Protokoll der Sitzung vom 13.04.2000

Ein paar Highlights haben wir erlebt, eben von Alexander Kaczmarek, am Anfang unserer Haushaltsdebatte von meinem Stellvertreter Frank Steffel,

[Buh! von den Grünen]

dem ich zu dieser Rede und zur Positionierung der Union als einem der guten jungen Leute herzlich gratuliere.

[Beifall bei der CDU]

Es war eben keine Buchhalterdiskussion. Ich glaube, die Rede von Christoph Stölzl hat uns gezeigt: Ein bisschen kommt jetzt neuer intellektueller Wind in die Stadt. Dafür sind wir Ihnen sehr dankbar, Herr Kollege Stölzl!

[Beifall bei der CDU]

Ich glaube, dass – in Liedertexten gedacht – „ein guter Tag zu Ende geht“, Herr Wieland. Jetzt kommt Kurth und – wie Sie in dem gelben Zettel geschrieben haben – ohne Helm und ohne Gurt, und dann schreiten wir zur Tat für diesen Haushalt.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Für die SPD- Fraktion hat das Wort Frau Dunger-Löper. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mal wieder zu den Sachthemen zurückkehren. Der Ausgangspunkt unserer Haushaltsberatung war der, dass wir gesagt haben: Wir wollen konsolidieren, und wir wollen gestalten. Beides haben wir erreicht. Wir haben auf der einen Seite den finanzpolitischen Rahmen eingehalten, den wir uns gesetzt haben und der zum Ziel hat, dass wir im Jahr 2009 einen ausgeglichenen Haushalt ohne strukturelles Defizit erreichen. Wir haben andererseits Schwerpunkte gesetzt: Schul- und Jugendpolitik, Kultur und Wissenschaft. Aber ich denke, wir haben keinen Grund, uns an dieser Stelle zurückzulehnen und in Selbstgefälligkeit zu verfallen.

[Beifall bei der SPD]

Denn wir müssen uns über eines klar sein: Wir haben hier bei den Haushaltsberatungen und den entsprechenden Etatveränderungen mit drei Aspekten gearbeitet.

Wir haben die letzten Polster abgeschmolzen, wir haben Investitionen verschoben, und wir haben – allerdings aus meiner Sicht nicht in ausreichendem Maße – strukturelle Veränderungen begonnen oder zumindest in den Auflagenbeschlüssen angeregt.

Was heißt das für den Haushalt 2001, in den wir jetzt unmittelbar einsteigen werden? – Wir wollen auch hier den Konsolidierungskurs fortsetzen, und das heißt, weiterhin Ausgaben verringern und die Netto-Neuverschuldung absenken. Damit können wir überhaupt wieder Handlungsspielraum erlangen, aber wir können es nur noch, wenn wir wirklich in strukturelle Veränderungen eintreten.

An dieser Stelle will ich ein Beispiel über die Art und Weise heranziehen, wie in den letzten Jahren häufig verfahren worden ist. Ich bin die Vorsitzende des Unterausschusses Theater, und daher liegt ein Beispiel aus diesem Bereich relativ nahe. Der Unterausschuss – und diesmal auf Bestreben der CDU auch öffentlich vor allen Medien tagend – hatte u. a. die Intendanten der Opernhäuser eingeladen, um von ihnen zu erfahren, weshalb sie unausgeglichene Wirtschaftspläne aufgestellt hatten und wie dies nachzubessern sei. Deutlich wurde dabei, dass es seit Jahren erhebliche strukturelle Probleme gibt. Die Häuser müssen zum Teil erhebliche Personalüberhänge finanzieren, die vorhandenen Tarifbindungen verhindern einen flexiblen Einsatz des Personals, an allen Häusern werden parallel zueinander Kapazitäten, wie zum Beispiel Werkstätten, vorgehalten, die nicht ausgelastet werden können. Es fehlt ein gemeinsames Marketingkonzept für die Kulturangebote usw. Der Unterausschuss, inzwischen der Hauptausschuss und auch Sie heute haben daraufhin einen Beschluss gefasst, der die Senatsverwaltung und damit Sie, Herrn Stölzl, verpflichtet, einen Bericht über die Einleitung struktureller Maßnahmen vorzulegen, wobei die Einrichtung eines Stellenpools und eines Abfindungsfonds, die Zusammenlegung von Verwaltungsbereichen und Werkstätten, andere Kooperationsmöglichkeiten und Ausgliederungen sowie Änderungen der Rechtsform und tarifrechtliche Regelungen zu überprüfen sind.

In den letzten Tagen ist mir ein kiloschweres Gutachten einer renommierten Unternehmensberatung in die Hände gefallen zum Thema: Strategische und operative Neuausrichtung der Opernhäuser in Berlin. Dieses Gutachten sagt:

Der Bereich Kultur gehört zu den strategischen Stärken der Metropole Berlin. Das Angebot Berlins auf diesem Gebiet bildet derzeit das vermutlich stärkste Element im Wettlauf mit internationalen Metropolen.

Das ist auch das, was wir als Ausgangsposition haben wollen. Und dann kommt dieses Gutachten zu der Diagnose, dass die Opernhäuser unterdurchschnittliche Kostendeckungen haben, eine deutlich zu niedrige Auslastung, jeweils im Vergleich zu anderen Städten, dass erhebliche Einsparpotentiale innerhalb der Kostenstrukturen vorhanden sind, dass mangelnde Abstimmung der Programme vorhanden ist usw. Es werden hier auch Modelle der Umorganisation aufgezeigt, z. B. das Zusammenfassen von Stäben, Programmplanung, Public Relation, Marketing und Kartenverkauf, Revision und Vertragswesen, Materialwirtschaft, Fundus, zentrale Bühnentechnik und ähnliches.

Nun wird jemand, der sich in der Szene nicht ganz so wie die Leute aus dem Kulturbereich auskennt, sagen: Mensch, hier ist eine Unternehmensberatung, die hat aber schnell gearbeitet. – Da muss ich Sie leider enttäuschen: Das Gutachten ist von 1994. Seit der Zeit liegen die Vorschläge auf dem Tisch. Herr Lehmann-Brauns hat zwar gesagt, es sei darüber ständig diskutiert worden, aber passiert ist nichts. Herr Stölzl, hier ist konkrete Arbeit angesagt. Ich fürchte, Optimismus und gute Stimmung allein reichen hier nicht. Insofern folge ich nicht dem, was der „Tagesspiegel“ heute zu Ihrem Amtsantritt gesagt hat. Hier muss der steinige Weg der Umstrukturierung angegangen werden, und Sie werden an vielen Fronten zu kämpfen haben.

[Beifall der Frau Abg. Ströver (Grüne)]

Wir werden Sie dabei begleiten und Sie fordern, damit Sie hier wirklich tätig werden, notfalls auch, wenn uns dann der Vorwurf des Provinzialismus gelegentlich treffen wird. Denn nicht eloquenter Feuilletonismus, wie wir ihn in den letzten Wochen in den Zeitungen überall lesen konnten, ist hier angesagt, sondern bewertet wird, was am Ende herauskommt: effizient arbeitende Häuser, die damit die Freiheit wiedererlangen, ihren künstlerischen Auftrag erfüllen zu können. Aber dies war nur ein Beispiel, das ich herangezogen habe; Sie sind hier nicht allein gefordert, Herr Stölzl.

Strukturreformen muss es in allen Senatsverwaltungen geben.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Leistungsverträge sind schon angesprochen worden. Wir haben dieses zu initiieren und haben es zum Teil auch schon getan, sowohl im Bereich Sozialwesen wie auch im Bereich der Jugend. Wir haben aber noch einen Bereich – und da spreche ich den Innensenator an –, wo wir Aufgaben zu erledigen haben: Das Überhangmanagement in diesem Lande ist außerordentlich mangelhaft.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Nur wenn es uns gelingt, für die folgenden Jahre den Strukturwandel voranzubringen, haben wir eine Chance, die Konsolidierung, so wie wir sie uns vorstellen und wie Herr Kurth sie mit seinem Haushalt, den er hier vorgelegt hat, angegangen ist, wirklich zu erreichen. Wir haben heute eine erste Etappe erreicht und abgeschlossen, aber die Hauptarbeit liegt noch vor uns.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Nunmehr hat Herr Senator Kurth das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein paar Minuten bleiben noch. Dieser Koalition wird keiner vorwerfen können, dass es bei ihr heiße: Kultur zuletzt.

Wir haben in den letzten Stunden über den Haushalt 2000 beraten. Genauso wichtig waren für mich viele Gespräche über die Finanzlage und den Haushalt, die ich in den letzten Wochen und Monaten mit Interessenvertretern der Gewerkschaften, der Wirtschaftsverbände, mit vielen Ortsverbänden unterschiedlicher Parteien,

[Wowereit (SPD): War er wieder bei der PDS?]

mit vielen Menschen hatte. Nach diesen Gesprächen ist meine Überzeugung mehr denn je: Die Berlinerinnen und Berliner

haben – allen lautstarken Bekundungen zum Trotz – Verständnis für eine konsequente Konsolidierungspolitik. Sie unterstützen und erwarten sie vom Senat.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Den meisten Menschen in dieser Stadt ist klar, dass es für die öffentliche Hand auf die Dauer nicht anders als für Privathaushalte und Unternehmen sein kann: Einnahmen und Ausgaben müssen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen.

Wir sind davon in Berlin noch ein Stück entfernt. Aber wir kommen auch mit diesem Haushalt unserem Ziel näher. Es gelingt nicht, auf neue Schulden zu verzichten, aber wir haben die Netto-Neuverschuldung um 350 Millionen DM reduziert.

[Müller-Schoenau (Grüne): Statt um 650!]

Wir haben die Ausgaben gegenüber dem Ist 1999 um 430 Millionen DM reduziert. Wir setzen weiter investive Schwerpunkte, und das wird auch der Kurs der nächsten Jahre sein. Mit mir wird es einen Haushalt, der eine höhere Netto-Neuverschuldung als im Vorjahr vorsieht, nicht geben.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Der Kurs des Senats ist klar. Der Kurs der Opposition, Herr Müller-Schoenau, entschuldigen Sie, ist so klar nicht. Sie sind sogar von den Journalisten, glaube ich, gründlich missverstanden worden, wenn Sie sich die Tickermeldungen über Ihren Redebeitrag heute einmal ansehen.

[Krüger (PDS): Tja!]

Sie können dem Senat nicht gleichzeitig vorwerfen, den Konsolidierungskurs aufzugeben, und dann, eine unsoziale Sparpolitik zu machen. Sie können beide Vorwürfe für die Zukunft lassen; sie sind nicht nur widersprüchlich, sondern jeder für sich auch falsch. [Beifall bei der CDU]

Wir haben über die Risiken in diesem Etat gesprochen. Es ist völlig klar, dass ein Haushalt mit über 40 Milliarden DM gewisse Unwägbarkeiten birgt. Sie haben, Herr Wolf, das falsche Beispiel herausgesucht, um dies zu belegen, nämlich die Personaleckzahlen. Wir haben in diesem Jahr die Personaleckzahlen auf Grund der Erfahrungen mit den tatsächlichen Durchschnittssätzen um eine halbe Milliarde DM erhöht, und wir haben auch eine Tarifvorsorge getroffen. Aber ich sage auch deutlich: Diese Tarifvorsorge orientiert sich nicht an den Abschlüssen in der Industrie und in der Wirtschaft.

[Wolf (PDS): Darüber habe ich gesprochen, also war es doch nicht falsch!]

Das wird auch in Zukunft so nicht sein können. Wer das Streikrecht für sich reklamiert, wer Tarifforderungen stellt wie in der öffentlichen Wirtschaft, wird es immer schwerer haben, in Zukunft zu begründen, warum es bei den Privilegien im öffentlichen Dienst bleiben soll.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Der Senat bleibt bei seiner klaren vertraglichen Vereinbarung mit den Gewerkschaften. Es gibt keine betriebsbedingten Kündigungen. Sie sind ausgeschlossen bis zum Jahr 2002 im Kulturund Gesundheitsbereich, bis zum Jahr 2004 im Bereich der Verwaltungen im Übrigen. Das ist auch die Überzeugung des Senats. Es werden aber Gegenleistungen von den Gewerkschaften und von den Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst erforderlich sein, um eine solche Verständigung auch fortzusetzen.

Es ist viel über das Verhältnis zwischen dem Bund und Berlin gesprochen worden. Nicht viel leichter ist das Verhältnis zu den anderen Bundesländern. Dieses ist keine Frage von Parteizugehörigkeit. Der Wechsel von Rot-Grün in Hessen zu Schwarz-Gelb hat nicht einmal an der Argumentation der Finanzverwaltung dort Wesentliches geändert. Damit sollten auch wir dieses Thema nicht als Parteienthema begreifen. Die Konsolidierungsarbeit, die wir in Berlin leisten, aber auch die Diskussion darüber, wird im übrigen Bundesgebiet sehr aufmerksam ver

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