Protokoll der Sitzung vom 18.04.2002

[Cramer (Grüne): Echt?]

1. Das Thema Personal: Bei anderer Personalpolitik, die möglich war – das kann man im Einzelnen rechnerisch nachvollziehen –, hätten wir heute 30 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weniger an Bord.

[Zuruf des Abg. Dietmann (CDU)]

(A) (C)

(B) (D)

Sen Dr. Sarrazin

Allein dies würde uns im Jahr 1,2 Milliarden $ einsparen, und wir hätten jetzt nicht mehr einen Ausgabeüberhang gegenüber den übrigen Bundesländern nur im Bereich Personal von 1,7 Milliarden $, sondern nur einen von 500 Millionen $.

2. Der Bereich Wohnungsbau: Das Land Berlin hat seit dem Jahr 1991 90 000 Wohnungen gefördert. Für diese 90 000 Wohnungen, die bereits gefördert sind, gibt es noch im Augenblick an nachlaufender Subventionierung pro Jahr mehr als 1 Milliarde § aus. Das muss man sich noch einmal vor Augen führen: Für schon gebaute Wohnungen, die wir mit 140 000 Wohnungen im Überhang in der Stadt, gar nicht gebraucht hätten, geben wir pro Jahr 1 Milliarde $ aus.

[Dr. Lindner (FDP): Verkauft die Wohnungsbaugesellschaften! – Frau Dr. Klotz (Grüne): Wer war denn da Bausenator? – Nagel! – Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

3. Bankgesellschaft: Wir haben im vergangenen Jahr Mehrkosten gehabt aus der Bankgesellschaft von 1,75 Milliarden $. Wenn wir Dividendenausfall und wahrscheinliche Zahlungen aus der Garantieleistung zusammenzählen, wird uns die Bankgesellschaft in den nächsten Jahren pro Jahr 400 Millionen DM kosten.

[Zuruf der Frau Abg. Oesterheld (Grüne)]

Das bedeutet, nur die drei Faktoren – falsche Personalpolitik, falsche Wohnungsbaupolitik und Bankgesellschaft – kosten das Land pro Jahr dauerhaft für viele, viele Jahre 2,5 Milliarden $ zusätzliche Ausgaben. Ziehe ich jetzt noch dazu, was wir für unsere übermäßige Verschuldung zahlen müssen – etwa die Hälfte unserer Zinsausgaben sind ja Übermaßzinsausgaben über eine Normalverschuldung hinaus –, haben wir es geschafft, in den vergangenen zehn Jahren Zukunftslasten von im Jahr 3,5 Milliarden $ anzuhäufen. Das sind Gelder, die wir jetzt woanders einsparen würden.

[Frau Senftleben (FDP): Abartig!]

Da haben Sie Recht, Frau Abgeordnete Senftleben, da passt der Begriff „abartig“.

[Frau Senftleben (FDP): Danke!]

Allerdings ist es auch klar, dass das nicht mehr zu ändern ist, das sind eingegangene Lasten, für die jetzt Jahr für Jahr Ausgaben in diesem Umfang anfallen. Da uns aber keiner 3,5 Milliarden $ schenkt, bedeutet dies, dass wir dies an anderen Stellen nachsparen müssen. Denn natürlich können wir Personal nicht kurzfristig abbauen, das geht erst im Rahmen des natürlichen Abgangs. Die Wohnungsbauausgaben, der Überhang, die 1,5 Milliarden $ Wohnungsbauausgaben, die wir insgesamt haben, – die Altförderung aus den 80er Jahren kommt da noch hinzu –, werden sich erst ganz allmählich auf 1,1 Milliarden $ abbauen im Jahr 2006, und dann auf 0,75 Milliarden $ im Jahr 2010. [Niedergesäß (CDU): Es wird ja immer mehr!]

Die Zinsausgaben werden nicht nur nicht fallen, sondern sie werden weiterhin dynamisch wachsen, und zwar von 2,25 Milliarden $ in diesem Jahr auf 3,1 Milliarden $ im Jahr 2006. Dabei ist unterstellt, dass die Zinsen selbst nicht steigen. Was können wir tun? – Wir selbst müssen zunächst unser Ausgabenproblem lösen. Das heißt, wir müssen unsere Ausgaben und Einnahmen vor Zinsen zum Ausgleich bringen, und das impliziert einen Kürzungsbedarf von 2 Milliarden $, den wir bis zum Jahr 2006 umsetzen wollen und müssen. Hierzu ist der Doppelhaushalt ein erster Einstieg.

Zur Ausgangslage auf der Einnahmeseite: Berlin hat ProKopf-Einnahmen, die um 10 Prozent über dem Niveau in Hamburg – dem Land, das mit uns am ehesten vergleichbar ist – liegen und um 30 Prozent über dem Durchschnitt der übrigen Bundesländer. Mit unseren Einnahmen könnten wir uns verschuldungsneutral um 30 Prozent höhere Pro-Kopf-Ausgaben leisten als das reiche Land Bayern und um 20 Prozent höhere als Sachsen. Leider ist zwar das Niveau unsere Einnahmen okay, nicht aber ihre Struktur. Von unseren Einnahmen stammen insgesamt 4 Milliarden $ aus Subventionen der EU und insbesondere des Bundes. Es sind also keine eigenen Einnahmen. Ein Teil wie

derum sind es Einnahmen aus dem Solidarpakt, also Einnahmen, die bis zum Jahr 2010 nicht steigen werden und dann bis zum Jahr 2019 stufenweise abgebaut werden. Einnahmen in Höhe von 2,1 Milliarden $ haben wir demnach nicht dauerhaft. Viele mögen sagen, dass es noch lange dauert, bis 10 Jahre vergangen sind. Aber auch die vergangenen 10 Jahre vergingen im Nachhinein sehr schnell. Wir müssen die nächsten Jahre nutzen, um diese potentielle Einnahmelücke durch echte eigene Steuereinnahmen zu schließen. Da liegt noch ein weiter Weg vor uns.

Spätestens an diesem Punkt werden viele, die das auch sonst immer tun, sagen: Da muss uns doch jemand von außen helfen. – Sicher ist aus den Zahlen, die ich darlegte, deutlich geworden, dass wir zwar bis 2006 Einnahmen und Ausgaben zum Ausgleich bringen müssen – aber vor Zinsen. Zum Thema Schulden und Zinsausgaben können wir in absehbarer Zeit keinen eigenen Beitrag leisten – nur in dem Sinn, dass unsere Zinsen möglichst nicht weiter so stark anwachsen. Hier muss uns jemand anders helfen. Das kann nach Lage der Dinge nur der Bund sein. Viele denken, der Bund müsse das. Der Bund muss aber nicht. Der Bund darf auch nur unter bestimmten Umständen, die gesetzlich relativ eng definiert sind. Zunächst gibt es Hilfeleistung nur im Ausnahmefall, wie es in den Fällen Bremen und Saarland umfangreich rechtlich geklärt wurde. Zudem muss die Notlage unverschuldet sein. Das kann man bei Berlin sicher teilweise sagen. Es gebietet die Ehrlichkeit, zu sagen, dass nicht alles an unserer Lage unverschuldet ist. Das haben meine Zahlen auch gezeigt. Außerdem muss das Land ausreichende Eigenanstrengungen unternehmen. Dies ist ein Gesichtspunkt – ich dachte an die Debatte über Leistungskürzungen in bestimmten Bereichen im Rahmen der Fragestunde –, den manche vergessen. Zunächst müssen wir durch Einsparungen zeigen, dass wir es können. Dann bekommen wir vielleicht Schuldendiensthilfe vom Bund. Wenn wir sagen, wir können und wollen nicht einsparen, dann wird es auch nichts mit der Hilfe. Man darf sich keine Illusionen machen: Eine solche Hilfe ist mit strengen Sanierungsauflagen verbunden und wird im Einzelnen kontrolliert. Außerdem ist klar – wir sind auf Ministerebene schon in Kontakt mit dem Bund –, dass der Bund, der unserem Ansinnen nicht absolut ablehnend gegenübersteht, am Ende sagen wird, dass das nur auf der Basis einer höchstrichterlichen Entscheidung geht, weil der Bund daneben natürlich auch noch klären will und muss, was die übrigen Länder beitragen und wie der Gesamtbeitrag ist. Das bedeutet aber, dass wir, wenn man übliche Prozessabläufe und die politische Willensbildung vor und nach einem Prozess einbezieht, frühestens im Jahr 2006/2007 mit einer Schuldendiensthilfe rechnen können. Bis dahin werden unsere Schulden um weitere 18 Milliarden $ gestiegen sei und sich der Gesamtsumme von 60 Milliarden $ angenähert haben. Denn das geht sehr schnell.

Im vergangenen Jahr hatten wir – bedingt durch die Kapitalzuführung an die Bankgesellschaft – eine Neuverschuldung von 4,9 Milliarden $. In diesem Jahr werden wir die Fehlbeträge der Jahre 2000/2001 mit einem Schlag abbauen, was bedeutet, dass wir dieses Jahr eine Neuverschuldung von 6,3 Milliarden $ haben. Das ist mehr als der Gesamtetat des Saarlandes, den wir in einem Jahr als Neuverschuldung aufnehmen. Auch im nächsten Jahr wird die Verschuldung mit 3,6 Milliarden $ unerträglich hoch sein, und sie wird nach unserer Planung – mit all den harten, teilweise noch nicht vollzogenen Einschnitten – im Jahr 2006 immer noch 2,4 Milliarden $ betragen.

Nachrichtlich zur Kenntnis: Für ein Land mit 3,5 Millionen Einwohnern ist allenfalls eine jährliche Neuverschuldung von vielleicht 500 bis 750 Millionen $ – nicht einmal 10 Prozent unserer gegenwärtigen Neuverschuldung – langfristig fiskalisch tragbar. Dabei ist noch außer Acht gelassen, dass der europäische Stabilitäts- und Wachtumspakt Bund und Ländern ganz anderes abfordert. Hans Eichel hat in Brüssel zugestimmt, dass der gesamte Staatshaushalt bis zum Jahr 2006 auszugleichen ist.

[Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Die Zahlen zeigen den Würgegriff, in dem wir sind. Einerseits müssen wir im Finanzplanungszeitraum Ausgabekürzungen von 2 Milliarden $ vornehmen, von denen jetzt eine erste Teilrate

(A) (C)

(B) (D)

Sen Dr. Sarrazin

umgesetzt wird. In den Haushalten 2004 bis 2006 liegt das meiste noch vor uns. Zum anderen wird von dieser Einsparung schon wieder die Hälfte durch steigende Zinsbelastungen von knapp einer Milliarde $ in diesem Jahr aufgefressen. Deshalb – ich wiederhole das – ist die Herstellung eines Primärüberschusses zwischen laufenden Einnahmen und Ausgaben vor Zinsen das erste und wichtigste Ziel unserer Hauhaltspolitik.

Leider ist die Einnahmeentwicklung moderat. Wir schätzen, dass die Einnahmen in den nächsten 5 Jahren aus allen Elementen jahresdurchschnittlich um 1,2 Prozent steigen. Das ist weniger als der wahrscheinliche Preisanstieg. Der Realwert unserer Einnahmen sinkt demnach in den nächsten Jahren. Das bedeutet, dass die Einspar- bzw. Konsolidierungslast vor allem auf der Ausgabeseite liegen muss.

Beim Thema Personalabbau tun wir das, was überhaupt machbar ist, indem wir – bis auf gewisse politische Prioritätensetzungen – den gesamten natürlichen Abgang zur Personaleinsparung nutzen. Das wird die Berliner Verwaltung sehr beanspruchen, aber sie hat im Augenblick noch 30 000 Mitarbeiter mehr als andere vergleichbare Verwaltungen. Das muss machbar sein. Es bleibt allerdings auch eine langfristige Aufgabe, denn selbst im Jahr 2010 wird der Personalüberhang noch nicht ganz abgebaut sein. Zum anderen müssen wir die konsumtiven Sachausgaben, das sind alle sächlichen Verwaltungsausgaben und sämtliche Zuweisungen und Zuschüsse, in den nächsten Jahren von im Jahr 2001 9,6 Milliarden $ auf 7,8 Milliarden $ im Jahr 2006 kürzen. Kürzungen von 360 Millionen DM werden davon mit diesem Doppelhaushalt umgesetzt, ein noch unterproportionaler Anteil. Auch die Investitionen müssen leider um insgesamt 300 Millionen $ in den nächsten Jahren gekürzt werden.

Dies wird es möglich machen, dass wir das Primärdefizit von augenblicklich 2,1 Milliarden $ in einen Primärüberschuss vor Zinsausgaben von knapp 600 Millionen $ im Jahr 2006 verwandeln, wenn diese Eckwerte so eintreffen. Nun wird immer viel gesagt und später in den unterschiedlichen Diskussionsbeträgen genannt werden, dass auch bei einem Sparhaushalt Prioritäten gesetzt werden müssen. Ich bitte Sie jetzt, der nachfolgenden Rechnung, die vielleicht zunächst etwas abstrakt aussieht, zuzuhören, weil sich hieran das Drama eines Haushalts zeigt, der im Wesentlichen von Fixkosten bestimmt wird.

Der Haushalt wird, wenn wir das Thema Bankgesellschaft herausnehmen, in seiner Gesamtsumme im Jahr 2003 um 0,3 % unter dem Niveau des Jahres 2001 liegen. Er fährt also ohne Bankgesellschaft im Wesentlichen geradeaus. Jetzt ziehe ich hiervon den Bereich der Personalausgaben ab, in dem wir alles dadurch tun, dass wir praktisch niemanden mehr einstellen. Dann bleibt übrig, dass der verbleibende Betrag nach den Personalausgaben – das sind dann noch 11,5 Milliarden $ nach Personal- und Zinsausgaben – in den beiden Jahren um 3,2 % fällt. Nach Personalausgaben, Zinsen und Bankgesellschaft fällt der Rest der Ausgaben deutlich.

Wenn man von diesem Betrag bestimmte gebundene Leistungen wie die Hochschulverträge, die bis zum Jahr 2005 feststehen, Geldleistungsgesetze, die wir großenteils nur mit Hilfe von Bundesrecht ändern können sowie die Ausstattung der Verwaltung mit Sachmitteln, das ist alles vom Unterhalt der Liegenschaften bis zu den Heizkosten und den Bleistiften, abzieht und auf dem Niveau des Jahres 2001 gedanklich einfriert, bleibt aus dem gesamten Haushalt noch ein Betrag von 5,3 Milliarden $ übrig. Dieser Betrag fällt vom Jahr 2001 auf das Jahr 2003 um 11,8 %. Es erinnert an eine Zitrone, die wir ausquetschen. Das haben wir in diesen Haushaltsberatungen getan; die Zitrone ist ausgequetscht. Auch dieses sind Ausgaben, die zum größten Teil gebunden sind. Es betrifft die gesamte Kulturförderung, sämtliche nichtgesetzlichen Zuweisungen und Zuschüsse. Das sind auch alle Investitionen.

Bei einem Bindungsgrad von 95 % in diesem Ausgabenbereich bleibt hier ein gestaltbarer Rest von 130 Millionen $. Das ist die Haushaltswahrheit eines Haushalts von 21 Milliarden $, wenn man ihn so herunterrechnet. Ich sage dies nicht, um nachzuweisen, dass man nicht sparen könnte. Wir haben eingespart. Darum haben wir nur noch den Rest, um gestalten zu können. Ich

sage dies vielmehr, um zu verdeutlichen, dass die weiteren Einsparungen von großen aufgabenkritisch fundierten grundsätzlichen Entscheidungen flankiert werden müssen. Wir müssen an das Thema Geldleistungsgesetze sowie Zuweisungen und Zuschüsse heran.

Die Ursache des Problems können Sie daran sehen, dass das einzige, das im Haushalt wirklich stark stieg, die Zinsausgaben waren oder sein werden. Diese steigen im Zeitraum 2001 bis 2003 um 22 % oder 500 Millionen $.

Zu den Einzelplänen sage ich an dieser Stelle nur, dass sie unterschiedlich stark wachsen. Am stärksten wächst der Bereich Bildung, Jugend und Sport mit 3,8 %. Am stärksten schrumpft der Einzelplan des Finanzsenators mit 4,5 %. Etwas anderes war von mir auch nicht zu erwarten.

Ich komme nochmals zu den Personalausgaben. Die mit 7,3 Milliarden $ direkt finanzierten Personalausgaben – die mittelbaren kommen noch mit 1 Milliarde $ in den unterschiedlichen Anstalten hinzu – sind der mit Abstand größte Ausgabenblock. Sie sind im wesentlichen gesetzlich oder tariflich bestimmt. Ob es das Besoldungsrecht, Zahl der Pensionäre, Beihilfen, Umfang des Tarifrechts oder Tarifverträge sind, es ist hier praktisch keine Bewegung ohne groß angelegte gesetzliche Eingriffe möglich. Die einzige Bewegung, die wir schaffen können, ist die durch den Verzicht auf Neueinstellungen. Zwar fällt die Zahl der im unmittelbaren Landesdienst Beschäftigten von 136 000, das sind Vollzeitzahlfälle – damit es keine Missverständnisse gibt –, auf 117 000 im Jahr 2009. Gleichwohl haben wir selbst dann das Einsparziel noch immer nicht erreicht.

Dramatisch ist, dass trotz des Personalrückgangs und trotz der von uns angenommenen maßvollen Tarifanpassungen das Volumen der Personalausgaben von 7,2 Milliarden $ im Jahr 2001 auf 7,8 Milliarden $ im Jahr 2006 und auf 8 Milliarden $ im Jahr 2009 steigt, wenn wir nicht weitere Eingriffe vornehmen. Im Rahmen des Gesamthaushalts ist diese Ausgabenentwicklung ein gänzlich inakzeptabler Trend. Deshalb hat sich der Senat nach intensiver interner Diskussion für noch unbestimmte personalwirtschaftliche Maßnahmen oder Vereinbarungen entschieden, die unter dem Begriff Solidarpakt in der Öffentlichkeit zusammengefasst werden. Dafür werden für das Jahr 2003 eine pauschale Minderausgabe von 250 Millionen $ und ab dem Jahr 2004 500 Millionen $ jährlich in den Haushalt als offene Absetzung eingestellt. Dies ist im Verhältnis zu den Gehältern und Löhnen der aktiv Beschäftigten ein Umfang von 8,8 %, wenn man die Zahlen des Jahres 2002 zu Grunde legt.

Für die Belegung dieser pauschalen Minderausgabe sind unterschiedliche Ansätze denkbar. Sie können mir glauben, dass ich über viele unterschiedliche Ansätze nachdenke. Der beste Weg wäre eine freiwillige Vereinbarung mit den Bediensteten und deren Tarifpartnern. Wenn dieses nicht gelingt, werden wir uns alternative Maßnahmen – dazu gehört auch der Verzicht auf eigentlich geplante Neueinstellungen im Bereich der Lehrer und Polizei – überlegen müssen. Diese sind auch intern vorbesprochen. Natürlich liegt hier ein Ausgabenrisiko vor.

Ich komme nun zu den konsumtiven Sachausgaben. Diese tragen die Hauptlast der Einsparungen in diesem Doppelhaushalt und auch in der weiteren Planung. Der angestrebte Rückgang der konsumtiven Sachausgaben von 9,6 Milliarden $ auf 7,8 Milliarden $ im Jahr 2006 impliziert auch, dass die inflationsbedingten Aufwüchse, die es auch in einem solchen langen Zeitraum von fünf Jahren geben wird, ebenfalls eingespart werden. Das bedeutet, dass wir – praktisch und rund gerechnet – die Aufgabe vor uns haben und jetzt damit in diesen Doppelhaushalt eingestiegen sind, die konsumtiven Sachausgaben um real 30 % abzusenken. Dies ist durch systemimmanente Kürzungen einzelner Titel – das haben wir in diesem Jahr vollständig ausgeschöpft – nicht umsetzbar. Was dies auch angesichts der jetzt zu lösenden Aufgabe bedeutet, will ich kurz an zwei Zahlen darlegen.

Von den gesamten konsumtiven Sachausgaben, die sich ja als Wort so leicht aussprechen, entfallen 60 % auf Transferzahlungen, größtenteils gesetzlich festgelegt, von der Sozialhilfe bis zum Wohngeld. Deshalb ist es auch keine Willkür, in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich von Sozialleistungen zu

(A) (C)

(B) (D)

Sen Dr. Sarrazin

reden. Nur dann, wenn wir das nicht ausklammern, können wir diese Aufgabe erfüllen. Also: Von unseren konsumtiven Sachausgaben, von den 9,3 Milliarden DM entfallen 60 % auf Transfer, im Wesentlichen auf sozialen Transfer. Weitere 23 % entfallen auf indirekte Personalkosten – Personalkosten bei den freien Trägern von Kitas, Personalkosten bei den Universitäten, bei den Theatern usw. 83 % der konsumtiven Sachausgaben, die wir um 20 % nominal und 30 % real kürzen wollen, entfallen also auf Transferleistungen und auf indirekte Personalausgaben. Dieses zeigt, was es bedeutet: Wir haben immerhin in diesem Doppelhaushalt konsumtive Sachausgaben im Umfang von 370 Millionen $ kürzen können. Ich habe öffentlich gesagt, dass ich mir mehr gewünscht hätte – das ist meine Rolle. Ich sage an dieser Stelle, dass dies eine beachtliche Leistung war, und an den von mir vorhin genannten 11,4 %, mit denen wir die Restausgaben nach den gesetzlichen Ausgaben zur Ader gelassen haben, kann man das auch sehen. Ich musste auch feststellen – das hat mich persönlich betroffen gemacht –, dass sowohl in dem von mir verantworteten Ressort wie auch in den übrigen Ressorts konzeptionelle Vorstellungen, wie man mit diesem Kürzungsbedarf, der seit vielen Jahren absehbar ist, weil sich ihn jeder selbst ausrechnen kann, nicht existierten und auch zum großen Teil im Augenblick noch nicht existieren. Bevor wir politische Entscheidungen treffen, müssen wir Konzeptionen entwickeln, verwaltungsinterne Konzeptionen, auf deren Basis wir überhaupt entscheiden können. Zu den Investitionsausgaben: Berlin investiert in diesem Jahr 2,014 Milliarden $ oder, besser gesagt, 2,014 Milliarden $ werden im Jahr 2002 als investive Ausgaben verbucht. Mit diesem Betrag liegen wir um 700 Millionen $ oder um 30 % unter den Investitionsausgaben des Durchschnitts aller Bundesländer. Das zeigt die Dramatik unserer Haushaltsschieflage. Im Vergleich zum Durchschnitt aller Länder haben wir 1,1 Milliarden $ mehr an Zinsausgaben, 1,7 Milliarden $ mehr an Personal, 3,8 Milliarden $ mehr an laufenden Zuweisungen – Zuschüssen – und 700 Millionen $ weniger an Investitionen. Das heißt, der Haushalt von Berlin hat – so habe ich ihn vorgefunden – eindeutig eine gewaltige konsumtive Schlagseite. Wie setzen sich die Investitionen zusammen? – Für Baumaßnahmen des Landes einschließlich Investitionszuschüsse an Dritte für bauliche Maßnahmen 440 Millionen $, wenig genug für eine Stadt dieser Größe, Zuschüsse für Investitionen in Wohnungs- und Städtebau, – der Wohnungsbausenator möge mir verzeihen – eigentlich eher konsumtiv zu verbuchen, 374 Millionen $, für den Zuschuss an die BVG, wo man sich auch darüber streiten kann, ob er wirklich als Investition zu betrachten ist, 396 Millionen $, und für Investitionszuschüsse im Rahmen der Wirtschaftsförderung 131 Millionen $ – das ist ein Betrag, der um 100 Millionen $ unter dem Durchschnitt der übrigen Bundesländer liegt –, und dann noch investive Zuschüsse an den ÖPNV im Umfang von 95 Millionen $. Der Investitionsetat war derartig belastet, dass wir die Vorgabe in diesem Jahr nur einhalten können, indem wir Neubeginne in diesem Jahr praktisch nicht zulassen und erst mal auf eine Sanierung durch Ausfinanzierung setzen. Zu den Ausgaben der Bezirke: Von den Gesamtausgaben des Landes wird über ein Viertel durch die Bezirke bestätigt. Eine besondere Bedeutung haben dabei die Ausgaben für den Z-Teil. Der Z-Teil der Ausgaben war in den vergangenen Jahren notorisch unterveranschlagt worden. Wir haben in diesem Jahr die Veranschlagung vorgenommen auf der Basis der Ist-Ausgaben des Jahres 2001 und haben damit das Ausgabenniveau des Z-Teils um 91 Millionen erhöht. Das ist die Ausgangsbasis für die künftig geplanten Einsparungen. Man sollte vielleicht dazu sagen, dass noch vor einem Jahr der Eckwertbeschluss zum Haushalt 2002 eine weitere Absenkung auf der Basis des Solls 2002 von 71,6 Millionen $ vorsah. Allerdings müssen wir auch bei den Bezirken einsparen. Im A-Teil dürfen nur jährlich 18 Millionen $ weniger verausgabt werden. Wir halten dies allerdings für umsetzbar, Das Thema Einzelpläne möchte ich jetzt wegen der fortgeschrittenen Zeit überschlagen, und ich komme zu den Einnahmen aus Vermögensaktivierung.

Im Bereich der Vermögensaktivierung haben wir uns bemüht, die Ansätze ehrgeizig, aber realistisch anzusetzen. Wir haben für beide Jahre 600 Millionen $ veranschlagt. Das setzt sich in diesem Jahr aus der gemeinsamen Versicherung mit dem Land Brandenburg, der Provinzial-Feuerversicherung, aus dem Verkauf der Behala und aus einem Verkauf von Wohnungen zusammen. Im nächsten Jahr wird der Ansatz vor allem durch den Verkauf von Wohnungen auszufüllen sein. Etwaige Erlöse aus dem Verkauf der Bankgesellschaft haben wir nicht in den Haushalt eingestellt. Sie werden gegebenenfalls hinzutreten.

Zu den Ausgabenrisiken: Die veranschlagte Linie der Personalausgaben setzt voraus, dass wir uns bis zum Herbst über den Solidarpakt mit den Gewerkschaften einigen oder alternative Entscheidungen mit vergleichbarem Umfang treffen. Dies ist aus meiner Sicht das größte Risiko auf der Ausgabenseite des Haushalts. Die Ausgaben für die Sozialhilfe und für andere Geldleistungsgesetze wurden so sachgerecht wie möglich geschätzt, aber auch unter der Annahme, dass für eine angemessene Bewirtschaftung auch eine angemessene Eigenanstrengung gilt. Das heißt, es muss sparsam gewirtschaftet werden. Insoweit haben wir immer gewisse Unwägbarkeiten. Bei den konsumtiven Ausgaben sind die beschlossenen Einsparungen von 370 Millionen $ größtenteils gegenüber dem Ist des Jahres 2001 titelscharf veranschlagt. Aber auch hier gilt es noch im Einzelnen, dass man das umsetzen muss. Hier, meine ich, kann es gelingen. Das größte Risiko besteht hier darin, dass wir diesen Kurs wirklich fortsetzen müssen und auch die übrigen noch ausstehenden 1,4 Milliarden $ im konsumtiven Bereich in den nächsten Jahren erwirtschaften.

Zum Ausblick: Es ist ganz klar und – bei allen Meinungsunterschieden – in diesem Haus unstreitig, dass es zur Konsolidierung des Haushalts auf der Ausgabenseite keine Alternative gibt. Wie eng die tatsächlichen gestalterischen Alternativen im zahlenmäßigen Sinne sind, hatte ich versucht, Ihnen an Hand einiger Zahlenbeispiele darzulegen. Nur dann, wenn wir jetzt, in diesem Jahr zu den wirklich groß angelegten Struktureinschnitten kommen, werden wir das Konsolidierungsziel erreichen. Dieses wiederum ist aber notwendige Bedingung dafür, dass wir beim Bund mit einiger Aussicht auf Erfolg um Hilfen für den Schuldendienst nachsuchen können. Auch dieses wird noch einige Jahre dauern.

Dieser Haushalt spart das ein, was man systemimmanent einsparen kann. Als Einstieg in die Handlungsnotwendigkeiten der nächsten Jahre ist er eine sehr gute Ausgangsbasis. Er ist aber – das sage ich abschließend – auch die Basis für die jetzt noch zu treffenden notwendigen grundlegenden Entscheidungen auf der Ausgabenseite. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der PDS]