Protokoll der Sitzung vom 12.12.2002

Herr Lindner! Achten Sie bitte auf Ihre Redezeit!

Ich komme gleich zum Schluss. – Ich habe bei Ihnen keine große Hoffnung mehr, dass Sie hier die Lektion noch lernen.

[Doering (PDS): Ich bei Ihnen auch nicht!]

Das ist müßig, das macht keinen großen Sinn,

[Doering (PDS): Wirklich müßig, wenn Sie nicht im Bundestag reden!]

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Danke schön! – Für die PDS-Fraktion hat das Wort der Herr Abgeordnete Hoff!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! –Zu Herrn Dr. Lindner etwas zu sagen hat keinen Zweck, weil man die Haltung, mit der er eine solche Rede hält, nur als Überkompensation desjenigen beschreiben kann, der in die Politik gegangen ist, weil er in der Klasse immer herumgeschubst wurde, und dann versucht, das zurückzugeben, indem er alle anderen für ein bisschen dumm hält.

[Heiterkeit]

Das hat sich aber nach der zweiten Rede erschöpft. Deshalb macht es überhaupt keinen Spaß, sich darüber zu ärgern. Man nimmt es einfach hin, lächelt sich einen und lässt es einfach sein.

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Ritzmann (FDP): Wie war denn Ihre Schulzeit, Herr Hoff?]

Zur Rede von Herrn Dietmann möchte ich sagen: Wir haben das im Wirtschaftsausschuss schon einmal an der einen oder anderen Stelle versucht, aber ich glaube nicht, dass wir uns gegenseitig dazu bringen können, dass der andere die ordnungspolitischen Überzeugungen über

Dieses Programm wurde nicht nur von den beiden PDS-Ministern vorgeschlagen, sondern von allen – also auch von dem SPD-Minister und den drei CDUMinistern. Sie haben ein kommunales Investitionsprogramm für Ostdeutschland vorgeschlagen, das auch uns in Berlin helfen könnte. Und das könnte man durchaus mit der von Bundesminister Clement vorgeschlagenen so genannten Sonderwirtschaftszone Ost verbinden. Deshalb sollte man diesen Vorschlag prüfen. Man muss im Januar genau betrachten, was der Bundesminister sich darunter vorstellt – Bürokratieabbau auf der einen Seite und Steuerrechtsregelungen auf der anderen Seite für Ostdeutschland. Das lässt sich möglicherweise mit einigen Überlegungen verknüpfen, die die PDS bereits in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Das würde wiederum Ostdeutschland und auch dem Land Berlin als einem Teil der ostdeutschen Bundesländer zugute kommen, zumal es dort erhebliche Sonderstrukturprobleme gibt.

Wir glauben, dass diese steuerpolitischen Überlegungen, die wir im Land Berlin entwickelt haben, die wir hier deutlich machen und die im Bundesrat eine Mehrheit finden sollen, dazu führen können, dass sich die Einnahmesituation und die Finanzkraft dieses Landes – und mittelfristig damit auch die Wirtschaftskraft dieses Landes – erhöhen. Rot-Rot hat hier die richtigen Initiativen in Gang gesetzt und wird diese Initiativen auf Bundesebene unterstützen. – Vielen Dank!

nimmt. Deshalb werde ich das jetzt auch nicht versuchen. Aber ich möchte auf ein paar Zahlen Bezug nehmen und zeigen, dass wir unsere ordnungspolitischen Vorstellungen möglicherweise genauso sinnhaft begründen können wie Sie die Ihren aus Ihrer Logik, denn es sind unterschiedliche Logiken, die hier präsentiert werden. Es handelt sich also nicht um den Versuch der Überzeugung, sondern nur um die Darstellung des gleichen Sachverhalts aus einer etwas anderen Sicht.

Die These, die Sie aufstellen und verdeutlichen wollen, dass sich nämlich unter der rot-grünen Bundesregierung die Staatsquote signifikant erhöht habe und wir es gewissermaßen mit einer neuen Form von Staatlichkeit zu tun hätten, die es in den 16 Jahren vorher unter der Bundesregierung Kohl nicht gegeben habe, lässt sich meines Erachtens nicht halten, wenn man sich die Zahlen ansieht. Die Staatsquote unter der Bundesregierung Kohl ist ausschließlich in den Jahren 1987 und 1993 marginal gesunken. Eine signifikante Absenkung der Staatsquote zwischen 1982 und 1998 hat es nicht gegeben.

[Niedergesäß (CDU): Alles Schnee von gestern, was Sie da erzählen! – Doering (PDS): Fritze, du verstehst das!]

Aber man kann feststellen, dass sowohl unter der Regierung Kohl als auch in den ersten vier Jahren der rotgrünen Bundesregierung – und darauf haben der Fraktionsvorsitzende meiner Fraktion und der der SPD in den vergangenen Wochen sehr eindrücklich hingewiesen – – Herr Müller und Herr Liebich haben zu Recht gesagt: Wir haben ein riesiges Problem, denn die Kommunalfinanzen stagnieren auf dem Niveau von 1992, und wir haben ein erhebliches Problem, weil wir in den vergangenen Jahren bei allen Steuerprognosen höher lagen als bei den realen Steuereinnahmen. Man muss also etwas zur Verbesserung der Länderfinanzen tun.

[Niedergesäß (CDU): Reden Sie mal zum Thema!]

Ich rede zum Thema, Herr Niedergesäß! Dass Sie es nicht verstehen, tut mir wirklich Leid. Hier geht es noch nicht einmal um Überzeugung, sondern nur um das Verständnis. Aber Sie werden das Verständnis nicht entwickeln können. Ich rede zum Thema – nur damit Sie es wissen!

Also, die Kommunalfinanzen stagnieren auf dem Niveau von 1992. Wir müssen uns deshalb darüber Gedanken machen, wie wir die Einnahmen auf der Länder- und Kommunalseite erhöhen können. Mein Kollege von der SPD-Fraktion, Herr Zackenfels, hat das ganz richtig dargestellt: Die Vermögensteuer und der Antrag, den wir als Koalition gemeinsam beschlossen und den wir auch schon begründet haben – – Wir werden Sie nicht überzeugen, aber wir haben beide begründet, warum diese Steuer wieder eingeführt werden muss. Der Finanzsenator hat sich die Mühe gemacht zu prognostizieren, was uns bei einer Einführung dieser Steuer an Einnahmen zur Verfügung stünde, nämlich Einnahmen in Höhe von 230 Millionen €. Dieses Geld wollen wir haben, und wir wollen das verknüpfen mit einem Vorschlag, den Herr Senator Wolf mit seinen Arbeitsministerkollegen aus allen

ostdeutschen Bundesländern in der letzten Ministerkonferenz der Arbeitsminister vorgebracht hat, nämlich einem kommunalen Investitionsprogramm für Ostdeutschland.

[Beifall bei der PDS]

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Das Wort hat nun Herr Eßer. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Debatte ist ja recht friedlich. Aber wenn ich mir den schrillen Ton insbesondere in der Begründung des Antrags der CDU ansehe, dann meine ich doch, etwas weniger Populismus und eine etwas nüchternere Sicht der Dinge hätten diesem Antrag sehr gut getan.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Diese Nüchternheit – wir sprachen heute bereits an anderer Stelle über orwellsche Sprachsysteme – sagt einem vor allem: Auch wenn eine Subvention im Steuersystem verankert ist, bleibt sie eine Subvention. Wenn man also Vorzugssteuersätze für bestimmte Produkte, Gewerbezweige oder Einkommensarten abbaut, erhöht man keine Steuern, sondern man betreibt damit Subventionsabbau. Im vorliegenden Fall geht es z. B. um Dienstwagen, um Schnittblumen, um Hundefutter, um Geschäftsflüge in das Ausland, um Bonusmeilen, um Werbegeschenke, um die Bevorzugung von Leasingraten gegenüber anderen Mieten, um den Bau von Eigenheimen, um Vermögenseinkünfte und deren Bevorzugung gegenüber anderen Einkunftsarten. Wenn Sie das alles für besonders förde

Herr Kurth, der diese Auffassung auch beim letzten Mal in der Debatte zur Vermögensteuer vertreten hat, hat

in seiner Zeit als Finanzsenator selbst Erfahrungen damit sammeln können. Weder nach der Steuerreform von Theo Waigel Mitte der 90er Jahre noch nach der Steuerreform von Rot-Grün hat sich der behauptete Refinanzierungseffekt eingestellt. Stattdessen haben wir alle – und das ist doch eine unbestreitbare Tatsache – einen dauerhaften Einbruch von insgesamt rund 500 Millionen € an Einnahmen in der Berliner Haushaltskasse entdecken können – von der Vermögensteuer über die Gewerbesteuer bis hin zu der inzwischen negativen Körperschaftsteuer. Sie scheinen aber weiter daran zu glauben, dass sich dieser Einnahmeeinbruch letztlich segensreich auf Wirtschaft und Beschäftigung auswirkt und sich quasi von selbst wieder ausbügelt. Herr Kurth hat das offensichtlich auch geglaubt, und vielleicht hat er deshalb in seiner aktiven Amtszeit die von ihm zu verantwortenden Haushalte notorisch unrealistisch veranschlagt. Die Defizite, die dabei entstanden sind, kann man heute in unserem Schuldenberg besichtigen.

Herr Dietmann und vor allem Herr Lindner, Sie sagen uns das jetzt wieder! Ich finde, wie bei allen Vertretern der Theorie vom automatischen Wirtschaftsaufschwung durch Steuersenkung hat das irgendwie etwas Religiöses, etwas zutiefst Religiöses. Denn wenn sich der erwartete Effekt nicht einstellt – und er hat sich bislang nicht eingestellt –, dann wird einfach behauptet, die Steuersenkungsdosis sei zu gering gewesen.

rungswürdig halten – bitte schön, in Ordnung! Herr Lindner hat auf einige Widersprüche hingewiesen, die auch ich in einzelnen Maßnahmen sehe. Aber bitte, meine Damen und Herren von der CDU: Auch wenn das in der Öffentlichkeit oft anders gesehen wird, in der Sache haben Sie Unrecht, wenn Sie täglich behaupten, die Bundesregierung betreibe Steuererhöhungen.

[Beifall bei den Grünen und der SPD – Zurufe von der CDU]

Das hilft Ihnen vielleicht bei den anstehenden Landtagswahlen, aber in der Sache ist es unwahr. Die Wahrheit ist: Die Bundesregierung hat bis heute keine einzige echte Steuererhöhung vorgeschlagen.

[Beifall bei den Grünen und der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP]

Moment! Die Grundlinie unserer Fraktion hier im Abgeordnetenhaus lautet in der Steuerpolitik seit langem: Steuersätze runter, Ausnahmetatbestände – und darüber reden wir jetzt gerade – beseitigen!

Wir können der Bundesregierung bestenfalls vorwerfen, dass sie die Beseitigung der Ausnahmetatbestände schon mit der Steuerreform 2000 hätte vornehmen sollen. Dann müsste sie das nicht jetzt nachholen, und der Zusammenhang des Subventionsabbaus, der jetzt in Rede steht, mit der allgemeinen Steuersenkung, die diese Regierung 2001 schließlich gemacht hat und die sie für 2004 und 2005 ebenfalls fest beschlossen hat – ganz im Unterschied zu dem, was Sie in den 16 Jahren der KohlRegierung geleistet haben –, wäre offensichtlicher als im Augenblick. Jetzt kommt das leider als getrennte Maßnahme. Das haben wir hier schon einmal ganz offen in einem Antrag bedauert. Deswegen sind wir belacht worden, und es hieß: Dann gehen Sie doch zu Ihrer Regierung und beschweren Sie sich, dass das so passiert ist! – Aber ich sage Ihnen: Diese gesamte Kampagne, die Sie führen, hätten sie gar nicht führen können, wenn das in einem Zug gemacht worden wäre. – Dennoch halte ich das, was jetzt nachgeholt wird – bei der Körperschaftsteuer beispielsweise haben wir es hier diskutiert –, für vollständig berechtigt und notwendig. Man muss das jetzt nachholen.

[Beifall bei der PDS]

Sehr skeptisch bin ich allerdings hinsichtlich einer Politik, die glaubt, die Einnahmen des Staates zunächst einmal aktiv senken zu können, um dann darauf zu hoffen, dass sich die Lücke praktisch automatisch durch Wirtschaftswachstum wieder schließt. Das ist die Theorie von Ihnen, Herr Lindner. „Voodoo-Ökonomie“ habe ich dazu in der letzten Legislaturperiode gesagt, denn es handelt sich um eine Glaubenssache. Auch wenn das noch so viele Professoren erzählen, so ist das eine Glaubensaussage, die durch nichts bewiesen ist – weder empirisch noch theoretisch.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

[Gelächter und Beifall bei der FDP]

Und dann wird gesagt, man muss die Dosis nur erhöhen, dann würde sich der behauptete Effekt aber ganz bestimmt einstellen.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Und wenn das dann wieder nichts wird, ist das nicht etwa ein Anlass, einmal die Theorie zu überprüfen, sondern dann wird eine noch höhere Dosis der Steuersenkungsdroge gefordert. Das geht alles frei nach dem Motto: „Wenn sich die Wirklichkeit nicht nach der Theorie richten will, um so schlimmer für die Wirklichkeit.“ Ich kenne das aus dem Marxismus von früher, und Ihr neoliberales Gebäude hat verdammt viele Ähnlichkeiten in dieser Frage, sich selbst gegen jede Wirklichkeitswahrnehmung und jedes Gegenargument zu immunisieren.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS – Zuruf des Abg. Borgis (CDU)]

Aus diesem Gesagten, meine Damen und Herren von der CDU, werden Sie verstehen, dass wir trotz aller Kritik, die die Grünen auch auf Bundesebene an einzelnen Maßnahmen der Regierung haben und auch geäußert haben, Ihrem Antrag nicht zustimmen können und auch nicht zustimmen werden.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS – Zuruf von der CDU: Das ist aber schade!]

Danke schön! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist sofortige Abstimmung beantragt, und damit stelle ich diesen Antrag zur Abstimmung. Wer diesem Antrag seine Zustimmung

zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön! – Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist dies gegen die Stimmen der CDU und der FDP mit großer Mehrheit angenommen.