Protokoll der Sitzung vom 13.04.2000

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Sen Strieder

Das Quartiersmanagement ist aber nur ein Bestandteil des Maßnahmenpakets. Stadterneuerung und Eigentumsinitiative tragen ebenfalls dazu bei, das Gleichgewicht in den Kiezen zu fördern.

Mit 550 Millionen DM Programmvolumen führen wir die Stadterneuerung fort. Dies ist uns nicht nur vor dem beschriebenen Hintergrund wichtig. Mit diesem Programm sichern wir als Land langfristig nahezu 5 000 Arbeitsplätze in der Berliner Bauwirtschaft. Die bedrükkende Arbeitslosigkeit im Baugewerbe allein wäre schon Grund genug für unser Engagement in diesem Bereich.

Ich möchte aber darauf hinweisen, dass Investitionen in die Modernisierung und Instandsetzung von Stadtquartieren auch weiteren Bereichen der kleinen und mittleren Wirtschaft zugute kommen. So entspricht ein Arbeitsplatz im Mod-Inst-Baugewerbe 110 000 DM. Mit einer Investitionssumme von 1 Millionen DM schaffen wir 9 Arbeitsplätze in der Baubranche. Als Folgeeffekt entstehen dadurch in anderen Wirtschaftszweigen ca. 2 weitere Arbeitsplätze. Mit der städtebaulichen Aufwertung der Quartiere geht also auch ein Arbeitsmarkteffekt von nicht zu unterschätzender Größe einher.

Neben der aktiven Stadterneuerung bildet auch die Eigentumsförderung durch das Land eine wichtige Säule zur Stärkung der Quartiere. Wie oft wurde in diesem Haus darüber gesprochen, dass es unerlässlich ist, das vorhandene Förderangebot um ein Angebot zum Bestandserwerb für Mieter und genossenschaftliche Rechtsformen zu erweitern! Wir haben es geschafft. Mit dem öffentlich geförderten Kauf von über 500 Wohnungen durch die neu gegründete Genossenschaft Bremer Höhe im Bezirk Prenzlauer Berg beleben wir den Genossenschaftsgedanken neu und setzen damit einen wichtigen Impuls für mehr Bürgerengagement in den Quartieren. Die Förderung der Eigentumsbildung durch die Stadt hat damit eine grundsätzlich neue Ausrichtung erfahren. Sie konzentriert sich darauf, die Menschen in ihren Kiezen zu binden und durch den Eigentumsgedanken ein höheres Maß an Eigenverantwortung zu fördern. Auch dem Grundsatz der nachhaltigen Stadtentwicklung, seiner Orientierung innen vor außen, wird damit stärker als zuvor Rechnung getragen.

Weitere Genossenschaftsgründungen werden in diesem Jahr folgen. Für die Unterstützung zur Gründung von Genossenschaften, den Erwerb von Wohnungen durch Mieter und den Bau von Eigenheimen werden wir in diesem Jahr insgesamt ein Programmvolumen von 180 Millionen DM bereitstellen – ein wichtiger Beitrag, um in den Kiezen die soziale Mischung zu stärken und das Wohnen zu sichern.

Ich sprach davon, dass die Menschen in unserer Stadt das Bedürfnis haben, sich auf den Strassen und Plätzen wohl zu fühlen. Der öffentlich Raum soll zum Verweilen einladen. Denn zum Zuhause gehört auch die Parkanlage mit ihren Bänken vor der Tür und der Spielplatz an der Ecke. Der Verwahrlosungstendenz an einigen Orten der Stadt haben wir in der vergangenen Legislatur die Aktion Saubere Stadt entgegengesetzt – eine Initialzündung, kein Waschzwang.

Es war schwer: Die CDU hatte Sorge, dass sich die SPD eines vermeintlich klassischen CDU-Themas bemächtigt. Die PDS sah darin eine Wiederbelebung der goldenen Hausnummer und fand es ungeheuerlich, dass jetzt der Westen mit dem Thema kommt. Und die Grünen glaubten, dass wilde Abfallentsorgung nur Kapitalisten verboten sei.

Viele haben gelernt. Viele haben sich engagiert. Der Erfolg lässt sich am bürgerschaftlichen Engagement ablesen. Die „Berliner Morgenpost“, die „BZ“, der Berliner Rundfunk und der SFB engagieren sich heute in einer eigenen Kampagne. Es haben sich Interessengemein

schaften gegründet die sich um einzelne Straßezüge kümmern. Über privates Sponsoring wurden Patenschaften für Plätze und Parks verabredet.

Ich möchte hier noch einmal meinen sehr herzlichen Dank all jenen ausdrücken, die sich dieses Themas angenommen haben. Herzlichen Dank jedem einzelnen Bürger, der sich engagiert, herzlichen Dank den Sponsoren aus der privaten Wirtschaft.

Wer sich in der Stadt umschaut, weiß, dass unser Engagement für die Pflege des Stadtbildes und die Qualifizierung des öffentlichen Raums nicht nachlassen darf – im Gegenteil. Wir haben noch längst nicht das Niveau erreicht, um ihn für alle nutzbar zur Verfügung zu stellen. Der Vermüllung und Verdreckung muss weiterhin entgegengetreten werden.

Deshalb werden wir auch in diesem Jahr diese Aktionen unterstützen. Wir werden z.B. mit einem Sonderprogramm dafür Sorge tragen, dass die Brunnen in der Stadt wieder fließen. Wer dies für eine unnötige Arabeske hält, weiß nicht, wie stark der Zustand des öffentlichen Raumes zum Wohlfühlen in der Stadt und zur Identifikation des Einzelnen mit dem Quartier beiträgt. Die öffentlichen Straßen und Plätze, die Grünanlagen in der Stadt sind Orte der Begegnung, der Kommunikation und Bühne für das städtische Leben. Das Vorhandensein qualitätsvoller öffentlicher Räume ist eine elementare Voraussetzung für die Akzeptanz des großstädtischen Lebens für alle Schichten der Bevölkerung.

Ein Ende dieser Verwahrlosung, die Wiedergewinnung traditioneller Gestaltungsqualitäten sowie die Anlage neuer öffentlicher Plätze und Parkanlagen ist daher eine zentrale Aufgabe sozialer Stadtentwicklung und ein gutes Argument für das Verbleiben in der Stadt.

Neben dem Brunnenprogramm werden wir deshalb die Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raums intensiv in Angriff nehmen und mit 9 Millionen DM ein Platzprogramm auflegen. Für ganz Berlin haben wir vorgesehen, den 99er Ansatz zur Aufwertung des öffentlichen Raumes um 40 % auf 50 Millionen DM aufzustocken, um unseren Beitrag zum Wohlfühlen in der Stadt zu leisten.

Einen wichtigen Ort für Identifikation der Bürgerinnen und Bürger stellt das historische Zentrum der Stadt dar. Das historische Zentrum als Geburtsort Berlins wird immer prägender für die Stadt. Das politische, wirtschaftliche und kulturelle Leben hat sich in den letzten Jahren deutlich in die klassische Mitte der Stadt verlagert.

Gleichwohl gibt es gerade in der Stadtmitte noch Defizite. Die Bauleistungen am Spreebogen, am Potsdamer Platz und in der Friedrichstadt dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die eigentliche Mitte Berlins mit Rathaus, Stadthaus, Kirchen und Stadtschloss erst wenig Veränderungen erfahren hat. Dieses Gebiet zwischen Alexanderplatz und Schlossbrücke bildet daher den Mittelpunkt der planerischen und baulichen Aktivitäten.

Die Verbesserung der Lebensqualität kann dazu beitragen, die Abwanderung der Bevölkerung ins Umland zu bremsen und somit Steuerausfälle für die notwendige Finanzkraft der Stadt zu vermeiden.

Umwelt und Wirtschaft, Ökologie und Ökonomie, stehen in einer Großstadt wie Berlin in einer Wechselbeziehung. Mit dem Wachstum der Wirtschaft und seinem Erfolg sind Arbeitsplätze, die städtebauliche Entwicklung und das Wohlergehen der Bürger unserer Stadt unmittelbar verbunden. Aber wirtschaftliches Handeln ohne entsprechende Regularien kann der Umwelt Schaden zufügen. Neben den klassischen Aufgaben des Umweltschutzes hat Berlin in den letzten Jahren eine Reihe von Instrumenten entwickelt, mit denen der Wirtschaftssektor zu innovativen Anstrengungen im Umweltschutz motiviert werden kann.

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Hier leistet das Landesenergieprogramm einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Durch Kooperation mit der Energiewirtschaft stehen in Berlin bis 2003 rd. 100 Millionen DM zur Förderung der Solarenergie und anderer innovativer Technologien zur Verfügung. Hierbei ist besonders hervorzuheben, dass die damit verbundene Förderung von Projekten auf der Basis alternativer Energien auch den Technologiestandort Berlin im internationalen Vergleich aufwerten. So hat z. B. die GASAG bereits über 300 Solaranlagen mit einer Kollektorfläche von rd. 3000 qm gefördert. Für das laufende und das kommende Jahr steht insgesamt eine weitere halbe Million DM Fördersumme zur Verfügung. Seit 1997 förderte auch die Bewag Solarprojekte mit insgesamt 40 Millionen DM, davon kommen allein in diesem Jahr 10 Millionen DM zur Förderung neuer Energietechnologien zum Einsatz.

Das Land Berlin fördert im Mod-Inst-Programm ebenfalls solarthermische Anlagen. Hier wird eine Investitionssumme von 4 Millionen DM zur Verfügung stehen. Insgesamt werden in den kommenden 4 Jahren mehr als 50 Millionen DM für die Förderung von umweltschonenden Energien eingesetzt.

Dies sind gute und wichtige Investitionen in die Zukunft unserer Stadt. Der Wirtschaftsstandort Berlin wird seine Attraktivität für neue Unternehmen nur wahren und ausbauen können, wenn er auf eine weitgehend intakte städtische Umwelt verweisen kann.

Umweltschutz kann aber nur dann wirklich erfolgreich sein, wenn er von den Bürgerinnen und Bürgern getragen wird. Hier werden wir mit dem Agenda-Haus eine Plattform schaffen wo Bürger, Vereine, Verbände und Vertreter aus Politik und Wirtschaft sich gemeinsam den vielfältigen und weitgefächerten Umweltschutzaufgaben, -problemen und -themen auseinandersetzen können, wo Vorschläge, Anregungen und konkrete Zielsetzungen erarbeitet werden können, die dem Interesse der gesamten Stadt dienen.

Das Agenda-Haus, dessen Bedeutung mit der Anerkennung als dezentrales Projekt der EXPO eine dem Thema angemessene Würdigung erfahren hat, wird derzeit in einem ehemaligen Verwaltungsgebäude an der Rummelsburger Bucht eingerichtet. Als Ort der öffentlichen Kommunikation wird es Ende Mai eröffnet. Schon heute lade ich Sie alle auf das herzlichste dazu ein.

Zu einer Stadt mit Lebensqualität gehört ein attraktives Angebot mit Bussen und Bahnen. Der Senat hält es nicht für ausreichend, die Einnahmesituation der BVG durch ständiges Drehen an der Preisschraube verbessern zu wollen. Der Senat steht zur BVG und zu ihren Arbeitsplätzen. Im Gegenzug erwarten wir aber von der BVG endlich innovative Konzepte. Nur wenn die BVG die Berlinerinnen und Berliner als Kunden wirklich haben will, kann sie erwarten, dass die Bürgerinnen und Bürger Millionenbeträgen für die Umstrukturierung der BVG zahlen. Die Ausweitung eines attraktiven und differenzierten Preisangebotes für unterschiedliche Bevölkerungs- und Nutzergruppen werde ich mit großer Energie vorantreiben.

Ein überfälliger erster Schritt ist das Angebot von Semesterticket und Arbeitslosenticket. Das Arbeitslosenticket kommt – zu einem Preis von 45 DM. Und auch zum Semesterticket liegt ein Angebot auf dem Tisch, dass sich sehen lassen kann: das Tarifgebiet A-B-C zum Semesterpreis von 215 DM. Ich möchte an die Studentinnen und Studenten appellieren, auf dieses Angebot einzugehen. Denn damit können wir für 130 000 Studierende in dieser Stadt den Einstieg in eine umweltfreundliche Mobilität organisieren.

Das Land Berlin fordert nicht nur von der BVG eine Verbesserung der Marketingstrategien, sondern erbringt selbst einen großen Beitrag zur Attraktivitätssteigerung des ÖPNV. In diesem Jahr erhöhen sich die Zuschüsse

für Investitionen des ÖPNV um nahezu 75 % gegenüber dem Ansatz von 1999. Damit investieren wir in diesem Jahr über 400 Millionen DM in die Hardware des öffentlichen Personennahverkehrs, um das vorhandene Netz zu erneuern und auszudehnen. Daran erkennen Sie, dass wir eine Vielzahl von unterschiedlichen Strategien verfolgen um zu gewährleisten, dass die Berlinerinnen und Berliner bequem und bezahlbar durch ihre Stadt kommen.

Obwohl in den kommenden Jahren der ÖPNV eindeutig Vorfahrt erhalten wird, kümmern wir uns mit erheblichen Investitionen in diesem Jahr auch um die Mobilität des Einzelnen und des Wirtschaftsverkehrs. Zur sinnvollen Vernetzung von ÖPNV, Individual- und Wirtschaftsverkehr hat das Land in diesem Jahr 12 Millionen DM für die Verkehrsmanagementzentrale veranschlagt. Dies ist ein Schritt, der ganz wesentlich zur Modernisierung der Mobilität in der Stadt führen wird. Die Zukunft Berlins als Wirtschafts- und Dienstleistungsstandort hängt ganz wesentlich von einer modernen Verkehrsinfrastruktur ab. Durch die Einführung der Telematik-Systeme schaffen wir ein Informationsdienst, der sämtliche Verkehrsträger intelligent koordiniert und dadurch Staus und Emissionsbelastungen reduzieren hilft.

Neben diesem innovativen Verkehrsmanagement werden wir natürlich auch in diesem Jahr direkt in die Infrastruktur der Stadt investieren und damit die Zukunftsfähigkeit Berlins stärken. So stecken wir in 2000 fast 170 Millionen DM in den Brücken- und Straßenbau, um das vorhandene Straßennetz zu ergänzen und Lücken, die noch aus der Teilung der Stadt resultieren, zu schließen. Darunter sind so wichtige Brückenprojekte wie die Straßenbrücke über die Spree und die Bahnanlage in Spindlersfeld – ein wichtiger Baustein für die Tangentiale Verbindung Ost, die zu einer ganz wesentlichen Entlastung der Köpenicker Altstadt führen wird – sowie 12 weitere Brücken über Wasserstraßen und Bahnanlagen. Allein im Einzelplan meiner Verwaltung haben wir 65 Millionen DM für den Straßenbau im zentralen Bereich und für Berliner Hauptverkehrsadern eingestellt.

Zum Schluss möchte ich noch auf das Sonderprogramm zur Sanierung der Schul- und Sportstätten zu sprechen kommen. Ich denke, anhand der 100 Millionen DM, die wir zusätzlich im Haushalt ermöglicht haben, wird besonders deutlich, wie sehr uns die moderne Bildung und Ausbildung der Kinder dieser Stadt am Herzen liegt. Denn trotz erheblicher Einsparungen im Einzelplan der Stadtentwicklungsverwaltung von direkt 113 Millionen DM und weiteren 200 Millionen DM im Rahmen der pauschalen Minderausgaben, haben wir klare Prioritäten durchgesetzt. Mehr Mäuse für die Schule blieb also kein Versprechen, sondern findet sich in diesem Haushaltplan bereits wieder.

Der vorliegende Haushaltsentwurf bringt Berlin voran. Er berücksichtigt die Interessen und Bedürfnisse der Berlinerinnen und Berliner, ist sozial ausgeglichen und schafft den Spagat zwischen notwendigen Investitionen in die Zukunft Berlins und eine solide Haushaltsführung. Ich bitte sie deshalb um ihre Zustimmung zum Haushaltsentwurf.

Frau Oesterheld, das war wieder ein Meisterstück. Wir haben dafür gesorgt, dass die Mieterinnen und Mieter herauskommen aus der Kellerwohnung, dass die Ofenheizung rauskommen aus den Wohnungen und dass die Mieterinnen und Mieter nicht mit der Münze um eine Wohnung würfeln müssen so wie ihr Bürgermeister ums Rathaus.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Frau Oesterheld (Grüne): Ziemlich teuer!]

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Sen Strieder

Für die Mieter sicheres und bezahlbares Wohnen zu erreichen, das prägt seit 1990 die Baupolitik des Senats. 30 Milliarden DM haben wir in neue Wohnungen investiert, 570 000 Wohnungen angepackt, 56 000 Wohnungen im Plattenbau saniert, 40 Prozent des gesamten Wohnungsbestands dieser Stadt sind erneuert worden – das ist eine Frischzellenkur für die Wohnungen in dieser Stadt, eine Frischzellenkur, die Ihnen auch einmal ganz gut täte.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Over (PDS): Übernehmen Sie jetzt auch die Verantwortung für die Fehler Ihrer Vorgänger?]

Angesichts dieser Erfolge kann ich ja Ihre Depression verstehen, aber seien Sie beruhigt: Diese Krankheit ist nicht ansteckend, und diese Stadt lässt sich davon nicht anstecken.

Wir haben uns allerdings im letzten Jahr besonders um die Quartiere bemüht – und das drückt auch dieser Haushalt aus.

[Zuruf der Frau Abg. Oesterheld (Grüne)]

Soziale Stadtentwicklung heißt nicht Stillstand, heißt Entwicklung, also städtische Gesellschaft sozial entwickeln. Dafür weist dieser Haushalt auch viele Investitionen aus.

[Over (PDS): Fangen Sie doch mal an!]

Ich weiß ja, die PDS – das hat Frau Matuschek heute dankenswerterweise gesagt – ist gegen das Quartiersmanagement, weil so die soziale Lage verdeckt werde, weil das nicht so wird, wie sie hofft, nein, es brodelt nicht. –

[Over (PDS): Einfach mal zuhören! – Frau Martins (Grüne): Frau Freundl hat Sie sogar gelobt!]