Protokoll der Sitzung vom 13.04.2000

RBm Diepgen

Verkehre herziehen, damit wir nachher überhaupt etwas haben, mit dem wir in den Internationalen Flughafen Berlin-Brandenburg umziehen können! So ist die Situation.

[Beifall bei der CDU]

Ich nenne den dritten Punkt, den Ausbau des Wissenschaftsstandortes. Dabei geht es nicht nur um Adlershof und Buch, sondern generell um die Verzahnung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.

Zum Ausbau des neuen Berlins gehört auch der Ausbau der Sicherheit – ich spreche hierbei von sozialer und innerer Sicherheit –. Wir brauchen einen starken Staat. Nur reiche Leute können sich einen schwachen Staat leisten. Das sollte schlicht und ergreifend einmal zur Kenntnis genommen werden. Diese Fragestellung betrifft die innere Sicherheit, den Ausbau beispielsweise und die Modernisierung auch in den Polizeiapparaten und die Bereiche, in denen es um das staatliche Gewaltmonopol geht. Für die Bedürfnisse der Bürger, genau auf diesem Sektor Sicherheit zu empfinden, Sicherheit organisiert zu erhalten und die Bekämpfung von internationaler Kriminalität auch wirklich als eine wichtige Aufgabe des Staates zu sehen, ohne dass nicht nur darüber geredet, sondern es wirklich gemacht werden kann, muss investiert werden.

[Beifall bei der CDU]

In der Bündelung staatlicher Aufgaben liegt dabei die besondere Chance. Es ist in der Debatte darauf hingewiesen worden, dass der Senat eine Expertenkommission zur Staatsaufgabenkritik eingesetzt hat.

[Wolf (PDS): Das ist nicht kritisiert worden!]

Damit es dabei kein Missverständnis gibt, möchte ich erläutern, dass diese Expertenkommission Entwicklungen und Überlegungen des Senats unterstützen soll. Wir hoffen, dass hier noch ein Teil von neueren und zusätzlichen Ideen gerade in der Fragestellung der Entwicklung zwischen freier Gesellschaft, Bürgergesellschaft und Staat erarbeitet werden kann.

In der Gesamtentwicklung Berlins haben wir es, wie Sie wissen, im Augenblick mit einem moderaten Aufwärtstrend der Berliner Wirtschaft zu tun. Es gibt nach dem, was die Industrie- und Handelskammer auch erarbeitet hat, für das laufende Jahr voraussichtlich einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts. Ich will ausdrücklich darauf hinweisen, dass es positive Entwicklungen gerade im Bereich der Existenzgründungen gibt, im Bereich der neuen Dienstleistungen und im Bereich der Mediengesellschaft. Wir belegen Platz Nr. 1 im Bereich der Neugründungen; dabei ist auch der Saldo positiv.

Sehr stark mit dem, was wirtschaftliche Entwicklung der Stadt und Anziehungskraft beinhaltet, hat Wissenschaft, Forschung und Kultur zu tun. Ich muss ein paar Bemerkungen zu dem machen, was hier auch über den Kulturetat gesagt worden ist. Ich wiederhole noch einmal die Feststellung, dass der Kulturetat in Berlin im Verhältnis zum Jahr 1999 um 8 % angestiegen ist. Ich bitte herzlich alle diejenigen, die sich kritisch mit Berliner Kulturlandschaft auseinandersetzen, zur Kenntnis zu nehmen, das Theater, Orchester, Opernhäuser zu einem wichtigen Bestandteil der Berliner Kulturlandschaft gehören. Das ist aber nun wirklich nicht alles. Wir haben eine ausgebaute Museumslandschaft. Dabei gibt es Weiterentwicklungen. Es gab gerade auch in den vergangenen Jahren Neueröffnungen im Zusammenhang mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Man muss sich die Entwicklungen und Investitionen ansehen, zu denen wir bereit sind, beispielsweise verbunden mit einer wichtigen Entscheidung städtebaulicher Art in Kreuzberg, dem Neubau für die Berlinische Galerie. Ich greife damit nur einen Punkt heraus. Wer hier behauptet, die Kulturlandschaft Berlins würde austrocknen, weiß nicht, wovon er redet.

[Beifall bei der CDU – Wieland (Grüne): Aber Sie!]

Damit sind wir gleichzeitig bei der Frage der Theater und Musiktheater. Dass es hier eine Reihe von Veränderungsnotwendigkeiten gibt, wissen wir alle. Wir wissen, dass es um Tarife geht, wir wissen, dass es um Organisationsfragen geht, wir wissen, dass es auch um die Bewegung innerhalb einer Kulturszene

geht, dass Neues auch mitgestaltet werden kann. Wir wissen, das dabei Synergieeffekte auch genutzt werden können und müssen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir insbesondere vor dem Hintergrund der Ressourcen, die es in Berlin gibt, die Herausforderung des Jahres 2000 auch lösen werden. Das setzt auch ein Stück Bereitschaft der Kulturszene, der Intendanten und der Regisseure mit voraus. Hier in diesem Abgeordnetenhaus habe ich vor wenigen Wochen daran erinnert, dass es noch gar nicht lange her ist, dass alle Intendanten mehrmals intensiv geschworen haben – übrigens auch der Rat der Künste –, dass sie Mittel freimachen können in Solidarität zu einzelnen besonders belasteten Häusern. Nun, bitte schön – kann ich nur dazu sagen. Ihr braucht – kann ich den Intendanten nur zurufen – noch nicht einmal in Solidarität unmittelbar Geld abgegeben. Es würde schon ausreichen, wenn die Bereitschaft zu einer sachgemäßen Zusammenarbeit, zur Nutzung jeweils der personellen und sächlichen Ressourcen – ob es sich dabei um Hauskräfte oder Orchestermitarbeiter handelt oder ob es andere Themen sind – vorhanden wäre. Jeweils hinreichende Kooperation und auch Abstimmung hinsichtlich der Planung der einzelnen inhaltlichen Schwerpunkte würde schon helfen, ein bisschen mehr Bereitschaft zur Gemeinsamkeit herstellen.

[Beifall bei der CDU]

Der Bund ist aufgerufen, ein Stück seiner bisher vorgetragenen Mentalität des Gutsherren, vielleicht im Anklang an frühere landesherrschaftliche Verfahrensweisen, aufzugeben. Manchmal hat man den Eindruck, es werde so getan, als griffe irgend jemand in das Portemonnaie, und der Segen wird ausgeschüttet. Der Bund ist nur dazu da, jeweils das Schöne und Gute irgendwo zu finanzieren, so wie es im Bereich des aufgeklärten Absolutismus einmal üblich war. Das entspricht nicht den demokratischen Gepflogenheiten unserer heutigen Zeit – wahrlich nicht! Der alte Streit darüber, ob der Bund nur für die Sahnehäubchen zuständig ist, oder ob er für die Basis der Berliner Kulturszene und die Vielfalt ein Stück Mitverantwortung auch heute hat, muss in Kürze einmal abgeschlossen werden.

[Beifall bei der CDU – Wieland (Grüne): Was soll das heißen? Wollen Sie da immer entscheiden?]

Ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, dass Sie die Diskussion mit einem Zwischenruf inhaltlich beleben. Nun haben Sie es einmal getan. Herr Wieland, es ist in der Tat ein wesentlicher Unterschied zu dem, was heute möglich ist und dem, was während der geteilten Stadt ein Stück Selbstverständlichkeit war.

[Wieland (Grüne): Sie wollen wieder die alte Haushaltsführung haben, wie zu alten Westberliner Zeiten!]

Übrigens haben wir aus dem Überleitungsgesetz die Finanzierung für die gesamte Breite der Berliner Kulturszene erhalten. Das war sogar eine der Begründungen für die Berlin-Hilfe insgesamt. Nun nehmen Sie das einfach zur Kenntnis!

[Wieland (Grüne): Das ist aber vorbei. Verstehen Sie es doch einmal! Wenn man Geld will, kann man nicht mit solchen Forderungen kommen!]

Nehmen Sie auch noch zur Kenntnis, dass es keinen historischen und keinen internationalen Vergleich gibt, in dem eine Hauptstadt in dem Bereich ihrer kulturellen Aufgaben, dem Bereich der staatlichen Repräsentation und in den Bereichen von Wissenschaft und Forschung darauf angewiesen war, sich selbst zu refinanzieren.

[Wieland (Grüne): Das tun Sie auch nicht!]

Es gibt keinen internationalen Vergleich in dieser Form. Das setzt voraus, dass wir hier in dem Thema Länderfinanzausgleich, Neuordnung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern und auch der Neuordnung der Kulturfinanzierung und -szene einen ganz neuen Weg gehen. Der Senat wird diesen Schritt mitgehen, wenn der Bund bereit ist, einzelne Institutionen zu übernehmen.

[Wieland (Grüne): Dann können Sie dem Bund aber auch nicht die Kiez-Kultur unterschieben!]

(A) (C)

(B) (D)

RBm Diepgen

Es ist so – da greife ich auch noch einmal die Geschichte heraus –, dass eine Reihe von Institutionen, die sich mit deutscher Geschichte auseinandergesetzt haben, in Berlin vom Berliner Senat, und nicht von der Bundesrepublik Deutschland nur deswegen gegründet worden sind, weil wir damals die oberste Gewalt der Alliierten und den Vier-Mächte-Status hatten. Die Veränderungen auf dem Sektor müssen jetzt vorgenommen werden. Das betrifft Einrichtungen wie Topographie des Terrors, wie Jüdisches Museum, wie Wannsee-Villa, wie auch das Haus der Kulturen der Welt. Das betrifft die Gedenkstätten des Widerstandes. All diese Fragen sind neu mit dem Bund unter dem Gesichtspunkt zu verhandeln, Herr Wieland, dass es nicht so geht wie bei der vergangenen und auch der jetzigen Regierung, die glauben, für den Widerstand in Deutschland

[Wieland (Grüne): Sagen Sie nicht wieder das Falsche!]

ist der Bund ausschließlich zuständig, und für all das, was schlechte, was schwierige deutsche Geschichte ist, ist ausdrücklich die Kommune Berlin zuständig. So geht es natürlich nicht. [Beifall bei der CDU]

Wir werden hier zu einem Weg kommen, wobei ich auch der Auffassung bin, dass all die Fragen, die mit dem föderalen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland und der ausschließlichen Kulturzuständigkeit zusammenhängen, vom Berliner Senat nicht wie beispielsweise von Bayern oder Baden-Württemberg unter dem Gesichtspunkt strikter Einhaltung der Grundsätze gesehen werden. Ich bin der Auffassung, der Bund muss auch ein Eigeninteresse haben und muss auch akzeptieren, dass er ein Eigeninteresse an der kulturellen Entwicklung der Stadt hat. Er investiert nicht in irgendeinen anderen sozusagen als der große Gönner, sondern der Bund investiert in Berlin in Interessenlagen des Bundes. Dieses Grundverständnis muss sich endlich durchsetzen. [Wieland (Grüne): Das hat er doch mit 120 Millionen DM gezeigt!]

Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zu den zukünftigen Fragestellungen machen. Wer werden auch noch in den nächsten Haushaltsberatungen das Spannungsfeld haben: Wir sind mitten im Umbruch der Stadt.

[Mutlu (Grüne): Das sagen Sie seit 10 Jahren!]

Diese Stadt muss in viele Felder der wirtschaftlichen Entwicklung, der Wissenschaft, der Forschung und der Kultur investieren. Wir werden dabei nicht überall nur die Frage stellen können, ob damit auch ein Stück zusätzliche Verschuldung verbunden ist. Sondern wir werden die Frage stellen müssen, ob nicht gerade das Grundvoraussetzung ist für Zukunftschancen in dieser Region. Auf der anderen Seite gibt es die Notwendigkeit, bei strikter Sparsamkeit die Netto-Neuverschuldung abzubauen. Dieses ist ein Spannungsfeld, aus dem wir auch in den nächsten Jahren nicht herauskommen werden.

[Wieland (Grüne): Was soll denn das heißen? Wieder mehr Neuverschuldung?]

Jeder, der sich einbildet, das könne man im Sinne von Schwarz oder Weiß entscheiden, der irrt.

[Wieland (Grüne): War das die Ankündigung für 2001?]

Ein Teil der Antwort muss in der Tat in den Verhandlungen über die Neuorientierung der Finanzen und des Finanzausgleichs in der Bundesrepublik Deutschland liegen.

[Wieland (Grüne): Sagen Sie den anderen Ländern auch, wie der Bund das zu sehen hat?]

In den großen Themen der Neuordnung des Europas und in der Neuordnung der Finanzen der Bundesrepublik Deutschland müssen wir darauf setzen – und ich bin sehr froh, dass der Kollege Kurth bei den letzten Absprachen, den Verhandlungen mit den zehn sogenannten Nehmerländern da große Erfolge hatte –, dass es die Weiterführung der Stadtstaatenklausel und der besonderen Einwohnerbemessung geben wird, dass es eine

neue Definition im Bereich der kommunalen geben muss, dass es auch eine Berücksichtigung der notwendigen Ausgaben geben muss, die beispielsweise durch Transferleistungen im Sinne von sozialer Sicherheit zu erbringen sind. Wir müssen darauf setzen, dass die Aufgaben der gesamtstaatlichen Repräsentation nicht nur kommunal finanziert werden, sondern dass es dabei eine entsprechende Unterstützung des Bundes geben muss. Das sind Grundvoraussetzungen dafür, dass wir für die Zukunft unseren Haushalt und diese Stadt erfolgreich gestalten können. Aber wenn man sich gerade unter dem Gesichtspunkt ansieht, welche Wachstumsmöglichkeiten wir hatten, welche genutzt werden, welche Leistungen erbracht worden sind, welchen Handlungsspielraum wir in diesen Dimensionen haben, von denen ich gesprochen habe, wenn man sich ansieht, welche Entwicklungsmöglichkeit diese Stadt Berlin im Herzen Europas hat, gibt es keine Veranlassung dafür, nur schwarz zu malen.

[Wieland (Grüne): Ich denke, das ist Ihre Lieblingsfarbe!]

Im Gegenteil! – Übrigens nicht, weil jeder, der schaffen will, Herr Wieland, fröhlich sein muss, sondern weil ein Stück Optimismus auch dazu gehört, dass er überhaupt Gestaltungskraft für ein Land hat. Wenn Sie nur davon ausgehen, dass Sie abbauen, werden Sie die Stadt Berlin nicht für die Aufgaben der Zukunft gestalten. Ich sage Ihnen: Wir haben die Kraft, die Koalition hat die Kraft, aber vor allen Dingen die Berlinerinnen und Berliner haben die Kraft für diesen Aufbau Berlins. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Regierender Bürgermeister! – Als letzter zum Einzelplan 03 hat jetzt der Abgeordnete Dr. Wruck das Wort. Herr Dr. Wruck hat eine Gesamtredezeit von 5 Minuten.

Meine Damen und Herren! Ein Zweifler ist unbeständig auf allen seinen Wegen. Der große Zweifler ist der Regierende Bürgermeister. Der Senat ist müde geworden durch die Menge der Pläne. Die Pläne Olympiabewerbung, Schönefeld, Aufbau des Schlosses in Berlin – in all diesen Fragen hat er bisher keine Entscheidung im klaren Sinne gefällt. Herr Regierender Bürgermeister, Sie haben vom Mehltau gesprochen. Harry Ristock hat einmal gesagt: Diese große Koalition wird sich wie ein Mehltau auf die Stadt legen.

[Müller-Schoenau (Grüne): Da hatte er Recht! – Niedergesäß (CDU): Sagen Sie mal was Neues!]

Sie hätten diesen Begriff Mehltau nicht verwenden sollen. Und die nassforsche Art des Sprechers der CDU-Fraktion, Herrn Steffel,

[Niedergesäß (CDU): Doktor Steffel!]

Das ist nicht üblich! – der in seiner Rede ein Wort am häufigsten benutzt hat – Unternehmerschaft –