Wer tatsächlich meint, eine PKS, eine polizeiliche Kriminalstatistik anführen zu müssen, um das Scheitern des Konzepts von Drogenräumen in Hamburg zu begründen, hat weder verstanden, was eine polizeiliche Kriminalstatistik aussagen kann, noch hat er verstanden, was es mit den Drogenkonsumräumen eigentlich auf sich hat.
Sie können doch nicht ernsthaft das Erfassen von Straftaten im Zusammenhang mit Rauschmittelkriminalität ohne jegliche Differenzierung und einen etwaigen Anstieg anführen, um zu sagen, die Zwecksetzung der Einrichtung von Drogenkonsumräumen sei nicht erreicht worden. Sie verkennen den Zweck, den diese Räume haben. Es geht darum, einen Raum zu schaffen, in dem es nicht nur gilt, die gesundheitlichen Risiken zu minimieren, sondern auch einen leichten Zugang zu haben zu denjenigen, die abhängig sind, und ihnen Hilfeangebote zu vermitteln, um aus dieser Situation herauszukommen.
Herr Henkel, vielleicht auch Herr Stölzl, wenn es noch eines Beweises bedurfte, warum wir Ihre schwarz-grünen Avancen immer ablehnen, so hat ihn hier heute Herr Henkel noch einmal deutlich dargestellt, warum wir Ihre Initiative ablehnen.
Wir alle wissen, dass das große Problem jetzt darin besteht, Akzeptanz für diese Räume zu schaffen. Es ist klar, die Bevölkerung ist beunruhigt, dass es in ihren meist sozial belasteten Bezirken – da sind die Szenen derzeit in Berlin konzentriert – zu weiteren Konzentrationen kommt, dass es Ansammlungen in ihrem Wohnumfeld gibt und dass die Problematik, wie sie Herr Henkel hier beschrieben hat, zunimmt. Aber auch das wurde durch die Studie wiederlegt. Dort, wo die Drogenkonsumräume eingerichtet wurden, kam es gerade nicht zu dieser Konzentration – im Gegenteil, Herr Henkel! Die Einrichtung von Drogenkonsumräumen hat dazu geführt, dass das Phänomen, das Sie im letzten Wahlkampf noch auf großen Werbeplakaten angeprangert haben – mit Spritzen übersäte Spielplätze waren dort zu sehen –, abgebaut worden ist, indem die Konsumenten sich unter Anleitung und unter dem Angebot von Hilfeleistungen und Ausstiegsangeboten in Konsumräume zurückgezogen haben, um dort ihren Drogenkonsum tätigen zu können.
Vom Drogenbeauftragten der damaligen Kohl-Regierung jedenfalls – Gott hab’ sie selig – wurde der Betrieb – so versuchte Herr Henkel es auch heute hier noch darzustellen – als strafbares Verschaffen von Gelegenheiten zum unbefugten Gebrauch gewertet. Der hessischen Landesregierung, die damals solche Räume eingerichtet hat, warf er vor, Bundesrecht zu brechen, und forderte strafrechtliches Einschreiten zur Wiederherstellung von Sicherheit und Ordnung. Fünf Jahre mussten vergehen und der segensreiche Sturz einer konservativen Bundesregierung, bis im Jahr 2000 mit der Änderung des Betäubungsmittelgesetzes endlich eine klare Regelung geschaffen wurde, um das nahe Liegende tun zu können. Den Bundesländern wurde es ermöglicht, nach Erlass von Rechtsverordnungen Gesundheitsräume einzurichten. Mittlerweile gibt es solche Rechtsverordnungen in Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und im Saarland. Nur – wen wundert es? – Bayern und BadenWürttemberg verweigern nach wie vor den Erlass solcher Rechtsverordnungen, obwohl die großen Kommunen in diesen Ländern sich sehr dafür aussprechen und es auch fordern, dass diese Rechtsverordnungen endlich erlassen werden.
Berlin hat es nun auch endlich geschafft. Es hat lange gedauert. Fest stand die Sozialdemokratie auf der drogenpolitischen Bremse. Wir haben sie in dieser Frage fast zehn Jahre lang getrieben. Wir haben sie mürbe gemacht, in Zusammenarbeit mit vielen anderen, mit Initiativen, mit Fachleuten und später auch mit der PDS, die als Regierungspartei nun die Umsetzung dieser Forderung erleben darf. Zumindest auf Landesebene sind Sie nun zur Einsicht gekommen. Es ist an dieser Stelle Zeit, denjenigen zu danken, die sich so wacker und mühsam dafür eingesetzt haben, dass auch die SPD endlich aufgewacht ist und eingelenkt hat, um dieses Konzept der Drogenkonsumräume auf Landesebene umzusetzen.
Wir hatten Recht mit unserer Forderung. Wir hatten Recht zu fordern, dass diese Gesundheitsräume eingerichtet werden sollten. Noch einmal an Ihre Adresse, Herr Henkel: Es gibt seit September eine Studie, die die Auswirkungen der Drogenkonsumräume auf die Drogenproblematik und die Drogenpolitik in den einzelnen Städten untersucht hat.
[Over (PDS): Woher soll Herr Henkel denn wissen, dass es diese Studie gibt? Damit beschäftigt er sich doch nicht!]
Ich weiß nicht; ich habe es in der Zeitung gelesen. Ich bin immer davon ausgegangen, als Mitglied des Abgeordnetenhauses liest Herr Henkel zumindest den Pressespiegel und Zeitungen. Dort wurde es erwähnt. Die Studie kann man sich außerdem auch besorgen. Ich lasse sie Ihnen gern auch zukommen, wenn Sie Interesse daran haben. – Diese Studie hat ganz klar belegt, dass es positive Auswirkungen gibt. In den Städten, die Gesundheitsräume eingerichtet haben, ist die Zahl der Drogentoten signifikant gesunken. Es gab in den Konsumräumen bei immerhin 2,1 Millionen Konsumvorgängen nicht einen
Ich glaube, dass eine Partei, die es immer noch bevorzugt oder hinnimmt, dass ihre politischen Veranstaltungen in den größten legalen Drogenkonsumräumen, wie beispielsweise dem Hofbräuhaus oder den Oktoberfestzelten, stattfinden,
und diese für ihre politischen Auftritte nutzt, nicht ernsthaft gegen solche Hilfeangebote für Drogenabhängige zu Felde ziehen kann. Sie sollten noch einmal darüber nachdenken, ob es nicht ehrlicher ist, den anderen Weg mitzugehen. Wir würden uns jedenfalls freuen, wenn wir Sie dahin gehend überzeugen könnten. Ich kann Sie nur bitten, meine Damen und Herren von der CDU: Lassen Sie davon ab, die Bevölkerung im Umkreis von Drogenkonsumräumen mit weiteren Drohungen und Androhungen aufzuhetzen. Und von dieser Stelle aus bitte ich alle Anwohner, die demnächst in der Nähe von Drogenkonsumräumen wohnen, diese zu unterstützen. Sie werden sehen, die Drogenkonsumräume werden die Belastung in Ihrem Umfeld reduzieren. – Danke!
Danke schön, Herr Kollege Ratzmann! – Wir sind damit am Ende der ersten Rederunde. Für den Senat ergreift das Wort Frau Senatorin Knake-Werner. – Bitte schön!
Vielen Dank! – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Matz! Ich habe das heutige Thema auch ein bisschen umfassender betrachtet. Die Rechtsverordnung zur Einrichtung der Drogenkonsumräume war nach meinem Verständnis nur der aktuelle Anlass. Deshalb erlaube ich mir, das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven anzugehen.
Das gilt auch für solche Aktivitäten, die sich zum Beispiel für ein öffentliches Tabak- und Zigarettenwerbeverbot im öffentlichen Raum aussprechen, weil hier besonders Kinder und Jugendliche gefährdet sind. Ich bedauere ein wenig die Haltung der Bundesregierung zu dem jüngsten EU-Beschluss.
Es muss deshalb unser drogenpolitisches Ziel sein, diese Menschen in unsere Mitte zu nehmen statt sie auszugrenzen. Das geschieht unter anderem durch die unerträgliche Doppelmoral, mit der legale und illegale Drogen bewertet werden. Genau diese Doppelmoral, Herr Henkel, passt zu der Null-Toleranz-Position, die Sie heute vorgetragen haben.
Sucht in jeder Form ist eines der größten sozialen und gesundheitspolitischen Probleme, die wir in unserer – und nicht nur in unserer – Gesellschaft haben, wie die Weltgesundheitsorganisation festgestellt hat. Das Interessante dabei ist, dass offensichtlich kein Bereich so emotional besetzt ist und durch so viele Extreme gekennzeichnet ist wie die Diskussion um die richtige Drogen- und Suchtpolitik. Leider – und auch das konnte man heute durchaus wieder feststellen, bei dem Beitrag von Herrn Henkel – ist dabei meist sehr viel mehr Ideologie denn Erfahrung und wissenschaftliche Erkenntnis die Grundlage dessen, was dazu geäußert wird. Die Diskussion um „richtige“ oder „falsche“ Drogenpolitik wird deshalb so heftig geführt, weil hierin offensichtlich auch sehr unterschiedliche Auffassungen über ein richtiges und ein geglücktes Leben zum Ausdruck kommen. Denn ein Blick in die Presse zeigt, dass sich das öffentliche Interesse seit Jahren auf eine relativ kleine Gruppe von Drogenabhängigen konzentriert, nämlich fast ausschließlich auf Konsumentinnen und Konsumenten von Opiaten oder anderen harten oder inzwischen Modedrogen wie Ecstasy. Es fehlt in dieser Gesellschaft – das muss man zur Kenntnis nehmen – die ehrliche öffentliche Diskussion um Gefährdete und Abhängige von legalen Drogen, insbesondere Alkohol und Tabak.
Es gibt kaum eine Diskussion um die Lebensdramen durch Alkoholmissbrauch in den Familien, das Ausmaß zerstörter sozialer Beziehungen, Gewalt, Missbrauch, die gesellschaftlichen Folgekosten. Dabei ist Alkohol neben Tabak die am häufigsten konsumierte Droge. Zudem ist wissenschaftlich erwiesen, dass Tabak und Alkohol in engem Zusammenhang auch mit dem Konsum von illegalen Drogen steht. Dies gilt insbesondere für Jugendliche.
Ich will die Zahlen aus unserem Drogenbericht nicht noch einmal wiederholen. Herr Ratzmann hat sie schon genannt. Auffällig ist, dass wir eine riesig große Zahl behandlungsbedürftiger Alkoholabhängiger in Berlin haben. 10 % der 15- bis 17-Jährigen konsumieren so viel Alkohol, dass sie dringend behandelt werden müssten, weil sie gesundheitsgefährdet sind. Auch die Medikamentenabhängigkeit in Berlin ist riesengroß. Dem gegenüber steht eine relativ kleine Zahl von Heroinabhängigen, die aber unserer besonderen Hilfe bedürfen. Auch wenn klar ist, dass die alkoholbedingten Todesfälle die Zahl der Drogentoten bei weitem übertreffen, müssen wir alles tun, um auch diese Zahl noch deutlich zu reduzieren.
Die legalen Substanzen gelten aber immer noch als gesellschaftsfähig. Wer nichts trinkt, ist dröge und ungesellig. Fortschritte gibt es inzwischen wenigstens beim Umgang mit dem Rauchen. In Berlin arbeiten sehr agile Initiativen wie „Rauchfrei“ oder „Leben ohne Qualm“, die meine nachhaltige Unterstützung bei ihren Kampagnen und Aktivitäten erfahren.
Abhängige Menschen, und das gilt auch für Drogenabhängige, sind krank und nicht kriminell, Herr Henkel.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Mir geht es nicht darum, dass alle illegalen Drogen und Rauschmittel legalisiert werden. Es geht mir allerdings darum, dass auch beim Konsum illegaler Drogen der Grundsatz Prävention und Hilfe statt Kriminalisierung gilt.
Und deshalb hat der weitere Ausbau von Prävention und suchtbegleitender Hilfe für Drogenkonsumentinnen und Drogenkonsumenten einen wichtigen Platz auf der politischen Agenda dieses Senats. Ich bin froh, dass die heutige Debatte das noch einmal nachdrücklich unterstreicht. Der Senat wird bei der Weiterentwicklung seiner Drogen- und Suchtpolitik auf die bewährten Strategien setzen: Schadensminimierung, Prävention und Beratung und Therapie für Abhängige. In diese Strategie gehört auch die Einrichtung von Gesundheitsräumen oder Drogenkonsumräumen in Berlin. Damit wird deutlich, dass das ein Teil einer umfassenden Strategie ist. Das will ich für Lernunwillige hier noch einmal sehr deutlich sagen.
Ab dem Frühjahr 2003 wird es an vier Standorten in Berlin, in Kreuzberg, Mitte, Charlottenburg und Schöneberg, diese Drogenkonsumräume geben. Zwei feste werden eingerichtet, und zwei Standorte werden durch den Drogenbus versorgt. Die dafür notwendige Verordnung ist in den letzten Tagen vom Senat beschlossen worden. Ich finde, das ist ein richtiger Erfolg von Rot-Rot, und ich bin froh, dass dieser Erfolg in einem Bereich erreicht worden ist, in dem es wirklich um Mitmenschlichkeit geht.
Ich finde, das ist durchaus für die jeweiligen Regionen eine Entlastung. Ich glaube, die Bewohnerinnen und Bewohner sehen es auch so, denn sie haben sich sehr intensiv in die Beratungen und die Entscheidung eingemischt.
Die Beratung, Herr Matz, hat mit den Bezirken stattgefunden, die betroffen sind. Reinickendorf gehört nicht dazu. Wenn die BVV in Reinickendorf einen anderen Beschluss gefasst hat und ihn mir mitteilt, ist das in Ordnung. Wir zwingen keinem Bezirk Drogenkonsumräume auf, sondern wir verstehen es als Hilfsangebot.
Ich jedenfalls zweifle nicht daran, dass dieses Konzept aufgeht. Und ich denke, es ist eines im Interesse der Mitmenschlichkeit.
Lassen Sie mich noch darauf eingehen, auf welche neuen Entwicklungen sich das Drogenhilfesystem einstellen muss und welche Umstrukturierungen wir vornehmen werden. Es ist festzustellen, dass es ein neues Verhalten zu unterschiedlichen Drogen gibt, dass Heroin zur Mode- und Leitdroge vergangener Zeiten geworden ist und dass heute zu anderen Suchtmitteln gegriffen wird. Dazu gehört Cannabis. Wenn heute fast ein Viertel aller Berliner Jugendlichen zwischen 12 und 24 Jahren Cannabis probiert, ist das fast das Doppelte wie vor 10 Jahren. Ich finde, das gibt durchaus Anlass zur Sorge. Aber ich sage auch hier: Aufklärung hat dabei absolute Priorität, Aufklärung und eine frühe Intervention beim Cannabiskonsum. Das ist die Linie des Senats, dazu gibt es bereits ein Modellprojekt. Erstauffällige Konsumentinnen und Konsumenten von Cannabis erhalten in diesem Projekt namens FreD gezielte Hilfen, um ihren Cannabiskonsum kritisch zu hinterfragen. Heute fand zu diesem Thema in meinem Haus eine Konferenz statt, auf der Jugend- und Drogenhilfe gemeinsam Perspektiven einer zukünftigen Drogenpolitik diskutiert haben, die sich mit diesen aktuellen Fragen beschäftigen muss.
Vielleicht noch einen kleinen Hinweis an Herrn Niedergesäß, der jetzt leider nicht anwesend sein kann: Das geht eben mit Rot-Rot, auch wenn der Kapitalismus weiter existiert, wie wir alle wissen.
Die Drogenhilfepolitik der Stadt ist damit durch einen wichtigen Baustein ergänzt worden. Das ist ein Erfolg, weil eines hier zu gelingen scheint oder gelingt, dass nämlich die Ordnungspolitik, zum Beispiel Polizei und Staatsanwaltschaft, gemeinsam mit der Drogenhilfe durch die Rechtsverordnung einen Rahmen gegenseitiger Akzeptanz gefunden hat. Das ist eben der Unterschied, Herr Henkel, und deshalb müssten Sie doch zu diesem Problem, zu Hamburg, ein bisschen mehr lesen. Ich empfehle Ihnen, schauen Sie doch einfach zu Ihrer CDU-Kollegin nach Frankfurt, die dort sehr bereitwillig und mit großem Erfolg das Konzept von Rot-Grün übernommen hat und damit offensichtlich eine zufriedenstellende Politik im Drogenbereich macht.
die Drogenkonsumräume sind meiner tiefen Überzeugung nach eine niedrigschwellige Überlebenshilfe für Abhängige.