Protokoll der Sitzung vom 30.05.2002

und treffe nicht die verbraucherpolitischen Interessen der Bürgerinnen und Bürger in Berlin.

[Beifall bei der FDP]

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Eigentlich sollte es heute um Berlins Verbraucher gehen und um die Frage, wie der Senat sie schützt. Ich finde es gut, wenn die Senatorin ankündigt, dass sie durch eine Umorganisation in ihrem Hause dafür sorgen will, dass der Verbraucherschutz dort eine größere Rolle spielen kann.

[Beifall bei der PDS – Oh! von der CDU – Gram (CDU): Wer es glaubt, wird selig!]

Aber wenn solche Ankündigungen kommen, dann können Sie wiederum sicher sein, dass wir das genau gehört und aufgenommen haben und dass wir dann im Unterausschuss „Stellenwirtschaft“ und an anderen Stellen sehr genau überprüfen werden, ob diesen Ankündigungen Taten folgen. Denn wenn es in der Verbraucherpolitik – egal wo, ob Bundes- oder Landesebene – in den letzten Jahren ein Defizit gab, so ist es das, dass immer große Ankündigungen gemacht werden und am Ende wenig dabei heraus kommt. Das haben wir auf Bundesebene mit dem Verbraucherschutzministerium nun mehr als deutlich gesehen.

[Beifall bei der FDP]

Wir werden also selbstverständlich darauf achten, dass uns dasselbe nicht auch hier im Senat von Berlin passiert. Es ist die Aufgabe der Opposition, darauf zu achten und darauf zu drängen, dass Sie Ihre Ankündigungen am Ende auch wahrmachen.

Jetzt möchte ich uns allen die Möglichkeit geben, dass wir von dieser Debatte erlöst werden und den anderen wesentlichen Problemen des Landes Berlin näher treten können. Sicherlich warten auch viele schon darauf, dass wir die endlich einmal lösen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Das Wort hat nun Frau Simon. – Bitte schön!

[Doering (PDS): Jetzt gibt es noch mal Feuer! – Dr. Lindner (FDP): Aufgewärmtes!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Matz! Sie haben eben die große Sorge geäußert, dass es immer langweiliger wird. Ich verspreche Ihnen, Sie bekommen jetzt einen ganz spannenden Kurzbeitrag von mir.

[Beifall bei der PDS]

Ich bitte Sie, gut zuzuhören.

Herr Wegner, bei Ihnen muss ich leider den Verdacht äußern, dass Sie das künastsche Verbraucherinformationsgesetz nicht in der Hand gehabt haben.

[Beifall bei der PDS und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Es handelt sich um ganze 9 Paragraphen. Wenn Sie ein Gesetz mit 9 Paragraphen zur Masse erklären, – – Das denke ich nicht weiter, aber darüber sollten Sie einmal nachdenken.

[Heiterkeit]

Da passt vielleicht doch eher der Vergleich mit der Klasse statt der Masse.

[Ratzmann (Grüne): Die CDU ist doch schon Masse! – Beifall bei der PDS]

Und nun zu meinem Beitrag: Gerade erst liegt der BSE-Skandal hinter uns, und der ist auch noch in keiner Weise bewältigt und beherrschbar, schon holt uns eine neue Lebensmittelkatastrophe ein. Die Öffentlichkeit ist empört und erwartet zu Recht von der Politik Reaktionen zu Gunsten des Verbraucherschutzes. Während hier große Aufmerksamkeit herrscht, werden alltägliche Anschläge auf den Verbraucherschutz, wie beispielsweise die gesundheitsgefährdende, aggressive Werbung für Tabak-, Alkohol- und Arzneimittelkonsum, deren Auswirkungen mit Sicherheit noch ganz andere Dimensionen haben, bestenfalls von Einzelnen wahrgenommen. Ich bitte an dieser Stelle, sich dieser Relationen nochmals bewusst zu werden, wenn man

anfängt, in bestimmten Bereichen ein wichtiges Thema wie das des Verbraucherschutzes aufzurufen und diese Dinge nicht mit zu sehen und mit zu problematisieren. Das tue ich jetzt.

[Beifall bei der PDS]

Beide Bereiche, die ich hier beispielhaft vorgestellt habe, haben etwas gemeinsam. Sie demonstrieren nämlich anschaulich die Vorherrschaft der Kapitalinteressen über die Belange des Verbraucherschutzes, der bestenfalls eine Chance auf Beachtung dann hat, wenn er sich für die Unternehmerseite rechnet. Wirtschaftliche Macht wird in der Bundesrepublik Deutschland fortwährend missbraucht, und Verstöße gegen Verbraucherinteressen sind an der Tagesordnung.

[Dr. Lindner (FDP): So ein Quatsch! Jetzt sind wir im Klassenkampf!]

Ja, ich kann mir vorstellen, dass Sie das nicht so gern hören, Herr Lindner, aber vielleicht sollten Sie sich konzentrieren und meinen spannenden Ausführungen weiter lauschen.

[Beifall bei der PDS]

Dass die Kapitalseite dabei auch nicht vor kriminellen Praktiken zurückschreckt, zeigt das Beispiel Nitrofen eindringlich. Wissen Sie, das ist viel besser als jede Nachhilfestunde über MarxismusLeninismus.

[Heiterkeit bei der PDS]

Einmal in die Zeitung geguckt und in der Berliner Zeitung gestern oder heute über Nitrofen nachgelesen, und Sie können lernen, dass es sich hier um ein Lehrstück über den Kapitalismus handelt.

[Beifall bei der PDS – Unruhe bei der CDU und der FDP]

Monatelang verarbeitet die Firma GS Agri so genanntes Ökogetreide zu Biofutter, obgleich sie aus firmeninternen Untersuchungen seit November weiß, dass die von ihr produzierten Ergebnisse vergiftet sind. Hier bietet sich ein zusätzliches Lehrstück für diejenigen – und das ist besonders an Ihre Adresse, Herr Wegner gerichtet –, die immer noch glauben, dass man mit Selbstkontrolle im Interesse des Verbrauchers irgendetwas bewegen kann. Diese Form der Selbstkontrolle, die die Firma GS Agri uns vorgemacht hat, dass sie nämlich monatelang über ein Ergebnis Bescheid weiß und nicht die geringste Konsequenz daraus zieht, sondern zusieht, dass sie ihr Geschäft realisiert, macht deutlich, was es heißt, wenn man der Privatindustrie die Selbstkontrolle überlässt. Ich kann Ihnen als Pharmazeutin bestätigen, dass sich die pharmazeutische Industrie seit Jahren vergeblich in Selbstkontrolle und Selbstbeherrschung übt.

[Dr. Lindner (FDP): Deswegen wollt ihr sie auch enteignen! – Beifall bei der PDS]

Das gilt übrigens auch ausnahmslos für solche Anbieter, die unter der Vorsilbe „Öko“ oder „Bio“ daherkommen oder sich durch ein Biosiegel geadelt sehen. Es gibt unter den augenblicklichen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen keine Insel der Öko-Seligen, die von diesen Rahmenbedingungen nicht auch erreicht würde. Tag für Tag werden Profite gemacht, ohne jede Rücksicht auf den Verbraucherschutz.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lindner?

Nein! Ich habe nur noch eine Minute Redezeit. Ich will jetzt gern zum Ende kommen.

Die würde ich Ihnen draufgeben.

Dann komme ich zum Schluss und bin dann gern für eine Frage bereit. – Darum ist die Politik jetzt aufgefordert, einzugreifen. Dabei muss das Vorsorgeprinzip obenan

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stehen. Schon ein begründeter Anfachsverdacht muss der Politik die gesetzliche Möglichkeit geben, vorbeugend im Interesse des Verbraucherschutzes zu handeln, denn der Schutz der Menschen vor gesundheitlichen, sozialen, rechtlichen und wirtschaftlichen Nachteilen muss Vorrang haben.

Der dem Bundesrat morgen vorliegende Entwurf eines Verbraucherinformationsgesetzes, der im Laufe seiner Entwicklung schon einige schmerzliche Abstriche hinnehmen musste, ist trotzdem ein wichtiger Schritt, um den Verbraucherschutz bundesweit durch seine gesetzliche Verankerung ein festes Standbein zu sichern. Die Industrie müsste sich darüber freuen, weil sie damit ein Angebot vertrauensbildender Maßnahmen bekommt. Im übrigen, Herr Wegner, Ihre wunderbare Kooperationsgemeinschaft mit Industrie, Wirtschaft und Verbraucherinnen und Verbrauchern könnte hier tatsächlich konkret umgesetzt werden.

Frau Kollegin! Darf ich Sie nochmals fragen, ob Sie die Zwischenfrage gestatten, denn Ihre Redezeit nähert sich dem Ende.

Ich komme nun zum Schluss, und wenn Sie mir dann die Zeit zugeben, würde ich gern die Frage beantworten.

[Heiterkeit bei der PDS]

Es wäre allerdings ein fatales Signal, wenn dieses Gesetz morgen im Bundesrat – unterstützt durch die CDU-regierten Länder – zu Fall gebracht würde. Sollte dies aber passieren, begrüße ich ausdrücklich, dass unsere Senatorin eine Eigeninitiative angekündigt hat. Da Sie das ja alle schon begrüßt haben, werden wir wohl hier etwas bewegen können, was uns leider offenbar dank der CDU, die sich heute als verbraucherfeindliche Partei geoutet hat, im Bundesrat morgen nicht gelingen wird.

[Beifall bei der PDS – Unruhe bei der CDU]

Frau Kollegin! Bitte kommen Sie zum Schluss!