Herr Ratzmann hat es schon gesagt: Alle Spekulationen, die in eine andere Richtung gehen, werden durch jüngste Untersuchungen widerlegt. Man muss so etwas auch einmal zur Kenntnis nehmen.
In den Drogenkonsumräumen finden Abhängige hygienische und geschützte Bedingungen, um ihre Drogen zu nehmen. Sie werden medizinisch betreut, und sie erhalten Beratung zum Ausstieg, wenn sie diese Hilfe suchen.
Auch Ihre These, diese Räume zögen Fixerinnen und Fixer an, ist durch die Untersuchung widerlegt worden. Eines ist doch auch klar: Diese Räume sind dort, wo die Szene ist. Es werden nicht plötzlich neue Szenen geschaffen, sondern wir reagieren hier mit Hilfeangeboten auf einen Zustand, der schon existiert und der für alle dort Lebenden schon vorher belastend existiert hat. Ich bin der Überzeugung, dass es mit den Drogenkonsumräumen in diesen Brennpunkten für die dort lebenden Menschen zu einer Entlastung kommt. Es gibt dann zum Beispiel keine Spritzen mehr in den Treppenaufgängen, es liegen keine Drogenkonsumierenden mehr in den Fahrstühlen, und die Kinderspielplätze sind frei von Spritzen und ähnlichen Utensilien.
Kriminalisierung ist auch hier keine Lösung. Deshalb unterstütze ich die Initiative der Justizsenatorin zur Strafverfolgungsfreiheit bei geringem Cannabisbesitz für den Eigenbedarf.
Ich setze in der Sucht- und Drogenpolitik noch viel stärker auf Prävention, als wir es bisher gemacht haben, weil ich glaube, Prävention ist eine Investition in die Zukunft für den Einzelnen, aber eben auch für die Gesellschaft.
Wir werden bei der Prävention nicht an den alten Strukturen festhalten, sondern auf der Grundlage eines von uns in Auftrag gegebenen Gutachtens ein neues, flächendeckendes Präventionskonzept für diese Stadt entwickeln. Wichtige Voraussetzung dafür ist der auf fünf Jahre abgeschlossene Ligavertrag zur Finanzierung und Weiterentwicklung des ambulanten Drogenhilfe. Wir werden auf der Grundlage einer Bedarfsanalyse künftig sicherstellen, dass die sechs Suchthilferegionen mit ambulanter Drogenhilfe versorgt werden und dort Brennpunktteams je nach örtlichen Gegebenheiten und Bedingungen arbeiten können. Ich kann Ihnen versichern: Damit können wir uns bundesweit sehen lassen. Das hat es bisher in der bundesrepublikanischen Drogenpolitik noch nicht gegeben.
Vielen Dank! – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Henkel! Ich bin gespannt auf Ihre Kampagne gegen Drogenkonsumräume: „Weg mit der Berliner Eckkneipe!“ Das wird die CDU in dieser Stadt wieder mehrheitsfähig machen.
Deshalb richten wir im Interesse und auf Wunsch sehr vieler Anwohner und Anwohnerinnen von offenen Drogenszenen in Berlin – ich sagte Ihnen bereits, erkundigen Sie sich bei Herrn Wansner, wo es die überall gibt – und in unserer Verantwortung für den Gesundheitsschutz aller Menschen dieser Stadt Drogenkonsumräume ein. Endlich, muss man an dieser Stelle einmal sagen.
Bürger beteiligen sich an dieser Debatte seit Jahren. Eine echte Bürgerbeteiligung von unten auch ohne Regelung findet statt. Die Druckrauminitiativen, die seit Jahren die Debatte vor Ort organisiert, wird es auch in Zukunft weiter tun. Das ist etwas, was wir uns nur wünschen können, nämlich dass die Bürgerinnen und Bürger selbst aktiv werden. Auch die SPD ist am Kottbusser Tor seit 13 Jahren dabei, für einen Drogenkonsumraum zu kämpfen. Jetzt kommt er.
Für die Drogenpolitik in Berlin wird es darauf ankommen, eine gute, nach regionalen Besonderheiten ausgerichtete Grundversorgung zu etablieren. Diese ermöglicht, im Unterschied zur zentralisierten Spezialversorgung, die enge Verzahnung mit anderen Beratungs- und Hilfestrukturen, wie es zum Beispiel für die Zielgruppe Migrantinnen und Migranten ausgesprochen notwendig ist.
Berlin hat schon heute ein sehr gut ausgebautes Hilfesystem für Drogenabhängige. Auf das können wir getrost aufbauen. Aber ich will erreichen, dass die unterschiedlichen Sparten der Suchtprophylaxe und -hilfe enger miteinander verzahnt werden. Wichtig ist mir dabei vor allen Dingen eine stärkere Öffnung der Drogenhilfe für die Problematik der Alkoholkranken. Denn das umfangreiche Netz ausgesprochen niedrigschwelliger Angebote, das wir in der Drogenhilfe haben, würde auch den Alkoholabhängigen und Hilfesuchenden zu Gute komme. Das ist dringend notwendig in dieser Stadt, denn daran mangelt es tatsächlich.
Der Umbau der Präventionsstrukturen und die Ausweitung der schadensbegrenzenden Angebote werden die beiden Hauptpole unserer künftigen Drogenpolitik sein. Aber, das sage ich auch sehr deutlich, wie in vielen anderen Bereichen werden wir in der Drogenpolitik nicht allzu viel zu verteilen haben. Deshalb werden wir das teure Nebeneinander von Klein- und Kleinstprojekten überprüfen und über eine Neuorganisation der Trägerstrukturen sprechen. Ich favorisiere dabei in der Drogenpolitik, wie in vielen anderen Bereichen auch, eine integrierte Versorgungsstruktur vor teurer und unverbundener Spezialversorgung. Ich denke, die Hilfeangebote müssen in die Regionen verlagert werden. Dies kann und wird zu Lasten überregionaler, zentraler Beratungsstellen gehen, aber bestimmt – da bin ich mir sicher – dazu beitragen, dass die Fachkräfte dort organisiert sind, wo die betroffenen Menschen leben und wo sie die nötige Hilfe brauchen. Dies ist im Interesse der Betroffenen und – das ist das Gute daran – auch im Interesse der finanziellen Möglichkeiten dieser Stadt. Wenn wir das schaffen, ist viel erreicht. Alle werden davon profitieren. Wenn wir dafür auch noch einen breiten parlamentarischen, aber selbstverständlich auch noch außerparlamentarischen Konsens finden, würde mich das ausgesprochen froh machen. – Danke schön!
Wir kommen jetzt zur zweiten Rederunde, in der noch fünf Minuten Redezeit pro Fraktion zur Verfügung stehen. Ich appelliere zwischendurch an das Haus, den Geräuschpegel etwas zu senken, um Aufmerksamkeit für die Rednerinnen und Redner zu haben. Danke schön! – Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Over von der Fraktion der PDS. – Bitte schön, Sie haben das Wort!
Nur soviel zur Druckraumdebatte: Wer keine Spritzen mehr auf Spielplätzen finden will – und ich will die dort nicht finden, wenn ich mit meinen Kindern dort spiele –, der muss den Konsum regeln.
Doch nun zu unserem Thema der heutigen Aktuellen Stunde: „Prävention und Hilfe statt Kriminalisierung“. Das ist der Beginn einer Wende in der Drogenpolitik in dieser Stadt, über den ich sehr froh bin und der längst überfällig ist. Es ist eine Glaubwürdigkeitsfrage der Politik, ob sie weiter an dem Postulat der drogenfreien Gesellschaft festhält oder ob sie akzeptiert, dass in dieser Gesellschaft inzwischen ganz andere Realitäten herrschen, dass es millionenfache Drogenbenutzerinnen und -benutzer gibt, und zwar sowohl Genussmittelkonsumenten und -konsumentinnen als auch Süchtige.
Was ist nun das Ergebnis der Kriminalisierung von Drogenkonsumentinnen und -konsumenten? – Gesellschaftlich kostet der Kampf gegen den Drogengebrauch nicht nur Milliarden Euro an Kosten für Verfolgung und Bestrafung inklusive anschließender Kosten für Resozialisierung und Therapie. Viele Polizeikräfte sind auch der Meinung, dass hier nicht nur Geld, sondern auch Arbeitszeit vergeudet wird, dass das, was sie an dieser Stelle tun, unter den Begriff grober Unfug fällt. Vor allen Dingen, wenn die CDU-Fraktion an dieser Stelle mit der polizeilichen Kriminalstatistik argumentiert, dann sage ich: Ein Drogendelikt ist nicht automatisch ein Drogendelikt, es wird erst eines, wenn die Polizei es verfolgt. Normalerweise ist es keines, erst in dem Fall, wenn es einen Anzeigenden gibt.
Beim Genuss haben Alkohol und Cannabis, um jetzt das Thema zu wechseln, sehr viel gemein. In Maßen genossen ist es anregend, angenehm und ungefährlich. Es ist das bevorzugte Genussmittel von Hunderttausenden Menschen in der Stadt. Doch auch Cannabis ist gefährlich. Das Gefährlichste daran ist der damit zumeist einhergehende Tabakkonsum. Auch ich gestehe an dieser Stelle: Ich kiffe gern und das lasse ich mir von niemandem verbieten, auch nicht von konservativen Politikern der Union. Es ist doch eine gesellschaftliche Realität. In jeder besseren Kneipe dieser Stadt kann man gepflegt rauchen –
überhaupt kein Problem! Und Sie tun so, als ginge es hier um grandiose Verbrechen. Nein, diesem Streit um den falschen und richtigen Lebensstil schließen wir uns nicht an. Wir finden, dass das der Versuch ist, verantwortungsvolle Konsumenten in unerträglicher Weise zu stigmatisieren. Deshalb ist die PDS für die vollständige Legalisierung von Cannabis als Medikament, Rohstoff und Genussmittel. Wenn ich die Zeit noch hätte, erklärte ich Ihnen auch noch die Jugendschutzfragen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde jetzt zu meinem letzten Punkt kommen. Am 23. August nächsten Jahres haben Sie dann die Gelegenheit, mit mir zusammen auf der Hanfparade für die Legalisierung zu demonstrieren.
Auch Kollege Wieland war da schon häufiger. Ich hoffe, wir sehen uns auch dieses Mal. Es geht nämlich nicht nur darum, dass diejenigen hingehen, die selber Kiffer sind, sondern es geht darum, dass diejenigen hingehen, die diese unerträgliche Ungleichbehandlung im Gesetz nicht mehr ertragen.
Politisch gewollte verstärkte Kontrollen, wie wir sie unter der großen Koalition am Hermannplatz erlebt haben, führten dazu, dass wir von der Direktion 5 hörten: Wir bekommen nach jeder Kontrolle von der Direktion 3 gesagt: Warum habt ihr die schon wieder über die U-Bahn zu uns hochgetrieben? – Es ist reine Vertreibung, die an dieser Stelle stattfindet, und keine Regelung. Ergebnis: Wenn einem Abhängigen sein Stoff abgenommen worden ist, wird er eventuell noch eine weitere Straftat begehen. Das reine Gegenteil dessen, was wir wollen, haben wir damit erreicht. Ich weiß nicht, wie man das als Erfolg bezeichnen kann, dass er noch einmal losgeht, vielleicht einen Autoeinbruch macht, um an seine Tagesdosis zu gelangen, denn er ist ein Süchtiger, ein Kranker. Er will seine Sucht befriedigen, das ist das einzige, was ihn an dieser Stelle interessiert. Deshalb ist ein anderer Umgang gefragt: Raus aus der Kriminalisierung. Wenn man es sich individuell ansieht, ist das Ergebnis der Kriminalisierung oft noch viel fataler. Im schlimmsten Fall kommt zur Sucht noch Gefängnis hinzu. Dann gibt es allerdings wirklich keinen Anreiz mehr, aufzuhören. Diesen Kreislauf müssen wir durchbrechen. Deshalb fordert die PDSFraktion die Entkriminalisierung aller Drogengebraucher und -gebraucherinnen.
Was die gesundheitliche Gefährlichkeit betrifft, darüber haben schon andere referiert. Legale und illegale Drogen, alles ist schädlich. Je öfter, umso schädlicher. Aber hat das schon einmal jemanden davon abgehalten, Drogen zu nehmen? Geht es da nicht eher um die bewusste Entscheidung oder um die Überwindung der individuellen Sucht? Wissen wir nicht alle, dass Fahren unter Alkohol nicht nur verboten, sondern vielmehr Menschenleben gefährdet? Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einmal ehrlich, wer ist nicht schon einmal mit zwei Bier intus nach Hause gefahren – und zwar selbst am Steuer?
Außer dem Kollegen Hoff, den nehme ich hier ausdrücklich aus. – Es ist keine Frage, dass wir nicht aufgeklärt würden oder es nicht wüssten. Es ist keine Frage von Unwissenheit, es ist eine Frage von Kontrolle. Im Übrigen ist die einzig sinnvolle Tätigkeit der Polizei im Zusammenhang mit Drogenkonsum die Kontrolle. Deshalb plädiere ich ganz entschieden dafür: Wir brauchen Promillegrenzen nicht nur für Alkohol, sondern auch für THC und für bestimmte Medikamente und eben auch Kontrolle.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich würde Ihnen gerne noch etwas zum qualifizierten Fachhandel erklären, Neudeutsch auch Dealer genannt, aber ich fürchte, dass Sie das in dieser Form nicht mehr zulassen werden. Dann nur zum Abschluss mein letzter Satz:
Begeben wir uns auf den Weg der Vernunft. Der ist hier eingefordert worden. Machen wir uns endlich parlamentarisch an die Legalisierung von Cannabis, und erkennen wir damit gesellschaftlich längst existierende Realitäten an. – Vielen Dank, meine Damen und Herren!
Lieber Kollege Over! Bei Ihnen hatte man ein bisschen den Eindruck, als seien Sie gerade bekifft gewesen.
[Beifall bei der CDU – Zurufe von der PDS und der SPD – Doering (PDS): Woher kennen Sie diesen Zustand?]
Wir reden gerade eine Stunde und zehn Minuten über das Thema „Drogenkonsumräume – Prävention und Hilfe für Drogenabhängige“, und Sie scheinen sich in den alten Grabenkämpfen noch relativ gut zu Hause zu fühlen.
Wie geht es denn in der Sache? – Die Beratungsstelle für Opiatabhängige am Kottbusser Tor, die nach Einschätzung vieler Experten nicht in der Lage ist, eine solche Einrichtung zu leiten, wird derzeit präferiert. Wie sieht es mit der Ausstattung und dem Personal aus? – Es gibt keine Antwort von Ihnen darauf, wie Sie sich das vorstellen, sondern Sie führen denselben Krieg, den Sie der CDU und der FDP vorwerfen, sich nämlich in Grundsatzfragen zu verhaspeln. Eine Stunde und zehn Minuten lang haben Sie nichts anderes gemacht, als Grundsatzfragen zu diskutieren, aber nicht, wie Sie es dann in Wirklichkeit umsetzen. Die bestehende Arbeit leidet massiv darunter. Die Finanzierungstöpfe der Liga der Wohlfahrtsverbände wird dafür angezapft. Die 10prozentige Kürzung bei der Prävention ist das eine. Für die Folgefinanzierung ist ebenfalls nicht gesorgt. Die muss auch aus diesem Vertrag herausgenommen werden. Da machen sich viele Verbände Sorgen, wie dann die Prävention in der Stadt vernünftig funktionieren soll.