Erste These: Qualität von Schule misst sich am Schulerfolg der einzelnen Schülerin und des einzelnen Schülers. Das meint die Einzelschule wie aber auch das Schulsystem als Ganzes. Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung, so wie sie auch in der Anfrage nachgefragt sind, haben wir danach zu bewerten, wie es mit diesen Maßnahmen gelingt, in der Berliner Schule Spitzenleistungen hervorzubringen und dabei den Anteil von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache zu erhöhen und zwar vor allen Dingen derjenigen, die die Schule bisher ohne Abschluss verlassen, deutlich zu senken. Darüber hinaus soll der Anteil derjenigen, die zum Abitur gelangen – und zwar deutscher und nichtdeutscher Herkunftssprache – erhöht werden. Es versteht sich von selbst, dass damit gemeint ist, das Abitur erfolgreich abzuschließen.
Zweite These zu Leistungsstandards und Leistungstests: Vergleiche, Gütesiegel und andere Maßnahmen sind dann wichtige Instrumentarien, wenn sie zugleich gewährleisten, dass Tests und Leistungsvergleiche nicht prüfungs-, versetzungs- oder gar abschlussrelevant sind,
PISA hat das positiv vorgemacht, dort kann man sehen, wie man so etwas machen muss. – und wenn sie dazu dienen, Kinder und Jugendliche nicht nur einer Norm zu unterwerfen – das ist erforderlich, Stichwort „Leistungsstandards“ –, sondern auch ihre eigenen Entwicklungsfortschritte messen und diese Fortschritte zur weiteren Lernmotivation benutzen.
Natürlich funktioniert Schule nicht ohne Lehrerinnen und Lehrer und nicht ohne gut ausgebildete. Das ist völlig klar.
Dieses Thema bedarf einer gründlicheren Debatte, die im Fachausschuss stattfinden muss. Ich möchte aber einige Stichpunkte nennen, die wir in Sachen Lehrerbildung und Lehrerausbildung, die hier zuerst gemeint ist, aber auch Lehrerfort- und -weiterbildung als Grundsätze ansehen. Die Notwendigkeit einer Reform ist, denke ich, unumstritten. Streit gibt es immer, wenn es um die Details geht. Hier will ich einmal das Negative voranstellen: Was wir nicht möchten, sind Teilqualifikationen als mindere Lehrbefähigung, sondern Teilqualifikation als Ausgangspunkt, um aufzusteigen.
Wir wollen die Beibehaltung einer integrierten Lehrer- und Lehrerinnenausbildung auf Universitäts- und Hochschulniveau mit dem Ziel Fachlichkeit, nämlich Berufswissen, Lehr- und Methodenkompetenz zusammenzuführen, wir wollen die Grundschulpädagogik stärken und an ihrer Seite und mit ihr die Integrations
pädagogik. Das ist für einen gut ausgebildeten Lehrer nicht voneinander zu trennen. Darüber hinaus wollen wir eine Erhöhung des Praxisanteils in der Lehrerausbildung, also die Verbindung der ersten und zweiten Phase der Lehrerausbildung anders gestalten. Das Ganze soll, das ist erforderlich, mit Blick auf europäische Standards, auf europäische Lehrer- und Lehrerinnenausbildung geschehen.
Vielleicht darf ich den allzu hastigen Zwischenrufern diese drei Dinge nennen, die die Finnen sagen: Der erste Pädagoge für das Kind ist das Kind selbst, der zweite der Lehrer und der dritte der Raum. Vergnügen beim Nachdenken. – Vielen Dank!
[Over (PDS): Nicht der bildungspolitische Fachmann? – Doering (PDS): Nicht Herr Lindner? – Klemm (PDS): Ohne Herrn Lindner? Da hätten wir die Decke schön hochgehoben, wenn Herr Lindner gesprochen hätte!]
Frau Präsidentin! Meine Herren! Meine Damen! Herr Goetze! Sie haben vorhin hervorgehoben, dass es sich um eine Aktuelle Stunde handelt, das ist richtig. Sie haben auch einige aktuelle Beispiele gebracht. Frau Schaub! Bei Ihnen haben wir einen netten kleinen historischen Abriss erhalten, das habe ich auch in Ordnung gefunden. Ich möchte mich hier zum einen auf die Antwort beziehen, die uns heute von Herrn Böger vorgelegt worden ist, aber zum anderen, damit beginne ich, über eine Pressemitteilung vom 23. August mit der Überschrift: „Qualität entwickeln, Rahmenbedingungen sichern“ sprechen. Aus diesem Elaborat möchte ich einige Punkte herausgreifen und beginne mit dem Fremdsprachenfrühbeginn ab Klasse 3 in allen Grundschulen.
Herr Senator! Das ist Ihr Prestigeobjekt, aber Sie behandeln es leider stiefväterlich. Erstens, das zeigt die Realität, wird der Fremdsprachenfrühbeginn eben nicht durch qualifizierte Lehrkräfte erteilt. Zweitens, nicht wenige Kinder sind überfordert, insbesondere diejenigen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Eines müssten Sie wirklich von den Sprachwissenschaftlern inzwischen gelernt haben: Das Beherrschen einer Sprache ist die Grundvoraussetzung für das Erlernen einer zweiten Sprache. [Beifall bei den Grünen – Zuruf der Frau Abg. Dr. Tesch (SPD)]
Eben diese Voraussetzung erfüllen leider nicht viele Kinder an den Berliner Grundschulen. Drittens: die Inhalte. Die unterrichteten Inhalte sind selbst nach Auffassung von Ihnen, Frau Dr. Tesch – so stand es im „Tagesspiegel“ zu lesen –, nicht gerade anspruchsvoll und in keiner Weise differenziert. Aber das kann auch gar nicht anders sein, denn ich möchte zitieren aus diesem von Herrn Senator Böger herausgegebenem Elaborat – jetzt muss ich eben suchen, wo ich es habe – –
Rahmenpläne für die Klassen 3 bis 10 für Englisch und Französisch werden gegenwärtig vom Landesinstitut für Schule und Medien erarbeitet und bis Herbst 2003 fertiggestellt.
Sehr geehrter Herr Senator! Mit dieser Aussage führen Sie Ihr gesamtes Projekt ad absurdum. Wir wissen offensichtlich überhaupt gar nicht, welchen Weg wir gehen wollen und welches Ziel angedacht ist. [Beifall bei der FDP]
Sie zäumen hier das Pferd von hinten auf. Das hat mit seriöser Schulpolitik nun wirklich gar nichts zu tun.
Als zweitem Punkt, Herr Goetze hat vorhin darauf hingewiesen, aber ich finde, Sie haben ihn ein wenig zu kurz gestreift, will ich mich der Schulzeitverkürzung widmen. Sie erlauben, dass ich es ein wenig deutlicher mache. Was hier passiert, ist absolut „spitzenmäßig“. Ich weiß nicht, ob überhaupt alle wissen, was hier passiert. Die Schulzeit wird um ein halbes Jahr verkürzt, die Zeugnisse zum 31. März ausgestellt. Wir alle wissen, das Sommersemester beginnt Mitte April. Logischerweise kann man sich eigentlich mit diesem Abiturzeugnis nicht mehr zum Sommersemester immatrikulieren. Echte Schulzeitverkürzung? – Lachnummer ist meine Antwort. Aber die Verwaltung hat irgendwie gemerkt, dass das mit der Schulzeitverkürzung nicht so direkt klappt, und greift nun in die Trickkiste – so habe ich zumindest gehört. Man kann sich nun bereits mit dem Halbjahreszeugnis für das Sommersemester bewerben. Das ist eine ganz merkwürdige Sache. Es gilt jetzt folgende Fragen zu beantworten: Wissen Sie eigentlich, dass die meisten Studiengänge im Winter beginnen? Glauben Sie allen Ernstes, dass der bürokratische Tanker ZVS ein solches Verfahren billigen wird? Wird es vielleicht eine Sonderregelung für Berlin geben? Was machen eigentlich diejenigen, die vielleicht außerhalb von Berlins studieren wollen? – Die haben nämlich gar nichts von der Verkürzung. Damit heißt es nur: Schluss, Aus, Ende, vorbei für diejenigen, die genauso davon profitieren wollen, wie alle anderen auch. Diese zeitliche Abstimmung ist völliger Unsinn. Weshalb gibt es keine Verkürzung auf zwölf Jahre? – Hier gäbe es auch für Berlin Lösungsmöglichkeiten. Sie vertun hier für Berlin eine Chance.
Zur Neustrukturierung der Oberstufe hat Herr Goetze vorhin richtig ausgeführt, dass hier das Prinzip „Stille Post“ gilt. Lassen Sie mich zum Abschluss noch ein weiteres Lieblingsthema ansprechen, das sind der Vergleichsarbeiten in den verschiedenen Klassenstufen und die einheitlichen Prüfungsanforderungen im Abitur in den Kernfächern Deutsch, Mathematik und Englisch. Herr Böger, das unterstützen wir, das will ich von vornherein sagen. [Frau Dr. Tesch (SPD): Das hatte ich auch nicht anders erwartet!]
Für Vergleichsarbeiten wie für einheitliche Prüfungsanforderungen brauchen wir einheitliche, berlinweite Standards in den Kernfächern, auch hier stimmen wir mit Ihnen überein. Eine Gefahr sehe ich allerdings. Darin bin ich nicht allein, das scheint auch bei den Schulleitern der Fall zu sein. Ein Schulleiter hat es kürzlich so formuliert: Ich habe nichts gegen einheitliche Standards, aber ich möchte mich nicht nach unten bücken. Das heißt auf Deutsch, ich habe Angst, dass das Niveau gedrückt wird. – Diese Befürchtung besteht. Wir können ihr aber auch entgegentreten, Herr Senator, und zwar, wie ich finde, ziemlich einfach. Diese Entwicklung der berlinweiten Standards darf nicht nur der Kompetenz, die in Ihrer Verwaltung zu Hause ist, überlassen werden, sondern wir brauchen Experten, die aus der Schule, der Hochschule und der Wirtschaft kommen müssen. So kriegen wir es hin, dass wir berlinweite Standards entwickeln können, die dann auch vernünftig sind. Und vergessen Sie bei diesen Standards bitte nicht den nationalen Kontext. Berlin braucht das notwendige nationale Feedback, sonst haben wir in den nächsten Jahren ein weiteres Frühlingserwachen. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Bildungspolitiker freut man sich natürlich jedes Mal darüber, wenn Bildung als Thema der Aktuellen Stunde, als Schwerpunkt behandelt wird.
Angesichts der Bildungsmisere nicht nur in Berlin können wir nicht oft genug über dieses Thema reden.
auf welche alle Beteiligten in dieser Stadt seit Beginn dieser rotroten Regierung vergeblich warten.
Unsere Fraktion hat im März diesen Jahres das Thema Bildung auf die Tagesordnung gesetzt. „Bildung hat Priorität“, so die Überschrift der damaligen Aktuellen Stunde. Unsere Große Anfrage und unsere acht Einzelanträge – –
Mit unseren Anträgen haben wir Vorschläge für die vorschulische Erziehung, für die Kitas, für die Ganztagsbetreuung, Förderung von Kindern nichtdeutscher Herkunftssprache sowie neue Arbeitszeitmodelle und einen Aktionsplan gegen den drohenden Lehrermangel gemacht und Ihnen entsprechende Konzepte unterbreitet. Was ist seither passiert? – Leider nichts! Was tun Sie heute? – Sie melden eine Aktuelle Stunde mit der Überschrift „Priorität bei Bildung“ an. Was Priorität bei Ihnen bedeutet, dazu komme ich später. Wenn ich mir die Große Anfrage der rot-roten Koalition angucke und die beiden Drucksachen, die damit zusammenhängen, komme ich zu dem Schluss, die Mühe hätten Sie sich sparen können.
Ihre Große Anfrage geht über die Qualität einer schriftlichen Kleinen Anfrage nicht hinaus. Ihre zwei Anträge sind nichts als Kopien unserer Anträge vom März diesen Jahres.
Schön wäre es, Herr Böger, wenn Sie nicht nur kopierten, sondern endlich einmal handelten. Das ist viel wichtiger, als nur zu kopieren und zu reden.