Herr Alterspräsident! Meine Damen und Herren! Es liegen zwei Änderungsanträge zur Geschäftsordnung der 14. Legislaturperiode vor. Einen hat die PDS-Fraktion zu dem Antrag eingereicht, betreffend den Vorsitz im Hauptausschuss.
Was geregelt werden soll, ist übersichtlich, und ich denke, da wir heute den Hauptausschuss einsetzen wollen, sollten wir auch heute darüber entscheiden, was woanders – in anderen Landesparlamenten und im Bundestag – guter parlamentarischer Brauch ist: Nämlich dass die Opposition den Vorsitz in dem Ausschuss hat, der sich mit Haushalts- und Finanzfragen beschäftigt, sollten wir auch bei uns einführen. Da es bei uns noch nicht Brauch ist, macht sich unseres Erachtens eine Regelung in der Geschäftsordnung notwendig.
Wir wissen, der Brauch basiert darauf, dass das älteste und substantielle Recht, das das Parlament gegenüber der Regierung hat, das Haushaltsrecht ist. Es ist nun so, dass in vom Verhältniswahlrecht geprägten Parlamenten die Mehrheit im Haus immer eng mit der Regierung verbunden ist, und bei den Regierungsparteien das Kontrollbedürfnis gegenüber der Regierung mitunter vom Schutzbedürfnis dieser Regierung gegenüber überlagert wird. Also macht dieser parlamentarische Brauch auch Sinn.
Die Umsetzung ist relativ einfach, weil man lediglich, wenn man die Ausschussvorsitzenden nach der d’hondtschen Reihe vergibt, den Hauptausschussvorsitz für die Oppositionspartei – in dem Fall für die stärkste Oppositionspartei, die den Erstzugriff hat – reservieren muss. Insofern könnte man ohne weiteres dieser Lösung heute zustimmen. Ich bin zuversichtlich, dass Sie das tun werden. Die Grünen haben den gleichen Antrag schon einmal in der 13. Legislaturperiode, als wir die Änderung der Geschäftsordnung diskutiert haben, gestellt. Also denke ich, dass den Grünen, auch jetzt in der Regierung, ihre alten Vorsätze nicht abhanden gekommen sind.
Die CDU ist in dem Fall die Begünstigte. Vielleicht haben sie inzwischen umgedacht. Ich denke, dass in der FDP-Fraktion einige Abgeordnete sitzen, die auch schon im Bundestag gewesen sind und positive Erfahrungen mit einer solchen Regelung haben.
Jetzt noch ein Wort kurz zu dem Antrag der CDU-Fraktion. Der ist wortgleich mit dem Antrag, der am Ende der 14. Legislaturperiode von der selben Fraktion eingereicht worden ist. Er ist damals abgelehnt worden. Man hätte merken sollen, dass darin einige technische Fehler sind, wenn man ihn wieder einreicht. Das hat man leider nicht beseitigt. Da die CDU-Fraktion nun in diesem Abgeordnetenhaus der 15. Legislaturperiode stark verschlankt ist, scheint dieser Antrag auch keine Erfolgsaussichten zu haben.
Aber wir haben in der damaligen Debatte schon festgestellt, dass dieser Antrag einen rationalen Kern hat, und dies will ich heute auch noch einmal betonen: Man muss sich vergegenwärtigen, dass nach der Regelung, wie sie jetzt gilt – wo alle Fraktionen beim Rederecht immer gleich behandelt werden –, es z. B. in der 14. Legislaturperiode bei einer Konstellation Rot-Rot-Grün dazu gekommen wäre, dass die Opposition – dann die CDU mit damals fast 40 % – praktisch mit weniger als einem Viertel der
Redezeit bedacht worden wäre. Eine solche Regelung ist sicher nicht im Sinne des Parlaments. Wenn wir davon ausgehen, dass im Parlament vor der Öffentlichkeit die unterschiedlichen Meinungen dargestellt werden müssen, damit die Bevölkerung die Beschlussfassung des Parlaments auch nachvollziehen kann, ist es unseres Erachtens notwendig, dass Opposition und Regierung bei der Darlegung der Argumente gleichermaßen vertreten sind. Das ist mit der jetzigen Regelung im Prinzip nicht erreichbar – mit der von der CDU-Fraktion vorgeschlagenen Regelung allerdings auch nicht.
Wenn man in der Redezeit das Verhältnis der Stimmenanteile bzw. der Fraktionsgrößen abbildet, kommt es z. B. bei einer großen Koalition ebenfalls zu solchen absurden Verschiebungen, wie eben dargestellt. Insofern haben wir eine gewisse Sympathie dafür, dass die jetzige Regelung geändert wird, denn diese Regelung würde jetzt bedeuten, dass z. B. die Opposition bei einer grundsätzlichen Redezeit von 10 Minuten pro Fraktion 20 Minuten Redezeit hätte, die Regierungsfraktionen aber 30 Minuten, wobei noch 10 Minuten an Redezeit der Regierung hinzukämen. Das ist unverhältnismäßig, und insofern müsste etwas geändert werden. Die vorgeschlagene Änderung leistet dies allerdings nicht. Deshalb schlagen wir vor, eine bessere Regelung auszuarbeiten als die, die die CDU-Fraktion vorgeschlagen hat, und den vorliegenden Antrag in den für die Geschäftsordnung zuständigen Ausschuss zu überweisen. Das ist der Rechtsausschuss. Wir beantragen also die Überweisung in den Rechtsausschuss.
Herr Alterspräsident! Meine Damen und Herren! Es ist eben angesprochen und auch von meinem Vorredner bereits gesagt worden: Die Grünen haben immer vertreten, dass die Rechte der Opposition im Parlament gestärkt werden müssen. – Ich will es an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Es ist auch nach wie vor unsere Meinung, dass die Rechte der Opposition im Parlament gestärkt werden sollen.
Das wird auch Leitlinie unserer Bewertung sein, wenn solche Anträge auf Änderung der Geschäftsordnung eingebracht werden.
Wir halten den Antrag der CDU-Fraktion allerdings für einen Antrag, der nicht unbedingt in diese Richtung geht, und stehen ihm eher ablehnend gegenüber. Der Antrag, den die PDS-Fraktion eingebracht hat – das will ich ebenfalls klar sagen –, geht hingegen durchaus in diese Richtung. Wir selbst haben in der Vergangenheit entsprechende Anträge eingebracht. Wir meinen aber, dass es falsch wäre, einzelne Punkte aus der Geschäftsordnung herauszubrechen und heute in dieser Situation zur Abstimmung zu stellen und zu meinen, man könnte so die Geschäftsordnung in diese Richtung – Stärkung der Oppositionsrechte – verändern. Wir halten es für notwendig und richtig, in dieser Situation die Befassung in den Ausschüssen vorzunehmen und die Anträge entsprechend zu überweisen.
Eines möchte ich auch noch deutlich zum Ausdruck bringen: Es ist klar, dass die Anwendung demokratischer Regeln nicht immer den politischen Wunschvorstellungen entspricht. Das wird – jedenfalls so, wie es mein Vorredner ausgedrückt hat – dann auch hier so kommen. Es wird dann nämlich genau die Fraktion – jedenfalls nach Ihren Vorstellungen – begünstigt werden, die letztendlich hauptsächlich dazu beigetragen hat, dass
wir uns gerade im Prozess einer Regierungsneubildung befinden, nämlich die CDU-Fraktion. Der Fraktion, die das hier alles mit zu vertreten hat, wird das haushaltspolitische Steuerungsinstrument wieder führend in die Hand gegeben. Aber das muss man dann wohl, wenn Sie das wollen, auch so in Kauf nehmen.
Es bleibt dabei: Wir beantragen, dass die zur Abstimmung gestellten Anträge zunächst in die Ausschüsse überwiesen werden. – Danke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gehört eigentlich auch ohne Geschäftsordnung zu den parlamentarischen Regeln, dass zunächst einmal Antragsteller ihre Anträge begründen, bevor dann andere zu den Anträgen sprechen.
Wir haben ein turbulentes Jahr hinter uns – mit einem Koalitionsbruch, mit vorgezogenen Neuwahlen –, und soeben hat sich das Abgeordnetenhaus feierlich konstituiert. Wir, die Abgeordneten, geben uns jetzt eine neue Geschäftsordnung, die Grundlage unserer Arbeit sein und gewährleisten soll, dass die Abgeordneten von Regierungs- und Oppositionsfraktionen mit gleichen Rechten und Pflichten ausgestattet sind. In einer Mediengesellschaft sind die Scheinwerfer der Öffentlichkeit auf die Regierung gerichtet. Ich beklage dies nicht, weise jedoch darauf hin, dass jede Entscheidung der Regierung auch den Angriffen der Opposition standhalten muss. Die Bedeutung der Opposition bedarf wohl in diesem Haus keiner weiteren Erörterung. Im Gegensatz zu anderen fordern wir, die CDU-Fraktion, keine Besserstellung der Opposition, aber wir erwarten auch von der Mehrheit hier im Hause, dass sie die Abgeordneten der Opposition nicht schlechter stellt als die der Regierungsfraktionen.
§ 64 der Geschäftsordnung sieht vor, dass jede Fraktion unabhängig von ihrer Stärke die gleichen Redezeiten hat. Dies führt dazu, dass Abgeordnete der Grünen und der FDP, die zusammen weniger Stimmen bei den letzten Wahlen erzielten als die Union, im Abgeordnetenhaus doppelt so lange ihre wahrscheinlich gleichen Regierungsvorstellungen vortragen können wie die Union ihre Ziele und Vorstellungen.
[Heiterkeit – Mutlu (Grüne): Sind Sie Hellseher? – Weitere Zurufe von der FDP und den Grünen – Bm Wieland: Haben Sie eine Ahnung, Herr Braun!]
Wir haben bereits in der 14. Legislaturperiode auf den Missstand hingewiesen und sind auch damals von den gleichen Vertretern in die Ausschüsse verwiesen worden. Und in den Ausschüssen ist es dann „versackert“. Wir werden uns mit aller Macht dagegen wehren, dass wir als Oppositionsabgeordnete schlechter gestellt werden. Ich weise darauf hin, dass der Wissenschaftliche Parlamentsdienst der Union auch Recht gegeben hat – hinsichtlich der verfassungsmäßigen Bedenken. Wir werden deshalb – und ich kündige das hier schon an – für den Fall, dass diesem Antrag heute nicht stattgegeben wird, auch den Verfassungsgerichtshof von Berlin anrufen, und dann werden wir ja einmal sehen, inwieweit hier die Rechte von Oppositionsabgeordneten ausgehöhlt werden.
Wir bedauern es außerordentlich, dass es im Wahlkampf nicht gelungen ist, eine inhaltliche Auseinandersetzung über die Konzeption für die Zukunft der Stadt führen zu können.
[Frau Dr. Klotz (Grüne): Das war ein parlamentarischer Zwi- schenruf! – Cramer (Grüne): Ich habe doch noch gar nicht „Landowsky“ gesagt! – Heiterkeit]
Herr Cramer, nehmen Sie sich das Strickzeug! Dann sind Sie ruhiger, und dann können wir auch weiter diskutieren.
Die CDU wird eine konstruktive Opposition sein. Sie wird nicht nur deutlich machen, dass sie sich der Verantwortung für den Berliner Haushalt nicht entzogen hat, sondern sie wird auch deutlich machen, dass die Stadt in Bildung, Wissenschaft, Kultur und Arbeitsplätze investieren muss. Sie wird auch aufzeigen – und die ersten Ergebnisse aus den Koalitionsverhandlungen beweisen dies –, dass Rot-Grün keine Lösung für die Probleme der Stadt hat und die Ampel Stillstand bedeutet.
Ich bleibe dabei: Unter der Führung von Eberhard Diepgen hat der Senat in den letzten zehn Jahren trotz aller Schwierigkeiten Großartiges geleistet,
[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Frau Dr. Klotz (Grüne): Ist das zur Geschäftsordnung? – Zuruf des Abg. Wolf, Harald (PDS)]
Wir reden dazu, weil wir jetzt nämlich zum Haushalt kommen, Frau Klotz! Wir verkennen nicht die Haushaltslage des Landes Berlin, aber jede Krise öffnet auch Chancen.