhr hatte der A b g e o r d n e t e M i c h a e l N e l k e n G e b u r t s t a g , denn der richtige Tag ist eigentlich der 29. Februar. Wenn man die richtigen Geburtstage zählt, ist er der Jüngste unter uns. H e r z l i c h e n G l ü c k w u n s c h !

[Beifall]

Er ist aber als Geburtstagskind nicht allein. H e r r B e n n e t e r hat heute G e b u r t s t a g. H e r z l i c h e n G l ü c k w u n s c h !

[Beifall]

Die Fraktion der Grünen hat ihren A n t r a g über EU-Institutionen für die Erweiterung fit machen und den verfassungsgebenden Prozess in der EU voranbringen – D r u c k s a c h e 14/681 – nach der Beratung im Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten und Berlin-Brandenburg z u r ü c k g e z o g e n.

Am Montag sind drei A n t r ä g e a u f D u r c h f ü h r u n g e i n e r A k t u e l l e n S t u n d e eingegangen, und zwar:

1. Antrag der Fraktion der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU zum Thema: „Ergebnisse der Bremer Sonderkonferenz der Verbraucherschutzministerinnen und -minister der Länder und Konsequenzen für Berlin“,

2. Antrag der Fraktion der PDS zum Thema: „Spendenaffäre Landowsky, faule Kredite der Bankgesellschaft, merkwürdige Fondsgeschäfte – der Berliner Filz muss aufgelöst werden“,

3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Faule Kredite und Schwarze Kassen – notwendige personelle Konsequenzen aus der jüngsten Filz- und Spendenaffäre der CDU“.

Im Ältestenrat haben wir uns einvernehmlich darauf verständigt, dass wir heute das Thema der Fraktion der PDS aufrufen. Die anderen Anträge wurden zurückgezogen. Die Aktuelle Stunde wird mit anderen Tagesordnungspunkten verbunden. Ich werde sie im Anschluss an die Fragestunde unter dem Tagesordnungspunkt 1A aufrufen.

Für seine A b w e s e n h e i t a n d e r h e u t i g e n S i t z u n g hat sich Herr Senator Branoner entschuldigt. Er ist verpflichtet, an der heute stattfindenden Wirtschaftsministerkonferenz in Mainz teilzunehmen.

Ich komme damit zur

lfd. Nr. 1:

Fragestunde gemäß § 51 der Geschäftsordnung

Vor Aufruf der ersten Mündlichen Anfrage schlage ich Ihnen vor, diese mit der Anfrage Nummer 5 zu verbinden und Zusatzfragen auf insgesamt sechs zu erhöhen, wobei die Fragestellerinnen zuerst das Recht auf jeweils zwei Nachfragen haben. Gibt es dagegen Widerspruch? – Den höre ich nicht. Dann haben wir das so vereinbart.

Damit hat die Kollegin Richter-Kotowski das Wort zu einer Mündlichen Anfrage über

Altenpflegeausbildung im Land Berlin in der Schwebe? – Wann wird der Senat endlich aktiv?

Herr Präsident! Ich frage den Senat:

1. Welche Senatsverwaltung ist, nachdem Bundestag und Bundesrat das Altenpflegegesetz im November 2000 beschlossen haben, für die Altenpflegeausbildung in Berlin zuständig, und bleiben die Altenpflegeschulen in Berlin Schulen im Sinne des Schulrechts der Länder – § 5 Abs. 1 Altenpflegegesetz –?

2. Erwägt der Senat, die Altenpflegeausbildung für ein Jahr in der bestehenden Form weiterzuführen, um die Organisation der Ausbildung in Verbindung mit den Trägern der Altenpflege sachgerecht umstrukturieren zu können?

Nun noch Frau Herrmann mit ihrer Frage über

Sicherung der Altenpflegeausbildung im Land Berlin

Danach beantwortet der Senat die beiden Fragen zusammen.

Herr Präsident! Ich frage den Senat:

1. Wie beabsichtigt das Land Berlin vor dem Hintergrund des zum 1. August 2001 in Kraft tretenden Bundesaltenpflegegesetzes die Anerkennung und Finanzierung der seit Jahren hervorragend arbeitenden Berliner Fachschulen für Altenpflege einschließlich der Refinanzierung der Ausbildungsvergütung zu regeln?

2. Wie wird seitens des Senats sichergestellt, dass auch ab August 2001 die in Berlin vorhandenen Ausbildungskapazitäten in der Altenpflege sowohl für die jetzigen Schulabgänger als auch für Arbeitslose im Rahmen von Umschulungsmaßnahmen weiter ausgeschöpft werden können?

Zur Beantwortung hat das Wort Herr Schulsenator Böger – bitte sehr!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Richter-Kotowski! Frau Abgeordnete Herrmann! Meine Damen und Herren! Ich beantworte die Mündlichen Anfragen wie folgt:

Zu 1: Die Umsetzung des Bundesgesetzes über die Berufe in der Altenpflege sowie zur Änderung des Krankenpflegegesetzes wird zurzeit noch zwischen den Senatsverwaltungen für Schule, Jugend und Sport und der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen erörtert. Die Entscheidung über die zukünftige Zuständigkeit wird demnächst getroffen.

Zu 2: Sie haben gefragt, ob der Senat erwäge, die Altenpflegeausbildung für ein Jahr in der bestehenden Form weiterzuführen. Die Antwort ist nein. Das Bundesgesetz tritt ohne Übergangsfrist zum 1. August 2001 in Kraft. Es ist sicherlich fragwürdig, solche Gesetzesänderungen so schnell durchzusetzen. Sie sind aber so. – Ich will nur darauf hinweisen, dass nach unserem Kenntnisstand gegenwärtig eine Klage des Landes Bayern anhängig ist. Wir erwarten über diese Klage eine Entscheidung, die für demnächst angekündigt ist. Wir werden sie dann in unsere Überlegungen mit einbeziehen. Ansonsten ist unser Stand – das beantworte ich zu beiden Fragen –, dass wir auf Seiten der Verwaltungen bis zum 1. August 2001 eine Lösung finden werden und finden müssen.

Ich will zugleich auf Ihre Frage, Frau Richter-Kotowski, antworten. Sie fragten, ob alles sachgerecht umzustrukturieren sei. Bisher wurden Altenpflegerinnen und Altenpfleger auf Grundlage einer Rahmenvereinbarung der Kultusministerkonferenz an Fachschulen ausgebildet. Hierbei handelt es sich um einen Bildungsgang, der auf einer beruflichen Erstausbildung oder auf langjährige Berufstätigkeit aufbaut. Die Ausbildung an einer Fachschule lässt sich nicht mehr aufrechterhalten. Der Bund sieht nunmehr die Ausbildung in der Altenpflege als Erstausbildung vor, die von den im Schulrecht des Landes geregelten Wegen zur Erlangung eines Berufsschulabschlusses abweicht.

Zugleich stellt sich eine wichtige rechtssystematische Frage, weil nach den Prinzipien des Föderalismus der Bund nicht in Zuständigkeiten der Länder hineindirigieren kann. Er hat es aber in diesem Punkt getan, und daraus ergeben sich dann gewisse Umstellungsschwierigkeiten und -notwendigkeiten.

Ich möchte Ihnen einmal pauschal auf Ihre Fragen antworten, das habe ich auch bereits getan: Wir sind noch nicht entschieden. Sie können aber sicher sein, dass wir als Senat nicht zulassen werden, dass dieser wichtige Ausbildungsgang, der, wie wir alle wissen, in unserer Gesellschaft an Bedeutung zunehmen wird, durch bürokratische Zuständigkeitsfragen – wenn ich das so formulieren darf – vor die Hunde gehen wird. Das werden wir verhindern. – Das ist die Auskunft, die ich Ihnen gegenwärtig pauschal geben kann.

[Dr. Köppl (Grüne): Sehr erhellend!]

Gibt es Zusatzfragen der Fragestellerinnen? – Frau Richter-Kotowski!

Herr Senator! Der letzte Satz war ja ganz prima. Trotzdem muss ich Sie fragen: Wie wird der Senat künftig die Finanzierung der Altenpflegeschulen sicherstellen?

Herr Senator!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Richter-Kotowski! Ich will zunächst einmal betonen – vereinfacht gesprochen, weil wir hier nicht für ein Spezialpublikum reden –: Die Finanzierung ist nicht eine prinzipielle Frage, sondern zunächst eine Frage der Ressortierung mit eventuellen Konsequenzen. Ich antworte Ihnen hier für die Öffentlichkeit: Wir werden diese sicherstellen, und wir werden die bürokratische Zuordnung bis zum 1. August 2001 ordnen. Wir hoffen dabei, dass wir das Ergebnis des Rechtsstreits, den das Land Bayern gegen den Bund führt, noch einbeziehen können.

Die nächste Zusatzfrage hat Frau Abgeordnete Herrmann!

Herr Senator! Ihnen ist ja sicher bekannt, dass das Land Berlin eine hervorragende Ausbildungsverordnung hat. Wenn wir uns jetzt den Bundesausbildungsvorschriften anschließen, würde das Land Berlin erhebliche Nachteile erleiden. Es gibt Bundesländer, die ihre Ausbildungsverordnung beibehalten haben, trotz der neuen Verordnung des Bundes. Könnte sich das Land Berlin nicht dem auch anschließen und seine alte Ausbildungverordnung behalten und einarbeiten in die neue Bundesverordnung?

Herr Senator – bitte!