Protokoll der Sitzung vom 13.06.2002

Damit komme ich zum Schluss: Die Art und Weise, wie dieser Gesetzentwurf eingebracht wurde, ist bedauerlich, insbesondere deswegen, weil wir letztes Mal hier Tumulte hatten und weil wir das jetzt wohl innerhalb von 14 Tagen durchgepeitscht bekommen sollen. Ich glaube nicht, dass das klappen wird.

Herr Ritzmann! Ich darf Sie an den Schluss Ihrer Rede erinnern.

Ich komme zum Schluss: Der Diskussionsbedarf ist nicht gestillt, dafür ist die Vorlage nicht gut genug. Wir halten die Anliegen für berechtigt, aber wollen es noch verbessern. interjection: [Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Ritzmann! – Für die PDS erhält Frau Seelig das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gewalt, ich bin Ihnen dankbar für die Klarstellung, dass wir nicht genug per Video überwachen. Das dürfte vielleicht auch die Kritik der Humanistischen Union wieder etwas in die richtigen Bahnen lenken. Denn mit Rot-Rot werden in Berlin keine öffentlichen Plätze und schon gar nicht stadtübergreifend bewacht werden.

[Beifall bei der PDS]

Die rot-rote Koalition hat es für notwendig gehalten, das Berliner Sicherheits- und Ordnungsgesetz an einigen Stellen zu verändern, um einerseits der Fortentwicklung der Gesetzgebung – wie dem Gewaltschutzgesetz – Rechnung zu tragen und andererseits Klarstellung zu erreichen. Dem dient auch eine Änderung im Gesetz zur Anwendung unmittelbaren Zwangs. Sie sagten es, Herr Ritzmann. Insbesondere Eingriffsbefugnisse im Zusammenhang mit der Einsetzung geheimdienstlicher Mittel waren bisher im ASOG so weit gefasst, dass sie einer Generalklausel gleichkamen. Das Bestimmtheitsgebot gerade bei einem Einsatz solch heikler polizeilicher Mittel verlangt vom Gesetzgeber eine Beschränkung auf das notwendige Maß und einen abschließenden Straftatenkatalog. Dieses sehen wir auch so und haben es jetzt mit dem § 17 Abs. 3 formuliert.

Der § 24 a, der jetzt die gesetzliche Grundlage dafür schafft, dass an besonders gefährdeten Objekten und gerade auch an Synagogen, jüdischen Friedhöfen und Mahnmalen – ich finde es schon wichtig, dass beispielhaft diese Objekte aufgezählt sind – Videokameras auch auf das unmittelbar angrenzende Gebiet gerichtet werden können. Dieses hat – Herr Gewalt bestätigte es – nichts mit einer Videoüberwachung öffentlicher Plätze zu tun. Das schafft letztlich die Grundlage für eine nicht zu verhindernde Praxis, und das ist auch sinnvoll und lebensnah, wenn man bedenkt, dass ein Steinewerfer beispielsweise nicht mit dem Rücken an der von ihm zu bewerfenden Wand steht. Wir haben uns allerdings darum bemüht, die Formulierung so einzugrenzen, dass daraus nicht gerade die von der Humanistischen Union befürchtete Ausweitung zu Stande kommt.

Leider hatten wir solche eben beschriebenen Fälle mit Steinwürfen auf Synagogen in dieser Stadt bereits. Es ist ebenso schwer erträglich, dass es immer wieder Anschläge auf jüdische Friedhöfe gibt, bei denen nur selten die Täter ermittelt werden können.

Das Gewaltschutzgesetz, das wir begrüßen, verlangt nach einer gesetzlichen Regelung im Berliner Polizeigesetz, weil es natürlich ein nicht unerheblicher Eingriff in Grundrechte ist, Menschen aus ihrer Wohnung wegzuweisen. Im Interesse der meistenteils betroffenen Frauen finden wir es unumgänglich, dass die

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Polizei die Möglichkeit bekommt, diese Wegweisung bis zur Erlangung einer gerichtlichen Entscheidung vorzunehmen. Wir halten die Rechte des Weggewiesenen für dadurch gewährt, dass diese Maßnahme auf vierzehn Tage begrenzt ist. Natürlich muss auch die Praxis zeigen, wie sensibel dieses Instrument durch die Polizei gehandhabt wird, denn es handelt sich, bei aller notwendigen Problemlösung, um einen schwerwiegenden Eingriff. Dies muss noch einmal betont werden. Wir werden uns auch noch intensiver mit dem Modellprojekt der Direktion 7 beschäftigen. Wir sehen es auch so, dass im Bereich der Ausbildung ein besonderes Augenmerk auf eine solche schwerwiegende Einschätzungssituation gelegt werden sollte.

Nun kommen wir zum § 9 Abs. 4 im Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges. Hier will die Koalition einerseits deutlich machen, dass der gezielte Todesschuss in einem Polizeigesetz aus unserer Sicht nicht zu regeln ist. Wir sind der festen Überzeugung, dass die Ultima Ratio – der Tod eines Menschen – kein Verwaltungsakt sein kann. Andererseits wollen wir die Besorgnis gerade der in Sondereinheiten tätigen Polizisten aufnehmen. Ihre Besorgnis besteht darin, dass sie, wie sie es jetzt übrigens schon können, wenn sie nach dem Notwehr- bzw. Nothilfeparagraphen des Strafgesetzbuches handeln, quasi nicht als Polizisten tätig sind, sondern nach einem Jedermannsrecht. Dem wird mit dem eindeutigen Hinweis im UZwG Rechnung getragen. Ich hoffe Sie folgen unseren Intentionen, ich denke, Verhältnismäßigkeit und Augenmerk sind in diesen Vorschlägen gewahrt. Wir hoffen, dass auch große Bürgerrechtsorganisationen in dieser Stadt uns ein Stück weit folgen können. – Danke schön!

[Beifall bei der PDS]

Vielen Dank, Frau Seelig! – Für Bündnis 90/Die Grünen ergreift das Wort Herr Wieland – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Benneter! Was uns offenbar unterscheidet, ist ganz grundsätzlich. Wir sind nicht zufrieden, wenn wir irgendwo arithmetisch in der Mitte zwischen der CDU und der Humanistischen Union landen, wenn es um Bürgerrechtsfragen geht. Da sind wir deutlich lieber bei der Humanistischen Union als bei der CDU. Sie sollten mal darüber nachdenken, ob das nicht auch Ihr angemessener Standort wäre.

[Beifall bei den Grünen]

Zweitens: Ich freue mich ja, dass heute nicht mehr, wie noch vor vierzehn Tagen, der Eindruck von Rot-Rot erweckt wird, man wolle das Ganze im Schweinsgalopp möglichst noch vor der Sommerpause durchgezogen haben. Man wollte ja die Vorwegüberweisung und so weiter und so fort – die Aufregung war groß. Wir sagen ganz deutlich: Das, was hier vorgelegt wurde, mögen Sie als Gesellenstück des Innensenators Ehrhart Körting werten. Dem können wir uns leider nicht anschließen. Es ist erheblich diskussions- und nachbesserungswürdig. Und, Frau Kollegin Seelig, wenn ich mich daran erinnere, wie wir mal gemeinsam die Sitzungen verlassen haben, als es um die Neuformulierung des ASOG ging, Anfang der neunziger Jahre, wenn ich mich daran erinnere, wie die PDS-Fraktion fröhlich Beifall geklatscht hat, als Kollege Reinhard Schult und ich ein Transparent „Neue Spitzel braucht das Land“ im Plenarsaal als Kommentar zu den Befugnissen dieses ASOG hochgehalten haben, dann wundere ich mich, welch kleines Mäuschen hier bei der bürgerrechtlichen Evaluation des ASOG herausgekommen ist. Das ist ja wohl weniger als wenig, wenn Sie nun umsteigen wollen auf einen Straftatenkatalog. Dazu ist es noch immanent dubios, was da geschieht, denn das kann nicht überzeugen.

[Beifall bei den Grünen]

Wir werden daran festhalten, dass das ASOG auch in den Teilen Schleierfahndung, in den Teilen polizeilicher Lauschangriff, in den Teilen verdeckte Ermittler tatsächlich auf den Prüfstand kommt. Hier haben wir und die Bürgerrechtsorganisationen einige Erwartungen, die wir äußern und formulieren werden.

Weshalb überzeugt dieses Anknüpfen an § 100 a nicht? Wir nehmen hier einen Katalog, wo, immanent betracht, wesentliche Dinge – ich nenne nur Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Kinderpornographie oder auch beispielsweise Korruption, also Kollege Benneter, alles, womit Sie sich zu Recht schwerpunktmäßig beschäftigen.

[Zurufe von der CDU und der FDP]

Ja nicht, indem er es tut, sondern indem er es bekämpft! Es ist der Kollege Benneter, ich guckte nicht in die Richtung der CDU in dem Moment! –

[Gelächter bei den Grünen und der SPD]

Das fehlt doch in diesem Katalog! Und gleichzeitig haben wir immer noch Ordnungswidrigkeiten diesen Straftaten gleichgestellt, so dass uns das jedenfalls nicht überzeugt. Ich sehe auch die Schwierigkeit, vorbeugend Verbrechen zu bekämpfen, wenn ich gar nicht weiß, welche begangen werden. Was nützt mir denn ein Straftatenkatalog, wenn ich die Straftaten, die begangen werden, nicht kenne und nicht kennen kann. Hier wird man noch einmal ernsthaft reden müssen.

Man wird natürlich auch über die Videoüberwachung, die Sie vorschlagen, reden müssen. Dass wir bei der CDU nicht mitmachen, versteht sich von selber, die eine Totalausspähung sämtlicher öffentlicher Plätze a` la Großbritannien will, dies oft genug gesagt hat und immer noch nicht realisiert hat, dass selbst in Großbritannien diese Einrichtungen teilweise wieder abgeschaltet werden, weil sie nicht gebracht haben, was Sie hier unermüdlich versprechen. Die Bürger wollen – und das wurde deutlich gesagt – sichtbare Polizeipräsenz, und sie wollen kein Plazebo einer Videoüberwachung, das darüber hinaus noch große bürgerrechtliche Flurschäden anrichtet. Der Gewinn ist gering, der Schaden ist groß, das sollten Sie auch endlich einmal einsehen und aufhören, das weiter zu fordern.

[Beifall bei den Grünen, der SPD, der PDS und der FDP]

Aber auch das, was hier vorgeschlagen wird, muss natürlich kritisch in der Einschränkung, in der Frage: Wer kontrolliert es, warum kein Richtervorbehalt? gesehen werden.

Es muss auch die Frage der häuslichen Gewalt – wahrlich keine Erfindung der FDP,

[Zuruf der Abgn. Dr. Lindner (FDP) und Ritzmann (FDP)]

sondern von der Frauenbewegung in der Bundesrepublik in die Debatte gebracht, in den USA angesehen, von den USA auf uns übertragen und dann zu Recht nach Berlin gekommen und in Berlin praktiziert – überlegt sein. Aber auch die Vorschläge, die hier gemacht werden, müssen überlegt sein, denn leider ist die Justiz nicht so schnell, wie sie sein sollte, leider ist die ZweiWochen-Frist oft nicht ausreichend, um die gerichtliche Entscheidung zu erhalten.

[Zuruf von Frau Sen Schubert]

Darüber muss man reden, trotz aller Bemühungen der Senatorin, ich kenne das ja auch, die Justiz ist wahrlich nicht so schnell in diesem unseren Lande, auch nicht in Berlin, und dann werden wir hier zu Homogenisierungen kommen müssen.

Herr Kollege Wieland, die Zeit läuft ab!

Ich sehe hier erst eine Fünf, solange erlaube ich mir weiter zu reden, Herr Präsident, die schöpfen wir aus, das ist ja gar keine Frage!

Fazit: In der Frage des Todesschusses ändert sich nichts, ob das so nun im Gesetz steht oder nicht, es ist ein Hinweis auf die geltende Rechtslage. Wir wollen auch keinesfalls mehr. Wir sagen auch, wie der Innensenator, es darf nicht angeordnet werden. Die Entscheidung, ob er schießt oder nicht, muss der Polizeibeamte nach seinem Gewissen selber treffen. Er kann und sollte sich rückvergewissern, es sollte festgestellt werden, auch von den Dienstvorgesetzten, ob hier eine Notwehr- oder Nothilfesituation besteht, aber die Entscheidung sollte und kann ihm niemand abnehmen, dabei soll es bleiben!

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Wieland, Wolfgang

Ein letzter Satz: Es besteht erheblicher Klärungs- und Anhörungsbedarf unter Einbindung des Datenschutzbeauftragten, der hier auch mitgehört werden sollte, und dann werden wir sehen, was davon bleibt und was davon mitgetragen werden kann und was nicht. [Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Wieland! Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung der Vorlage – federführend – an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung sowie mitberatend an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung und an den Ausschuss für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen, worüber ich jetzt abstimmen lasse. Wer so zu verfahren wünscht, den bitte ich um das Zeichen! – Danke schön! Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Keine! Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Die mitberatenden Ausschüsse werden gebeten, diese Vorlage so rechtzeitig auf die Tagesordnung zu nehmen, dass die jeweiligen Stellungnahmen dem federführenden Innenausschuss bis zu dessen Sitzung am 24. Juni 2002 vorliegen. Damit könnte das Gesetz noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Möglicherweise bietet sich dafür eine gemeinsame Sitzung der mitberatenden Ausschüsse an.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 2 A, Drucksache 15/551:

I. Lesung des Antrags der Fraktion der CDU über Gesetz zur Änderung des Straßenreinigungsgesetzes (StrReinG)

Wird der Dringlichkeit widersprochen? Das ist nicht der Fall.

Es wird keine Beratung gewünscht. Ich schlage die Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz – federführend – und an den Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie mitberatend vor. Wer diesen Ausschussüberweisungen seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen! – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann ist dies einstimmig so beschlossen.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 3, Drucksache 15/509: