und auch morgen im Bundesrat nicht zustimmen will. Der Widerspruch, um nicht zu sagen die Heuchelei, ist hier nicht zu übersehen.
Mit dem neuen Gesetz zur Verbraucherinformation tut Ministerin Renate Künast, unsere frühere Parlamentskollegin, einen großen Schritt in die richtige Richtung. Zum Glück wird die CDU-Fraktion im Bundestag sie nicht zum Stolpern bringen. Nach 16 Jahren Nichtstun, oder schlimmer: Lobbyismus, zu Gunsten der Landwirtschaft und Agrarindustrie weht endlich ein anderer Wind.
Partnerschaftliches Miteinander, Herr Wegner, ist gewiss wünschenswert, aber zum ersten Mal steht jetzt der Schutz des Schwächeren, nämlich des Verbrauchers, im Mittelpunkt des Geschehens.
Jetzt zum ersten Punkt dieser Aktuellen Stunde: „Der Euro als Kostentreiber“. Am Anfang, als nach Neujahr das Gemüse in Euro soviel wie in DM kostete, habe auch ich noch daran geglaubt, dass es an der Missernte in Spanien liege, am Kälteeinbruch zwischen Weihnachten und Neujahr. Inzwischen drängt sich der Verdacht auf, dass Methode dahintersteckt,
[Niedergesäß (CDU): Liegt an Ihrem Bundeskanzler! Die SPD hat die Macht! – Zuruf der Frau Abg. Seidel-Kalmutzki (SPD)]
dass der Handel und die Dienstleister und die Gastronomie das Problem versuchen, ganz „cool“ auszusitzen.
Die Kohl-Regierung hatte auf die freiwillige Selbstverpflichtung von Handel und Dienstleistern gesetzt, die Euro-Umstellung nicht zu missbrauchen.
[Niedergesäß (CDU): Ist abgewählt worden! – Gelächter der Frau Abg. Paus (Grüne) – Niedergesäß (CDU): Deshalb werden Sie auch abgewählt!]
Moment, Herr Kollege Niedergesäß! – Mit diesem Instrument wurden teilweise gute Erfahrungen gemacht. Deswegen hat auch die neue Regierung daran festgehalten. Die Regierung Schröder hat daran nichts geändert.
Nun hat sich aber das Instrument der freiwilligen Selbstverpflichtung in einem ganz wichtigen Punkt, der jeden Bürger betrifft, als zweifelhaft, um nicht zu sagen als untauglich erwiesen.
Das ist sehr bedauerlich, denn eigentlich wäre ja jetzt Deregulierung, Entbürokratisierung angesagt, aber die Politik muss es sich sehr überlegen, ob sie sich auf künftigen Arbeitsfeldern auf die freiwilligen Selbstbeschränkungen oder Verpflichtungen der Gesprächspartner einlässt. Hier haben Handel und Dienstleister sich selbst und allen, die künftig von der Bundesregierung in dieser Richtung etwas wollen, einen Bärendienst erwiesen.
Wenn sich auf der Anbieterseite nichts bewegen sollte, dann ist – wie Wirtschaftsminister Müller festgestellt hat – der Verbraucher in der Pflicht; Finanzminister Eichel spricht sogar vom Boykott. Die Verbraucherzentrale Berlin weiß, dass die Berliner tatsächlich große Kaufzurückhaltung üben und damit auf dem richtigen Weg sind. Die anhaltende Aufmerksamkeit und Zurückhaltung ist die beste Waffe, die der Verbraucher derzeit hat.
Nicht alle Händler und Gaststätten haben in gleicher Weise zugeschlagen. Preis-Leistungs-Verhältnisse zu vergleichen, war schon immer das A und O einer vernünftigen Haushaltsführung, und das gewinnt jetzt eine neue Bedeutung.
Am kommenden Montag wird die SPD-Fraktion eine Hotline schalten, damit Verbraucherinnen und Verbraucher dieser Stadt ihre Beschwerden loswerden können.
Die Preisgestaltung ist frei in diesem Land. Es geht also nicht darum, die Betreffenden anzuzeigen. Aber wir werden mit allen über die eingegangenen Beschwerden reden und dadurch hoffentlich Denkprozesse in Gang setzen.
Verglichen mit dem, was einem engagierten Surfer im Internet zustoßen kann, sind die Euro-Probleme allerdings noch vorbildlich transparent. – Achtung, Satire/Ironie: Immerhin kann ich nicht aus Versehen einen Fernseher kaufen, ohne es zu merken. In dieser Größenordnung aber, nämlich zwischen 900 $ bis 1 200 $ kann sich der Schaden bewegen, der beim unvorsichtigen Surfen im Internet passieren kann, und zwar ohne dass die Verbraucher es registrieren. Es geht um das irrtümliche, versehentliche Anklicken der 0190-Dialerprogramme. Sie werden den Nutzern mittlerweile geradezu aufgedrängt und klingen für technisch weniger gewandte Surfer interessant und verlockend. Ist der entsprechende Button aber erst einmal angeklickt, dann wird die ursprüngliche Verbindung getrennt und in Windeseile auf eine 0190er Nummer umgeschaltet. Im schlimmsten Fall bemerkt der Surfer davon nichts. Und noch schlimmer: Diese Verbindung kann sich wie eine Zecke festsetzen, so dass alle künftigen Verbindungen extrem ins Geld gehen. Günstig ist, wenn eine 0190er/8-Nummer nur 1,86 $ kostet, also knapp 4 DM. Es ist aber glaubwürdig berichtet worden, dass pro Verbindungsaufbau 900 $ fällig wurden. Als Rettungsring fungieren hier die Stiftung Warentest am Lützowplatz und die Verbraucherzentrale am Wittenbergplatz. Beide liefern auch in persönlichen Gesprächen neutrale Informationen, und die Verbraucherzentrale hält ein Formblatt für Reklamationen bereit. Sie hat auch mit der zuständigen Regulierungsbehörde für Telekommunikation in Bonn gesprochen bzw. an sie geschrieben. Allerdings hat sie auf mehrere Brandbriefe keine Antwort erhalten. Hier ist zu fragen, welche Vorstellungen diese Staatsdiener von ihrem Amt haben. Erfreulicherweise hat die Bundesregierung Maßnahmen angekündigt, die hoffentlich bald greifen werden.
Nun zum Thema Nitrofen: Wenn es bisher rechtens ist, dass eine Bundesanstalt für Fleischforschung in Kulmbach – BAFF – das zuständige Ministerium nicht über kritische Prüfergebnisse informieren muss, dann ist das zu ändern. Jeder logisch denkende Mensch kann tatsächlich nur baff sein über eine solche Regelung und darüber, dass in Jahrzehnten eine derartige Berichtspflicht nicht eingeführt worden ist. Ich kenne das Problem, weil ich 23 Jahre Redaktionsmitglied bei der Stiftung
Warentest war. Auch wir haben bei staatlichen Stellen Untersuchungen in Auftrag gegeben und wollen natürlich die Untersuchungsergebnisse erst einmal für uns behalten. Aber sie waren und sind zur Veröffentlichung in der Zeitschrift „Test“ oder in der „Finanztest“ bestimmt. Das ist ein entscheidender Unterschied. Es kann nicht sein, dass wichtige kritische, riskante Ergebnisse eines privaten Auftraggebers in irgendeinem Giftschrank verschwinden und die Öffentlichkeit nichts davon erfährt.
Ja, danke, ich komme zum Schluss! – Hier müssen die berechtigten Interessen der Auftraggeber und der Öffentlichtlichkeit in Einklang gebracht werden.
Ich möchte noch kurz darauf hinweisen, dass „glücklicherweise“ nicht allein die Bio-Produkte von dem Nitrofen-Skandal betroffen sind. Er zieht – das ist die schlechte Nachricht – immer weitere Kreise, und ohne die strengen Kontrollen bei Bioprodukten wäre die ganze Sache entweder gar nicht oder erst viel später aufgefallen. Jetzt also Bio ins Zwielicht zu rücken, wäre die falsche Konsequenz.
Die Koalition bringt heute einen Entschließungsantrag ein mit dem Ziel, dem Verbraucherschutzgesetz im Bundesrat zur Mehrheit zu verhelfen. Ansonsten sind die Handlungsmöglichkeiten des Landes Berlin, wie wohl jedem klar ist, eng begrenzt. Deshalb gehe ich schon davon aus, dass die Berliner CDU – offenbar aus anderem Holz geschnitzt als die Bundestagsfraktion – diesem Entschließungsantrag zustimmen wird – im Sinne der Verbraucher, für die sie sich gerade so stark gemacht hat.
Vielen Dank, Frau Hertlein! – Das Wort für die FDP ergreift jetzt Herr Matz. – Bitte sehr, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir bitte zunächst eine Vorbemerkung über diese Aktuelle Stunde: Ich finde es ein bisschen schade, dass wir uns heute dadurch, dass wir der Koalition die Möglichkeit geben, über die Bundespolitik und weitgehend über Dinge zu sprechen, die bei Frau Künast im Ministerium passieren – oder auch nicht passieren –, uns der Chance beraubt haben, die Koalition dazu zu zwingen, über ein Thema zu reden, das in Berlin brennt.
Wir haben schon wiederholt gute Vorschläge für gute Aktuelle Stunden gemacht. Aber ich hätte mir eigentlich mehr gewünscht, dass wir zum Beispiel zwischen dem Vorschlag Wasserbetriebe und einem anderen Vorschlag Vivantes hätten auswählen können. Dann hätte die Koalition kaum die Möglichkeit gehabt, mit einem solchen Thema von ihren eigenen Berliner Problemen so einfach ablenken zu können, wie es zur besten Sendezeit in dieser Sitzung des Abgeordnetenhauses passiert. Das ist schon schade! – Das möchte ich vorwegschicken.
Aber wenn es denn so ist: Das Thema an sich ist wichtig – daran gibt es überhaupt keinen Zweifel –, auch wenn es hierbei überwiegend um bundespolitische Dinge geht, auf die das Land Berlin höchstens im Rahmen seiner Möglichkeiten im Bundesrat Einfluss nehmen kann. Ich will zunächst zu dem aktuellen Skandal um Nitrofen etwas sagen: Dieses ist ein Thema, das auch für den Berliner Senat durchaus ärgerlich ist, denn – Stand heute Morgen; so ist jedenfalls meine Information von einem Bezirksstadtrat gewesen – die Bezirke haben keinerlei Informationen
darüber, ob und was sie eigentlich tun können, so dass sich die Bezirksämter und die Bezirksstadträte teilweise fragen, ob sie nun persönlich irgendwo beim Einzelhandel vorbeigucken sollen, um die Eier aus dem Laden zu nehmen, oder ob es irgend etwas anderes gibt, was sie jetzt zu tun oder nicht zu tun hätten. Da sollte diese Aktuelle Stunde dann zumindest eine Gelegenheit sein, dass uns
aus der Senatsverwaltung für Gesundheit und Verbraucherschutz auch gesagt wird, was denn hier eigentlich passiert,
ob sie auch rechtzeitig reagiert hat – was dieses Thema angeht – und sich somit vielleicht nicht dem Verdacht aussetzt, der beim Verbraucherschutzminiterium auf Bundesebene gegeben ist, nämlich dass man schon monatelang Chancen gehabt hätte, etwas zu wissen, aber die ganze Zeit nicht darauf reagiert hat, sondern die Krise hat vor sich hinlaufen lassen.
Also: Wie lange waren Sie eigentlich schon im Bilde, und welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, um dafür zu sorgen, dass dieser Skandal keine weiteren Verunsicherungen in der Berliner Bevölkerung hervorrufen muss?
Wir haben hier natürlich insgesamt auch das Problem, dass eine Verbraucherschutz- und Landwirtschaftsministerin auf der Bundesebene sich so stark auf die Förderung des ökologischen Landbaus in Form von Fünf-Jahres-Plänen versteift hat, wo den Verbrauchern der Marktanteil schon vorgegeben wird, den sie in einigen Jahren mit ökologischen Landbauprodukten zu erreichen haben, dass hier gar nicht mehr die richtige Unterscheidung und Sensibilität dafür vorhanden ist, was dann eigentlich zum Schluss in den Produkten wirklich drin ist.
Nein, ich möchte gern erst einmal im Zusammenhang meinen Vortrag halten. Herr Pewestorff hat sicherlich noch Gelegenheit, in der Debatte in anderer Form seine Meinung zum Ausdruck zu bringen.